Briefwechsel

von Frank Wedekind und Tilly Wedekind

Frank Wedekind schrieb am 4. Juni 1905 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Verehrte große KünstlerinTilly Newes, Wedekinds spätere Ehefrau; er hatte die junge Schauspielerin bei der von Karl Kraus veranstalteten Wiener Premiere seiner dreiaktigen Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (Regie: Albert Heine) kennengelernt, die am 29.5.1905 in geschlossener Vorstellung „auf der Bühne des Trianon-Theaters im Nestroyhof“ stattfand, „das Kraus für diesen Zweck gemietet hatte“ [Nottscheid 2008, S. 141]. Die 19jährige Schauspielerin Tilly Newes spielte die Hauptrolle der Lulu, der 40jährige Frank Wedekind die Rolle des Mörders Jack. Die Generalprobe fand Wedekinds Tagebuch zufolge am 28.5.1905 statt („Generalprobe“), nach der Vorstellung am 29.5.1905 saß Wedekind beim Premierenessen zwischen seiner Verlobten Berthe Marie Denk und Tilly Newes („Vorstellung. Büchse der Pandora. Ich spiele Jack. Souper im Hotel Continental. Zwischen Marie Denk und Ottilie Newes“).!

Entzückendes Menschenkind!

ich habe Dir so unendlich viel zu danken, daß ich vergebens nach den treffenden Worten suche. Aber ich muß Dir sagen, wie hoch ich mich beglückt fühle, daß ich dich sehen und Dich kennen lernen durfte. Daß das PublikumAuf dem Theaterzettel zur Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ im Trianon-Theater am 29.5.1905 ist vermerkt (Faksimile in der „Fackel“): „Die Vorstellung findet vor geladenem Publikum statt.“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 182; Original: KHM-Museumsverband, Theatermuseum in Wien; URL: https://www.theatermuseum.at/online-sammlung/detail/81328/] mein abscheuliches Stück ohne Dein kluges und zugleich | so madonnenhaftes Spiel nicht so geduldig hingenommen hätte, darüber besteht für mich nicht der geringste Zweifel. Aber davon hast Du ja nichts. Ich habe zu meinem Bedauern bis jetzt noch keinerlei BesprechungDie Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ am 29.5.1905 wurde kaum besprochen, die „Wiener Theaterkritik schwieg sich weitgehend über dieses Theaterereignis aus“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 39]. Theodor Antropp hat die Inszenierung am 31.5.1905 im „Wiener Deutschen Tagblatt“ besprochen [vgl. KSA 3/II, S. 1258], eine weitere Besprechung in ähnlicher Tonart findet sich am Tag zuvor im „Deutschen Volksblatt“ [vgl. ‒r.: „Die Büchse der Pandora.“ (Erstaufführung in Wien am 29. Mai 1905.) In: Deutsches Volksblatt, Jg. 27, Nr. 5893, 30.5.1905, Morgen-Ausgabe, S. 1f.] – beide Wedekinds Tragödie ablehnend; nicht so im „Berliner Tageblatt“, dessen Wiener Korrespondent lobende Worte fand [vgl. Eine Aufführung von Wedekinds „Büchse der Pandora“ in Wien. In: Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 275, 31.5.1905, Morgenblatt, 1. Beiblatt, S. (2)]. Diese drei Besprechungen und eine weitere Rezension – am 4.6.1905 im „Neuen Pester Journal“ – hat Karl Kraus nachgewiesen und aus den Artikeln zitiert [vgl. Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 17f.]. Karl Kraus meinte allerdings über die Presseresonanz der Premiere: „Die Wiener Groß-Presse hat ein Ereignis, das in literarischer, theatralischer und gesellschaftlicher Beziehung wohl die stärkste ‚Sensation‘ war, die sich seit langem auf einer deutschen Bühne abgespielt hat, glattweg unterschlagen.“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 183/184, 4.7.1905, S. 45] über die Aufführung zu Gesicht bekommen. Und doch wünschte ich so sehr daß Dir Deine herrliche Leistung an jenem Abend zum Glück gereichen möchte. Ich kann mich auch gar nicht in den Gedanken finden, daß wir uns zum | ersten und letzten Mal gesehen haben sollten. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen die höchsten künstlerischen Erfolge und Triumphe, die einem Menschenkinde beschieden sein können.

Und nachdem ich Dir so tief verschuldet, wage ich nun sogar noch eine Bitte. Aber mißversteh mich darin nicht. Ich gehe nicht darauf aus, Kunst-Trophäen zu sammeln. Ich habe noch kaum eine Künstlerin um dieses Geschenk gebeten. Es thäte mir aber un|lichSchreibversehen, statt: unendlich. weh, Dein süßes Bild, wie Du im zweiten Akt erschienst, mit der Zeit aus dem Gedächtnis verlieren zu müssen. Hast Du nicht vielleicht eine AufnahmeEine Fotografie, auf der Tilly Newes das genannte Kleid im 2. Akt der „Büchse der Pandora“ trägt, ist überliefert; Bildunterschrift: „Tilly Newes als Lulu / Büchse der Pandora II. Wien 1905“ [Kutscher 2, vor S. 161]. von Dir in dem KleideLulu im 2. Akt der „Büchse der Pandora“ (1903) „trägt eine weiße Directoirerobe mit mächtigen Puffärmeln und einer vom oberen Taillensaum frei auf die Füße fallenden weißen Spitze; die Arme in weißen Glacés, das Haar hochfrisiert mit einem kleinen weißen Federbusch.“ [KSA 3/I, S. 497] das du im zweiten Akt trugst? Wenn Du eines hast, dann weißt Du, wenn wen Du sehr glücklich damit machen könntest. – – Ich bitte Dich, IhnAnspielung auf den Schriftsteller Paul Eger, den „damaligen Liebhaber“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 39] oder Verlobten von Tilly Newes. aufs beste von mir zu grüßen. Die Gefühle des Neides kommen nicht auf. Dazu habe ich Dich zu lieb. Dafür bleibe ich aber auf ewig
in Dankbarkeit ergeben
Dein Bewundrer und Verehrer
Frank Wedekind.


München, Franz Josefstraße 42.

4.VI 5.

Tilly Wedekind schrieb am 7. Juni 1905 - 12. Juni 1905 in Wien folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mittwoch. 7./VI.


Lieber Herr Frank Wedekind! ich danke Ihnen sehr für Ihren lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind [hier noch: Newes], 4.6.1905., auf den ich natürlich furchtbar stolz bin. Mir war auch sehr leid, dass niemandBesprechungen der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ am 29.5.1905 waren zwar spärlich, aber Karl Kraus hat vier Rezensionen – am 30.5.1905 im „Deutschen Volksblatt“, am 31.5.1905 im „Wiener Deutschen Tagblatt“ und im „Berliner Tageblatt“, am 4.6.1905 im „Neuen Pester Journal“ – nachgewiesen [vgl. Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 28]. über die Vorstellung geschrieben hat. Deshalb bleibt es mir aber doch ein unvergesslicher Abend. – | Um länger hier bleiben zu können, erzählte ich meinen Verwandten von einer 2ten VorstellungDie zweite (wiederum geschlossene) Vorstellung der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ fand am 15.6.1905 statt (ein Donnerstag), der genaue Termin wurde aber erst nach dem 11.6.1905 festgelegt, wie der „Fackel“ vom 9.6.1905 zu entnehmen ist, in der Karl Kraus den Vorverkauf annoncierte: „Eine Wiederholung der ‚Büchse der Pandora‘ vor geladenen Gästen wird zwischen 14. und 17. Juni stattfinden, wenn es gelingt, ihr die Mitwirkung aller jener Kräfte zu sichern, die an der ersten Vorstellung beteiligt waren und von denen manche sich zur Zeit außerhalb Wiens aufhalten. [...] Alle jene, die die Vorstellung, in der der Dichter wieder selbst auftreten wird, zu sehen wünschen, werden ersucht, bis zum 11. Juni dem Verlag der ‚Fackel‘ [...] bekanntzugeben, daß und zu welchem Preise sie (auf Namen lautende) Eintrittskarten zu beziehen wüschen [...]. Nach dem 11. Juni erfolgt dann eventuell die Einladung, bezw. die Billetausgabe.“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 28] Wedekind hat auf den vorliegenden Brief von Tilly Newes dieses Datum 11.6.1905 notiert. u. nun sagt mir Carl KrausTilly Newes in Wien wurde von Karl Kraus mündlich informiert; der Herausgeber der „Fackel“ hatte Wedekind bereits zu einer zweiten Vorstellung der von ihm veranstalteten Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ eingeladen, wie aus Wedekinds Reaktion auf die „Einladung“ hervorgeht: „Das ist ja ausgezeichnet“ [Wedekind an Karl Kraus, 5.6.1905]., dass tatsächlich eine stattfinden soll. den
12./VI.der 12.6.1905 (Montag), das zweite Schreibdatum [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 9].
Was mögen Sie wohl schon von mir denken? Ich war nämlich gräßlich erkältet u. lag im Bett. „ErPaul Eger, der Geliebte oder Verlobte von Tilly Newes.schickte mir seinen Freund der Doktor istnicht identifiziert. u. machte mir | täglich auch einen Besuch. Das war allerdings wunderhübsch, hat die Erholung aber nicht gerade beschleunigt. Nun also Donnerstag ist’sder 15.6.1905; der Termin der zweiten Vorstellung der „Büchse der Pandora“ in Wien, der nun feststand (siehe oben).! Ich freu’ mich sehr u. finde es sehr, sehr nett, dass ich Sie sobald wiedersehen kann. Ich werde mich auch für Sie in dem Kleid photographierenTilly Newes ließ sich dann, wie von Wedekind in seinem Brief an sie vom 4.6.1905 gewünscht (siehe oben), in dem Rollenkostüm fotografieren, das sie im 2. Akt der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ trug, allerdings erst einige Monate später. Das Foto ist überliefert; Bildunterschrift: „Tilly Newes als Lulu / Büchse der Pandora II. Wien 1905“ [Kutscher 2, vor S. 161]. | lassen, schon um Ihnen zu beweisen wie sehr symphatischSchreibversehen, statt: sympathisch. Sie mir sind.

Wie lang sind Sie da?Wedekinds Tagebuch zufolge reiste er am 13.6.1905 von München ab („Abends Abfahrt nach Wien“), kam am 14.6.1905 in Wien an, traf seine Verlobte Berthe Marie Denk, besuchte mit Karl Kraus den Maler Carl Leopold Hollitzer, der das Porträt von Tilly Newes als Lulu im Pierrot-Kostüm für die Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ gemalt hat, das Wedekind bei dem Besuch besichtigte, hatte dann die Generalprobe für die zweite Vorstellung seiner Tragödie und war anschließend mit Berthe Marie Denk zusammen („Ankunft in Wien. Ich wohne bei Karl Kraus. Spazierfahrt mit Bertha Denk nach Kloster Neuburg. Besuch mit Kraus bei Kunstmaler Holitzer. Tilly Newes [ihr Name in hebräischen Buchstaben geschrieben] im Pierrotkostüm. Generalprobe. Wir nachtmahlen mit Bertha Denk im Volksgarten“), hatte am 15.6.1905 die zweite „Büchse der Pandora“-Vorstellung mit anschließendem Bankett („Berthe Denk weckt mich. Adele Sandrock hat sich von gestern auf heute verlobt und will nicht spielen. Albert Heine, Kraus und ich dinieren im Volksgarten. [...] Vorstellung. Ich spiele zum zweiten Mal Jack. Banket im Hotel Continental“) und reiste am 16.6.1905 nach München zurück („Besuch bei Bertha Denk. Wir diniren im Volksgarten. Im Café Museum treffe ich Kraus und Gustav Meyrinck. Kraus begleitet mich zur Bahn. Rückfahrt nach München“). Hoffentlich kann man ein paar gemütliche Stunden zusammen verbringen. „Erdankt für die GrüßeWedekind hat Paul Eger in seinem Brief an Tilly Newes vom 4.6.1905 (siehe oben) Grüße bestellt. u. erwiedertSchreibversehen, statt: erwidert. sie auf’s Herzlichste. Nun adieu lieber Wedekind, auf frohes Wiedersehn!

Ihre Tilly Newes

Tilly Wedekind und Paul Eger schrieben am 14. August 1905 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


München
Franz-Josefstraße 42
Herrn Frank Wedekind |


GRUSS AUS DER KUNST- UND BIERSTADT MÜNCHEN


14./VIII. Die herzlichsten Grüße auf der DurchreiseTilly Newes war in München auf der Durchreise nach Frankfurt am Main, wo sie am Residenztheater (Direktion: Otto Ploecker-Eckardt), das am 2.9.1905 eröffnet werden sollte, eine Engagement als Schauspielerin anzutreten im Begriff war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 378]. Ihr Geliebter oder Verlobter Dr. phil. Paul Eger – in Wien gerade mit der Dissertation „Die Buchillustration im Zeitalter der deutschen Klassiker“ (1905) promoviert – blieb in München, wie sich Tilly Wedekind erinnerte: „Auf der Weiterreise vermißte ich Paul“ [Wedekind 1969, S. 50]; im Frühjahr ist Paul Egers Stück „Operette. Szenen aus dem Leben einer Schauspielerin“ (1905) erschienen und er arbeitete nun an „Mandragola. Eine Komödie in drei Akten. Nach dem Stoffe eines alten Lustspiels des Macchiavell“ (1906), eine Ehebruchskomödie, die am 31.10.1906 am Münchner Schauspielhaus uraufgeführt wurde. senden
Tilly u. Paul E.Paul Eger hat die Bildpostkarte nach Tilly Newes unterschrieben – das betonte Tilly Wedekind in ihren Erinnerungen: „Ich schrieb eine Ansichtskarte an Frank Wedekind, München, Franz-Joseph-Straße 42, und Paul unterschrieb, wohl mit einer gewissen Genugtuung“ [Wedekind 1969, S. 50].

Tilly Wedekind schrieb am 28. August 1905 in Frankfurt am Main folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

München
Franz-Josefstrasse 42
Herrn Frank Wedekind |


Abs: Tilly Newes (Niemann„Schauspielername Tillys“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 42]. Tilly Wedekind erinnerte sich, sie habe sich „eine Zeitlang ‚Niemann‘“ [Wedekind 1969, S. 32] genannt.)
Frankfurt a./M.
Scharnhorststrasse 14 III. |


Frankfurt a/M.

Montag. 28.der 28.8.1905.


Lieber Frank Wedekind!

Eben wurde ich durch den „Schweinebraten“ in der Zeitung„Schweinebraten“ in der Zeitung] Wedekind konstatierte am 3.8.1905: „Männerstolz vor Schweinebraten steht in der Zeitung“ [Tb] – das war „aprosdoketisch formuliert nach Friedrich Schillers ‚Männerstolz vor Königsthronen‘ in dessen Ode ‚An die Freude‘“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 41]. Die Pressemeldung lautete: „Einen etwas merkwürdigen Titel, so schreibt man uns aus München, führt Frank Wedekinds neueste dreiaktige Komödie, die in der Münchener Gesellschaft spielt. Das absonderliche Stück heißt: ‚Männerstolz vor Schweinebraten‘ und kommt womöglich noch in diesem Spieljahre auf die Bühne. Wohl wieder einmal ein urechter Wedekind!“ [Neues Wiener Abendblatt, Jg. 39, Nr. 211, 2.8.1905, S. 4; vgl. Eine neue Komödie von Frank Wedekind. In: Die Zeit, Jg. 4, Nr. 1024, 2.8.1905, Abendblatt, S. 3] Daraufhin wurde gemeldet: „Frank Wedekind hat eine neue dreiaktige Komödie, die in der Münchener Gesellschaft spielt, vollendet. Das Stück hat, wie dem ‚N. W. Tgbl.‘ geschrieben wird, den merkwürdigen Titel: ‚Männerstolz vor Schweinebraten‘!“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 360, 4.8.1905, Vorabendblatt, S. 2; vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 393, 4.8.1905, Abend-Ausgabe, S. (2); Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 363, 5.8.1905, Morgen-Ausgabe, S. 6; Berliner Volks-Zeitung, Jg. 53, Nr. 363, 5.8.1905, Morgenblatt, S. (3); Leipziger Tageblatt, Jg. 99, Nr. 395, 5.8.1905, Abend-Ausgabe, S. 5; „Männerstolz vor Schweinebraten.“ In: Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 13, Nr. 210, 5.8.1905, S. 2; 6.8.1905, Altonaer Nachrichten, Jg. 56, Nr. 365, 6.8.1905, Morgen-Ausgabe, S. (2)] Dann hieß es: „Frank Wedekind teilt uns mit, daß die Nachricht, er habe ein neues Stück vollendet (‚Männerstolz vor Schweinebraten‘) sowie alle daran geknüpften Erörterungen in hiesigen und auswärtigen Blättern auf unkontrollierbaren Stammtisch-Klatsch zurückzuführen sind.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 398, 27.8.1905, S. 2] Die Presse hatte offenbar eine Satire auf Max Halbe dahinter vermutet: „Frank Wedekinds neues Drama: ‚Männerstolz vor Schweinebraten‘ soll die Lebensverhältnisse eines bekannten, in München wohnenden Theaterschriftstellers mit beißender Ironie darstellen. Von anderer Seite wird freilich die Ansicht vertreten, daß es sich bei der über Wien lancierten Ankündigung des seltsam betitelten Dramas nur um einen Schreckschuß gegen jenen anderen Münchner Dramatiker handle.“ [Das Stück mit dem seltsamen Titel. In: Dresdner Nachrichten, Nr. 234, 24.8.1905, S. (4)] Tilly Wedekind erinnerte sich: „In der Zeitung hatte ich gelesen [...], Frank Wedekind schriebe ein neues Stück mit dem Titel ‚Männerstolz vor Schweinebraten‘. Erst später erfuhr ich, was es mit diesem seltsamen Titel auf sich hatte und daß die Notiz zur schon sprichwörtlich gewordenen streitbaren Freundschaft zwischen Wedekind und dem Dichter Max Halbe gehörte. Ich schrieb nun gleich einen Brief an Wedekind und nahm auf die Zeitungsnotiz Bezug“ [Wedekind 1969, S, 51]. lebhaft an Sie erinnert! Also in Berlin werden Sie wieder selbst spielenTilly Newes dürfte in der Presse gelesen haben, Wedekind werde demnächst in Berlin auftreten: „Das Kleine Theater unter der Direktion Viktor Barnowskys wird die Reihe seiner Novitäten [...] am 21. September mit dem Schauspiel ‚Hidalla‘ von Frank Wedekind eröffnen. Die Darstellung der Hauptrolle hat Wedekind selbst übernommen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 435, 27.8.1905, Sonntags-Ausgabe, S. (2)], | oh verflucht, dass man nicht in Berlin sein kann! Am Liebsten käm’ ich hin.

Was man von Ihnen alles hört, Sie sind verlobtAnspielung auf Berthe Marie Denk; ihr hatte Wedekind seinen in der „Fackel“ von Karl Kraus erstveröffentlichten Einakter „Totentanz“ zugeeignet: „Meiner Braut in innigster Liebe gewidmet.“ [Frank Wedekind: Totentanz. Drei Szenen. In: Die Fackel, Jg. 7, Nr. 183/184, 4.7.1905, S. 1] Wedekind hatte ihr außerdem in der Sammlung „Die vier Jahreszeiten“ (1905) ein Gedicht gewidmet: „An Berta Maria, Typus Gräfin Potocka“ [KSA 1/I, S. 639; vgl. KSA 1/I, S. 910-913]. Sehen Sie, aus Empörung, dass sich | so interessante Menschen verloben, gieng ich hin u. tat desgleichen. Ja, ja, dazu geht man nach Graz zu seinen Eltern.

Er ist ein Serbe„Fiktion Tillys“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 42]., weiß riesig viel, u. ist auch sonst sehr nett. | Ja, das hätte ich in Wien nicht gedacht. Sie denken wohl, wieso dann die glückselige Karte von Münchenvgl. Tilly Wedekind [hier noch: Newes] und Paul Eger an Frank Wedekind, 14.8.1905.?! (Sie haben doch die Karte erhalten von Paul u. mir aus München.) Paul liebt mich | eben u. der andre liebt u. heiratet mich. Ich sage Ihnen das Wiedersehen war wunderschön. Wir waren am Wolfgangsee in Salzburg u. München. In München hielt ich mich nur Sonntag u. Montagder 13. und 14.8.1905. auf u. war mir sehr leid | dass ich Sie nicht aufsuchen konnte. Was ist mit Ihrer Frankfurter ReiseWedekind war erst im Jahr darauf vom 19. bis 21.2.1906 auf einer Vortragsreise in Frankfurt am Main [vgl. Tb]., von der Sie mal in Wien sprachen? Hier lass’ ich mich sicher für Sie photographierenWedekind hat Tilly Newes um ein Foto von ihr im Rollenkostüm der Lulu aus der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ gebeten [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.6.1905] und sie hat ein solches Foto zugesagt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.6.1905 bis 12.6.1905]., u. wenn Sie anirrtümlich nicht gestrichen. die Zeit der „Büchse der Pandorain WienWedekind war zunächst zu der von Karl Kraus organisierten Wiener Premiere seiner Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (29.5.1905), in der Tilly Newes die Lulu und er die Rolle des Jack spielte, vom 27. bis 30.5.1905 in Wien gewesen, dann zur zweiten Vorstellung (15.6.1905) nochmals vom 14. bis 16.6.1905 [vgl. Tb]. noch nicht ganz vergessen haben, senden Sie mir auch bitte, das Ihre! Herzlichsten Gruß Tilly Newes

Tilly Wedekind schrieb am 16. September 1905 in Frankfurt am Main folgenden Brief
an Frank Wedekind

16./IX. Samstag.


Lieber Herr Wedekind!

Gar nicht nett find’ ich das von Ihnen, dass Sie sich gar nicht mehr um mich bekümmern! Ich sage mir wohl, dass Sie sicher mit der Aufführung von „Hidalla“ (?) viel zu tun haben, aber wenn Sie wollten, hätten Sie sicher Zeit mir einen Karten Gruß zu senden. Nun in vier Tagenam 20.9.1905; angekündigt war die Berliner Premiere von „Hidalla“ am Kleinen Theater allerdings für den 21.9.1905: „Das Kleine Theater unter der Direktion Viktor Barnowskys wird die Reihe seiner Novitäten [...] am 21. September mit dem Schauspiel ‚Hidalla‘ von Frank Wedekind eröffnen. Die Darstellung der Hauptrolle hat Wedekind selbst übernommen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 435, 27.8.1905, Sonntags-Ausgabe, S. (2)] ist’s ja. Ich bin sehr gespannt, will mir auch das Buchdie Erstausgabe von Wedekinds fünfaktigem Schauspiel „Hidalla oder Sein und Haben“ (1904), erschienen im Verlag Dr. J. Marchlewski und Co. in München [vgl. KSA 6, S. 386]. kaufen. Ich werde an Sie denken den Abend!! | Abgesehen davon, dass Sie mir sehr sympatischSchreibversehen, statt: sympathisch. sind, verfolge ich heut einen ganz bestimmten Zweck mit meinem Brief. Mein DirectorTilly Newes hatte als Schauspielerin ein Engagement am Residenztheater in Frankfurt am Main unter der Direktion von Otto Ploecker-Eckardt, der dieses Theater (das bisherige Orpheum-Theater) neu gegründet und am 2.9.1905 eröffnet hatte [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 378]., Plöcker-Eckardt, hat mir nämlich heut erzählt, dass er in Berlin mit Dir. BarnowskyVictor Barnowsky war Direktor und Oberregisseur am Kleinen Theater in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 277]; er hatte die Direktion des Kleinen Theaters zum 1.9.1905 von Max Reinhardt übernommen. gesprochen hat. Dieser wollte mich eventuell einige Zeit im Winter in Berlin haben, für eine Aufführung der „BüchseEine Aufführung von Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) am Kleinen Theater in Berlin kam nicht zustande.. Plöcker würde mich auch frei geben. Nun können Sie sich denken, wie sehr ich das wünsche, damit kann ich mich überhaupt machenim Sinn von: kann aus mir etwas werden.. Barnowsky selbst kann ich mich | aber wohl nicht direct antragen, u. so wende ich mich an Sie.

Den reizenden Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind [hier noch: Newes], 4.6.1905., den Sie mir damals schrieben, hab’ ich mir aufgehoben. Es tat Ihnen damals leid, dass mir die Aufführung nicht gleich ein gutes Engagement eintrug; nun wäre es vielleicht doch noch entscheidend für meine Carriere. In wie fern, u. wie weit Sie mir nützen können, werden Sie selbst am Besten wissen, u. überlasse ich Ihnen das vollständig. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, lieber Wedekind! |

Wie schön wäre es, in Berlin zu spielen, u. welch’ herrliche Gelegenheit Sie wiederzusehen!

Mein BildTilly Newes hat im vorangehenden Brief ein Foto von sich angekündigt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.8.1905], das lange versprochen war – Wedekind hat sie wenige Tage nach der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ um ein Foto von ihr im Rollenkostüm der Lulu gebeten [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.6.1905] und sie hat ein solches Foto zugesagt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.6.1905 bis 12.6.1905]. wird nächste Woche fertig, schicke es dann nach Berlin. Wenn man Ihnen an’s kleine TheaterAdresse des Kleinen Theaters in Berlin (Direktion: Victor Barnowsky): Unter den Linden 44. Wedekind war seit dem 8.9.1905 in Berlin, wie er im Tagebuch festhielt („fahre [...] nach Berlin. Gehe ins Kleine Theater“), um im Kleinen Theater an den Proben für „Hidalla“ teilzunehmen, so am 9.9.1905 („Um 10 Uhr Probe“), 12.9.1905 („Um 10 Uhr Probe“), 16.9.1905 („Probe von 11-3“) und am 19.9.1905 als nächstem Probentermin („Um 10 Uhr Probe“) – er spielte die Rolle des Karl Hetmann, Regie führte Victor Barnowsky. schreibt, genügt doch?!

Hier giebt es auch einige ganz nette Leute, es lässt sich auch in Frankfurt leben. Gestern machten wir einen herrlichen Spazierritt nach Isenburg.

Wollen Sie mir zum Zeichen, dass Sie an mich denken, eine Karte schreiben?

Ihre LuluTilly Newes hat in der von Karl Kraus organisierten Inszenierung von Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ in Wien (gespielt in geschlossenen Vorstellungen am 29.5.1905 und 15.6.1905) die Hauptrolle der Lulu gespielt – hier haben sie und Wedekind sich kennengelernt.

Tilly Niemann (Newes) Residenztheater

Frank Wedekind schrieb am 18. September 1905 in Berlin folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Kartenbrief


An
Fräulein Tilly Niemann
in Frankfurt a/M.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Residenztheater |


Absender: Wedekind
Berlin, Schiffbauerdamm 6 III. |


Meine liebe Tilly, ich hatte schon sicher gehofft, Dich hier zu treffen, da ich Dich Barnowsky so eindringlich angepriesenVictor Barnowsky hatte von Wedekind ein Urteil über Tilly Newes erbeten [vgl. Victor Barnowsky an Wedekind, 1.8.1905]; Wedekind antwortete sofort [vgl. Wedekind an Victor Barnowsky, 2.8.1905] und der künftige Direktor des Kleinen Theaters in Berlin bedankte sich für die Auskunft [vgl. Victor Barnowsky an Wedekind, 5.8.1905]. Tilly Wedekind fasste die Briefäußerung im Rückblick so zusammen: „Er habe schon versucht, schrieb Wedekind, Barnowsky für mich zu interessieren, und er werde ihn aufs neue bearbeiten.“ [Wedekind 1969, S. 51] hatte wie man jemanden anpreisen kann. Er hatte aber Hidalla schon besetztDie Presse meldete zur Rollenbesetzung der Berliner „Hidalla“-Premiere: „Im Kleinen Theater gelangt am Donnerstag, den 21. d.M., als erste der vom Director Barnowsky erworbenen Novitäten das fünfactige Schauspiel ‚Hidalla‘ von Frank Wedekind zur Aufführung. Die Hauptrolle (Karl Hetmann) spielt Wedekind selbst. Neben ihm sind in hervorragenden Rollen Gertrud Arnold, Ilka Grüning, Rudolf Klein-Rohden, Julius Geisendörfer, Hans Kuhnert, Edgar Licho und Erich Walter an der Darstellung betheiligt. Das Stück wird von Victor Barnowsky in Scene gesetzt.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 439, 19.9.1905, Morgen-Ausgabe, S. 8] Tilly Newes hatte an der Rolle der Fanny Kettler Interesse, die mit Gertrud Arnold besetzt war.. Jetzt aber scheint alles in Ordnung zu sein. Wenige Tage nach der Premiere wird Barnowsky in Frankfurt sein um Dich zu sehen. Hoffentlich bringt er Dich gleich mit. |

Ich danke Dir herzlich für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind [hier noch: Newes] an Frank Wedekind, 28.8.1905 und 16.9.1905. und gratuliere Dir zu Deiner Verlobung mit dem SerbenTilly Newes hat eine solche Verlobung (mit einer erfundenen Person) in ihrem vorletzten Brief behauptet [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.8.1905]., der Dich nicht nur liebt, sondern auch heiraten wird. Hat er denn auch Geld um dem schönen Kleinod die richtige Fassung zu geben? – Verzeih mir die Kürze meiner Antwort, aber zu HauseWedekind hat die Berliner Wohnung Schiffbauerdamm 6 (3. Stock) am 9.9.1905 bezogen: „Darauf miethe ich mich Schiffbauerdamm No 6 ein.“ [Tb] kann ich nicht schreiben und möchte Dich nicht noch länger warten lassen. Auf baldiges Wiedersehn! Ich küsse das Heiligthum.
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 23. September 1905 in Frankfurt am Main folgenden Brief
an Frank Wedekind

Sonnabendder 23.9.1905 (Samstag)..


Lieber Wedekind,

hier bin ichTilly Newes dürfte das von Wedekind vor Monaten erbetene Foto [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.6.1905] ihrem Brief beigelegt haben, das sie im Rollenkostüm der Lulu aus dem 2. Akt der „Büchse der Pandora“ zeigt. Es ist überliefert; Bildunterschrift: „Tilly Newes als Lulu / Büchse der Pandora II. Wien 1905“ [Kutscher 2, vor S. 161]., wie versprochen. Hidalla ist verschoben? Die Berliner Premiere von „Hidalla“ im Kleinen Theater unter der Regie von Victor Barnowsky mit Wedekind in der Rolle des Karl Hetmann war für den 21.9.1905 (Donnerstag) angesetzt gewesen, wurde dann aber verschoben, wie Wedekind bereits am 19.9.1905 notierte: „Hidalla wird verschoben“ [Tb]. Die Presse meldete: „Die auf Donnerstag angesetzte Erstaufführung von ‚Hidalla‘ im Kleinen Theater mußte bis nächsten Dienstag, 26. ds., verschoben werden, da Frank Wedekind, der bekanntlich selbst die Hauptrolle in seinem Stücke spielt, in einer dringenden Proceßangelegenheit nach München abberufen wurde.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 441, 20.9.1905, Morgen-Ausgabe, S. 7] Wedekind ist nicht nach München gefahren. Die Berliner Premiere seines Schauspiels fand dann wie gemeldet am 26.9.1905 (Dienstag) statt und Wedekind hielt fest: „Hidalla Premiere in Berlin. Spiele zum 29. Mal Hetmann“ [Tb].Wie ich höre, soll es Dienstagder 26.9.1905; abends die „Hidalla“-Premiere im Kleinen Theater in Berlin (siehe oben). sein. Wollen Sie mich, bitte, mit einer Karte verständigen, wann Barnowsky sp kommt?! Ich soll dann nämlich Angele von Hartleben spielenTilly Newes sollte die Titelrolle in Otto Erich Hartlebens Komödie „Angele“ (1891) spielen, die seit dem Frühjahr (Premiere: 4.2.1905) auf dem Spielplan des Kleinen Theaters in Berlin stand und aktuell gespielt wurde. Tilly Wedekind erinnerte sich daran, die Rolle gespielt zu haben [vgl. Wedekind 1969, S. 55].. Am Besten wär’ es Sonntag 1./X.der 1.10.1905 (Sonntag). Victor Barnowsky hat Tilly Newes dann am 13.10.1905 in Frankfurt am Main aufgesucht [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1905]. Nachmittag. | Schreiben Sie mir’s doch sicher, lieber Wedekind, weil ich sonst gar nichts GescheidtesSchreibversehen, statt: Gescheites. spiele. Und vergessen Sie auch nicht, mir Ihr BildTilly Newes hat Wedekind vor einigen Wochen um ein Foto von ihm gebeten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.8.1905]. zu schenken.

Herzlichst
Ihre
Tilly N.


Ihr Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind [hier noch: Newes], 18.9.1905. hat mich unendlich gefreut. Vielen, vielen Dank!

Tilly Wedekind schrieb am 29. September 1905 in Frankfurt am Main
an Frank Wedekind

Freitagder 29.9.1905..


Lieber Wedekind!

In aller Eile meinen herzlichsten Glückwunsch zu „Hidalla’s“ Erfolg!Die Premiere von Wedekinds Schauspiel „Hidalla“ am 26.9.1905 im Kleinen Theater in Berlin unter der Regie von Victor Barnowsky mit Wedekind in der Rolle des Karl Hetmann wurde von der Theaterkritik sowie vor allem vom Publikum durchaus mit Beifall aufgenommen [vgl. KSA 6, S. 537, 551-562]. „Was in Berlin an Theaterkritikern Rang und Namen hatte, schrieb darüber.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 43]! Ich verschlang gestern schon die Berliner Blätter. Da ich jedoch | TILLY NIEMANN (Newes) umgezogenTilly Newes ist in Frankfurt am Main von der Scharnhorststraße 14 (3. Stock) [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.8.1905] in die Diesterwegstraße 14 (2. Stock) umgezogen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.10.1905]. bin u. ausserdem drei neue Rollennicht ermittelt. Tilly Wedekind erinnerte sich, sie habe im Frankfurter Residenztheater „Rollen in französischen Lustspielen“ [Wedekind 1969, S. 51] gespielt. vor mir habe, kann ich mich nur zu dieser Karte aufschwingen. Sie wissen wie’s gemeint ist!

Herzlichst Ihre ./.‚gegen‘ ‒ dies bedeutet üblicherweise der Schrägstrich in Verbindung mit zwei Punkten, hier wohl im Sinne eines Gedankenstrichs oder als Signal für: bitte wenden.


[Kuvert:]


Berlin N.W.
Schiffbauerdamm 6 III.
Herrn Frank Wedekind |


Abs: T.N.
Frankfurt a./M.
Residenztheater

Frank Wedekind schrieb am 1. Oktober 1905 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Liebe schöne Tilly!

ich danke vor allen Dingen für das schöne BildWedekind hat inzwischen das lange erwartete Foto erhalten, das Tilly Newes ihm vor einigen Tagen geschickt hat [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1905]; es zeigt sie im Rollenkostüm der Lulu aus dem 2. Akt der „Büchse der Pandora“ und ist überliefert; Bildunterschrift: „Tilly Newes als Lulu / Büchse der Pandora II. Wien 1905“ [Kutscher 2, vor S. 161].. Gestern sagte mir Barnowsky, es sei an Dich telegraphiert worden. Ich möchte nun nicht gerne, daß jemand erfährt, daß wir in | CorespondenzSchreibversehen, statt: Correspondenz. stehen weil daß/s/ die baldige Erfüllung unserer Wünsche nur beeinträchtigen könnte. Ich rede Barnowsky jeden TagWedekind dürfte Victor Barnowsky, den Direktor des Kleinen Theaters in Berlin, fast täglich gesehen haben, da fast jeden Abend im Kleinen Theater „Hidalla“-Vorstellungen stattfanden (Premiere: 26.9.1905) und Wedekind als Karl Hetmann auf der Bühne stand [vgl. Tb]. zu, Dich zu engagieren und ich hoffe auch daß er bald Ernst macht. Vielleicht hängt seine Entscheidung von übermorgen, Dienstagder 3.10.1905; Zusammenhang nicht ermittelt., ab. | Ich selber kann mir nichts sehnlicher wünschen als Dich für Hidalla hier zu habenWunsch, Tilly Newes möge in „Hidalla“ die Rolle der Fanny Kettler spielen, die allerdings aktuell mit Gertrud Arnold besetzt war.. Das sage ich ihm auch jeden Tag und preise ihm Deine sonstige künstlerischen Ve/o/rwendbarkeit/züge/. Daß ich auch sonst noch von Dir entzückt bin darf er natürlich nicht ahnen, da das meine Fürsprache entwerthen würde. Dir selber | wird es ja auch wol ziemlich gleichgültig sein, da Dein Herz ohnehin so reich bevölkert ist. Übrigens ist es nicht Eifersucht, was aus diesen Worten spricht. Im Gegentheil! Ich werde mich unter allen Umständen immer Deines Glückes freuen.

Mit herzlichstem Gruße
Frank Wedekind.


Berlin 1.10.5.

Tilly Wedekind schrieb am 3. Oktober 1905 in Frankfurt am Main folgenden Brief
an Frank Wedekind

Dienstagder 3.10.1905..


Lieber Wedekind,

Ihren Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind [hier noch: Newes], 1.10.1905. erhielt ich heute schon offen. Er wurde aus Versehen im BureauxSchreibversehen, statt: Bureau. ‒ Mitarbeiter im Büro das Frankfurter Residenztheaters (Neue Zeil 80/82) [vgl. Adreßbuch für Frankfurt am Main 1906, Teil I, S. 284] waren der Bürochef Josef Darmer, der Sekretär Gustav Josephson und der Bürogehilfe Georg Spohr [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 379], der den Brief Wedekinds geöffnet haben dürfte. geöffnet. Man behauptet, ihn nicht gelesen zu haben. Hoffentlich stimmt das, es wäre sehr unangenehm sonst.

Wollen Sie mir lieber an meine privat Adresse schreiben, jetzt: Sachsenhausen, Diesterwegstrasse 14II. Erst heute abend erhielt ich Barnowsky’s | Telegrammnicht überliefert.. „Wann ich günstigten’sSchreibversehen, statt: günstigsten. Falles frei kommen könnte.“

Ich werde morgen telegraphieren. Plöcker sagt sicher vom 16. Jänner abab dem 16.1.1906. Otto Ploecker-Eckardt, Direktor des am 2.9.1905 eröffneten Residenztheaters in Frankfurt am Main, hatte Tilly Newes zum Beginn der Spielzeit am 1.9.1905 als Schauspielerin engagiert, die eigentlich bis zum 1.7.1906 lief [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 378]., aber ich bin sicher, wenn Barn. mich früher haben will, kann ich auch eher loskommen. Er müsste nur einen bestimmten Termin nennen. Wenn doch die Sache schon sicher wäre!! Glauben Sie, dass mir alles andere gleichgültig ist?

Herzlichst Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. Oktober 1905 in Frankfurt am Main folgenden Brief
an Frank Wedekind

Frankfurt, Freitagder 13.10.1905..


Lieber Wedekind,

heute war also Barnowsky hier. Er hat mich Nachmittag’s in meiner Wohnung aufgesucht. Er gefällt mir gut, hoffentlich gefalle ich ihm auch. Ich sprach ihm den ersten ActDer 1. Akt der „Büchse der Pandora“ (1903) spielt in der Villa des toten Dr. Schön, in dem sich Lulus Liebhaber vor ihrer Flucht nach Paris um sie versammeln [vgl. KSA 3/I, S. 479-496].Büchse“ vor, ich glaube das hat ihm sehr gefallen. Abends spielte ich eine ziemlich unbedeutende Rollenicht ermittelt; sie habe im Frankfurter Residenztheater, auf dessen Spielplan fast ausschließlich „Boulevardstücke und Lustspiele“ standen, wie Tilly Wedekind sich erinnerte, in einem „Stück von Oscar Wilde“ eine kleine Rolle gespielt, in der sie „hauptsächlich vom Wetter und von einer Verlobung zu reden hatte“, sowie „Rollen in französischen Lustspielen“ [Wedekind 1969, S. 50f.]., er wollte aber wohl hauptsächlich wissen, wie ich aussehe. |

Es wird ihm doch keinen unangenehmen Eindruck machen, weiln ich meine Mutter bei mir habeMathilde Newes hat ihre Tochter von Graz nach Frankfurt am Main begleitet, wie Tilly Wedekind sich erinnerte: „In das neue Engagement nach Frankfurt begleitete mich meine Mutter“ [Wedekind 1969, S. 49].?! Er wird sich wohl denken, dass ich „Muttern“ nicht überall hin mitnehme. Das gienge wohl auch nicht gut, meinen Sie nicht??

Er fürchtet, dass ich für die Fanny Kettlereine der Hauptfiguren in Wedekinds Schauspiel „Hidalla“ (1904), das am 26.9.1905 im Kleinen Theater in Berlin unter der Regie des Direktors Victor Barnowsky Premiere hatte, mit Gertrud Arnold in dieser Rolle. Tilly Newes trat erstmals am 27.10.1905 in der Rolle auf, wie Wedekind im Tagebuch notierte („Hidalla [...] Erstes Auftreten von Tilly Newes“), dann aber am 30.10.1905 nochmals Gertrud Arnold („Hidalla [...]. Letztes Auftreten von Gertrud Arnold“), die sich am 31.10.1905 vom Kleinen Theater verabschiedete („Abschiedsabend von Gertrud Arnold“). Tilly Wedekind erinnerte sich: „Wedekind hatte mich gleich am Anfang für die weibliche Hauptrolle haben wollen, war aber mit diesem Wunsch nicht durchgedrungen“; sie „übernahm“ dann aber doch „diese Rolle, die mir außerordentlich lag.“ [Wedekind 1969, S. 53f.] zu Mädchenhaft, zu wenig weiblich bin. Ach, bitte, beruhigen Sie ihn doch darüber! LuluHauptfigur in Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903), die Tilly Newes in der Wiener Inszenierung gespielt (in geschlossenen Vorstellungen am 29.5.1905 und 15.6.1905) und Wedekind dadurch kennengelernt hat. braucht doch auch starke Weiblichkeit, u. ich glaube, das bet/s/itze ich | in hohem Maße, wenn ich auch sehr jung u. sehr schlank bin. Machen Sie ihm das doch begreiflich.

Leider scheint er doch zu ahnen, dass ich Ihnen, wie soll ich sagen, – auch sonst „sympatischSchreibversehen, statt: sympathisch.“ bin, auch macht er sich von der Fanny scheinbar eine andre Vorstellung wie Sie. Aber dies alles wird ihn hoffentlich nicht hindern, mich zu engagieren. Er will morgen | in Berlin mit meinem Director telephonisch sprechen, der leider in StraßburgOtto Ploecker-Eckardt war Direktor des Frankfurter Residenztheaters und zugleich Direktor des Uniontheaters in Straßburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 378]. ist u. wird mir dann telegraphieren.

Ich brauche Sie wohl nicht aufmerksam zu machen, von meinem Briefe zu schweigen; er wird ja wohl gleich selbst von mir sprechen, u. dann lieber Wedekind, beweisen Sie ihm möglichst unauffällig, dass ich genügend Weib bin, um die Fanny zu spielen. Ich möchte so gern. Aber jetzt, Lebwohl, es ist schon 1 Uhr! Herzlichst
Ihre Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 16. Oktober 1905 in Frankfurt am Main folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Berlin N.W.
Schiffbauerdamm 6 IIirrtümlich 2. Stock geschrieben; Wedekind wohnte im 3. Stock (Schiffbauerdamm 6)..
Herrn Frank Wedekind |


Lieber Wedekind,

Hurrah – nach Berlin!

Ich komme Mittwochder 18.10.1905. Wedekind notierte an diesem Tag: „Ankunft von Tilly Newes“ [Tb]. im Laufe des Tages, telegraphiereTilly Newes’ Telegramm an Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin, ist nicht überliefert. noch Barnowsky meine Ankunft. |

Ihre Tilly


Montagder 16.10.1905..

Tilly Wedekind schrieb am 23. Oktober 1905 in Berlin
an Frank Wedekind

Lieber Wedekind, bitte kommen Sie lieber zu mir, es ist Ihnen doch alles eins u. mir ist es bequemer. Wir werden in meinem | TILLY NIEMANN Zimmer sicher nicht gestört.

Also auf Wiedersehn, um welche Zeit Sie wollen. ./.‚gegen‘ ‒ dies bedeutet üblicherweise der Schrägstrich in Verbindung mit zwei Punkten, hier wohl im Sinne eines Gedankenstrichs oder als Signal für: bitte wenden.

Tilly Wedekind schrieb am 2. November 1905 in Berlin
an Frank Wedekind

Du, die BillettsTheaterkarten für die Doppelvorstellung von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ (1899) und Björnstjerne Björnsons Zweiakter „Die Neuvermählten“ (1865) am 2.11.1905 am Deutschen Theater in Berlin. Die Presse berichtete: „Im Deutschen Theater wurden gestern Björnsons ‚Neuvermählte‘ und Wedekinds ‚Kammersänger‘ in den Spielplan aufgenommen. Die vorgenommenen Neubesetzungen erwiesen sich als sehr glücklich, und besonders der Kammersänger von Paul Biensfeldt und die Helene Marowa in der Darstellung von Tilla Durieux fanden die verdiente Anerkennung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 562, 3.11.1905, Abend-Ausgabe, S. (2)] Weitere Vorstellungen fanden am 6. und 8.11.1905 statt. die man uns geschickt hat, sind ja für Donnerstagder 2.11.1905.! Ich lege sie bei! Wenn Du mir was sagen lassen willst, ich | TILLY NEWES
ich warte solange.

Herzlichst ./.‚gegen‘ ‒ dies bedeutet üblicherweise der Schrägstrich in Verbindung mit zwei Punkten, hier wohl im Sinne eines Gedankenstrichs oder als Signal für: bitte wenden.

Tilly Wedekind schrieb am 15. November 1905 in Berlin folgenden Zettel
an Frank Wedekind

IduschkaIda Orloff – sie „wurde allgemein ‚Iduschka‘ genannt“ und war eine ihrer „besten Freundinnen“ [Wedekind 1969, S. 40], erinnerte sich Tilly Wedekind – hatte am 29.5.1905 in der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ die Rolle der Kadidja di Santa Croce gespielt [vgl. KSA 3/I, S. 548]; Frank Wedekind hat sie in diesem Zusammenhang kennengelernt. hatte leider schon ihrem BruderRudolf Weißbeck (Rudolf Siegler von Eberswald), k.k. Leutnant aus Wien, war zu Besuch bei seiner Schwester Ida Orloff in Berlin. versprochen in den WintergartenDer Wintergarten in Berlin (Dorotheenstraße 25-29) war ein 2.200 Personen fassendes Varietétheater [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Anhang: Wegweiser für die Reise, S. 51], Geschäftsführer: Max Winter und Eduard Elkan [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 2495], das gerade eine besondere Attraktion hatte, wie die Presse berichtete: „Im Wintergarten übt la belle Otéro, deren Name über die ganze Welt bekannt ist, einen fascinirenden Zauber aus. Mit echt südlichem Temperament und entzückender Grazie singt, tanzt und spielt die Spanierin.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 533, 12.11.1905, Morgen-Ausgabe, S. 6] Die als Ikone der europäischen Belle Époque berühmte spanische Tänzerin Agustina del Carmen Otero Iglesias – Künstlername: La Belle Otéro – stand auch am 15.11.1905 auf dem Programm. Während Tilly Newes im Kleinen Theater auf der Bühne stand (siehe unten), ging Wedekind allein in den Wintergarten, wie er am 15.11.1905 notierte: „Im Wintergarten treffe ich Albert Heine und Saufe mit ihm die ganze Nacht bei Habel Stallmann und im Lindenkasino.“ [Tb] Mit Tilly Newes besuchte er das Varietétheater dem Tagebuch zufolge dann am 23.11.1905 („Abends mit Tilli und Ihrer Mutter im Wintergarten“) und 15.12.1905 („Mit Tilly im Wintergarten“). zu gehen, also ist nichts für heute. Und ich habe ja ganz vergessen, dass heute GhettoTilly Newes spielte in dem Trauerspiel „Ghetto“ (1898, deutsch 1903) von Herman Heijermans, das am 11.11.1905 am Kleinen Theater in Berlin Premiere gehabt hatte, die Rolle der Rose, „das Christenmädchen, die weibliche Hauptrolle“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 46]; sie hatte ganz vergessen, dass am 15.11.1905 (Mittwoch) anstatt am 14.11.1905 (Dienstag) eine Vorstellung angesetzt war: „Im Kleinen Theater findet in Abänderung des Spielplanes die nächste Aufführung des Trauerspiels ‚Ghetto‘ von Heyermans am Mittwoch statt. Dienstag wird Wedekinds ‚Hidalla‘, mit dem Autor in der Hauptrolle, gegeben. Weitere Wiederholungen von ‚Ghetto‘ folgen am Donnerstag, Sonnabend, Sonntag Abend und nächsten Montag“ [Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 581, 14.11.1905, Morgen-Ausgabe, S. (3)]. Die Presse urteilte, „Tilli Niemann“ sei als Rose anfangs gut gewesen „im Offenbaren scheuer Befangenheit, verhaltener und gedämpfter Innigkeit des Gefühls. Später, als die Leidenschaft ihr Recht verlangte, wollten die Mittel der sympathischen Anfängerin noch nicht recht ausreichen“ [M.J. (= Monty Jacobs): Zum ersten Male: Ghetto, ein Trauerspiel in drei Aufzügen von Hermann Heyermans. In: Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 578, 12.11.1905, Sonntags-Ausgabe, S. (2)]. „Nur Tilli Niemann fand in der Rolle der armen gequälten christlichen Magd so schlichte Töne, die zum Herzen gingen.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 533, 12.11.1905, Morgen-Ausgabe, S. 7] „Tilli Niemann hob die undankbare Rolle des Dienstmädchens durch die schlicht sympathische Art ihrer Darstellung.“ [Unterhaltungsblatt des Vorwärts, Jg. 22, Nr. 222, 14.11.1905, S. 888] Wedekind hat die Premiere besucht und war anschließend mit Tilly Newes zusammen, wie er am 11.11.1905 notierte: „Abends Premiere von Ghetto. Nachher mit Tilly [...] bei Habel dann Stallmann. Tilli kommt zu mir, bleibt bis 7.“ [Tb] ist u. ich spiele! Hoffentlich findest Du diese Zeilen, damit Du nicht umsonst zu mir gehst.

Herzlichst Tilly

Frank Wedekind schrieb am 29. November 1905 in Berlin folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Liebe Tilli, ich bitte dich zu mir herüberTilly Newes wohnte in Berlin Mitte (NW 6) in der Pension von Marie Hönike (Albrechtstraße 11) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 897], Wedekind um die Ecke in der Pension Nolte (Schiffbauerdamm 6) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 1598]. zu kommen. Aber gleich.

Frank

Frank Wedekind schrieb am 6. Dezember 1905 in Berlin folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Mein liebes Kind,

ich hole Dich um 7 Uhrum 19 Uhr. Wedekind notierte am 6.12.1905: „Nach dem Theater große Gesellschaft im Prinzen Wilhelm. Hermann Bahr, Martersteig, Holländer, Kahane, Siegfried Jakobson, Fritsch, Orlik, Tilly und ich. Sie bleibt die ganze Nacht bei mir“ [Tb]. Das Theater war das Kleine Theater, wo Otto Erich Hartlebens Komödie „Angele“ (1891) auf dem Programm stand, in der Tilly Newes die Titelrolle spielte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 1.1.1906]; die Vorstellung begann um 20 Uhr [vgl. Berliner Morgenpost, Jg. 8, Nr. 286, 6.12.1905, 2. Beilage, S. (2)]. Danach war Wedekind mit ihr auf der Gesellschaft im Restaurant Prinz Wilhelm in Berlin (Dorotheenstraße 16, 1. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 908]. in Deiner WohnungTilly Newes wohnte in Berlin N.W. in der Albrechtstraße 11 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.2.1906]; in dem Haus gab es drei Pensionen, Hotel und Pension von Elisa Herpich (vormals „Frau Dr. Elise Müller“) im 2. Stock, das Pensionat von Marie Hönike und das Pensionat von Bertha Schleth [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil III, S. 11], wobei Tilly Newes bei Marie Hönike (Albrechtstraße 11, Hochparterre) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 897] in Untermiete gewohnt haben dürfte, wie der weitere Kontakt mit der Pensionsbetreiberin nahelegt [vgl. Marie Hönike an Wedekind, 10.1.1907]. ab. Die HerrenDas waren Wedekinds Tagebucheintrag vom 6.12.1905 zufolge (siehe oben) außer ihm selbst Herren vom Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt), so die drei Dramaturgen Felix Hollaender, Arthur Kahane und Efraim Frisch (Leiter der Schauspielschule) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 271], oder im Umkreis des Deutschen Theaters, so Hermann Bahr (er war dann als Regisseur am Deutschen Theater tätig) und Emil Orlik (er war dann als Bühnenbildner für das Deutsche Theater tätig), außerdem der Theaterleiter Max Martersteig (erster Ehemann von Gertrud Eysoldt) und der Journalist Siegfried Jacobsohn (Herausgeber der Zeitschrift „Die Schaubühne“). erscheinen im Frack.

Besten Gruß
Frank

Frank Wedekind schrieb am 28. Dezember 1905 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Liebe Tilly,

ich bin in einer so unbehaglichen StimmungWedekinds Gedanken waren dem Tagebuch zufolge seit dem 15.12.1905 („Bertha Marias Geburtstag“) bei Berthe Marie Denk, von der er am 17.12.1905 einen gemeinsam mit Karl Kraus Brief geschrieben Brief erhalten hat („Brief von Kraus und Bertha Maria“) [vgl. Karl Kraus, Berthe Marie Denk an Wedekind, 16.12.1905], der ihn beschäftigt haben dürfte, und am 28.12.1905 einen weiteren Brief („Am Morgen erhalte ich einen Eilbrief von B M.D. sie will auf Neujahr hier sein“), in dem sie in den nächsten Tagen eine Reise zu ihm nach Berlin ankündigt [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 27.12.1905], der ihn erst recht in eine unbehagliche Stimmung versetzt haben dürfte. daß ich den Abend gerne allein bleibeWedekind hat den Abend des 28.12.1905 nicht mit Tilly Newes verbracht.. Ich bitte Dich, mir deshalb nicht zu grollen.

Herzlichst Frank

Tilly Wedekind schrieb am 1. Januar 1906 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mein lieber Frank, ich werde versuchen es niederzuschreiben, sagen kann ich es nicht, weil ich immer fürchte, Du lachst mich aus. Zuerst war es, wie es immer ist, ein Bischen Zuneigung, viel Sinnlichkeit u. viel Eitelkeit. Aber mit jedem Tag wurde es anders. Und ich habe mich auch schon sehr verändert. Sagst Du nicht selbst, ich sei jetzt anders wie in WienAnspielung auf die von Karl Kraus organisierte Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ am 29.5.1905, bei der Tilly Newes die Hauptrolle der Lulu und Wedekind die Rolle des Jack spielte und beide sich kennengelernt haben., energischer selbstbewuß/s/ster. Ich bin es nur durch Dich geworden. Ohne | Dich wäre es mir nicht gelungen, mich soweit von meiner Familie frei zu machen. Wenn ich jetzt heiter sein kann, über dies u. das reden, von meiner Familie, von so vielen, kleinen Erlebnissen, ich kann es nur durch Dich. Wenn Du mich gesehen hättest wie still ich in Paul’s GesellschaftPaul Eger, der ehemalige Geliebte oder Verlobte von Tilly Newes; unklar ist, seit wann er in Berlin war. war, es ist kein Wunder, dass er mich für nicht klug hielt, sagen wir dumm. Ich will Dir mit allem Freude machen, Dir gefallen, Dich unterhalten. Ich habe jede Sentimen|talität ängstlich vermieden, ich glaubte Du magst das nicht.

Das gieng so bis meine Mutter kamDas genaue Datum der Ankunft von Mathilde Newes in Berlin ist unklar; sie hat ihrer Tochter bereits in Frankfurt am Main Gesellschaft geleistet [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1905]. Wedekind notierte im Tagebuch ihre Anwesenheit in Berlin im Beisammensein mit ihrer Tochter (fast immer nach „Hidalla“-Vorstellungen, in denen er auftrat) am 17.11.1905 („Hidalla [...] Nachher mit Tilly und ihrer Mutter bei Aschinger“), 21.11.1905 („Hidalla [...] nachher mit Tilly und ihrer Mutter Weinstube Aschinger“), 23.11.1905 („Abends mit Tilli und Ihrer Mutter im Wintergarten“) und 28.11.1905 („Hidalla [...] Nachher mit Tilly und ihrer Mutter bei Kempinsky und im Café de l’Opera“)., u. dann schicktest Du mich weg, ich glaube an den Tag werde ich immer denken! Du sagst, es hat mich ordentlich zusammen gerüttelt, u. Du glaubst, das kam nur von gekränktem Ehrgeiz, oder so etwas? Wie D ich von Dir gieng, war mir ganz eigen, schwindlig, unklar. Was jetzt? Es war so tot, so leer, nichts gar nichts. Ich habe nicht geweint, u. nichts geredet, ich lief in meinem Zimmer hin u. her – | Es ist nicht möglich, es ist nicht möglich. Ich lief immer hin u. her u. hatte Fieber. Ich will gar nichts mehr, er glaubt nicht an deine Fähigkeiten, wie hättest Du dann den Mut daran zu glauben. Wie hättest Du ohne diesen Glauben hier je spielen können, wie hättest du den Mut gehabt; u. alles andre ebenso, nur durch ihn. Und jetzt ist das nicht mehr, also was nun? Und du hast ihm nie gezeigt, dass du keinen Mut hast u. dass du nicht an dich glaubst, nur um ihm zu gefallen. Und jetzt meint er, du siehst | an allen andern Leuten Fehler nur an D/d/ir nicht. Und er glaubt nicht, dass D/d/u eine Künstlerin werden kannst. Ist das das Höchste was du für ihn sein könntest? Und wie gern will ich dann alles dran setzen, schon um ihm zu gefallen, um ihm etwas zu sein. Aber jetzt hab’ ich ja gar keinen Mut u. keine Kraft mehr. Also Schluss machen, irgend ein Ende, gleichviel wie. Und die Mutter gleich fort, sie soll es nicht miterleben, u. sie ist ja immer im Wege! Und abends kam IduschkaIda Orloff spielte am 29.5.1905 in der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ die Rolle der Kadidja di Santa Croce [vgl. KSA 3/I, S. 548] – Wedekind hat sie in diesem Zusammenhang kennengelernt. Tilly Wedekind erinnerte sich: „Sie wurde allgemein ‚Iduschka‘ genannt“ und sei eine ihrer „besten Freundinnen“ [Wedekind 1969, S. 40] gewesen.. | „Du hast ja Fieber, was hast du für Augen, lach’ nicht so gräßlich, rede doch um Gottes Willen was ist denn geschehen?“

Es ist aus, er glaubt nicht an mich, nun kann ich nicht mehr. „Du bist verrückt, jetzt erst recht solltest du zeigen, ich kann etwas“ Ja, wer so sicher wäre wie du, wer so an sich glauben könnte, – „Nur so kannst Du ihn zurückgewinnen!“ Ach, wenn das gienge!! – Aber Mama muss so oder so weg, Mama, Du musst weg, es geht nicht anders. Du musst. „Gut, ich seh’ D/d/u bist nicht glücklich, vielleicht ist es gut, ich gehe.[“] |

Abends Ghettowohl die Vorstellung vom 29.11.1905. Tilly Newes spielte in dem Trauerspiel „Ghetto“ (1898, deutsch 1903) von Herman Heijermans, das am 11.11.1905 am Kleinen Theater in Berlin Premiere hatte, die weibliche Hauptrolle der Rose; weitere Vorstellungen gab es am 12.11.1905, am 15. und 16.11.1905, vom 18. bis 20.11.1905, am 25. und 26.11.1905, am 29.11.1905, 7.12.1905 und 11.12.1905 sowie zusätzlich ‒ „Im Kleinen Theater gelangt in Abänderung des Spielplans nächsten Sonnabend ‚Ghetto‘ zur Aufführung. An allen vorhergehenden Abenden wird Frank Wedekinds ‚Marquis von Keith‘ mit dem Dichter in der Titelrolle gegeben.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 595, 20.12.1905, Morgen-Ausgabe, S. 7] ‒ am 23.12.1905 (Samstag). Wedekind hat die Premiere besucht und war anschließend mit Tilly Newes zusammen, wie er am 11.11.1905 notierte: „Abends Premiere von Ghetto. Nachher mit Tilly Orlik Sulzberger Donald und Lanz bei Habel dann Stallmann. Tilli kommt zu mir, bleibt bis 7.“ [Tb]! Es gieng sehr gut. Im letzten Act packte es mich, ich schüttelte mich vor Schluchzen u. Weinen. Donnerstagder 30.11.1905 – Abreisevorbereitungen von Mathilde Newes. ein hin u. her laufen, Mama reisefertig machen. Freitagder 1.12.1905 – Abreise von Mathilde Newes von Berlin zurück nach Graz. Früh fährt sie weg. Gott sei Dank; ich atme auf. Als ich mit ihr im Wagen sitze, sehe ich ein Geschäft, Waffen. Beim zurück kommen, geh ich hinein u. kaufe einen RevolverDer Revolver ist ein symbolträchtiges Requisit in Wedekinds Schauspiel „Der Marquis von Keith“ – am Schluss des 5. Akts betrachtet der Marquis von Keith unschlüssig den Revolver, erschießt sich aber nicht, grinst und meint: „Das Leben ist eine Rutschbahn...“ [KSA 4, S. 228], das Schlusswort im Stück. für – den Marquis v. Keith.

Dann denke ich, ich muss es erst versuchen, will Barnowsky um | eine Rolle bitten, aber wenn ich seh’ es nützt nichts; oder ich habe zu wenig Mut, ist immer gut, wenn man das Ding hatte. Ich komm nach Hause; Angele soll ich spielenTilly Newes sollte die Titelrolle in Otto Erich Hartlebens Komödie „Angele“ (1891) spielen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1905], die seit dem Frühjahr (Premiere: 4.2.1905) auf dem Spielplan des Kleinen Theaters in Berlin stand und aktuell gespielt wurde; die nächsten Vorstellungen waren am 5. und 6.12.1905, 9.12.1905 sowie nachmittags am 17.12.1905. Tilly Wedekind erinnerte sich daran, die Rolle gespielt zu haben [vgl. Wedekind 1969, S. 55]., Gott sei Dank eine Gelegenheit, u. der Hermann CasimirFigur aus dem „Marquis von Keith“, in der Berliner Premiere am 13.12.1905 von Tilly Newes gespielt (siehe unten).! Wenn Du mich jetzt sehen würdest, Du würdest nicht sagen, ich habe keinen Ehrgeiz! Und heute Hidallawohl die „Hidalla“-Vorstellung am 8.12.1905 (die letzte in diesem Jahr). Wedekind notierte an diesem Tag dreimal Tilly Newes: „Nachmittags mit T.N. im Deutschen Theater wo uns Buck die Perücken anprobirt. [...] Hidalla [...]. Nachher mit T.N. und Felix Holländer bei Habel. T. kommt zu mir.“ [Tb]! Und ich arbeite den ganzen Tag. Und nun soll ich Dich wiedersehn, ich kann es nicht ertragen u. ich sehne | mich doch so sehr danach! Du trittst auf, ich muss mich in Acht nehmen, dass ich ruhig bleibe u. nicht aufschluchze. Im II. Act.Es folgt ein Zitat aus „Hidalla“, 2. Akt (Figurenrede Fanny Kettler): „Nein, nein! Lassen Sie mich das nicht hören! Gehe ich den Weg, den Sie in Ihrem Kopfe ausgedacht, dann bedarf das größerer Kraft, als wenn ein leichtherziges Geschöpf ihn geht! Fußtritte verdiene ich nicht, auch wenn es genügt, Weib zu sein, um in Ihrem Geiste zu leben!“ [KSA 6, S. 65] „Nein, nein lassen Sie mich das nicht hören, gehe ich den Weg so bedarf das größerer Kraft, Fußtritte verdiene ich nicht“

Mir ist, als könnte ich nicht mehr weiter spielen.

Im III. Act.Es folgt ein Zitat aus „Hidalla“, 3. Akt (Figurenrede Fanny Kettler): „Und mich haben Sie dazu ausersehn! Mich halten Sie für das grauenvolle Ungeheuer, das eine Ermordung kalten Blutes miterlebt?!“ [KSA 6, S. 81] „Und mich halten Sie für das grauenvolle Ungeheuer“ und in meiner Hand fühle ich den Revolver u. ziele, auf Dich oder mich | Und im V. Act. Da sind auf einmal keine Menschen da, u. ich bin nicht auf der Bühne, ich bin in Deinem Zimmer u. niemand ist da als Du u. ich. Und ich kann Dir alles, alles sagen, was ich neulich nicht aus der Kehle brachte, – „von Dir muss mein Leben kommen, von Dir muss es kommen, von Dir“ Ich ersticke fast vor Tränen.

Und ich gehe mit Dir u. SandrockWedekinds Tagebuch gibt keinen Hinweis auf einen gemeinsamen Heimweg mit Tilly Newes und Adele Sandrock nach einer „Hidalla“-Vorstellung im Kleinen Theater. nach Hause u. habe die Empfindung, er glaubt, | vielleicht ist doch noch was aus ihr zu machen. Aber er hat nicht gefühlt, dass ich heut abend mit jedem Wort schrie: ich habe Dich lieb, ich hab’ Dich so unendlich lieb. Und ich saß zu Hause u. dachte, jetzt kann noch alles gut werden, aber er liebt D/d/ich nicht, u. war traurig. Und ich wollte Dir nicht nachlaufen, nur weil ich fürchtete es könnte Dir missfallen u. Dich erst recht von | mir entfernen.

Und als Du kamst war ich schwach u. glücklich u. stiller. Du hast selbst gesagt ich sei stiller. Ich fürchtete sehr, Dir oberflächlich vorzukommen, u. es war mir ja auch lieber, wenn ich stiller sein durfte. Und dann kam „Marquis“Wedekinds Schauspiel „Der Marquis von Keith“ hatte am Kleinen Theater in Berlin am 13.12.1905 Premiere: „Durchfall des Marquis von Keith [...]. Nach der Vorstellung mit Kuhnert seiner Frau und Tilly bei Habel. Tilli kommt zu mir“ [Tb]; er spielte die Titelrolle, Tilly Newes die Rolle des Hermann Casimir, die eine weibliche Besetzung verlangte [vgl. KSA 4, S. 560]. u. jetzt war ich krankWedekind notierte im Tagebuch die Erkrankung von Tilly Newes – am 17.12.1905 („Tilli [...] hat starkes Fieber“), 18.12.1905 („Tilli leidet an Angina“), 20.12.1905 („Marquis v Keith [...]. Nachher mit Tilly bei Habel. Sie kommt zu mir. Morgens um 6 Uhr begleite ich sie nach Haus. Sie hat starkes Fieber“), 23.12.1905 („T hat eine Mittelohrentzündung, wird geschnitten. Abends fahr ich mit ihr zu Dr. Flatau“), 24.12.1905 („Fahre mit Tilly zu Dr. Flatau. Sie leidet fürchterlich auf dem Heimweg und zu Hause. Ich bleibe bis 9 Uhr bei ihr“), 25.12.1905 („mit Tilli zu Dr. Flatau“), 29.12.1905 („mit Tilly beim Arzt“) und 30.12.1905 („Ich begleite Tilli zum Arzt“).. Und weil Du so lieb u. gut warst mit mir, u. Dich so freutest als ich wohler wurde, dachte ich, er hat Dich doch lieb. Und wenn Du fort warst lag ich still, lächelte u. hatte Tränen im Auge. |

Und sah Dein BildTilly Newes hatte sich ein Foto von Wedekind gewünscht [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.8.1905 und 23.9.1905], das sie inzwischen erhalten haben dürfte. Sie und Wedekind haben sich seinem Tagebuch zufolge in Berlin außerdem von der Fotografin Aura Hertwig aufnehmen lassen – am 23.11.1905 („Tilli und ich fahren zu Frau Hertwich, die uns beide nackt photographiert“) und 29.11.1905 („Wir werden auf meinem Zimmer photographiert“); die Fotos hat Wedekind ihr am 2.12.1905 gebracht („Ich hole die Photographien bei Aura Hertwich und bringe sie Tilly Newes“). an, u. dachte: Du Lieber, Du Gutervgl. „Der Marquis von Keith“ (1901), 3. Akt (Molly Griesinger zum Marquis von Keith): „MOLLY (fällt ihm leidenschaftlich um den Hals und küßt ihn ab) – Du Lieber! – Du Großer! – Du Guter!“ [KSA 4, S. 200] Das wiederum war eine Anspielung an Gerhart Hauptmanns „Einsame Menschen“ (1891), 2. Akt, in dem Käthe Vockerat beim Abschiednehmen („An Johannes’ Halse“) sagt: „Du Lieber! Guter!“. Und heute hast Du mir das alles wieder fortgenommen, ich verstehe Dich nicht mehr, ich verstehe mich nicht mehr. Ist denn das alles Einbildung?

Ich quäle mich sehr u. kann nicht herausfinden.

Und die Tränen waren Freude, über meine IlusionSchreibversehen, statt: Illusion., dass wir uns lieb haben.

Und wenn ich Dich nicht mehr sehe, dass kann nicht aufhören. | Versuche es doch mal, u. stelle mich auf eine Probe.

Und wenn Du fort bist, wer soll denn dann der Nächste sein? Und wann denn schon? Wie werde ich wohl über Dich reden?

Müsste ich denn dann nicht denken, alles ist Komödie, u. ich selbst bin auch eine Komödiantin u. Du wohl auch?

Sag’ mir doch Frank, was ich tun soll!

Tilly Wedekind schrieb am 30. Januar 1906 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mein lieber Frank,

Du kannst Dir nicht vorstellen, wie mir seit heute morgenWedekind hat Tilly Newes am 30.1.1906 morgens gesehen und ging dann zu einer Probe von Hugo von Hofmannsthals Drama „Ödipus und die Sphinx“ (Uraufführung unter der Regie von Max Reinhardt war am 2.2.1906, die Musik hat Wedekinds alter Freund Oskar Fried komponiert, die Rolle der Antiope spielte Wedekinds Vertraute Adele Sandrock) in das Deutsche Theater (Wedekind hatte am 21.12.1905 einen Schauspielervertrag mit der Direktion des Deutschen Theaters abgeschlossen, gültig ab dem 1.10.1906), wie er im Tagebuch notierte („Tilly kommt. Probe von Ödipus“). Ob die Konfliktszene zwischen ihm und Tilly Newes sich bei dieser Probe ergab oder davor, ist unklar. Wedekind verbrachte den Abend jedenfalls ohne sie (er besuchte das Gastspiel der Tänzerin Isadora Duncan im Theater des Westens und war anschließend allein in einer Kneipe), wie er weiter notierte („Abends bei Isadora Dunkan Nachher allein im Weihenstephan“). Die Versöhnung zwischen ihm und Tilly Newes dürfte am 31.1.1906 stattgefunden haben, denn da verbrachte er den Abend wieder mit ihr. zu Mut ist! Ich habe Dir Unrecht getan, es war rücksichtslos von mir. Aber ich hoffe immer Du wirst es mir vergeben; deshalb bin ich doch noch immer Tilly Newes, deshalb hab’ ich Dich doch noch immer so lieb.

Mein Gott was soll ich Dir | denn sagen, ich glaub’ ich kann nicht leben ohne Dich. Aber es würde mir bei Dir nur schaden, wenn ich Dir nachlaufe. Wenn Du das Geringste für mich empfindest, so wirst Du mich eines Fehlers wegen, nicht von Dir stoßen.

Ich gebe Dir alles was ich zu geben habe, aber dafür will ich auch Dich, Dich Frank.

Lebwohl, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. Februar 1906 in Berlin folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Lieber Frank,

mir war sehr leid, dass Du mich nicht getroffen hast. Willst Du zu mir zum Thee kommenWedekind notierte am 13.2.1906: „Bei Tilli zum Thee.“ [Tb]? Du könntest mir auch die Packet-AdresseWedekinds Geliebte Berthe Marie Denk, die am 14.1.1906 schwerkrank mit dem Nachtzug von Berlin zurück nach Wien gefahren ist (diese von ihr gewünschte Reise hatte Wedekind, bei dem sie in Berlin wohnte, organisiert), wo sie am 15.1.1906 vom Sanitätsdienst der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft [vgl. Wedekind an Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft, 14.1.1906] empfangen wurde, der sie zunächst in ihre Wohnung (Wien V, Kettenbrückengasse 21) transportierte, wurde von dort noch am selben Tag in das Wiener Sanatorium Dr. Anton Loew (Wien IX, Mariannengasse 20) gebracht, wo sie sich noch immer aufhielt – ihre aktuelle Adresse. für Berthe Maria mitbringen.

Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 20. Februar 1906 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

Dienstagder 20.2.1906..


Mein lieber, guter Frank,

ich muss Dir doch ein paar Zeilen schreiben. Ich war heute Mittags bei GreveJulius Greve war Regierungs- und Baurat im Polizeipräsidium Berlin und wohnte in Charlottenburg (Rankestraße 31/32) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 664]. „Herrn und Frau Regierungsrat Greve (Berlin) hatte Tilly Newes 1904 während eines Sommeraufenthalts in Seiß (Tirol) kennen gelernt. Als Tilly nach Berlin kam, wurde sie von Greves gastfreundlich aufgenommen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 48]. Sie erinnerte sich an das befreundete Ehepaar, an den „Regierungsrat Grewe und seine hübsche Frau“, sie „schloß mich ins Herz. Wieviel Freude sollte mir diese Freundschaft noch bringen!“ [Wedekind 1969, S. 24f.] u. hab’ mich so über Dich gefreut! Dein Briefvgl. Wedekind an Julius Greve, 18.2.1906. – Dem Brief vorangegangen waren turbulente Ereignisse, die in Wedekinds Tagebuch skizziert sind. Tilly Newes wünschte eine Heirat mit Wedekind und unternahm am 16.2.1906 einen Selbstmordversuch („Tilly springt in die Spree“), erholte sich am 17.2.1906 („Bringe Tilli nach Hause und bleibe den ganzen Tag bei ihr“) und am 18.2.1906 wurde sich verlobt, wie Wedekind dem Regierungsrat, der dann einer der Trauzeugen war, mitteilte („Benachrichtige Regierungsrat Greve von unserer Verlobung“). ist zu lieb! Ich verdiene Dich ja gar nicht Frank! Greve’s war ich zu wenig glückstrahlende | Braut, nun, sie wissen ja auch nicht so genau Bescheid u. dann kann ich leider, oder Gott sei Dank meine Gefühle vor fremden Leuten nicht herumtragen. Adele hab’ ich leider nicht getroffenAdele Sandrock wohnte seinerzeit noch im Central-Hotel in Berlin (Friedrichstraße 143-149) – zusammen mit ihrer Mutter Johanna Simonetta Sandrock (geb. ten Hagen) und ihrer Schwester Wilhelmine Sandrock. Wedekind hatte Adele Sandrock nach dem Selbstmordversuch von Tilly Newes am 16.2.1906 aufgesucht, um sich „Unterstützung und Rat“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 14] bei ihr zu holen, außerdem am 18.2.1906: „Besuch bei Adele.“ [Tb], ihre Mutter hatt mich gebeten ja sicher morgen zu kommen, u. so gieng ich mit meinem | übervollem Herzen zu IduschkaIda Orloff, „allgemein ‚Iduschka‘ genannt“ und eine der „besten Freundinnen“ [Wedekind 1969, S. 40] von Tilly Newes, wohnte mit ihrer Mutter Ida Siegler von Eberswald in einer Hinterhauswohnung in Moabit (Thomasiusstraße 15, 2. Gartenhaus) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 2154; vgl. Wedekind an Ida Orloff, 22.12.1905].. Da kamen denn endlich die erlösenden Tränen, sie hat sich so aufrichtig u. herzlich gefreut u. mir ist jetzt viel wohler.

Das Nähere erzähle ich Dir übermorgenam 22.2.1906. Wedekind ist dem Tagebuch zufolge am 21.2.1906 um 22 Uhr von Frankfurt am Main abgereist („10 Uhr Rückfahrt nach Berlin“), war am 22.2.1906 morgens zurück in Berlin und suchte Tilly Newes gleich auf („Ankunft in Berlin. Besuch bei Tilly“).. Hast Du die Nachricht wegen Dir. Reusch in HannoverHubert Reusch war Direktor des Deutschen Theaters in Hannover und führte dort die Oberregie [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 417]. Wedekind hatte bei ihm dann am 12.5.1906 ein „Hidalla“-Gastspiel: „Wir fahren nach Hannover. [...] Hidalla [...] im Deutschen Theater.“ [Tb] erhalten? Siehst Du, es soll schon sein, dass Du bald nach Han|nover fährst.

Ich hab’ jetzt furchtbar viele gute Sachen gegessen und lege mich gleich in’s Bett.

Gestern Nacht träumte ich wieder von uns u. von Deiner Schwester aus der SchweizFrank Wedekinds jüngste Schwester Emilie (Mati) Wedekind wohnte seinerzeit bei ihrer Mutter in Lenzburg.. Die war übrigens im Traum nicht sehr vorteilhaft.

Ich möchte Dir noch so viele, viele liebe Sachen sagen, will Dich aber nicht verwöhnen.

Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 20. Februar 1906 in Frankfurt am Main folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Fräulein
Tilly Newes-Niemann
Berlin N.W.
Albrechtstrasse 11.


Postkarte
Nur für Mitteilungen


Mein Augapfel! Geliebte Tilly! Ich denke Deiner jeden Augenblick. KlaarWedekind hat Emil Claar, den Intendanten des Schauspielhauses in Frankfurt am Main [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 375], außerdem Schauspieler und Schriftsteller, am 20.2.1906 besucht, wie er im Tagebuch festhielt („Besuch bei Intendant Klaar“). läßt Dich herzlich grüßen.

Herzinnigst
Frank |


Frankfurt a. M.Wedekind war vom 19. bis 21.2.1906 wohl auf Einladung der Gesellschaft für ästhetische Kultur [vgl. Wedekind an Gesellschaft für ästhetische Kultur, 18.6.1904] zu einem Vortrag in Frankfurt am Main. Er notierte am 20.2.1906: „Wohne Frankfurter Hof. Besuch bei Intendant Klaar Dinire im Hotel Vortrag in der Frankfurter Loge. Mit der Gesellschaft für ästätische Kultur im Rathskeller. Eingenommen M. 300“ [Tb]. Alemannia

Frank Wedekind schrieb am 11. April 1906 in Berlin folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Meiner geliebten Tilly die herzlichsten Glückwünsche zu | ihrem zwanzigsten Geburtstag!

Tilly Wedekind schrieb am 18. April 1906 in Berlin
an Frank Wedekind

Lieber FrankTilly Newes hat Wedekind ein weiteres fast gleichlautendes Billet geschrieben [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.4.1906]., Adele schreibt mir da, dass sie krank ist, u. ich um 6 Uhrum 18 Uhr. kommen möchte. Willst Du mich also von da holenvon Adele Sandrock, die in Berlin nicht mehr im Central-Hotel (Friedrichstraße 143-149) wohnte, sondern gerade in ihre dann langjährige Wohnung in Charlottenburg (Leibnizstraße 60) gezogen oder im Umzug begriffen war. Wedekind kam dem Wunsch von Tilly Newes nach, wie er am 18.4.1906 im Tagebuch notierte: „Hole Tilly bei Adele ab.“? Möglichst bald!! | TILLY NEWES

Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 18. April 1906 in Berlin
an Frank Wedekind

Lieber FrankTilly Newes hat Wedekind ein weiteres fast gleichlautendes Billet geschrieben [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.4.1906]., Adele ist krank u. hat mich gebeten um 6 Uhrum 18 Uhr. zu kommen. Willst Du so lieb sein mich von da abzuholenvon Adele Sandrock, die in Berlin nicht mehr im Central-Hotel (Friedrichstraße 143-149) wohnte, sondern gerade in ihre dann langjährige Wohnung in Charlottenburg (Leibnizstraße 60) gezogen oder im Umzug begriffen war. Wedekind kam dem Wunsch von Tilly Newes nach, wie er am 18.4.1906 im Tagebuch notierte: „Hole Tilly bei Adele ab.“? Möglichst bald! Deine Tilly |

TILLY NEWES

Frank Wedekind schrieb am 30. April 1906 in Berlin folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Kartenbrief


An
Fräulein Tilly Newes
in kleines Theater
Wohnung (Straße und Hausnummer) |


Geliebte Tilly!

Ich habe noch immer nicht in Erfahrung gebracht, wann und wo genau die Sache morgendie Heirat von Frank Wedekind und Tilly Newes ‒ die Ehe wurde am 1.5.1906 in Berlin auf dem Standesamt Moabit geschlossen [vgl. EWK/PMB Wedekind]. Wedekinds Tagebuch zufolge kam der Trauzeuge Emil Gerhäuser um 10 Uhr vormittags, dann wohl Dagobert Engländer aus Wien, der Lieblingsonkel von Tilly Newes; ob der zweite Trauzeuge Julius Greve direkt zum Standesamt kam, ist unklar, ebenso, zu welcher Uhrzeit die Trauung stattfand; anschließend war man im Zoologischen Garten und abends mit weiteren Hochzeitsgästen – die befreundeten Schauspielerinnen Ida Orloff und Adele Sandrock sowie Curt von Glasenapp, der Leiter der Abteilung für Theaterzensur im Berliner Polizeipräsidium – im Savoy-Hotel (Friedrichstraße 103); spät reiste das junge Ehepaar dann mit dem Nachtzug ab zu einem Gastspiel nach Nürnberg („Um 10 kommt Gerhäuser. Onkel Dagobert. Trauung. Greve. Zoologischer Garten. Diner im Savoyhotel. Glasenapp. Iduschka Adele. Fahrt nach Nürnberg Wand an Wand mit Max Halbe und Frau“). stattfindet | und bitte Dich daher mich um 6 Uhrum 18 Uhr. Ob Wedekind und Tilly Newes, die vom Kleinen Theater kam, am frühen Abend des 30.4.1906 zum Standesamt Moabit gefahren sind, um zu erfahren, zu welcher Uhrzeit und in welchem Raum ihre Heirat am 1.5.1906 angesetzt war, ist nicht zu klären (an diesem Tag kein Eintrag im Tagebuch). bei mir zu hause abzuholen. Wir fahren dann zusammen hin.

Ich empfehle mich Deiner Gnade
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 20. August 1906 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

abends, ½ 10

Montagder 20.8.1906..


Mein lieber Frank,

ich war heute noch in unsrer Wohnung u. bin ganz entzückt! Sie ist wunderhübsch geworden. Die hellen Türen machen sich riesig freundlich. Leider werden die Arbeiter aber doch noch die Woche | zu tun haben, wird also mit dem UmziehenDer Umzug von der alten Wohnung (Marienstraße 23, 2. Stock links) in die neue Wohnung (Kurfürstenstraße 125, 3. Stock) fand erst zum Monatsende statt, wie Wedekind im Tagebuch notierte – am 29.8.1906 („Ich engagiere den Spediteur Scholz Blumenthalstraße 5“), 30.8.1906 („Es wird gepackt“) und schließlich am 31.8.1906 („Umzug“). nichts werden. Schade, ich hätte Dir’s gern erspart.

Ich werde von Dir morgen wohl noch nichts hören, aber Du bist ja auch bis 10 Uhr in der EisenbahnWedekind ist am 20.8.1906 um 16.39 Uhr von Berlin mit dem Zug nach Breslau abgereist, wie er im Tagebuch festhielt („Abfahrt nach Breslau 4.39. Ankunft in Breslau. Wohne Riegners Hotel“), und kam dem vorliegenden Brief zufolge um 22 Uhr in Breslau an, zu einem „Hidalla“-Gastspiel des Kleinen Theaters am Breslauer Sommertheater (Premiere: 23.8.1906, Regie: Ernst Krampff) [vgl. KSA 6, S. 569f.] – nach Berlin zurückgereist ist er am 26.8.1906.. Ich habe ganz vereinsamt gegessen u. schreibe jetzt in Deinem Zimmer. | Bei IduschkaIda Orloff, „allgemein ‚Iduschka‘ genannt“ und eine der „besten Freundinnen“ [Wedekind 1969, S. 40] von Tilly Wedekind, wohnte mit ihrer Mutter Ida Siegler von Eberswald in einer Hinterhauswohnung in Moabit (Thomasiusstraße 15, 2. Gartenhaus) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 2154]. war ich auch. Aber sie hatte Besuchvon Rudolph Schildkraut, Schauspieler am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 272] und zuletzt bewundert für seine Darstellung des Shylock in Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ (Premiere: 9.11.1905), die Wedekind besucht hat [vgl. Tb]. ‒ Der Charakterdarsteller, der 1907 den vermummten Herrn in „Frühlings Erwachen“ und 1908 den Maler Schwarz in „Erdgeist“ spielte [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 50], war mit Ida Orloff am 8.9.1906 bei Frank und Tilly Wedekind zum Abendessen eingeladen: „Abends kommen Schildkraut und Iduschka zum Abend essen.“ [Tb]. Schildkraut und Nichtenicht identifiziert. waren da. Sie haben sich auf RügenIda Orloff hatte den Sommer vom 13.6.1906 bis 12.8.1906 auf Rügen verbracht (überwiegend in Göhren) und die Rückfahrt von dort nach Berlin „mit Schildkrauts“ [Hauptmann/Orloff 1969, S. 159] angetreten, die nach Gerhart Hauptmanns Abreise (siehe unten) wohl nach Mitte Juli in Göhren eintrafen, wie Ida Orloff ihm etwa am 27.7.1906 schrieb; sie sei „von da an immer mit Schildkrauts [...] zusammen. Schildkraut gefällt mir übrigens [...] sehr gut, und wir unterhalten uns glänzend“ [Hauptmann/Orloff 1969, S. 156]. kennen gelernt. Mit Hauptmann scheint nichts vorgefallenkein Heiratsversprechen, auch wenn immer wieder auch „von Heirat“ [Leppmann 1989, S. 249] die Rede war (das dokumentieren Gerhart Hauptmanns Tagebücher und seine Korrespondenz mit Ida Orloff). Ida Orloff und der in zweiter Ehe verheiratete Gerhart Hauptmann, der unentschieden zwischen seiner Ehefrau und der Geliebten schwankte, hatten seit Ende 1905 eine leidenschaftliche Liebesaffäre; er besucht sie vom 25. bis 30.6.1906 auf Rügen [vgl. Hauptmann/Orloff 1969, S. 73-78], sie „feiern ein stürmisches Wiedersehen [...]. Ein letztes Mal brandet die Liebe empor“, aber „der Bann“ ist „gebrochen.“ [Leppmann 1989, S. 254] Gebrochen war der ‚Liebesbann‘: Gerhart Hauptmann notierte am 25.6.1906 in Göhren: „Ich bin geistig tot in ihrer Nähe“ [Tb Hauptmann] oder am 26.6.1906: „heut erst sehe ich sie altklug, als Verstand [...] obgleich mir W[edekind] sie schon so darstellte vor Monaten“ [Tb Hauptmann]; am 28.6.1906 hielt er fest: „Soeben von ihr Abschied genommen.“ [Tb Hauptmann] zu sein. Sie wollte sich sogar mit einem Andernnicht sicher identifiziert; vielleicht Emil Mamelok [vgl. Hauptmann/Orloff 1969, S. 81f., 86]. ‒ Ida Orloff heiratete am 23.7.1907 ihren Jugendfreund Karl Satter. verheiraten, doch ist natürlich nichts daraus geworden. Sie lässt Dich grüßen. | Morgen werde ich mir Frl. Römervermutlich Else Römer, Schauspielerin im Adolf Behle-Ensemble der Vereinigten Berliner Vorort-Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 249; Neuer Theater-Almanach 1907, S. 311]. einladen, übermorgenam 22.8.1906. Adele Sandrock wohnte in Charlottenburg (Leibnizstraße 60). besuche ich Adele, so wird die Zeit schon vergehen.

Du fühlst Dich wohl sauwohl, dass Du endlich mal wieder alleinenicht lange – Tilly Wedekind reiste den Tag darauf ebenfalls nach Breslau, von Frank Wedekind telegrafisch darum gebeten [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.8.1906]. bist? Nun, ich wünsche mir nur, dass Du an mich eben soviel denkst, wie ich an Dich, Frank. Deine TochterAnspielung auf ihre Schwangerschaft, „Tilly ist schwanger“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 50]; die Tochter Pamela Wedekind wird am 12.12.1906 geboren. ist wohl u. schickt Dir viele Küsse!

Gute Nacht, schreib’ mir bald!

Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 21. August 1906 in Berlin folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

wedekind breslau riegners hotelWedekind hat am 20.8.1906 seine Unterkunft in Riegner’s Hotel (Königstraße 4) notiert: „Ankunft in Breslau. Wohne Riegners Hotel.“ [Tb] =


Telegraphie des Deutschen Reiches.
Amt Breslau, Graben 36.


Telegramm aus [...] berlin [...]


hollaenderFelix Hollaender, Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin (Direktion: Max Reinhardt). will dir 25 tenden 25.8.1906. Wedekind reiste erst am 26.8.1906 von Breslau zurück nach Berlin und nahm am 27.8.1906 erstmals an einer „Pandoraprobe“ [Tb] zu der am Deutschen Theater geplanten Inszenierung (siehe unten) teil. regiebuchDas Regiebuch zu „Die Büchse der Pandora“ für die geplante Inszenierung am Deutschen Theater in Berlin, deren Aufführung „die Berliner Zensurbehörde schließlich untersagte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 50], ist nicht überliefert; erhalten ist lediglich eine Besetzungsliste [vgl. KSA 3/II, S. 1324]. vorlegen = piltztelegrafischer Übertragungsfehler, statt: eilt [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 50] oder statt: Tilly..

Frank Wedekind schrieb am 21. August 1906 in Breslau folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Tilly Wedekind

[Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 21.8.1906 in Breslau:]


Hidallaprobe. TelegrammFrank Wedekind, der am Vorabend zu einem „Hidalla“-Gastspiel des Berliner Kleinen Theaters am Breslauer Sommertheater in Breslau eingetroffen war, dürfte Tilly Wedekind am 21.8.1906 wohl unmittelbar nach der ersten Probe gebeten haben, sofort nach Breslau zu kommen, um bei der Inszenierung die ihr vertraute Rolle der Fanny Kettler zu spielen (er selbst spielte die Rolle des Karl Hetmann), da sie dem Tagebuch zufolge noch abends in Breslau eintraf („Hole Tilly Abends ab“) und bei der Premiere von „Hidalla“ am 23.8.1906 auf der Bühne stand [vgl. KSA 6, S. 569]; eigentlich hatte sie sich darauf eingerichtet, in Berlin zu bleiben [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.8.1906]. an Tilly.

Frank Wedekind schrieb am 1. Januar 1907 in Berlin
an Tilly Wedekind

[Kuvert:]


Frau Tilly Wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 12. Februar 1907 in Leipzig folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

POSTKARTE.
CARTE POSTALE ‒ CARTOLINA POSTALE.
POST CARD.


Frau Tilly Wedekind
Berlin W
Kurfürstenstraße 125.


HÔTEL HAUFFEWedekind reiste am 11.2.1907 von Berlin ab nach Leipzig und logierte dort im Hotel Hauffe (Roßstraße 2 und 4), wie er im Tagebuch notierte („Fahrt nach Leipzig. Logiere Hotel Hauffe“); am 12.2.1907 aß er dort zu Mittag („Dinire im Hotel Hauffe“) und schrieb wohl die vorliegende Bildpostkarte, bevor er nach Dresden weiterreiste und sie dort in die Post gab.
LEIPZIG
|


HÔTEL HAUFFE LEIPZIG.

NEUES RATHAUS.


[am rechten Rand um 90 Grad gedreht, im Hochformat:]

Geliebteste Tilly, bis jetzt ist alles gut gegangenWedekinds Gastspiel als vermummter Herr in „Frühlings Erwachen“ am 11.2.1907 am Schauspielhaus in Leipzig, das die Presse mehrfach angekündigt hatte: „Gastspiel Max Reinhardt und Frank Wedekind. Für die einmalige Aufführung von Frank Wedekinds Kindertragödie ‚Frühlings Erwachen‘ in der Berliner Inszenierung von Max Reinhardt und dargestellt von den Künstlern des Deutschen Theaters zu Berlin, zeigt sich ein ungewöhnliches Interesse. Die am kommenden Montag im Schauspielhause stattfindende Vorstellung beginnt um 8 Uhr.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 101, Nr. 38, 7.2.1907, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (4)] „Am Montag gastiert das Deutsche Theater von Berlin mit Frank Wedekinds ‚Frühlings Erwachen‘, in welcher Vorstellung der Autor selbst mitwirkt.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 101, Nr. 41, 10.2.1907, Morgen-Ausgabe, 6. Beilage, S. (2)] Die Vorstellung wurde gelobt, der „Erfolg des Stückes“ sei aber vor allem Alexander Moissi als Moritz Stiefel geschuldet, aber auch „Ella Barth, der Wendla Bergmann“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 101, Nr. 43, 12.2.1907, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (2)]. – Wedekind trat dann am 13.2.1907 auch in Dresden als vermummter Herr in „Frühlings Erwachen“ auf [vgl. Tb].. HetzelWedekind war nach der Vorstellung von „Frühlings Erwachen“ (siehe oben) am 11.2.1907 mit dem befreundeten Rechtsanwalt Kurt Hezel im Leipziger Ratskeller: „Frl. Erw. [...] Nachher Rathskeller mit Hetzel.“ [Tb] trägt mir die herzlichsten Grüße an Dich auf.

[am oberen Rand im Querformat:]

Im Juni sollen wir gastierenEin Gastspiel von Frank und Tilly Wedekind in Leipzig im Juni 1907 kam nicht zustande.

[am unteren Rand im Querformat:]

Dir und A. Pamela Gruß und Kuß Fr

Tilly Wedekind schrieb am 1. April 1907 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Mein innigst Geliebter,

ich lese die Notizen über DichPressenotizen über Wedekind., ich höre von Deinem ErfolgDer Erfolg von „Frühlings Erwachen“ in der Inszenierung von Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin (Uraufführung: 20.11.1906) brachte Wedekind den Durchbruch auf der Bühne und war in aller Munde. Wedekind trat darin als vermummter Herr auf, zuletzt am 1.4.1907, wie er im Tagebuch notierte: „Ich spiele zum letzten Mal den vermummten Herrn.“ u. ich komme mir wieder einmal so lächerlich klein neben Dir vor. Frank, Du darfst nicht denken, dass das am Ende Eifersucht oder was weiß ich, ist. | Im Gegenteil. Ich fürchte Du denkst, ich nehme keinen Anteil, ich unterschätze D Dich. Nimmt nicht jeder Schauspieler an Deinem Erfolg mehr teil? Habe ich Dir nicht besser gefallen, als ich auch arbeitete, wenn auch mit schwachen Kräften, | aber doch mehr wie jetzt? Jetzt sitzteSchreibversehen, statt: sitze. ich den ganzen Tag zu Hause, spiele mit dem Kind, werde immer bequemer u. phlegmatischer. Ist es nicht besser, wenn man nun schon talentlos ist, daran zu Grunde zu gehen, als seinen Leib zu füttern, sich an dem Ruhme seinens | Mannes zu sonnen, u. dabei ein Schatten-Dasein zu führen. Ich beklage mich nicht etwa über Langeweile, ich bin Dir ja für alles dankbar!

Aber ich bin nichts mehr für Dich, nichts, u. auch für mich nichts mehr.


(Dieser Brief war eigentlich für mein „Tagebuchein fragmentarisches „‚Tagebuch‘-Manuskript“ Tilly Wedekinds, das mit dem „Brief thematisch verwandt ist“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 51]; es ist mit den Schreibdaten 21. bis 24.3.1907 und 30.3.1907 handschriftlich überliefert [Mü, L 3477/1] und liegt gedruckt vor [vgl. Vinçon 2014, S. 200-202; Vinçon 2018, Bd. 2, S. 51-53].“ bestimmt.)

Tilly Wedekind schrieb am 16. April 1907 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lieber Frank, es tut mir furchtbar leid, aber die ProbeFrank Wedekind notierte am 16. und 17.4.1907: „Tilli hat Probe“ [Tb]. Tilly Wedekind probte die weibliche Hauptrolle im Trauerspiel „Ghetto“ von Herman Heijermans, die sie früher schon am Kleinen Theater gespielt hatte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.11.1905 und 1.1.1906], für die Aufführung des Stücks am Wiener Bürgertheater, mit dem das Ensemblegastspiel des Kleinen Theaters eröffnet wurde, wie die Presse ankündigte: „Im Wiener Bürgertheater eröffnen morgen (Samstag) abend die Künstler des Kleinen Theaters zu Berlin ihr auf 14 Tage berechnetes Gastspiel mit Heyermans ‚Ghetto‘. Unter den Mitwirkenden befinden sich Emanuel Reicher und Frau Tilly Niemann-Wedekind.“ [Wiener Zeitung, Nr. 91, 20.4.1907, S. 3] Premiere war am 20.4.1907 (Samstag), weitere Vorstellungen von „Ghetto“ fanden am 21., 22. und 25.4.1907 statt (die Presse lobte Inszenierung und Darstellung); im Rahmen des Wiener Gastspiels wurde auch „Hidalla“ gespielt (Premiere am 27.4.1907). wird voraussichtlich etwas länger dauern. Bitte wartet mit dem Essen nicht auf mich, ich kann ja nachher essen. Ich werde mich natürlich möglichst beeilen.

Herzlichst
Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 28. April 1907 in Wien folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mein lieber Frank,

es hat mir so herzlich leid getan, dass ich Dir durch mein KrankseinWedekind notierte am 27.4.1907 die „Hidalla“-Premiere im Rahmen des Ensemblegastspiels des Berliner Kleinen Theaters am Wiener Bürgertheater und die Erkältung seiner Frau: „Hidallapremiere im Bürgertheater in Wien. [...] Tilly ist erkältet“ [Tb]. Er spielte die Rolle des Karl Hetmann, sie die Rolle der Fanny Kettler [vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 15, Nr. 4853, 27.4.1907, S. 14]., die Freude an Deinem ErfolgeDie „Hidalla“-Premiere am Bürgertheater (siehe oben) war am Morgen danach in der Wiener Presse als das „bedeutungsvollste Theaterereignis der Saison“ bezeichnet worden und Wedekind fand großes Lob, seine Frau weniger: „Wedekind [...] warf seine klaren Sätze ins Parkett, scharf und schneidend, und über seinem starren Gesicht leuchteten die schönen, eindrucksvollen Augen. [...] Frau Newes-Wedekind war zu schwach für ihre schwere Aufgabe. Das Publikum bereitete dem Schauspiel eine stürmische Aufnahme und rief den Dichter oft vor den Vorhang.“ [Neues Wiener Journal, Jg. 15, Nr. 4854, 28.4.1907, S. 12] Felix Salten hat sie in seiner großen Besprechung nicht einmal erwähnt, Wedekind dagegen besonders gewürdigt; er sei „ein Dichter von einer bezwingenden, neuartigen Kraft. [...] Noch niemals hat Wedekind bei uns so viel Verständnis gefunden und so lauten Erfolg gehabt wie gestern.“ [Felix Salten: Frank Wedekind und „Hidalla“. In: Die Zeit, Jg. 6, Nr. 1649, 28.4.1907, Morgenblatt, S. 1-3] verdorben habe. Aber sieh mal, ich habe mir ja selbst auch alles verdorben. Ich habe mich so darauf gefreut nach so langer ZeitTilly Wedekind stand nach der Geburt ihrer Tochter Pamela Wedekind (12.12.1906) bei dem Wiener Gastspiel des Kleinen Theaters (siehe oben) zunächst (noch nicht erkältet) am 21.4.1907 in der Premiere von „Ghetto“ (das Stück von Herman Heijermans stand vor dem Wedekinds auf dem Programm), dann bei der Premiere von „Hidalla“ am 27.4.1907 (nun erkältet) erstmals wieder als Schauspielerin auf der Bühne. wieder eine Rolle zu spielen. Und dann kann ich kein Wort sprechen ohne dass es mir weh tut.

Und die Erkältung an u. | für sich ist ja schließlich auch kein so ausserordentliches Vergnügen. Ich hätte kein Wort darüber verloren, u. habe Dich ja auch so wenig wie möglich damit belästigt. Aber Unliebenswürdigkeit kannst Du mir nicht vorwerfen, wo ich mich ja so wie so immer entschuldige, dass ich auf der Welt bin.

Lieber Frank, ich will Dir nicht weiter das Leben | verbittern, alles scheitert an mir, immer bin ich die Spielverderberin. Ich kann u. will nicht weiter denken, u. bitte Dich auch nicht mit mir darüber zu sprechen.

Ich hab’ Dich zu lieb, um Dich unglücklich zu machen, u. kann’s auch nicht ertragen in Deinen Augen immer mehr u. mehr zu verlieren.

Tilly |

Ich habe immer mein Bestes für Dich gegeben, Du sagst selbst, ein Lump tut mehr als er kannZitat eines Aperçus von Wedekind, das in einem anderen Brief direkt von ihm belegt ist: „Ein Lump thut mehr als er kann.“ [Wedekind an Arthur Holitscher, 2.4.1907] Er hat es in der „Vorrede“ zu „Óaha“ (1909) wieder aufgegriffen: „Ein Lump thut mehr als er kann.“ [KSA 5/II, S. 313].

Tilly Wedekind schrieb am 1. Mai 1907 in Wien folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lieber Frank, ich fahre auf keinen Fall nach BudapestTilly Wedekind reiste dann doch mit nach Budapest, wo ihr Mann zu einem Ensemblegastspiel des Berliner Deutschen Theaters verpflichtet war (siehe unten). Frank Wedekind notierte am 9.5.1907: „Wir bringen das Gepäck aufs Schiff. [...] Fahrt zum Schiff. Wir legen uns in der Kajüte nieder zu Bett.“ [Tb] Und am 10.5.1907: „Donaufahrt nach Budahpest. Wir diniren mit Kapitän und Maschinenmeister. Einfahrt in Budapest.“ [Tb] Die Reise von Wien nach Budapest fand im Rahmen der Gastspielreise des Berliner Deutschen Theaters statt, das auch die Reisekosten trug, wie Wedekind am 15.5.1907 notierte (Felix Hollaender war Dramaturg am Deutschen Theater): „Abrechnung mit Holländer. Er bezahlt mir Kr. 780.‒ (4 Spielhonorare. Reise e.ct.)“ [Tb]. Frank und Tilly Wedekind reisten dann am 15.5.1907 von Budapest nach Graz, um Tilly Wedekinds Familie zu besuchen, traten die Rückreise von dort am 19.5.1907 zunächst nach Wien an und reisten von Wien am 21.5.1907 zurück nach Berlin [vgl. Tb]. mit. Ich will Dir nicht wieder alles verderbenHinweis auf Spannungen zwischen Tilly Wedekind und ihrem Mann. Frank Wedekind hatte in Budapest im Lustspieltheater im Rahmen des Ensemblegastspiels des Berliner Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) am 11. und 12.5.1907 den vermummten Herrn in „Frühlings Erwachen“ zu spielen [vgl. Tb] sowie am 14.5.1907 in einer Matinee wohl auch im „Kammersänger“ oder jedenfalls bei dieser Matinee aufzutreten: „Klägliche Kammersängervorstellung. Ich lese Totentanz, singe zur Guitarre.“ [Tb]. Ich kann ja solange in Prag bleiben. – Falls ich je nochmals schwanger werden sollte, bleibt mir nichts übrig, als entweder mir das Kind abzutreiben, oder mich von Dir zu trennen. Denn ich habe keine Lust mir fortwährend vorhalten zu lassen, ich sei immer krank. Und meine Krankheit hat nur daraus bestanden. Das Bischen ErkältungWedekind notierte am 27.4.1907 in Wien (seit dem 20.4.1907 waren er und seine Frau im Rahmen eines Ensemblegastspiels des Berliner Kleinen Theaters am Wiener Bürgertheater in der Stadt, wobei er in „Hidalla“ die Rolle des Karl Hetmann spielte, sie die Rolle der Fanny Kettler, sie außerdem in „Ghetto“ von Herman Heijermans auf der Bühne zu stehen hatte): „Hidallapremiere im Bürgertheater in Wien. [...] Tilly ist erkältet“ [Tb]. Seine Frau ist schon einmal auf ihre Erkältung ausgerechnet bei der „Hidalla“-Premiere zu sprechen gekommen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.4.1907]. kann jedem passieren, es ist Dir auch diesen Winter passiert, u. hattest Du vorigen | Sommer öfter Erbrechen usw. Aber entschuldige, ich liebe es nicht, alte Geschichten immer u. immer aufzuwärmen. Ich bin überzeugt, dass ich oft hässlich u. ungerecht war; ich war zuweilen eben auch nicht Herr meiner selbst, wie Du’s jetzt bist. Sonst würdest Du einsehen, dass es ungerecht ist mir immer die UnannemlichkeitenSchreibversehen, statt: Unannehmlichkeiten. vorzuwerfen, die ich Dir ja gemacht habe. Denn ich habe diesen Winter auch mehr durchgemacht, als mein ganzes, vorhereiges Leben, u. ich glaube, | andere Frauen machen noch viel mehr Geschichten dabei.

Was meine Hüte u. Kleider anbelangt, so glaube ich auch das Recht zu haben, als Frau Frank Wedekind etwas auf mein Äusseres zu halten. Und wenn man jung u. hübsch ist, putzt man sich eben gern, ich halte dies für kein Verbrechen. Die Damen im kl. Theater haben mindestens ebensoviel Kleider u. Hüte. Um immer Vorwürfe darüber zu hören, dazu hätte ich Dich nicht heiraten brauchen, dassSchreibversehen, statt: das. hatte ich schon früher von meinen Verwandten zur Genüge. |

Es ist gewiss sehr viel zusammen gekommen, u. werde ich nicht mehr soviel für mich ausgeben, das verspreche ich Dir.

Sei bitte nicht böse, dass ich Dir das alles sage. Es hat mich sehr gekränkt. Aber ich weiß ja, Du bist so überarbeitet, Dir ist es nie so schlecht gegangen, wie jetzt. Ich bitte Dich daher, jetzt ganz Dir selbst u. Deiner Erholung zu leben. Ich bin zu allem bereit, u. will mich bemühen, Dir’s recht zu machen.

Aber bitte, sprechen wir nicht mehr von all’ den Dingen, sonst hab’ ich nicht den Mut zu glauben, dass es je besser wird.

Herzlichst Deine Tilly

Tilly Wedekind und Adele Sandrock schrieben am 28. Juni 1907 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

Freitagder 28.6.1907. abends.


Geliebter Frank,

als ich von der Bahn kamTilly Wedekind hat Frank Wedekind zum Aufbruch zu seiner Gastspielreise nach Prag morgens am 28.6.1907 in München an den Bahnhof gebracht: „Tilly begleitet mich zum Bahnhof. Fahrt nach Prag. Adeles verflossener Bräutigam.“ [Tb] Ob der als ehemaliger Bräutigam Adele Sandrocks bezeichnete nicht identifizierte Mann, der offenbar mit Frank Wedekind im Zug saß, der Grund war für Tilly Wedekinds Besuch bei Adele Sandrock (und später sie bei ihr), kann nur vermutet werden., war Anna Pamela eben im Begriff auszugehenmit Agnes, „Amme und Kindermädchen bei Wedekinds.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 58] Pamela Wedekind, geboren am 12.12.1906, war gerade ein halbes Jahr alt.. Ich gieng mit u. wir blieben bis Mittag. Um 1 hab’ ich gegessen; als die ärgste Hitze vorbei war, giengen wir zu Adele. Du wirst eine sehr heiße Fahrt gehabt haben? Nicht? Deine Tochter lässt | für den Gruß danken u. schickt Grüße u. Küsse. Jetzt schläft sie.

Auf dem Balcon sitzt Adele, trinkt Rotwein u. raucht Cigaretten. Übrigens hat sie heute herrlich gesungenZusammenhang nicht ermittelt.! Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Wann kommst Du wieder | zu mir?

Innigen Kuss, geliebter Frank!

Deine Tilly |


Lieber genialer Freund.

Adele saß mit Tilly auf deines Daches Zinnenleicht modifiziertes Zitat des Auftaktes von Friedrich Schillers populärer Ballade „Der Ring des Polykrates“ (1798): „Er stand auf seines Daches Zinnen“ (scherzhaft selbstironisch verwendet, auf die Wechselfälle von Glück und Unglück anspielend)., ich trank dir, aus wüster Verzweiflung über den bösen Sonnenvogelein Sperlingsvogel, auch Chinanachtigall genannt; hier: Pseudonym für eine nicht identifizierte Person, mit der Adele Sandrock in Beziehung stand, möglicherweise angeregt durch die Operette „Der Sonnenvogel“ (1904) von Victor Hollaender (Textbuch von Georg Okonkowsky und Rudolf Schanzer nach einer Novelle von Franz Herczeg), die zeitgenössisch zum Repertoire verschiedener Bühnen gehörte. Adele Sandrock hat gegenüber Wedekind bei den Proben zur Aufführung der „Büchse der Pandora“ (sie fand zensurbedingt nicht statt) am Deutschen Theater am 18.9.1906 über diese Person gesprochen, wie Wedekind notierte: „Pandoraprobe. Adele hat sich mit dem Sonnenvogel verzankt.“ [Tb] Es hat sich wohl um eine Sängerin gehandelt, wie Hermann Bahrs Notiz vom 7.10.1907 über die „Sandrock“ vermuten lässt, „die jetzt richtig ein rasendes Verhältnis mit einer sehr schwarzen, sehr burschikosen, sehr merkwürdigen (ich kenn sie übrigens nicht, sondern urteile nur nach dem Aussehen) Altistin von der Komischen Oper hat“ [Tb Bahr, Bd. 5, S. 299]. Die Sängerinnen an der Komischen Oper in Berlin waren seinerzeit (die jeweilige Stimmlage war nur teilweise zu ermitteln, wobei zu bedenken ist, dass Alt-Rollen auch von Sängerinnen mit Mezzosopran gesungen wurden): Lola Artôt de Padilla (Sopran), Margarete Bruntsch (Alt), Bertha Deetjen, Emmy Delmar, Lotte Gaßner (Sopran), Erna Gressin, Marietta Horak (Sopran), Isabella L’Huillier (Sopran), Maria Labia (Sopran), Ilse Lorenz, Drusilla Mantler, Adelheid Pickert (Sopran), Rosa Sachse-Friedel, Ery Urban (Sopran), Aenne Wiegrebe, Anna Willner, Bertha Wohlgemut [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 263f.]. eine Flasche Rothwein aus! – Tilly hat mich so herzensgütig getröstet, sie ist bei Gott ein Engel! Ich bin das größte Rindviech das auf der Welt lebt, sage Nichts, denn es ist so! – Auf frohes Wiederseh’n; dein Kind ist geradezu süß, so wie die Mutter. In inniger Freundschaft
deine Adele.

Tilly Wedekind schrieb am 28. Juni 1907 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

Freitagder 28.6.1907, vermutlich abends zwischen 23.30 und 24 Uhr (nachdem Adele Sandrock sich auf den Heimweg gemacht hat) zu Papier gebracht – im Anschluss an den zuvor abends am 28.6.1907 geschriebenen Brief (als Adele Sandrock noch auf dem Balkon saß). abends.


Innigst geliebter Frank,

es ist nichts Neues vorgefallen. Es geht uns sehr gut, u. hoffen wir von Herzen, dass Du Dich auch wohl fühlst. Anna Pamela liegt in meinem Bett, wir werden zusammen schlafen. Die Durieux hat auf mich gewartetZusammenhang nicht ermittelt., u. | fuhren wir in einer Droschke nach Hause.

Von ganzem Herzen
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 28. Juni 1907 in Prag folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Absender:


Korrespondenz-Karte.


An Frau Tilly Wedekind
in Berlin W
Kurfürstenstrasse 125. |


Geliebte Tilly, es ist vorüberWedekinds Auftritt als vermummter Herr in der Gastspielpremiere von „Frühlings Erwachen“ am 28.6.1907 am Deutschen Volkstheater (Direktion: Wilhelm Hopp) in Prag (Beginn: 19 Uhr, Ende nach 21.30 Uhr): „Gastdarstellung von Frank Wedekind und Rudolf Schildkraut mit Mitgliedern des Deutschen Theaters in Berlin.“ [Prager Tagblatt, Jg. 31, Nr. 176, 28.6.1907, Morgen-Ausgabe, S. 15]. ich sitze hundemüdeWedekind ist am 28.6.1907 von Berlin nach Prag gereist, stand dort dann abends auf der Bühne (siehe oben) und saß nun mit zwei Mitarbeitern der deutschsprachigen Prager Tageszeitung „Bohemia“ (siehe unten) erschöpft in einem Weinlokal. mit Felix Adler und einem seiner CollegenRichard Rosenheim, seinerzeit Redakteur der „Bohemia“, Kollege von Felix Adler, der seit 1906 Musikkritiker der „Bohemia“ war. und denke Deiner im Stillen. Ich werde Morgen und übermorgenAm 29. und 30.6.1907 fanden weitere Vorstellungen des Ensemble-Gastspiels des Berliner Deutschen Theaters mit „Frühlings Erwachen“ am Deutschen Volkstheater in Prag statt. noch spielen. komme also voraussichtlich Montagder 1.7.1907, an dem Wedekind notierte: „Rückfahrt nach Berlin im Speisewagen bei prachtvollem Wetter. Tilly holt mich ab.“ [Tb] Abend. Dir und Pamela sende ich herzlichste Grüße. Morgender 29.6.1907, an dem Frank Wedekind Tilly Wedekinds Onkel Adolf Engländer, „Direktor der Filiale der Österreichischen Kreditanstalt in Prag“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 54], zwar aufsuchte, ihn allerdings nicht antraf [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.6.1907], sondern erst an seinem Abreisetag, am 1.7.1907: „Diniere mit Direktor Engländer.“ [Tb], wenn ich aufgestanden, gehe ich zu Deinem Onkel. Jetzt werden wir noch ein Glas Wein trinken. Von Herz und Seele
Dein Frank.

Blauer SternWedekind logierte in Prag im Hotel Blauer Stern (Am Graben 34), nicht im Hotel Erzherzog Stephan (Wenzelsplatz)., nicht Erzherzog Stephan.

Tilly Wedekind schrieb am 29. Juni 1907 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

Samstag abends.


Mein einzig, geliebter Frank,

ich konnte gestern nur flüchtig schreibenvgl. Tilly Wedekind, Adele Sandrock an Frank Wedekind, 28.6.1907., da ich Adele doch nicht solange allein lassen konnte. Sie war bis ½ 12 Uhr23.30 Uhr. bei mirAdele Sandrock war am 28.6.1907 zu Besuch bei Tilly Wedekind, zu deren Brief an Frank Wedekind sie einen eigenen an ihn beilegte (siehe oben).. Sie ist wirklich ein armes Geschöpf, u. hat mir von Herzen leid getan. Morgen, oder übermorgen will sie schon wegfahrenAdele Sandrock reiste demnach entweder am 30.6.1907 oder am 1.7.1907 nach Heringsdorf, das Ostseebad auf der Insel Usedom., nach Heringsdorf. So wird aus unserem Abend leider nichts. |

Ich habe heute nichts erlebt. Vormittag war ich zu Hause, u. wie ich gestehen muss, sehr fleißig. Nachmittags war ich im Kaufhaus, (es hat nicht viel gekostet) u. dann bei Frau Langenicht identifiziert.. Ich hab’ ihr 30 M. gegeben.

Du gehst mir sehr ab, Frank. Dein Zimmer, in dem ich schreibe, sieht vollständig unbewohnt aus. Ich sehne mich sehr danach, Dich morgenden 30.6.1907; Wedekind reiste erst am 1.7.1907 von Prag zurück nach Berlin, wo seine Frau ihn am Bahnhof empfing: „Rückfahrt nach Berlin im Speisewagen bei prachtvollem Wetter. Tilly holt mich ab.“ [Tb] um die Zeit | vom Bahnhof abholen zu können. Ich will Dir keine Liebeserklärung machen u. nicht sentimental werden, aber ich habe Dich von Herzen lieb, u. könnte keine lange Trennung ertragen.

Anna Pamela schläft leider wieder, u. lässt Dich innig küssen.

Leb’ wohl, Frank.

Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 30. Juni 1907 in Prag folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

CORRESPONDENZ-KARTE


Frau Tilly Wedekind
Berlin W.
Kurfürstenstraße 125


Geliebte Tilly, eben bekomme ich Dein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.6.1907.. Gestern war ich bei Deinem OnkelTilly Wedekinds Onkel Adolf Engländer, „Direktor der Filiale der Österreichischen Kreditanstalt in Prag“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 54], den Frank Wedekind zu besuchen angekündigt hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.6.1907] und am 1.7.1907 traf: „Diniere mit Direktor Engländer.“ [Tb] der aber aufs Land gereist war um seine Damen zu besuchen. Ich werde heute noch einmal vorsprechen. Hier ist großes Nationalfest„Das Turnfest des tschechisch-slowakischen Sokolverbandes (gegr. 1862), der nach dem Vorbild der deutschen Turnbewegung eine national geprägte Turnbewegung initiierte, die zu einem bedeutsamen Impulsgeber nicht nur der tschechisch-slowakischen Nationalbewegung wurde, sondern bald auch in anderen slawischen Ländern Fuß fasste.“ [Vinçon 2018, S. 55] Wedekind notierte am 30.6.1907: „Von 11-1 Uhr Vorbeimarsch der Sokolvereine.“ [Tb]. Gestern Abend war ich ganz allein aber zu müde um zu schreiben. Also Morgen Abend 10 Uhr 2222.22 Uhr. Wedekind notierte am 1.7.1907: „Rückfahrt nach Berlin im Speisewagen bei prachtvollem Wetter. Tilly holt mich ab.“ [Tb] Anhalter Bahnhof.

Herzliche Grüße an Dich und A. P. Dein Frank. |


Gruss aus Prag!
Der altstädter Brückenturm. ‒ 26

Tilly Wedekind schrieb am 30. Juni 1907 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Frank Wedekinds Bildpostkarte an Tilly Wedekind vom 30.6.1907 aus Prag:]


[...] eben bekomme ich Dein Telegramm.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 30. Juni 1907 in Berlin folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


Böhmen
Prag
Hotel „Blauer Stern“
Herrn
Frank Wedekind


Sonntagder 30.6.1907..

Herzliche Grüße
senden
Anna Pamela
u. Tilly |


Gruss aus Berlin
Reichspostamt

Tilly Wedekind schrieb am 8. Juli 1907 in Berlin folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

[1. Entwurf:]


Geliebter Frank, Ich danke Gott, dass Dir nichts geschehen ist u. bitte Dich von ganzem Herzen um Verzeihung. Erlaubst Du mir Dir heute Nachmittag Dein Gebäckmöglicherweise Schreibversehen, statt: Gepäck [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.7.1907]. zu bringen? Ich fahre gleich wieder zurück u. morgen abend nach Wien. Ich möchte nicht so von Dir gehen.

Innigst Dir ergeben Deine Tilly


[2. Abgesandtes Telegramm:]


frank wedekind leipzig
hauptpostlagerndvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.7.1907 (das erste Telegramm unter diesem Datum). =


Telegraphie des Deutschen Reiches.
Amt Leipzig.


Telegramm v berlin [...]


= geliebter frankWedekind hat den Empfang des Telegramms am 8.7.1907 notiert: „Telegramm von Tilly.“ [Tb], ich danke gott, dass dir nichts geschehen ist u bitte dich von ganzem herzen um verzeihungEs hatte Spannungen in der Ehe gegeben; wohl „auf Drängen Wedekinds, der sich in seiner schriftstellerischen Arbeit eingeschränkt fühlte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 56], beschlossen Frank und Tilly Wedekind, einige Tage getrennt zu verreisen (er nach Leipzig, sie nach Graz), wie das Tagebuch teilweise dokumentiert – so am 6.7.1907 („Wir beschließen daß Tilly auf einige Tage nach Graz geht. Ich kaufe die Schlafwagenplätze. Tilly bekommt einen Anfall“) und am 7.7.1907 („Tilly packt meinen Koffer. Spaziergang. Abendessen bei Treppchen. Heimfahrt Anfall“). Frank Wedekind ist in der Nacht vom 7. auf den 8.7.1907 „kurz nach Mitternacht nach Leipzig“ abgereist, nach dem letzten ‚Anfall‘ Tilly Wedekinds, der wohl ausgelöst war durch die „geplante Trennung“, wofür sie sich hier entschuldigte – und sie „reiste ihm hinterher.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 56].. erlaubst du mir heute nachmittag dein gebaeck zu bringen? ich fahre gleich wieder zurueck u. morgen abend nach wien. ich moechte nicht so von dir gehen. = innigst dir ergeben – deine tilly.

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1907 in Leipzig folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind berlin
kurfuerstenstrasze 125=


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus leipzig [...]


ich erwarte dichWedekind reagierte auf ein Telegramm seiner Frau [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 8.7.1907], die dem Tagebuch zufolge am 8.7.1907 um 19 Uhr in Leipzig eintraf („Um 7 Uhr kommt Tilly“) und am 9.7.1907 wieder nach Berlin abreiste („Ich begleite Tilly zur Bahn“). herzlichst = frank

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1907 in Leipzig folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

frau tilly wedekind berlin
kurfuerstenstr. 125 =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] Leipzig [...]


liebe tilly wenn du etwas brauchst dann schreibe oder telegraphire bitte leipzigWedekind hat am 8.7.1907 notiert: „Ich fahre nach Leipzig“ [Tb], seine frühe nächtliche Abfahrt von Berlin um 0.30 Uhr und seine Ankunft in Leipzig morgens um 6 Uhr früh: „6 Uhr Ankunft in Leipzig ½1 Uhr Abfahrt v. Berlin“ [Tb] sowie in Leipzig „Frühstück im Café Bauer“ [Tb]. hauptpostlagernd ich habe noch hauptpostlagernd habe noch kein logis wohne aber wahrscheinlich hotel hauffe beste gruesze = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 10. Juli 1907 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind leipzig hotel hauffe =


Telegraphie des Deutschen Reiches.
Amt Leipzig.


Telegramm aus [...] graz [...]


geliebter trankÜbertragungsfehler, statt: frank. inigstÜbertragungsfehler, statt: innigst. erfreut durch dein telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 10.7.1907. sende ich dir tausend gruesze. alles ging gut vomÜbertragungsfehler, statt: von. herzen = deine tilli.

Frank Wedekind schrieb am 10. Juli 1907 in Leipzig folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

= frau wedekind bei newes
brandhofgasse 1 graz =


Telegramm
aus
[...] leipzig [...]


geliebte tilly hoffentlich seid ihr gut angekommenTilly Wedekind ist mit ihrer Tochter Pamela am 9.7.1907 von Berlin über Wien nach Graz zu ihrer Familie gereist und schilderte ihrem Mann die Einzelheiten brieflich [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.7.1907]. gruesze eltern schwestern und brueder. gruss an annapamela. auf recht baldiges wiedersehn = frank.

Frank Wedekind schrieb am 11. Juli 1907 in Leipzig folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


An
Frau Tilly Wedekind
p.a. Herrn Eduard Newes.
in Graz (Steyermark)
Wohnung (Straße und Hausnummer) Brandhofgasse 1. |


Liebe Tilly, Ich sitze hier wieder an dem gleichen Tischwie am 8.7.1907 in Leipzig mit Tilly Wedekind: „Um 7 Uhr kommt Tilly. [...] Ratskeller.“ [Tb] im RatskellerWedekind notierte am 11.7.1907: „Abends allein im Ratskeller.“ [Tb] aber allein. Gesternam 10.7.1907. Wedekind notierte an diesem Tag sein Treffen mit dem befreundeten Rechtsanwalt Kurt Hezel sowie seine Begegnungen mit dem Literarhistoriker Georg Witkowski, der sich 1905 im Prozess um „Die Büchse der Pandora“ als hinzugezogener Sachverständiger „vorbehaltlos zu Gunsten des Stücks“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 57] ausgesprochen hatte [vgl. KSA 3/II, S. 1102, 1150], dem Juristen Johannes Mittelstaedt, der 1899 im Leipziger Majestätsbeleidigungsprozess um den „Simplicissimus“ Untersuchungsrichter war [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 57], dem Rechtsanwalt Walter Dralle und dem Mathematiker und Schriftsteller Felix Hausdorff: „Besuch bei Hetzel [...] Abends mit Hetzel Witkowsky Mittelstedt und Dr. Dralle im Römer. Hausdorf Café Bauer.“ [Tb] hatten ich einen sehr interessanten Abend mit Kurt Hetzel, Witkowsky, Mittelstedt und Hausdorf. Ich erfuhr dabei Dinge über meinen Verleger LangenWedekind erfuhr am 10.7.1907 in Leipzig, sein Verleger habe 150.000 Mark zur Weiterführung seines Verlags aufgenommen, dem er daraufhin schrieb [vgl. Wedekind an Albert Langen, 11.7.1907]., die mich veranlassen möglichst bald in MünchenWedekind, der am 15.7.1907 von Leipzig zunächst nach Frankfurt am Main und nach Stuttgart reiste, fuhr von dort am 19.7.1907 nach München, wo er Albert Langen am 22.7.1907 aufsuchte: „Besuch [...] bei Langen“ [Tb]. zu sein. In München werde ich möglichst rasch die Kostüm-ArbeitArbeit an den Kostümen zu „König Nicolo oder So ist das Leben“ – möglicherweise im Zusammenhang damit, „daß der Autor schon im Jahr 1907 eine Bearbeitung des Dramas erwogen hat“ [KSA 4, S. 564]. Wedekind nahm in München mit „dem Münchner Theaterschneider Johannes Mück [...] die Arbeit an seinen Kostümentwürfen auf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 57], das ist Johann Nepomuk Mück (Hackenstraße 3), „Schneidermeister“ und „Theaterkostümeur“ [Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 359] – ab dem 22.7.1907: „Besuch bei Schneider Mück“ [Tb]. für So ist das Leben aufnehmen. Dazu wirst Du dort sein müssen. Du wirst diese Carte voraussichtlich nicht lesen können, da ich mit einem sehr weichen Bleistift schreibe. Ich habe drei DampfbäderWedekind notierte in Leipzig an den drei aufeinander folgenden Tagen vom 9. bis 11.7.1907 jeweils „Dampfbad“ [Tb]. genommen. Ich bin sehr dick geworden. Grüße Alle aufs Herzlichste. Schreibe mir bitte. Auf baldiges Wiedersehn in München. Morgender 12.7.1907. Wedekind notierte allerdings erst am 15.7.1907: „Abfahrt von Leipzig nach Frankfurt.“ [Tb fahre ich nach Frankfurt Frankfurter Hof Herzlichsten Gruß Frank

Tilly Wedekind und Mathilde Newes schrieben am 12. Juli 1907 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Rosenberg, Kirscheng. 2


Freitag, 12./VII.07.


Geliebter Frank,

endlich kann man einiger maßen von Ruhe sprechen. Du bist mir nicht böse, dass ich solange nicht geschrieben habe?!

Ich fuhr also Dienstagder 9.7.1907. Tilly Wedekind, die soeben erst von einem Kurzbesuch bei ihren Mann aus Leipzig zurück in Berlin war (siehe die vorangehende Korrespondenz), reiste mit ihrer kleinen Tochter Pamela und dem Kindermädchen im Nachtzug zu ihren Eltern nach Graz. mit Anna Pamela u. Zubehör von Berlin ab, Anna Pamela in tiefem Schlaf. Sie war sehr verwundert über die ihr fremde Umgebung. Die Nacht über hat sie sich leidlich anständig aufgeführt, nur bewies sie sich als Männerfeindin; bei Erscheinen | des Schlafwaagen-ConducteursSchlafwagenvorsteher. fiengSchreibversehen, statt: fing. sie fürchterlich zu brüllen an. In Wien hatten wir gerade soviel Zeit um von der Nordwest zur SüdbahnEisenbahnlinien; die Nordwestbahn führte (von der Ostsee kommend) von Berlin nach Wien zum Nordwestbahnhof, die Südbahn ab Südbahnhof von Wien über Graz nach Triest. zu übersiedlelnSchreibversehen, statt: übersiedeln.; dann giengs auch schon los. Ich war bei dem allem von einem Eifer, dass ich vor Aufregung glühte. Als ich nun etwas müde in Graz mit meinen 10 GebäckstückenSchreibversehen, statt: Gepäckstücken., Anna Pamela u. Agnes„Amme und Kindermädchen bei Wedekinds.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 58] dazugerechnet, ankam, gieng die Aufregung eigentlich erst los. KarlKarl Newes, Tilly Wedekinds jüngster Bruder. ist verreist, Bertl war auf ÜbungDagobert Newes, Tilly Wedekinds zweitältester Bruder, „war zum Militärdienst eingezogen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 58], so blieb ich zu Hause wohnen. Nachdem ich nach | Tisch geruht, sah ich mich gleich nach einer Wohnung um; u. fand gleich dieses hier. Aber die von zu Hause wollten Verschiedenes ansehen u. so liefen wir Mittwoch abends u. Donnerstag Vormittag noch herum. Zu Mittag wurde mir die Geschichte zu dick, ich nahm die Wohnung, ließ einem/n/ Wagen holen, unsere GeschäftsburschenMitarbeiter in der Weinhandlung von Tilly Wedekinds Vater Eduard Newes. packten die Sachen auf u. so kamen wir in strömendenSchreibversehen, statt: strömendem. Regen am RosenbergAnhöhe am Stadtrand von Graz. an.

Gestern u. heute machte ich mit Mama’s Hilfe Ordnung u. sitze jetzt, bei wunderschönem | Wetter auf der Veranda um Dir dies alles zu berichten.

Wir bewohnen ein schönes, großes Zimmer, mit hübschen, hellen Bauernmöbeln; da 2 Betten sind, kann immer eines von zu Hause bei mir sein, ganz wie ich es gewünscht habe. Dann haben wir noch eine Küche, sehr klein aber sehr nett, die Amme schläft auch da. Der Garten ist schön u. groß u. von der Veranda herrliche Aussicht auf die ganzen Waldungen des Hilmteichsder Hilmteich – ein im 19. Jahrhundert angelegtes künstliches Stehgewässer in Graz und Naherholungsgebiet der Stadt. u. einige Berge. Ich glaube es lässt sich hier leben.

Zu meiner großen Freude ist | heute Bertl zurück gekommen. Er wird dann heraufkommen. Ich habe bis jetzt nur von mir gesprochen u. Dinge erzählt die Dich wahrscheinlich gar nicht interessieren werden. Bist Du noch immer in Leipzig? Ich werde den Brief dahin schicken, bitte gieb’ mir bald Deine neue Adresse. Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 10.7.1907. hat mich so sehr gefreut, mein geliebtester Frank u. habe ich viel an den schönen, letzten Abend im Ratskellerder Abend von Tilly Wedekinds Kurzbesuch in Leipzig am 8.7.1907 bei Frank Wedekind, der ihre Ankunft um 19 Uhr und den gemeinsamen Besuch im Leipziger Ratskeller notierte: „Um 7 Uhr kommt Tilly. Fahrt durch das Rosenthal. Ratskeller.“ [Tb] gedacht!

Gewiss hast Du in vielem recht. Wenn ich mich so sehr | in meinen kleinlichen Sorgen vertiefe, geht mir vieles von dem schönsten, besten meines Lebens, von Dir u. Deiner Tätigkeit verloren. Das muss anders werden, u. wird sicher auch. Habe nur etwas Geduld mit mir, ich bin jetzt wirklich gesundlichSchreibversehen, statt: gesundheitlich. unfähig. Ich merke es erst jetzt, wo so die ganze Ermüdung über mich kommt. Ich werde nun nichts machen, als im Freien sitzen, lesen, essen, u. schlafen, dann bin ich sicher bald wieder frisch u. | munter. Mit dieser Ermüdung kann man sich des schönsten Lebens nicht erfreuen.

Dann will ich nur der Freude leben, Dir Freude zu machen, u. Du sollst alles Hässliche vergessen.

Schreib’ mir bitte, wenn es Dir Freude macht, u. zw. recht viel von Dir. Wie geht es Dir jetzt; atmest Du auf in Deiner freiwilligen Einsamkeit?

„Gott sei Dank, endlich allein?!“Teilzitat und Anspielung „auf Wedekinds Zeichnungen von Särgen in seinem Notizbuch“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 58], die mit der Beschriftung versehen sind [vgl. KSA 6, S. 855]: „Endlich allein.“ [Nb 41, Blatt 11v]

Hierher zu kommen hättest Du gar keine Lust? | Ich kann jederzeit ein zweites großes Zimmer mit einem Bett neben dem meinen haben.

Nun kommt leider noch eine Bitte. Ich habe dummer Weise, von Wien nach Graz tour u. retour(frz.) tour (= Reise), (frz.) retour (= Rückreise); hier: hin und zurück. genommen. (Die einzige Dummheit auf der ganzen Reise!) Das machte 61 Kr. Hier bezahle ich für die Wohnung 30 Kr. pro Woche, werde also nicht auskommen. Habe für GebäckSchreibversehen, statt: Gepäck., Wagen etz.Schreibversehen, statt: etc. auch ausgegeben, schreibe Dir alles auf. Willst Du mir für die Reise auch gleich schicken? Retour-KartenRückfahrkarten. gebe ich zurück, fahre doch sicher über Salzburg oder Tirol. Aber nicht mehr als ich notwendig brauche. Im Voraus herzlichen Dank.

Nun leb’ wohl, Geliebter,. Von ganzem Herzen umarmt Dich Deine Tilly


[auf Seite 5, um 90 Grad gedreht am linken Rand, Mathilde Newes:]

Herzlichste Grüsse, lieber Frank Deine alte
Mama.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 14. Juli 1907 in Graz folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Korrespondenz-Karte.


Absender:

Tilly Wedekind
Rosenberg,
Kirscheng. 2


An Herrn
Frank Wedekind
in Frankfurt a./M.
Frankfurterhof |


Sonntagder 14.7.1907.. Liebster Frank, leider ist schlechtes Wetter. Ich sehne mich nach Sonne u. Wärme. Heute habe ich zu Hause zu Mittag gegessen, bei meinen Eltern, die mich jetzt gegen Abend wieder heraufgebracht haben. Nun hast Du wieder soviel Geschäftliches zu tun, dass Du wohl schwer zu Deiner Lieblingsbeschäftigungwohl die Dampfbäder, die Wedekind in Leipzig zu nehmen begonnen hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907] und in Frankfurt am Main fortsetzte – so notierte er dort am 15.7.1907 „Dampfbad“ [Tb], am 16.7.1907 „Kohlensaures Bad“ [Tb], am 17.7.1907 wieder „Dampfbad“ [Tb]. kommen wirst. Bitte schreibe mir darüber. Herzlichst Deine Tilly


Lieber Papa, innigen Kuss, Anna Pamela

Frank Wedekind schrieb am 15. Juli 1907 in Frankfurt am Main folgenden Brief
an Tilly Wedekind

FRANKFURTER-HOF
FRANKFURT A. MAIN


Liebe schöne Tilly,

ich freue mich sehr daß das alles so vorzüglich von statten ging und daß Du gut untergebracht bist. In Leipzig hat es drei volle Tage von früh bis spät ununterbrochen gegossen. Ich fand daher nicht den moralischen Mut um 7 Uhr aufzustehn um hierher zu fahren. Heute Morgen im Augenblick der AbreiseWedekind notierte am 15.7.1907: „Abfahrt von Leipzig nach Frankfurt.“ [Tb] erhielt ich noch | (Ich habe eben eine Preisliste für ein Löschblatt gehalten, in Folge dessen die Schmiererei, die ich zu verzeihen bitte.) Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.7.1907.. Ich käme allerdings ganz gerne nach Graz und komme vielleicht auch, um Dich abzuholen. Aber vorher muß ich in München erledigen wovon ich Dir sprachnur andeutungsweise von Finanzaktionen des Verlegers Albert Langen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907]., sonst verliert Alberwohl Schreibversehen, statt: Albert. Langen jede Achtung und betrügt mich nach allen Richtungen. Dann kommt eine zweite sehr ernste Angelegenheit. Ich habe sehr an Gewicht zugenommen. und das bekämpfe ich jetzt durch Dampfbädervgl. dazu die vorangehende Korrespondenz mit Tilly Wedekind seit dem 11.7.1907., vieles Spazieren-Rennen und Fasten. In | München werde ich mit dem Theatermaler BuschbeckHermann Buschbeck, Maler, Kunsthandwerker und Schauspieler, war am Münchner Hoftheater „Vorstand des Kostümwesens“ [Neuer Theater-Almanach 1907, S. 510]. Frank Wedekind, der im Vorjahr mit Tilly Wedekind zu einem Gastspiel in München war, hat am 29.6.1906 ein Beisammensein bei dem Hofschauspieler und Regisseur Fritz Basil mit den Hofschauspielern Gustav Waldau, August Weigert und Alois Wohlmuth, dem Schauspieler Hans Lackner (vom Münchner Schauspielhaus und Theater am Gärtnerplatz) sowie Hermann Buschbeck notiert (dabei war wohl auch Tilly Wedekind): „Abends bei Basil mit Waldau Lackner Weigert Wohlmuth Buschbeck e.ct.“ [Tb], dessen Du Dich vielleicht vom verfloßnen Jahr erinnerst sofort die KostümfrageWedekind hatte die anstehende Arbeit an den Kostümen zu „König Nicolo oder So ist das Leben“ bereits thematisiert [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907]. Notizen und Skizzen „zu den Kostümen Nicolos als König, Schneidergeselle, Schauspieler und Hofnarr enthalten vor allem Wedekinds Notizbücher“ aus dem Jahr „1907“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 58], das sind zwei Notizbücher [vgl. KSA 4, S. 648] mit Notizen zu den verschiedene Kostümen Nicolos [vgl. Nb 41, Blatt 21v-22r] und flüchtige Kostümskizzen mit vereinzelten Bemerkungen [vgl. Nb 43, Blatt 38v-42v, 43v-44r, 45v-46v]. für „S. ist d. Leben“ wieder aufnehmen.

Ich kann Dir heute noch nicht mit Bestimmtheit voraussagen wann wir uns wiedersehn. Du wirst es aber leicht aus dem Gang meiner Geschäfte entnehmen können. Außerdem hast Du wirklich dringend Ruhe nötig. Was hilft es uns beiden wenn mich der Schlag trifft oder Du die Schwindsucht bekommst.

In Leipzig war ich nur zwei | Abende mit Bekannten zusammen, den ersten AbendWedekind hat seiner Frau von dem Abend des 10.7.1907 in Leipzig geschrieben [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907], von seinem Beisammensein mit Johannes Mittelstaedt (am 3.8.1899 im Leipziger Majestätsbeleidigungsprozess um den „Simplicissimus“ der Untersuchungsrichter) und dem befreundeten Rechtsanwalt Kurt Hezel (im Majestätsbeleidigungsprozess Wedekinds Verteidiger), außerdem mit Georg Witkowski (in den Prozessen um die „Büchse der Pandora“ am Landgericht I Berlin am 12.3.1905 und Landgericht II Berlin am 10.1.1906 als Sachverständiger herangezogen). von dem ich Dir schrieb, mit dem Untersuchungsrichter und dem Vertheidiger aus dem Simplizissimusprozeß und mit dem Sachverständigen aus dem Prozeß der B. d. Pandora, das zwei MalSchreibversehen, statt: zweite Mal. – Wedekind hat am 12.7.1907 in Leipzig ein Beisammensein mit Kurt Hezel notiert (dabei war auch der Rechtsanwalt Dr. Gerhard Hübler): „Abends mit Hetzel und Dr. Hubler.“ [Tb] war ich mit Hetzel allein. Die übrigen AbendeWedekinds Tagebuch zufolge war er am 11.7.1907 („Abends allein im Ratskeller“), 13.7.1907 („Abends allein im Ratskeller“) und 14.7.1907 („Allein im Ratskeller“) ohne Gesellschaft im Leipziger Ratskeller, um zu arbeiten – er konzipierte dort ein Drama „Das Kostüm“ (siehe unten). schrieb ich„Wedekind beginnt um diese Zeit mit den Vorarbeiten zu dem Einakter ‚Die Zensur‘“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 58], der den Arbeitstitel „Das Kostüm“ hatte [vgl. KSA 6, S. 827, 833]. im Ratskeller.

Da ich hier selbst auf Geld warte, schicke ich Dir morgen 100 M. und am Mittwoch oder Donnerstag noch 200.

Grüße Anna Pamela von mir

Ich küsse Dich in Gedanken, geliebte Tilly
Dein Frank


Montagder 15.7.1907. Abend.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 16. Juli 1907 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Rosenberg, Dienstagder 16.7.1907..


Geliebter Frank,

Du wunderst Dich vielleicht, dass ich wenig schreibe. Aber ich weiß ja keine bestimmte Adresse von Dir; bis meine Briefe ankommen, bist Du schon wo anders. Ich habe Freitag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.7.1907. nach Leipzig, u. Sonntag eine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.7.1907. nach Frankfurt geschickt. Wenn Du bei Deinem Vorsatz geblieben bist, dann bist Du vielleicht schon in München. Wo wolltest Du dort wohnen? |

Mein Bruder Karl ist heute auch nach Graz zurückgekommen. Ich laßSchreibversehen, statt: las. Bertl die beiden ActeTilly Wedekind las ihrem Bruder Dagobert Newes die beiden ersten Bilder von „Musik. Sittengemälde in vier Bildern von Frank Wedekind“ vor, die bereits gedruckt in der Literaturzeitschrift „Morgen“ vorlagen [vgl. KSA 6, S. 723], bezeichnet als „Erstes Bild“ [Morgen, Jg. 1, Nr. 3, 26.6.1907, S. 75] und „Zweites Bild“ [Morgen, Jg. 1, Nr. 4, 5.7.1907, S. 107].Musik“ vor. Über die sieben WorteWedekinds in sieben nummerierte Abschnitte gegliedertes, 60 Zeilen umfassendes und stilistisch als „Referenzfolie“ den „Dekalog“ [KSA 1/II, S. 1364] adaptierendes Gedicht „Die sechzig Zeilen oder Die Sieben Worte“ [KSA 1/I, S. 562-564] ist von Karl Kraus veröffentlicht worden [vgl. Die Fackel, Jg. 9, Nr. 227-228, 10.6.1907, S. 1-3]; es hatte in handschriftlichen Fassungen noch den Titel „Die sieben Worte“ [vgl. KSA 1/II, S. 1356-1358]. Erich Mühsam schrieb Karl Kraus am 22.6.1907 über das Gedicht: „Diese 7 Worte gehören zum Großartigsten, was überhaupt geschrieben ist. Sie stellen nicht nur das Extrakt aus allen Wedekindschen Arbeiten dar, sondern erweitern sie zu einer Bejahung, in der er weit über Nietzsche hinausgreift, und die Sprache dieser 60 Zeilen erhöht sie zu einem Katechismus modernen Menschentums.“ [Jungblut 1984, S. 102] müssen wir noch zusammen sprechen, ich verstehe nicht in allem, was Du meinst.

Was machen alle unsere Freunde in München?

Eine Schulfreundin besuchte mich gestern, man wunderte sich dass man so rasch denselben vertrauten Ton wiederfindet. Martha war jetzt 2 Tage bei mir, wir unterhielten uns sehr gut. | Ich schreibe auf der Veranda; von hier aus, ist reizende Aussicht. Es würde Dir sicher sehr gefallen. Mir fiel erst jetzt auf, dass das Mädchen in MusikIm Erstdruck von „Musik“ (nicht mehr in der Buchausgabe) ist im Verzeichnis der Personen angegeben: „Hildegard, Mädchen bei Reißners“ [Morgen, Jg. 1, Nr. 3, 26.6.1907, S. 75]. ja Hildegard heißtAnspielung auf Hildegarde Zellner, von 1900 bis 1903 Wedekinds Haushälterin – aus „der intimen Beziehung“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 59] mit ihr stammt Wedekinds am 22.5.1902 geborener unehelicher Sohn Franklin Zellner [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 216f.].. Du musst, weil ich die Bemerkung mache, nicht denken, es sei mir unangenehm.

Herzlichen Kuss
Deine Tilly


Lieber Papa,

Du musst mir bitte auch mal schreiben.

Gruß u. Kuss
Anna Pamela


[auf Seite 3, um 90 Grad gedreht am linken Rand, Tilly Wedekind:]

Siedie Tochter Pamela. freut sich ungeheuer zu schreiben!

Frank Wedekind schrieb am 16. Juli 1907 in Frankfurt am Main
an Tilly Wedekind

Abschnitt.
Coupon.
Kann vom Empfänger abgetrennt werden.
Peut être détaché par le destinataire.


Betrag der Postanweisung in Ziffern.
Montant du mandat en chiffres.

120 Kronen


Name, Wohnort und Wohnung (Straße und Nr.) des Absenders
Désignation de l’envoyeur
Wedekind Frankfurter Hof Frankfurt


Den 16. Juli 1907
Le |


Herzliche Grüße an Alle

Frank.

Frank Wedekind schrieb am 18. Juli 1907 in Frankfurt am Main folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte.


Nur für die Adresse


Frau Tilly Wedekind
Rosenberg
KirschgasseSchreibversehen, statt: Kirschengasse. 2.
Graz
Steyermark.


Schriftliche Mitteilungen


Geliebte Tilly, Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907., Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907. und Geld120 Kronen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.7.1907]. wirst du erhalten haben. Ich danke herzlich für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.7.1907.. Heuteder 18.7.1907 – Wedekind notierte an diesem Tag um 17 Uhr seine Abreise von Frankfurt am Main: „Um fünf Abfahrt nach Stuttgart.“ [Tb] Donnerstag fahre ich nach Stuttgart, Briefe hauptpostlagernd, bleibe dort drei Tage, dann nach München. Ich schreibe Dir noch ausführlicher. Grüße Anna Pamela herzlich, auch Deine Geschwister. Baldiges Wiedersehen
Dich küßt Dein
Frank |


Frankfurt a. M. im Jahre 1849

Nächstes Jahr reisen wir hoffentlich zusammen.

Dein Frank

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 18. Juli 1907 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Rosenberg, Donnerstagder 18.7.1907..


Mein lieber, guter Frank,

ich danke Dir für Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907. u. die 120 Kr.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.7.1907. die ich heute erhielt. Ich habe noch 60 Kr. u. käme ich wohl damit aus. Allerdings richtet sich das alles nach der Zeit, die ich hier zubringen werde. – Heute ist der erste schöne Tag, aber der ist auch prachtvoll! Zu meiner vollkommenen Zufriedenheit fehlst nur Du. Trotzdem würde ich Dir abraten, die weite Reise nur zu machen, um mich abzuholen. Aber erstens hat dies Zeit, u. zweitens hast Du’s wohl nur pro Formapro forma (lat.) = der Form halber. gesagt. |

Gesternder 17.7.1907, eine Woche zurückgerechnet der 10.7.1907, an dem Tilly Wedekind in Graz eintraf. war es eine Woche, dass ich herkam, u. vorgesternder 16.7.1907, eine Woche zurückgerechnet der 9.7.1907, an dem Wedekind in Leipzig notierte: „Ich begleite Tilly zur Bahn“ [Tb]., dass ich mich von Dir getrennt habe. Glaube ja nicht, dass ich Dich drängen will, ich bin mit allem zufrieden. Gewiss wird es uns auch Beiden gut tun. Darum will ich Dich nicht mehr quälen; es fehlte mir bis jetzt nur die richtige Sanftmut.

Anna Pamela schläft neben mir in ihrem Wagen. Sie wird jeden Tag reizender u. wird von allen Onkeln und Tanten zärtlich geliebt. Ausserdem hat sie einen glühenden Verehrer in dem 3jährigen Söhnchen einer jungen Fraunicht identifiziert. aus Wien, genannt Franz.

Ich wünschte es wäre Frank aus LandshutAnspielung auf Wedekinds am 22.5.1902 geborenen unehelichen Sohn Franklin Zellner, dessen Mutter Hildegarde Zellner, bis 1903 Wedekinds Haushälterin, aus Landshut stammte [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 216f.]. Das Kind wuchs in Landshut bei seiner Großmutter Anna Zellner auf.. |

Ich habe mir die folgenden HefteTilly Wedekind hatte die beiden ersten Bilder von „Musik. Sittengemälde in vier Bildern von Frank Wedekind“ in den Heften vom 26.6.1907 (Nr. 3) und 5.7.1907 (Nr. 4) der Literaturzeitschrift „Morgen“ vorliegen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.7.1907], bestellt hat sie sich die Fortsetzungen, das dritte Bild [vgl. Morgen, Jg. 1, Nr. 5, 12.7.1907, S. 143-150] und das vierte Bild [vgl. Morgen, Jg. 1, Nr. 6, 19.7.1907, S. 175-181].Morgen“ in einer Grazer Buchhandlung bestellt. Ich habe viel über das nachgedacht, was Du mir an dem letzten Abend in Leipzigam 8.7.1907 [vgl. Tb]. gesagt hast. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass ich mich stets für das rein menschliche in der Dichtung interressiertSchreibversehen, statt: interessiert. habe, u. ich glaube dass das, gerade bei Dir, immer dem Stoff, der Idee zug/G/runde liegt.

Aber ich fürchte, dass ich Dich mit dem allen, u. überhaupt mit langen Briefen zum Sterben langweile. Öffnest Du sie überhaupt gleich? Andere Frauen haben Dir sicher weit zärtlichere u. weit geistreichere Briefe geschrieben. |

Ich möchte Dich nicht gern in Deinen Gedanken stören.

Wie gern möchte man dem geliebten Menschen alle Herzlichkeit u. Innigkeit die man für ihn fühlt ausdrücken! Man fürchtet lächerlich zu werden, u. kennt auch nicht die Stimmung, in welcher der Brief gelesen wird. Ist das nicht erbärmlich klein?

Von ganzem Herzen küsst Dich
Deine Tilly


Liebster Papa,

Innigen Kuss
Deine Anna Pamela

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 19. Juli 1907 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

11 h


Herrn
Frank Wedekind
München
Hauptpostlagernd |


Abs: Tilly Wedekind
Graz, Rosenberg
Kirscheng. 2 |


Freitagder 19.7.1907.. Innigst geliebter Frank,

I/i/ch danke Dir vielmals für Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.7.1907. aus Frankfurt u. Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.7.1907 (Telegramm). aus München. Du hast doch noch nicht auf uns vergessen! (Sagt man nicht auf?) Heute früh bekam ich einen Brief aus Berlinnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Zinaida Vengerova an Wedekind, 17.7.1907. von einer DameZinaida Vengerova, Literaturkritikerin und Übersetzerin, hat 1905 in St. Petersburg bereits einen größeren russischsprachigen Beitrag über Wedekind veröffentlicht [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 60].. Sie will mit Dir wegen Übersetzung verhandeln von Manuscripten, | in’s Russische. Ihre Adresse ist: Frl. Zinaida Vengerowa, Berlin W. Lutherstr. 47 b. Hr. FlachsDer Schriftsteller Adolf Flachs in Berlin (Lutherstraße 47, 3. Hinterhaus) [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 532] pflegte „enge Kontakte zu russ. Autorinnen und Autoren“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 60].. Sie wollte telegraphisch Deine Adresse, um mit Dir zu sprechen. Ich habe nicht telegraphiert, ich fürchtete, es sei Dir vielleicht nicht angenehm. Ich habe beide Briefe, den an Dich u. den an mich, die beide in einem Couvert waren, nach Frankfurt geschickt. Von dort werden sie Dir wohl nachgeschickt. Hab’ ich’s recht gemacht?

Im Geiste sitzt auf Deinen Knieen u. küsst Dich
Deine Tilly


[Seite 3 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Anna Pamela

Frank Wedekind schrieb am 19. Juli 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wed WedekinkSchreibversehen, statt: Wedekind.
rosenberg bei Graz
Kirschengasse 2


Telegramm
aus
München [...]


bin eben in München angekommenWedekind ist am 19.7.1907 frühmorgens um 3.22 Uhr von Stuttgart nach München gereist – „Ich fahre 3.22. Nachts nach München. Nehme Wohnung im Hotel Leinfelder“ [Tb] – und gab das vorliegende Telegramm gleich nach seiner Ankunft auf. adresse hauptpostlagernd münchen wohne voraussichtlich hotel Leinfelder nachmittags ausführlicher Brief herzliche grüsse an Dich und anna pamelafrank

Frank Wedekind schrieb am 19. Juli 1907 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

GRAND HOTEL
LEINFELDER
MÜNCHEN
Lift . Electrisches Licht . Centralheizung


Meine geliebte Tilly!

ich bin also heute Morgen hier angekommenWedekind hatte seiner Frau morgens gleich nach seiner Ankunft in München bereits ein Telegramm geschickt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.7.1907]., nachdem ich mich drei Tage in Frankfurt mit Dampfbädern, Spazierenrennen und Entfettungskur beschäftigt hatte. In Folge dessen bin ich etwas abgespannt und bitte Dich, es zu entschuldigen wenn aus diesen Zeilen noch nicht der richtige Humor spricht. | Ich denke sehr viel an Dich, meine liebe Tilly und hin und wieder auch an Anna Pamela. Ich weiß nun noch nicht ob Du das Geld120 Kronen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.7.1907], das sind die versprochenen 100 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907]. meinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907. und die Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.7.1907. bekommen hast. Ich sende Dir heute die weiteren M. 200200 Mark waren zusätzlich zu den 100 Mark versprochen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907].. Außer mit Dr. CurtiWedekind hat den aus der Schweiz stammenden Journalisten Theodor Curti, „Direktor der Frankfurter Societätsdruckerei“ [Adreßbuch für Frankfurt am Main 1907, Teil I, S. 55], dem Verlag der „Frankfurter Zeitung“ [vgl. Adreßbuch für Frankfurt am Main 1907, Teil IV, S. 68] und somit auch deren Direktor (seit 1902), am 15.7.1907 in der Redaktion der „Frankfurter Zeitung“ (Große Eschenheimer Straße 35 und 37) [vgl. Adreßbuch für Frankfurt am Main 1907, Teil I, S. 95] aufgesucht: „Dr. Curti treffe ich auf der Frftr Ztg.“ [Tb], dem Direktor der Frankfurter Zeitung habe ich seit Leipzig thatsächlich mit keinem Menschen mehr gesprochen. Hier in Mü Ich bin auch noch nicht sehr dazu aufgelegt. Hier wird es ja nun wohl anders werden. Ich werde mich hier in München | sofort nach Logis für uns umsehen, da ich meiner Arbeiten und Geschäfte wegen wohl längere Zeit hier bleiben muß. Jetzt wird ja wol auch bei Euch wieder schönes Wetter sein. Deshalb würde ich an Deiner Stelle die gesunde Luft und die Ruhe noch etwas genießen. Was mich betrifft, so wäre ich jetzt wahrscheinlich sehr vergnügt wenn ich nicht so entsetzlich schwer geworden wäre und deshalb die anstrengende Kur nicht machen müßte.

In Stuttgart war ich nur | von 10 – 3 Uhrvon 22 Uhr bis 3 Uhr morgens. Wedekind ist dem Tagebuch zufolge am 18.7.1907 um 17 Uhr von Frankfurt am Main nach Stuttgart abgereist („Um fünf Abfahrt nach Stuttgart“) und dürfte dort um 22 Uhr eingetroffen sein; er fuhr am 19.7.1907 frühmorgens um 3.22 Uhr schon wieder von Stuttgart ab („Ich fahre 3.22. Nachts nach München“).. Ich kam in zwei RestaurantsWedekind ist am 18.7.1907 in Stuttgart wieder im Hotel Marquardt (Königstraße 22, Schloßstraße 4 und 6) abgestiegen (dort hatte er 1905 Berthe Marie Denk kennengelernt), besuchte zuerst das Restaurant des Hotels Royal (Schloßstraße 5) und anschließend das Restaurant im Königin Olgabau (Königstraße 9), wo er Berthe Marie Denk (notiert sind in hebräischen Schriftzeichen die Initialen ihrer Vornamen) in Herrenbegleitung sah und daraufhin die Abreise von Stuttgart in die Wege leitete: „Abfahrt nach Stuttgart. Nehme Zimmer im Hotel Marquart, gehe ins Restaurant Royal dann Olgabau. Dort sitzt B M im Automobilkostüm mit einem Herrn, mit dem sie sich bald entfernt. Ich gehe auf den Bahnhof um mich nach den Zügen zu erkundigen.“ [Tb] von denen eines schlechter war als das andere, beide menschenleer; so reiste ich um 3 Uhr weiter.

Liebe Tilly, ich glaube ich werde hier für kommendes Jahr schon Wohnung miethen, d. h. wenn ich etwas finde.

Schreibe mir bitte ausführlich wie es Dir geht. Ich küsse Dich innigst, Geliebte. Gieb Anna Pamela einen Kuß von mir.

Dein getreuer
Frank


19.7.7.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 20. Juli 1907 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Samstagder 20.7.1907..


Mein innigst geliebter, einziger Frank, von ganzem Herzen danke ich Dir für Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.7.1907. u. Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 19.7.1907. aus München! Nur liebe ich Dich viel zu sehr um nicht zu fühlen, in was für einer Stimmung Du Dich befindest. Und ich muss mir mit Schmerz sagen, dass ich sehr viel Schuld daran trage. Wenn ich auch für Berlin u. die äusseren Verhältnisse nichts kann, so hätte ich Dich/r/ doch viele Aufregungen u. Unannehmlich|keiten ersparen können. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich selbst viel durchgemacht, u. dadurch die körperliche Kraft u. Selbstbeherrschung verloren habe.

Du hast mir erzählt, dass die Zeit in München, in der Du so dick geworden, für Dich die unglücklichste war. Sollte ich aus Deinen jetztigenSchreibversehen, statt: jetzigen. Klagen, etwas Ähnliches schließen? Bin ich etwa die Ursache davon, dass Du Dich nicht aufraffen konntest, dass Du verstimmt bist?

Ja, ich habe Dich gehemmt, ange/st/att Dich zu aufzumuntern. | Und wie kann ich es gut machen?

Indem ich hier bleibe? Dich diesen Sommer Dir selbst überlasse? Wenn ich Dir dadurch helfen kann, so will ich es tun, obwohl mir dies das Schwerste wäre. Ich habe Dich zum Schlusse nur deshalb so gequält, weil es mir so schwer war, mich von Dir zu trennen. Weil ich Angst habe, Du könntest mir entfremdet werden durch längere Trennung. Aber dies alles ist Egoismus u. nicht Liebe. Ich habe an mich gedacht, anstatt an Dich.

Aber ich bin gründlich geheilt, durch die 2 wöchentliche Trennung | von Dir. Ich wünsche nur das Eine, Dich wieder im Vollbesitz Deiner Kräfte zu wissen. Bei guter Laune u. neuer Tatkraft. Du musst wieder zu Dir selbst kommen.

Kannst Du es besser, wenn Du alleine bist, so sage es mir offen. Wenn Du wirklich so schwer geworden bist, so reite doch in München täglich, ich werde dem Portier die Schlüssel schicken u. Dir Deine Reithose nach München nachsenden. Schlaf’ nicht so viel, wenn’s geht. Im Übrigen finde ich, Du brauchst das nicht so schwer nehmen; Du | warst doch schon dicker? Fühlst Du Dich sonst wohl? Wenn Du uns aber in 1 – 2 Wochen nach München nachkommen lassen willst, so wirst Du sehen, wie heilsam es mir war, dass Du mich weggeschickt hast. Deine Zeit abends soll ganz Dir gehören, nur soll es meine Sorge sein, dass Du sonst genug Bewegung machst. Oder wäre es Dir lieber, ich ließe das Kind hier? Überlege Dir’s, wie es für Dich am Besten ist, ich will von ganzem Herzen alles tun, was Du verlangst! Ich denke den ganzen Tag an Dich, | u. spreche den ganzen Tag von Dir. Ich fange an viel besser auszusehen u. mich sehr wohl zu fühlen. Ich bin ja viel zu gesund um die Ermüdung nicht leicht zu überwinden. Heute Nachmittag lag ich mit Anna Pamela in der Hängematte. Es sind jetzt prachtvolle Tage. Ich bin jung u. mein ganzes Herz, jeder meiner Gedanken gehört Dir, geliebter Frank! Und Dein Kind ist prächtig, strahlend in Frische u. Gesundheit! Und doch sind wir nicht im | Stande, Dir etwas Glück zu geben, der Du es in so vollem Maaße verdienst!

Du wirst nun wohl auch meine Bestätigungvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.7.1907 (Eingangsbestätigung von Brief und Geld) und 19.7.1907 (Eingangsbestätigung der Bildpostkarte). erhalten haben, über Brief, Karte u. das Geld. Ich danke Dir im Voraus für folgende 200 M., die ich wohl morgen erhalten werde. Ich habe bis jetzt 2 Telegrammevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 10.7.1907 und 19.7.1907., 2 Briefevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907 und 19.7.1907., 3 Kartenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907 (Postkarte) und 18.7.1907 (Bildpostkarte); Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 19.7.1907 (Bildpostkarte)., u. 120 Kr.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.7.1907. erhalten. Du hast doch Deine Adresse überall angegeben? Ich schickte Dir, Mittwoch ein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 10.7.1907., Freitag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.7.1907., Sonntag eine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.7.1907 (Postkarte)., Dienstag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.7.1907., Donnerstag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.7.1907., gestern einen Kartenbriefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.7.1907. u. einen Brief nachgeschicktvgl. Zinaida Vengerova an Wedekind, 17.7.1907.. Hoffentlich hast Du alles! |

Findest Du ich brauche viel? Die Wohnung ist ja nicht so teuer, aber das Essen kostet ziemlich viel.

Ich danke Dir herzlichst für Deine Sendungen. Dafür sollst Du Deine Freude an unsern roten Wangen haben.

Hab’ ich Dich gequält mit dem langen Brief? Ich hoffe, dass Du alles so verstehst, wie ich es gemeint habe, u. überzeugt bist von der Treue u. Liebe
Deiner Dir von ganzem Herzen
ergebenen Tilly


Liebster Papa, vielen Dank für Deine lieben Wortevgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 19.7.1907., werde alles befolgen. Meine Mutter ist sehr glücklich mit mir. Von Herzen
Deine Anna Pamela


[Seite 8 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Viele Grüße von meinen Eltern u. Geschwistern, ausser denen ich niemanden sehe.

Frank Wedekind schrieb am 20. Juli 1907 in München
an Tilly Wedekind

Abschnitt.
Coupon.
Kann vom Empfänger abgetrennt werden.
Peut être détaché par le destinataire.


Betrag der Postanweisung in Ziffern.
Montant du mandat en chiffres.


Name, Wohnort u. Wohnung (Straße u. Nr.) des Absenders:
Désignation de l’envoyeur:
Fr. Wedekind
z.z. München
Hotel Leinfelder


Den 20.7 1907Wedekind notierte am 20.7.1907: „Tilly. M. 200“ [Tb], die in München nach Graz überwiesenen 200 Mark.
Le

Frank Wedekind schrieb am 21. Juli 1907 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

GRAND HOTEL
LEINFELDER
MÜNCHEN
Lift . Electrisches Licht . Centralheizung


Geliebte Tilly,

ich war heute Sonntag auf der Post in Erwartung etwas von Dir zu finden, kam aber zu spät, das Postamt war um 12 Uhr geschlossen„Postlagernde Sendungen“ waren im Postamt München 1 (Residenzstraße 2) abzuholen: „Geöffnet an [...] Sonn- und Feiertagen von [...] 10‒12 Uhr Vorm.“ [Adreßbuch für München 1907, Teil III, S. 103] worden. Es ist hier in München geradezu feenhaft schön, ich bitte Dich, das nicht als Beleidigung aufzunehmen. Ich bin die drei Tage die ich hier bin ununterbrochen spazieren gegangen und habe schon zwei Mal im WürmbadWedekind besuchte Ungerer’s Würmbad (Am Kanal 1), eine auch Ungererbad genannte private Badeanstalt (Inhaber: August Ungerer) [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 581], wie er im Tagebuch am 20.7.1907 („Kurt Martens treffe ich im Ungererbad“) und 21.7.1907 („Ungererbad“) notierte. gebadet. Den ersten AbendWedekind war am 19.7.1907 mit seinem alten Freund Max Langheinrich zusammen, mit dem er die Schriftstellerin Margarete Beutler besuchte und dort offenbar den Schriftsteller und Verleger Waldemar Bonsels traf, und war dann mit ihm im Hofbräuhaus und in der American Bar des Hotels Vier Jahreszeiten: „Mit Langheinrich bei Margarete Beutler. Ich treffe Bonsels. Mit Langheinrich im Hofbräuhaus und der A. Bar.“ [Tb] verbrachte ich mit Langheinrich. GesternWedekind notierte zu dem am 20.7.1907 mit Max Langheinrich, dessen Frau Anna Langheinrich und Anton Dreßler verbrachten Abend: „Mit Dreßler und Langheinrichs in Hofbräuhaus.“ [Tb] Mit Anton Dreßler war Wedekind seit 1896 befreundet [vgl. Martin 2018, S. 135-137]. Max Langheinrich und Anna von Seidlitz ‒ mit ihr hatte Wedekind 1904/05 eine Liebesbeziehung [vgl. Vinçon 2014, S. 169-172] ‒ hatten am 11.9.1905 geheiratet. war ich | mit Langheinrich, seiner Frau und Dreßler zusammen. Die Begegnung mit Dreßler war sehr schwierig und heikel, da es Dreßler in jeder Beziehung sehr schlecht geht. Er hat seine Stellung an der Akademie verlorenDer in München lebende Tonkünstler, Konzertsänger und Gesangspädagoge Anton Dreßler (Thierschstraße 22) [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 93], im Vorjahr noch als „Lehrer“ an der „Akademie der Tonkunst“ [Adreßbuch von München für das Jahr 1906, Teil I, S. 92] verzeichnet, war am 1.10.1906 „seiner Stellung als Gesangslehrer an der Akademie für Tonkunst“ [KSA 6, S. 746] enthoben worden. Die Presse hatte zunächst gemeldet: „Anton Dreßler hat wegen Arbeitsüberhäufung bei der Direktion der Akademie der Tonkunst ein Gesuch um Entlassung von seiner Lehrtätigkeit an dieser Anstalt eingereicht.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 434, 17.9.1906, S. 3] Dann hieß es: „Der Lehrer für Sologesang an der Akademie der Tonkunst in München Anton Dreßler wurde, seinem Ansuchen entsprechend, von seiner Lehrstelle enthoben.“ [Akademie der Tonkunst. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 451, 27.9.1906, Vorabendblatt, S. 2] Hintergrund war folgende Affäre: „Eine Schülerin des mit Wedekind befreundeten Gesangspädagogen Anton Dreßler war nach § 218 Reichstrafgesetzbuch verurteilt worden. Dreßler, der Vater ihres Kindes, verlor daraufhin seine Stelle an der Münchner Akademie für Tonkunst“ [Nottscheid 2008, S. 184]. Wedekind hat in seinem Stück „Musik“ (siehe unten) diesen „authentischen Fall verarbeitet“ [Martin 2018, S. 136]. und hatte das Stück noch nicht gelesenAnton Dreßler hatte Wedekinds „Musik. Sittengemälde in vier Bildern“ (in vier Folgen vom 26.6.1907 bis 19.7.1907 in der Zeitschrift „Morgen“ erschienen) noch nicht gelesen. „Vorlage für die Figur“ des Gesangspädagogen Josef Reißner (die männliche Hauptfigur in „Musik“) „war der Opernsänger und Gesangslehrer an der Münchner Akademie für Tonkunst Anton Dreßler“ [KSA 6, S. 746], der „getreulich im Stück porträtiert“ [Wedekind 1969, S. 213] sei.. Frau Langheinrich wiederholte mir das Anerbieten, daß wir bei ihnen wohnen könnten. Ich sagte bedingungsweise zu, gegen Bezahlung von Miethe. Ich glaube aber nicht daß es möglich wäre; erstens wohnen sie am äußersten Ende MünchensAnna Langheinrich (Inhaberin des in ihrer Wohnung betriebenen Münchner Lese-Instituts) und ihr Mann, der Architekt Max Langheinrich, wohnten in München in der Maxvorstadt (Theresienstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 295]., wo Du von den Schönheiten Münchens wenig Genuß hättest und zweitens meinte sie auf meinen Vorschlag, Miethe zu bezahlen, selber, daß die Räume dazu zu schlecht und dürftig seien.

Ich werde mich nun erkundigen, wie | man hier im Hotel auf Kinder vorbereitet ist, und mich eventuell morgen nach möblierten Wohnungen umsehen. Heute Nachmittag bekomme ich die Langheinrichsche Wohnung zu sehen.

Wie geht es Dir, geliebte Tilly? Wenn Du irgendwelche Sorgen hast, dann glaube nicht mich nicht damit beunruhigen zu sollen. MorgenWedekind suchte am 22.7.1907 in München, wie er sich vorgenommen hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.7.1907], um neue Kostüme für „König Nicolo oder So ist das Leben“ zu beraten, zunächst einen Münchner Kostümschneider auf, allerdings nicht den Leiter der Kostümabteilung am Münchner Hoftheater Hermann Buschbeck [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.7.1907], sondern Johann Nepomuk Mück (Hackenstraße 3), „Schneidermeister“ und „Theaterkostümeur“ [Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 359], dann seinen Verleger Albert Langen: „Besuch bei Schneider Mück und bei Langen.“ [Tb] werde ich meine Unterhandlungen mit Langen aufnehmen und auch den Kostümschneider besuchen. Der Vom Theater ist niemand in München.

Ich denke also daß Du im Lauf der nächsten Woche hierher kannst. Hältst du es für nötig daß ich Dich in Graz abhole? Oder bist Du tapfer genug, | auch diese Reise allein zu machen, wie du die Reise nach GrazTilly Wedekind ist am 9.7.1907 mit ihrer Tochter Pamela und der Amme von Berlin über Wien nach Graz gereist, eine mühsame Reise, die sie Frank Wedekind geschildert hat [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.7.1907]. so tapfer allein ausgeführt hatSchreibversehen, statt: hast.? Von Deinem lieben Papa erhielt ich einen sehr freundlichen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Eduard Newes an Wedekind, 18.7.1907. über Berlin hierher nachgeschickt.

Also auf baldiges Wiedersehn, geliebte Tilly. Grüße Deine lieben Eltern, Schwestern und Brüder. Grüße und küsse unsere geliebte Anna Pamela von mir.

Herzlichst umarmt und küßt Dich
Dein
Frank.


21.7.7.Wedekind hat am 21.7.1907 in München im Tagebuch notiert: „Brief an Tilly.“


Ich habe den letzten Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.7.1907 (ohne Kuvert und folglich ohne Briefmarke überliefert). faschSchreibversehen, statt: falsch. frankiert, bitte das nicht als persönliche Beleidigung aufzufassen.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 22. Juli 1907 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Montag. 22./VII.07.


Innigst geliebter Frank,

Anna Pamela u. ich wünschen Dir zu Deinem GeburtstagWedekinds 43. Geburtstag am 24.7.1907. alles Liebe u. Gute! Wir bedauern sehr, dass wir gerade diesen Tag nicht bei Dir sein können, liebster Frank. Wenn wir sicher gewusst hätten Dir eine Freude zu machen, hätten wir Dich vielleicht besucht. So tun wir dies nur in Gedanken, u. schicken Dir unser Bildein Foto, vielleicht auch eine Zeichnung; dem Brief liegt nichts mehr bei.. Hoffentlich kommt es noch zu|recht, in Graz geht es leider nicht schneller.

Wir waren beide sehr vergnügt dabei, schon bei dem Gedanken, Dich damit zu erfreuen. Nun wünschen wir auch von ganzem Herzen, dass Du den Tag u. auch alle folgenden, recht vergnügt zubringst!

Ich denke an voriges JahrFrank und Tilly Wedekind haben an seinem 42. Geburtstag am 24.7.1906 bei ihrem Gastspiel in München abends in „Hidalla“ auf der Bühne gestanden.. Da hatten wir beide darauf vergessen.

Heute erhielt ich noch 298 Kr.umgerechnet die nach Graz überwiesenen 200 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.7.1907]. u. danke Dir herzlichst dafür, mein lieber Frank! Mehr kann werde ich auf keinen Fall brauchen; mit den Billetsdie Fahrkarten für die Reise am 29./30.7.1907 von Graz über Salzburg nach München.. |

Die Karte an Anna Pamelavgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 19.7.1907 (Bildpostkarte). muss ich immer wieder ansehen u. lesen, sie ist in jeder Beziehung sehr hübsch.

Heute werden wir unten bei meinen Eltern essen, Papa hat heute GeburtstagEduard Newes feierte am 22.7.1907 seinen 65. Geburtstag. u. werden wir Dich u. ihn feiern.

Eltern u. Geschwister lassen Dich natürlich vielmals grüßen, u. gratulieren Dir herzlich. Nun lebe/’/ wohl geliebter Frank, in Gedanken küsst Dich innig
Deine Tilly |


P. S. Wenn Du eine Wohnung für nächstes Jahr nehmen willst, ich bin sehr zufrieden damit. Wenn in Berlin was los ist, kannst Du ja immer hin fahren. Unsre Wohnung hast Du doch nur bis OctoberWedekind hat die Berliner Wohnung im 3. Stock in der Kurfürstenstraße 125 dem Tagebuch zufolge am 25.10.1907 gekündigt. genommen, dass wir nicht 2 Wohnungen zahlen müssen?!

Nochmals herzlichst
Tilly


Mein liebster Vater, ich stimme allem bei, was meine liebe Mama gesagt hat, Prosit Papa!

Deine Anna Pamela


[Seite 4 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Leider sind wir sehr schlechtdie Qualität des erwähnten Bildes betreffend (sehr schlecht getroffen), das dem Brief beilag (siehe oben)., in Wirklichkeit sind wir viel, viel hübscher!
Deine Tilly

Tilly Wedekind, Karl Newes, Dagobert Newes, Eduard Newes, Mathilde Newes, Pamela Wedekind, Rudolf Newes, Martha Newes und Dora Newes schrieben am 23. Juli 1907 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


frank wedekind muenchen
hotel leinfelder = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


vom ganzen herzen wuenschenGlückwünsche zu Wedekinds 43. Geburtstag am 24.7.1907. alles liebe u gute = lylliÜbertragungsfehler, statt: tilly. anna pamela und familie newes

Frank Wedekind schrieb am 23. Juli 1907 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


An Frau Tilly Wedekind.
in Graz (Steyermark)
Wohnung (Straße und Hausnummer) Rosenberg.
Kirschengasse 2. |


Geliebte Tilly, gestern war ich auf der Post und erhielt all Deine Briefe, für die ich Dir von ganzem Herzen danke. Mit dem Wohnen bei LangheinrichsAnna Langheinrich hatte Wedekind wiederholt Räumlichkeiten in dem Haus angeboten, in dem sie und Max Langheinrich wohnten (Theresienstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 295]; sie wohnten im 3. Stock des Hinterhauses (im Parterre waren ein Baugeschäft und ein Monteur gemeldet, im 2. Stock ein Geometer und ein Sekretär Dr. phil. an der Hof- und Staatsbibliothek, der 1. Stock war nicht belegt) [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil II, S. 489]. Wedekind hatte vorgehabt, die Räumlichkeiten (wohl im 1. Stock des Hinterhauses) am 21.7.1907 nachmittags zu besichtigen, was abends wurde: „Abends bei Langheinrich.“ [Tb] ist es nichts; das ganze Haus ist eine Rumpelkammer. Dagegen ist man im Hotel auf alles eingerichtet. Ich will morgen mirSchreibversehen, statt: mich. noch nach möblierten Wohnungen umsehen. Der Schneider hat meine Kostüme schon in Angriff genommen, übermorgenam 25.7.1907; die erste Anprobe seiner neuen Kostüme für „König Nicolo oder So ist das Leben“ bei Johann Nepomuk Mück (Hackenstraße 3), „Schneidermeister“ und „Theaterkostümeur“ [Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 359], verzeichnete Wedekind allerdings bereits am 24.7.1907: „Anprobe bei Mück“ [Tb], die zweite Anprobe am 27.7.1907: „Anprobe bei Mück“ [Tb]. Wedekind hatte den Kostümschneider zuerst am 22.7.1907 aufgesucht: „Besuch bei Schneider Mück“ [Tb]. habe ich die erste Anprobe. Ich habe auch Deine Kostüme schon mit ihm durchgesprochen. Heute erhielt ich Eure Glückwünschedas Glückwunschtelegramm aus Graz zu Wedekinds 43. Geburtstag am 24.7.1907 von seiner Gattin und ihrer Familie [vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind, Dagobert Newes, Dora Newes, Eduard Newes, Karl Newes, Martha Newes, Mathilde Newes, Rudolf Newes an Frank Wedekind, 23.7.1907]. zum Geburtstag. Sage bitte Allen meinen Dank. Meinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.7.1907. wirst du derweil erhalten haben. Auf baldiges Wiedersehn, geliebte Tilly, freut sich
Dein Frank.

Tilly Wedekind, Mathilde Newes, Eduard Newes, Dora Newes, Lene Newes, Martha Newes und Dagobert Newes schrieben am 23. Juli 1907 in Graz folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale ‒ Cartolina postale


Nur für die Adresse


Herrn
Frank Wedekind
München
Hotel Leinfelder


Schreibraum


28.23./7.07.


Liebster Frank, damit Du eine Vorstellung von unserm Aufenthalt bekommst, sende ich Dir diese Ansicht. Nur wohnen wir auf der andern Seite des Berges. Herzlichst Tilly


herzl. Gruß Bertl.


Herzliche Grüsse
Mama.


Graz.
Blick vom Schlossberg auf den Rosenberg.

Papa |


Herzlichste Grüße
Dora


Lenerl


Martha.

Frank Wedekind schrieb am 24. Juli 1907 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Tilly Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 25.7.1907 aus Graz:]


[...] die beiden Karteneine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 23.7.1907] und das hier erschlossene Korrespondenzstück, wahrscheinlich eine Bildpostkarte. habe ich erhalten. [...]

Die Karte ist reizendEinschätzung, die auf eine Bildpostkarte schließen lässt, die einen direkten Bezug zu Pamela Wedekind gehabt haben dürfte (in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 25.7.1907 folgt die Bemerkung auf Ausführungen zur gemeinsamen Tochter).!

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 25. Juli 1907 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Donnerstagder 25.7.1907..


Mein lieber Frank,

Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.7.1907. u. die beiden Kartenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 23.7.1907 – und eine nicht überlieferte Postkarte oder Bildpostkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.7.1907. habe ich erhalten. Ich freue mich si/eh/t/r/, dass meine Verbannung nun bald ihrem Ende entgegen geht. Ich sehe auch tatsächlich schon viel besser aus, ich glaube Du wirst zufrieden sein.

Natürlich komme ich alleinohne Begleitung ihres Mannes, der sie nicht in Graz abzuholen braucht., ich sagte ja gleich, eine Reise hierher würde sich nur lohnen, wenn Du einige | Zeit hier bleiben willst. Ich freu’ mich sehr auf München, u. natürlich auf Dich besonders! Seitdem ich weiß, dass ich nicht länger wie eine Woche noch hier bin, finde ich’s noch viel schöner u. bin sehr vergnügt.

Damit Du nicht die Mühe des Wohnungs-suchen hast, könnten wir ja einige Tage im Hotel wohnen, u. ich besorge dann das alles. Ist dir das recht? |

Wenn Du mir einen Tag vorher schreiben willst, wann wir reisen sollen, wäre ich Dir sehr dankbar. In einem Tag kann ich uns schon reisefertig machen.

Die beiden HefteTilly Wedekind hat die in einer Buchhandlung in Graz bestellten Hefte der Literaturzeitschrift „Morgen“ [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.7.1907] mit dem dritten Bild [vgl. Morgen, Jg. 1, Nr. 5, 12.7.1907, S. 143-150] und vierten Bild [vgl. Morgen, Jg. 1, Nr. 6, 19.7.1907, S. 175-181] von „Musik. Sittengemälde in vier Bildern von Frank Wedekind“ inzwischen erhalten und wie die beiden ersten Bilder des Stücks [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.7.1907] zusammen mit ihrem Bruder Dagobert Newes gelesen.Morgen“ hab’ ich hier bekommen; ich laßSchreibversehen, statt: las. mit BertlMusik“. Wie stellt DreßlerDer mit Wedekind befreundete Musiker Anton Dreßler war die „Vorlage“ für die Figur des Gesangspädagogen Josef Reißner in Wedekinds „Musik“, die sich durch „heuchlerische Doppelbödigkeit und Zwiespältigkeit“ [KSA 6, S. 746] auszeichnet. Er hatte inzwischen seine Stellung als Gesangslehrer an der Akademie der Tonkunst in München verloren und war in einer schwierigen Situation. Wedekind hat ihn dem Tagebuch zufolge am 20.7.1907 getroffen („Mit Dreßler und Langheinrichs in Hofbräuhaus“), sich am 24.7.1907 mit dessen Frau beraten („Zusammenkunft mit Lotte Dreßler bei Langheinrichs“) und am 26.7.1907 nochmals mit ihr und mit Anna Langheinrich („Unterredung im Hotel mit Lotte Dreßler und Anna Langheinrich“) und traf sich mit ihm am 27.7.1907 („Besuch bei Dreßler“) vermutlich zu einer Aussprache. sich dazu? Die kurze Geschichte von Holitzereine Ich-Erzählung, die in der Zeitschrift „Morgen“ erschienen ist [vgl. Arthur Holitscher: Straßenecken-Legende. In: Morgen, Jg. 1, Nr. 5, 12.7.1907, S. 153-157]. Sie „skizziert ein Erlebnis einer Großstadt-Prostituierten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 62]. finde ich ganz nett. Wenn man vieles über Berlin ließt, dann ist man immer stolz, mit dabeigewesen zu sein. |

Was macht unser EinacterFrank Wedekinds Einakter „Die Zensur“, den er am 29.5.1907 unter dem Titel „Das Kostüm“ konzipiert hat, mit der Ausarbeitung aber erst im Herbst begann [vgl. KSA 6, S. 827]. Die ersten Konzepte enthalten „viele autobiographische Details“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 63], die Tilly Wedekind betreffen; der Buchausgabe „Die Zensur. Theodizee in einem Akt“ (1908) ist dann ein offener Brief an sie vorangestellt: „Meine liebe Tilly! Besorgte Gemüter lasen aus diesen Szenen, du hättest je einmal zwischen meiner Arbeit und mir gestanden, und beschwerten dir durch ihre Besorgnisse das Herz. Wem die Szenen gefallen, dem liegt der Argwohn fern, aber den besorgten Lesern schulde ich eine Beruhigung. In den langen Jahren, die ich allein verlebte, war es mir jedes dritte Jahr einmal vergönnt, eine Arbeit erscheinen zu lassen; die zwei Jahre unseres Zusammenseins trugen mir drei fertige Stücke ‚Musik‘, ‚Zensur‘ und ‚Oaha‘ ein, an die ich vorher nie mit einem Gedanken gedacht hatte. Ich bin natürlich gewärtig, diese Aufzählung als Marktgeschrei gedeutet zu sehen. Aber dich bitte ich jedenfalls, zu verzeihen, daß ich an deiner Seite so viel Zeit zu selbständiger Betätigung fand. Frank.“ [KSA 6, S. 206]?

Grüße Langheinrich’s von mir. Wie sieht Frank Antonder am 11.3.1907 geborene Sohn von Anna und Max Langheinrich. aus? Anna Pamela wird alle Deine Wünsche befolgen, u. freut sich auch sehr auf München. Jetzt schläft sie, der Liebling. Die Karte ist reizenddie nicht überlieferte Postkarte (siehe oben), wahrscheinlich eine Bildpostkarte, die einen direkten Bezug zu Pamela Wedekind gehabt haben dürfte.!

Leb’ wohl, liebster Frank, Dein letzter Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.7.1907., war mir bis jetzt der Liebste!

Innigst
Deine Tilly


[Seite 4 am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

Eben aufgewacht: Ich kann’s fast so gut wie Du, Papa,
Deine Anna-Pamela.

Tilly Wedekind schrieb am 25. Juli 1907 in Graz folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale ‒ Cartolina postale


Nur für die Adresse


Herrn
Frank Wedekind
München
Hotel Leinfelder


Schreibraum


Donnerstagder 25.7.1907. abend.


Liebster Frank, herzl. Dank für Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.7.1907.! Wohnst Du denn Hotel Leinfelder? Ich dachte, der Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.7.1907. Tilly Wedekind hat den Brief offenbar an das Grand Hotel Leinfelder adressiert (das Kuvert ist nicht überliefert) und angenommen, er habe Frank Wedekind dort am 23.7.1907 (Dienstag) noch rechtzeitig vor seinem Geburtstag am 24.7.1907 erreicht, erfuhr aber nun durch sein Telegramm, dass er verspätet in München angekommen ist. sei noch Dienstag hingekommen. Sehr erfreut über Deine Aufmerksamkeit grüßt Dich
herzlichst
Deine Tilly


Graz. Hilmteichein im 19. Jahrhundert angelegtes künstliches Stehgewässer in Graz und Naherholungsgebiet der Stadt..

Frank Wedekind schrieb am 25. Juli 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind rosenberg bei graz kirschengasse 2=


Telegramm
aus
[...] muenchen [...]


herzlichsten dank fuer die wunderschoenen bilderWedekind dürfte sich einerseits auf die Beilage zu einem nun erhaltenen Brief beziehen, in dem die Rede ist von einem „Bild“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.7.1907], andererseits auf die wohl gleichzeitig erhaltene Bildpostkarte mit der Ansicht von Graz [vgl. Tilly Wedekind, Dagobert Newes, Mathilde Newes, Eduard Newes, Dora Newes, Lene Newes, Martha Newes an Frank Wedekind, 23.7.1907]., ueber wohnung entschejdung in drei tagen ausfuehrliche nachricht folgt – herzlichste gruesse = dein frank.

Frank Wedekind schrieb am 26. Juli 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Tilly Wedekind
Rosenberg bei Graz
Kirschengasse 2


Telegramm
aus
München [...]


Liebe Tilly ich habe eben wohnung gemietetdie Münchner Wohnung in der Amalienstraße 86 (2. Stock). Wedekind notierte am 26.7.1907 im Tagebuch: „Umzug aus Hotel Leinfelder nach Amalienstraße 86 II.“ wo amalienstrasse 86 2 bitte briefe dorthin die wohnung wird montagder 29.7.1907. frei bitte also dienstag zu kommen herzlichste Grüsse = Frank.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 27. Juli 1907 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


frank wedekind muenchen amalienstr 86 zweiter stock |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


= mit grossen jubel dein telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.7.1907. erhalten ich telegrafire noch die genaue ankunft dienstagder 30.7.1907. frohes wiedersehen tilly anna pamela

Frank Wedekind schrieb am 27. Juli 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

= tilly wedekind graz
rosenberg kirschenstrasze 2=


Telegramm
aus
[...] muenchen [...]


geliebte tilly herzlichen dank fuer lieben briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.7.1907. und telegrammeÜbertragungsfehler, statt: telegramm. Wedekind bezieht sich auf das an diesem Tag erhaltene Telegramm [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.7.1907]; „ein zweites Telegramm [...] ist nicht überliefert“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 64]., wenn du etwas brauchst dann telegraphiere oder lass dir von hause geben. ich freue mich sehr. herzliche gruessenÜbertragungsfehler, statt: gruesse. an dich und anna pamilaÜbertragungsfehler, statt: pamela. = frank.

Frank Wedekind schrieb am 28. Juli 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Tilly Wedekind
Rosenberg Kirschengasse 2 Graz


Telegramm
aus
München [...]


erhalte eben deine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.7.1907 (Bildpostkarte). erwarte hocherfreut dein telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.7.1907. herzlichste grüsse frank

Tilly Wedekind schrieb am 28. Juli 1907 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


frank wedekind muenchen
amaliastrÜbertragungsfehler, statt: amalienstr. 86 roemFernschreiberkürzel zur Markierung römischer Zahlen (hier „2“ für „II“ = 2. Stock). 2= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


geliebter frank, herzl. dank fuer telegrammevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.7.1907 und 28.7.1907.. sind montagder 29.7.1907. 5.40um 17.40 Uhr. salzburg uebernachten oesterreichischen hof dienstagder 30.7.1907, an dem Wedekind in München notierte: „Kaufe Tilly eine Uhr. Hole sie an der Bahn ab.“ [Tb] 12.10 bei dir. anders mit anna pamela nicht moeglich. innigst deine tilly

Frank Wedekind schrieb am 29. Juli 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

frau tilly wedekind salzburg
oesterreichischer hof.=


Telegramm
aus
[...] muenchen [...]


geliebte tilly konnte leider nicht hinkommennach Salzburg, um Tilly Wedekind dort abzuholen. habe wirklich zu viel zu thun erwarte dich sehnsuchtsvoll = frank.

Tilly Wedekind, Paula von Greisky und Tini Schrenz schrieben am 30. Juli 1907 in Salzburg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Correspondenzkarte


Herrn
Frank Wedekind
München
Amalienstr. 86 II |


Paula v. Greisky„vermutlich mitreisende Bekannte aus Graz.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 65]


Gruß aus Salzburg.


Gut hier angekommen, grüßt Dich herzlichst
Deine Tilly


Tini Schrenz„vermutlich mitreisende Bekannte aus Graz.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 65]

Frank Wedekind schrieb am 31. Juli 1907 in München
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
Amalienstraße 86 II

Frank Wedekind schrieb am 12. September 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm [...]
von München

[...]


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg.


Wie seid Ihr angekommen?Frank Wedekind hat am 11.9.1907 die Abreise Tilly Wedekinds (mit Tochter, Amme und Franken) um 23.15 Uhr von München festgehalten: „Tilli packt. [...] Tilli in Schweizergeld M. 100 Tilly fährt Abends 11 Uhr 15 mit Anna Pamela und der Amme nach Lenzburg.“ [Tb] Sie wohnte bei ihrer Schwiegermutter im Steinbrüchli.Frank Wedekind hat am 11.9.1907 im Tagebuch die Abreise Tilly Wedekinds (mit Tochter, Amme und Franken) um 23.15 Uhr von München festgehalten: „Tilli packt. [...] Tilli in Schweizergeld M. 100 Tilly fährt Abends 11 Uhr 15 mit Anna Pamela und der Amme nach Lenzburg.“ Sie wohnte bei ihrer Schwiegermutter im Steinbrüchli.

Herzlichste Grüsse an Alle.
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 12. September 1907 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]

wedekind muenchen amalienstr 86= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Lenzburg [...]


= sehr gut angekommenim Steinbrüchli, im Haus ihrer Schwiegermutter in Lenzburg. herrliches wetter herzlichst = deine tilly.

Tilly Wedekind schrieb am 13. September 1907 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Lenzburg, Freitagder 13.9.1907..


Mein lieber Frank,

wir sind also ausgezeichnet untergebracht. Wir bewohnen Mati’s Zimmer, Anna Pamela hat einen Liege-wagen zum Schlafen von Mati’s Freundinnicht identifiziert..

Das alles interessiert Dich aber gar nicht.

Mama u. Mati sind sehr lieb zu mir. Ich habe natürlich gleich ausgepackt, bis zu Tisch war Ordnung. Nach Tisch habe ich bis 6 Uhr geschlafen. |

Ich habe gedacht, ich werde halbtot todt hier ankommen, es ist aber gar nicht der Fall. Das Wetter ist wunderschön u. warm, morgens starker Nebel, bis Mittag aber immer Sonnenschein, schöner wie im Sommer. Natürlich kann man auch kalt baden. Mati erzählte mir viel von den Aufführungen in VindonissaIm restaurierten Amphitheater von Vindonissa, den Ruinen einer antiken Römerstadt in der Nähe von Brugg im Aargau, haben unter der Regie von Rudolf Lorenz mit Bühnenkünstlern des Meininger Hoftheaters und Laiendarstellern sechs Vorstellungen von Friedrich Schillers Drama „Die Braut von Messina“ unter freiem Himmel stattgefunden, regulär am 18.8.1907, 25. und 28.8.1907, 1. und 8.9.1907 sowie als zusätzlichem Spieltag am 4.9.1907 – beworben als „Aufführungen mit Sprechchören von 400 Personen“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 394, 6.8.1907, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (4)]. Die Presse berichtete: „Die Macht der Chöre, das heißt das gemeinsam gesprochene Wort von gegen 400 Personen war einfach überwältigend, großartig, und Tausende von Zuhörern wurden bis in die innerste Seele ergriffen von diesem Herz und Sinn gefangen nehmenden Werke unseres größten und liebsten Dichters. Nicht nur die Jugend wurde hingerissen: in manches Mannes Auge glänzte eine Träne über dem Walten des schaurigen Schicksals, dem das unheilvolle Haus des Fürsten von Messina anheimfällt. Neben den Chören, zu denen das Städtchen Brugg die große Mehrzahl gestellt hat, wirkten in wahrhaft meisterhafter Weise Berufsschauspieler aus Meiningen“ [Zürcher Wochen-Chronik, Nr. 36, 7.9.1907, S. 286].. Stand eigentlich nichts davon in den Zeitungen?

Ich glaube, ich werde mich hier wohl fühlen. |

Wie geht es Dir, mein lieber Frank? Ich hoffe, Du kommst nun zu der ersehnten Ruhe, u. Stimmung. Ich kann Dir ja leider durch nichts anderes nützen, als wenn ich Dir fern bleibe. Ich bin zufrieden, wenn ich Dir damit nützen kann.

Lebwohl, denk’ nicht mit Groll an mich.

Deine Tilly |


Viele Grüße von Mama u. Mati.

Frank Wedekind schrieb am 15. September 1907 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


An
Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
in Lenzburg
Wohnung (Straße und Hausnummer) Ct. Aargau Schweiz |


Geliebte Tilly, ich habe drei Tage gearbeitetWedekind hat an seinem Einakter „Die Zensur“ gearbeitet, der zunächst noch den Titel „Das Kostüm“ trug [vgl. KSA 6, S. 827], wie er im Tagebuch am 12.9.1907 („Beginne an Kostüm zu arbeiten“), 13.9.1907 („Arbeite im Hofbräuhaus an Kostüm“), 14.9.1907 („Arbeite im Hofbräuhaus an Kostüm“) und 15.9.1907 („An Kostüm gearbeitet“) notierte.. Dein BalletkostümTilly Wedekind hat bei dem Schneidermeister Johann Nepomuk Mück (Hackenstraße 3), der „Theaterkostümeur“ [Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 359] war, dem Tagebuch zufolge am 9.9.1907 Kostümprobe gehabt („Tilly probiert bei Mück zwei Kostüme an“); ein Ballettkostüm war fertig und kam am 14.9.1907 bei Frank Wedekind an („Mück schickt das Balletkostüm“). Sie hatte nicht nur als Lulu in „Erdgeist“-Aufführungen (3. Akt) ein Ballettkostüm getragen, sondern trug dann später in Inszenierungen des Einakters „Die Zensur“ (2. und 3. Szene) ein Ballettkostüm [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 66]. ist von Mück gekommen in großem Karton, den ich möglichst bald nach Berlin gesch schicke. MaliotLudwig Malyoth war Intendanz-Oberinspektor am Münchner Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 482] und bekannt mit dem theaterinteressierten Franziskanermönch Pater Expeditus (= Dr. phil. Carl Hermann Schmidt), der wiederum „in engem Kontakt mit dem Münchner Hoftheater“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 66] stand. Wedekind suchte den Kontakt mit dem Bibliothekar und Franziskanermönch, um sich für sein neues Stück mit ihm zu beraten [vgl. Wedekind an Carl Hermann Schmidt, 11.9.1907]. hat schon an den Pater Expeditus geschrieben. Wenn ich hier nur 1. Scene fertig schreibe, dann wird das übrige sehr leicht in Berlin fertig zu machen sein. Thalia Theater in Hamburg wird Büchse d. P. aufführen. Wir fahren zur PremiereEine Aufführung von Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ am Hamburger Thalia-Theater kam erst am 23.4.1911 zustande [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 66]. hin. HolländerWedekind wartete auf Nachricht von Felix Hollaender, Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin, über die geplante Neuinszenierung des „Marquis von Keith“ (Premiere: 9.11.1907). hat noch nichts von sich hören lassen. Leider werdet Ihr jetzt sehr schlechtes WetterWedekind dürfte den Wetterbericht gelesen haben: „Aussichten für die Witterung in der Nordostschweiz: Wechselnde Bewölkung und Aussicht auf zunächst noch einzelne Niederschläge; Temperatur eher mäßig kühl“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 128, Nr. 256, 15.9.1907, 1. Blatt, S. (2)]. haben. Von Vindonissa stand einiges im Berliner TagblattIm „Berliner Tageblatt“ waren die Freilichtaufführungen von Schillers „Braut von Messina“ vom 18.8.1907 bis 8.9.1907 im Amphitheater von Vindonissa im Aargau mehrfach annonciert; es gab auch einen ausführlicheren Bericht, in dem es heißt: „Wie unser Korrespondent in Zürich schreibt, besitzt die Schweiz im Kanton Aargau ein großartiges Baudenkmal in Form eines römischen Amphitheaters, das im Jahre 1881 bloßgelegt worden ist: in Vindonissa (Windisch), einer der bedeutendsten Handelsstädte [...] der alten Römer. Die wichtigen Mauern des Amphitheaters [...] sind heute noch vorhanden und dank der Gesellschaft ‚Pro Vindonissa‘ gut restauriert. Mit Hilfe des Bundes hat diese Gesellschaft das antike Theater im Laufe der Jahre ganz bloßlegen lassen, so daß es heute in seiner ganzen erstaunlichen Größe und Anlage bewundert werden kann. An dieser klassischen Stätte, die nunmehr Eigentum der Eidgenossenschaft ist, finden vom 18. August bis zum 8. September dieses Jahres [...] Aufführungen der ‚Braut von Messina‘ statt. Ein gewaltiger neuer Bühnenbau [...] ermöglicht eine Aufführung dieses Dramas im Freien. Das Theater ist in zehn Minuten vom Bahnhof Brugg aus zu erreichen. Die Aufführungen finden nachmittags von 4 bis 6 Uhr statt. Der Zuschauerraum faßt mehr als viertausend Sitzplätze und etwa zweitausend Stehplätze. Die Sonne haben die Zuschauer im Rücken. Die Chöre werden von einigen hundert Mitwirkenden gesprochen; die bisherigen Proben haben die Wirkung dieser Massensprechchöre bereits dargetan. Die Hauptrollen liegen in den Händen von Darstellern, die fast alle der Meininger Hofbühne angehören.“ [Schiller-Aufführungen in einem altrömischen Amphitheater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 383, 31.7.1907, Morgen-Ausgabe, S. (3)] . Ich glaubte, es Dir gesagt zu haben. Grüße Mama und Mati und sei du selber herzlichst gegrüßt und geküßt sammt Deiner lieben Anna Pamela von Deinem Frank

Frank Wedekind schrieb am 17. September 1907 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Liebe Tilli!

Was ist mit Dir, daß Du nichts hören läßt? Hast du Dich bei dem plötzlichen Witterungswechsel erkältet oder geht es Anna Pamela nicht gut? Schreib mir bitte einen Gruß zur Beruhigung. Aber schreibe mir auch offen, wenn Du irgend welche Unannehmlichkeiten hast.

Es sind morgen schon acht | Tage daß ihr fort seid. Fünf Abende habe ich bis jetzt gearbeitet. Heute ist der sechste und ich kann mich nicht über den ErtragWedekind hat am 12.9.1907 ‒ noch unter dem Arbeitstitel „Das Kostüm“ ‒ mit der Ausarbeitung seines Einakters „Die Zensur“ begonnen [vgl. KSA 6, S. 827]. beklagen. Wenn ich die Arbeit zu Ende bringe wird es dir jedenfalls die liebste Rolledie Rolle der Kadidja im Einakter „Die Zensur“ (1908). sein. Du schreibst liebe Tilly, daß Du mir nur dadurch nützen kannst, wenn Du mir fern bist. Das ist Unsinn. Du hast überhaupt mir s in erster Linie dir selber zu nützen. Mehr kannst Du gar nicht für mich | thun, als wenn Du Dir selber nützt. Aber wenn Du mich nicht einmal 14 Tage die ich durchaus nötig habe, allein lassen kannst, dadurch kannst Du mir allerdings sehr empfindlich schaden.

Die Neuigkeiten habe ich Dir alle auf der Postkartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.9.1907. geschrieben. Vor drei Tagen wurden Leitern an unserem Haus aufgerichtet. Das Dach wird abgedeckt; unten im Hof hausen die Maurer.

Neulich traf ich BasilWedekind hat Fritz Basil, den Münchner Hofschauspieler, bei dem er seit 1904 Schauspielunterricht nahm, dem Tagebuch zufolge am 13.9.1907 getroffen („Mit Basil in der Amerikan Bar“), dann wieder (zusammen mit dem Redakteur Fritz Schwartz) am 17.9.1907 („In der Odeonsbar treffe ich Basil und Nero“)., der sich auf|richtig drauf zu freuen scheint, übers Jahr wieder schauspielerisch mit mir zu arbeiten. Er hat mir auch schon einige Winke gegeben wie man sich vor zu grt großer Ermüdung schützt. Wenn ich nicht zu schreibselig bin, geliebte Tilly, darfst Du es mir wirklich nicht verdenken, weil ich die Zeit auszunutzen suche. Aber Du hast doch wohl Muße genug, vorausgesetzt, daß nicht irgend etwas passiert ist. Grüße Mama und Mieze herzlichst und sag ihnen meinen Dank für ihre Gastlichkeit. Du und Anna Pamela seid aufs herzlichste gegrüßt und geküßt von Eurem
Frank.


17.9.7.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 17. September 1907 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Lenzburg, Dienstagder 17.9.1907..


Mein lieber Frank,

ich freu’ mich sehr, dass Du arbeiten kannst. Schreib’ mir bitte, wenn Du den PaterPater Expeditus (Carl Hermann Schmidt) [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.9.1907]. getroffen hast, ich bin sehr gespannt auf diese Unterredung. Wirst Du eigentlich Deine Idee mit der Notiz über den Flegel„Die Bemerkung bezieht sich vermutlich auf einen Konflikt Franks mit dem steinreichen amerikanischen Unternehmersohn August Edward Jessup [...], der Schloss Lenzburg 1893 von der Familie Wedekind für rund 120.000 Franken erworben hatte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 67]. auf Schloss Lenzburg ausführen?

Morgen Nachmittags werden wir von Otto Bertschinger j. in’s | Schloss geführt. Ich freu’ mich schon sehr. Heute ist ein prachtvoll schöner Tag, ich hoffe nur, dass Du in München auch so schönes Wetter hast. Auch wenn es nicht schön ist laufen wir viel spazieren. Die Zeit vergeht mir sehr schnell.

Von SandlKäthi Sandel war Schauspielerin am Münchner Lustspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 516] und ist an das Stadttheater in Bamberg gegangen [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 235]. hast Du nichts mehr gehört?

Wann soll denn die Büchse d. P. aufgeführtgeplant am Hamburger Thalia-Theater [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.9.1907]. werden? Öffentlich? Sollst Du auch spielen? |

Es tut mir leid, dass Du nun die Mühe mit dem CartonFrank Wedekind wollte den Karton mit dem von Johann Nepomuk Mück für Tilly Wedekind geschneiderten Ballettkostüm nach Berlin schicken [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.9.1907]. hast. Wieviel hat das Costüm gekostet?

Ich habe mit Mama gesprochen, ob sie uns das zweite Haus vermieten würde. Ich glaube aber, wir sind ihr zu unsicher.

Nun, es steht einem ja die ganze Welt offen!

Nun leb’ wohl, u. sei innigst umarmt u. geküsst
von Deiner Tilly |


Liebster Papa, meine Mama erwiedertSchreibversehen, statt: erwidert. den Kuss herzlichst u. ich gestatte mir mich anzuschließen.

Deine
Anna Pamela


Mama und Mati grüßen herzlichst.

Tilly Wedekind schrieb am 18. September 1907 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Lenzburg, Mittwochder 18.9.1907..


Mein einzig geliebter Frank,

es muss schon sehr schlimm mit uns stehen, wenn Du nur „liebe Tilli“ Zitat der Anrede aus dem letzten Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.9.1907].u. dann mit i zum Schluss schreibst. Nein Frank, ich hoffe von ganzem Herzen, dass dies nichts Schlimmes zu bedeuten hat.

Geschrieben hab’ ich Dir doch Freitagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.9.1907. u. dann gestern Dienstagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.9.1907.. Also in 1 Woche 2 Briefe. Heute hab’ ich Dir ein Telegramm nachgeschicktnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Anna (siehe unten) an Wedekind, 18.9.1907.. |

Freilich hab’ ich nicht sehr ausführlich geschrieben, aber sieh’ mal, ich hatte nicht das Gefühl, dass Dir meine Epistelnlängere Briefe. Tilly Wedekind hat während ihres Aufenthalts in Graz vom 10. bis 29.7.1907 mehrere längere Briefe an Frank Wedekind geschrieben. aus Graz eine solche Wonne waren. Und sieh’ mal, um mich aufzudrängen bin ich zu stolz! Wenn ich mich jetzt mit einem Herzen voll Liebe hinsetzte, um Dir alles Liebe u. Gute zu sagen, dann fällt mir das ein, u. ich fürchte zu viel zu tun. |

Wenn Du von mir hören willst, geliebter Frank, so freut mich das von Herzen.

Wir sind alle wohl u. munter, sei nur ganz ausser Sorge! Heute hast Du ja auch meinen Brief, sonst hätte ich telegraphiert.

Ich freu’ mich so, dass Du Dich wohl fühlst u. arbeiten kannst. Bitte richte es ganz ein wie Du willst! Hier ist’s kalt aber schön, u. können wir gut bis Anfang October bleiben. Dann fahr’ ich wohl nach Berlin, Du kannst vor oder | nach mir kommen, ganz wie Du willst! Ich begreife ja so sehr, dass Du allein sein musst, dassSchreibversehen, statt: das. habe ich Dir auch schon das erste Maldie frühere Trennung, Tilly Wedekinds Aufenthalt vom 10. bis 29.7.1907 bei ihren Eltern in Graz. gesagt. Wenn es mir schwer fällt, wenigstens der Abschied, so ist das begreiflich u. auch keine Beleidigung für Dich. Dass ich Schwierigkeiten machte, war ein großer Fehler von mir, dafür habe ich aber wieder viele Vorzüge, u. habe mich in alles andere sehr gut hineingefunden. |

Oder findest Du, dass ich so absolut nicht zu Dir passe? In Lenzburg wurde erzählt Du seist auf dem Alpenzeiger„eine Falschmeldung“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 67]. Der Alpenzeiger „ist der höchste Aussichtspunkt am Hungerberg in 420 m Höhe über Aarau, von wo aus, jenseits der Aare am Waldrand gelegen, sich eine prächtige Aussicht über die historische Altstadt auf die Alpen eröffnet“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 68].. Mich ergriff ein freudiger Schreck! Aber Dein Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.9.1907. ist aus München. Hoffentlich wirst Du durch die Arbeiten im Hause nicht gestört. Wird Dir denn immer ordentlich auf|geräumt? Hast Du alles was Du brauchst? Oder besser noch, als wenn ich Dir einen schlechten Kaffée mache?

Ich hoffe dies bis October noch alles viel besser zu können.

Willst Du mit Basil wieder z studierenhier: Schauspielunterricht nehmen.?

Grüße alle Bekannten die Du siehst! |

Nun lebwohl, geliebter, einziger Frank!

Du musst ein Bischen Nachsicht mit mir haben.

Von ganzem Herzen
Deine ergebene Tilly


Grüße von allen! |


Geliebter Frank,

Anna„die Zugeherin des Berliner Wedekind-Haushalts“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 68]. schickte die Depeschedas oben erwähnte Telegramm von Anna an Wedekind (nicht überliefert), das sie nach Lenzburg geschickt hat. an mich. Bitte schreib’ mir, wenn Du eine neue Adresse hast.

Innigst
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 21. September 1907 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Innigstgeliebte Tilly,

herzlichen Dank für Deinen lieben ausführlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.9.1907.. Wie kannst Du denken, daß mich das was Du schreibst nicht von ganzem Herzen in Anspruch nimmt. Du hast mir das von Graz aus schon einmal geschrieben. Ich bitte Dich, mir von Deinem Empfinden das beste zu geben und nicht das beste für Dich zu behalten.

Sollte ich wirklich Tilly mit | mitSchreibversehen, statt: mit. einem i geschrieben haben? Nun, ich werde es nicht mehr thun.

Es freut mich, daß Du Dich in Lenzburg nicht langweilst und daß sich alles wohlbefindet. Mit mir steht es so. Die erste Scene habe ich gestern fertig geschriebenWedekind, der an seinem Einakter „Die Zensur“ noch unter dem vorläufigen Titel „Das Kostüm“ arbeitete [vgl. KSA 6, S. 827], hielt am 20.9.1907 im Tagebuch fest: „Ich beende die erste Scene von Kostüm auf dem Hofbräuhauskeller.“. Ich werde jetzt hier noch den nötigen Stoff für die zweite Scene sammeln. Übermorgenam 23.9.1907; an diesem Tag suchte Wedekind den Pater Expeditus (Carl Hermann Schmidt) im Franziskanerkloster St. Anna auf und sah ihn anschließend bei der Probe zu der Inszenierung von Johann Wolfgang Goethes „Iphigenie auf Tauris“ im Münchner Schauspielhaus, wie er im Tagebuch notierte: „Besuch bei Pater Expeditus. Probe von Iphigenie.“ treffe ich Pater Expeditus auf der Probe von Iphigenie im Schauspielhaus, vielleicht auch schon vorher im St. Annakloster, wenn ich früh genug aufstehe. | Er hat mir eben geschriebenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Carl Hermann Schmidt an Wedekind, 20.9.1907.. Ich werde dann die folgende Woche noch hier bleiben. Auf dem Rückweg muß ich wieder über FrankfurtWedekinds Schneider Johann Christoph Jureit hatte sein Geschäft in Frankfurt am Main – das Schneideratelier Johann C. Jureit (Roßmarkt 12) [vgl. Adreßbuch für Frankfurt am Main 1907, Teil I, S. 174]., da ich Jureit hier versäumt habe. Er war schon Anfang September hier, während ich geglaubt hatte er käme später. Wir könnten uns dann vielleicht in Frankfurt treffen, da die Reise in einer Tour sowohl für Dich wie Anna Pamela wol zu anstrengend wäre. Ich käme vielleicht einen Tag vorher hin und würde im Frankfurter Hof für Unterkunft sorgen. Ich würde auch gerne mit | Dr. Heine sprechenCarl Heine – ehemals Leiter des Ibsen-Theaters, das 1898 in Leipzig im Auftrag der Literarischen Gesellschaft den „Erdgeist“ uraufgeführt hatte und mit dem Wedekind seinerzeit auf Tournee war – war Wedekind seit dieser Zeit freundschaftlich verbunden; er war seit Ende 1906 Oberregisseur und Dramaturg am Frankfurter Schauspielhaus., mit dem wir dann zusammensein könnten.

Nun schreib noch/mir/ auch wie es mit Deinen Finanzen steht und was du voraussichtlich bis Berlin noch brauchst. Wieviel die Fahrkarten Basel – Berlin kosten werde ich hier erfahren. Schreib mir, ob du lieber bei Tag oder bei Nacht fährst.

Hast Du mit Mati gesprochen und was habt ihr ausgemacht?

Ich bitte Dich Mama und Mati für alle Liebe meinen herzlichsten Dank zu sagen. | Wenn wir hier in München wohnen, dann besuchen sie uns hoffentlich auch. Es wäre wirklich eine Sünde in Berlin wohnen zu bleiben.

Und sei herzlichst gegrüßt und geküßt, meine geliebte Tilly! Schone Dich, in acht Tagen geht die Anstrengung mit dem Proben und Reisen wieder an. Küsse Anna Pamela von mir, ich werde ihr noch eine Karte schreibenvgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.9.1907.

Auf baldiges Wiedersehn
Dein
Frank


21.9.7.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 23. September 1907 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Montagder 23.9.1907..


Geliebtester,

innigen Kuss für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.9.1907.! Ich bekam ihn erst heute, Sonntag wird nicht ausgetragen. Hier ist es schon ziemlich kalt, doch lieb ich es sehr in dieser frischen Luft spazieren zu laufen.

Ich freu’ mich so, dass Du schon so weit bist u. bin fast stolz, als ob ich etwas dazu getan hätte. Hoffentlich hält die Stimmung auch in Berlin an. |

Wir müssen uns in Berlin entschieden eine neue Einteilung machen, dass wir nicht so von einander abhängig sind. Ich meine, dass Du nicht mehr das Gefühl hast, wir sind zuviel zusammen. Übrigens können wir noch darüber sprechen.

Nun, mein lieber Frank, muss ich Dir sagen, dass ich nicht gern in Frankfurt die Reise unterbrechen will. Du kannst mir glauben, dass ich mich sehr danach sehne Dich wieder zu haben. Aber mit dem Kind ist es am Besten ich fahre | Nachmittags weg über Basel, Frankfurt, Leipzig die Nacht durch u. bin im Laufe des Vormittags in Berlin. Das Aussteigen in Frankfurt, in’s Hotel fahren u. da für paar Tage alles mögliche auspacken ist viel umständlicher. Wenn Du mich aus irgend einem Grund da haben willst, ich tu’ es ja sehr gern, einfacher wäre es direct zu fahren. Auch würde ich gern 1 – 2 Tage vor Dir in Berlin sein, damit dann alles in Ordnung ist. | Bitte schreib’ mir, wie Du es willst. Geld hab’ ich noch über 90 Franc u. brauchst Du mir nur das Fehlende für die Karten zu senden. Mama u. Mati verrechnen erst dann, wieviel sie diesen Monat mehr gebraucht haben u. senden Dir’s nach Berlin. Ist’s Dir so recht, geliebter Frank? Sonst brauche ich ja nichts. Ich würde Anfang nächster Woche fahren, voraussichtlich Montag. Bist Du da schon in Frankfurt? Da könnten wir uns ja am Bahnhof sehen. |

Mitten in der Nacht wache ich oft auf u. denke dann lange an Dich. Ich hab’ auch viel von Dir geträumt. Merkwürdig, als ich hierher kam, fühlte ich mich so zerschlagen von den letzten Aufregungen, dass mir alles vollkommen gleichgültig war. Und jetzt hab’ ich das Gefühl, dassSchreibversehen, statt: das. ich immer zu Hause hatte, hinaus in’s Leben. Und ich sehne mich danach Dir zeigen zu können, dass du doch einen guten Ka|maradenSchreibversehen, statt: Kameraden. in mir hast. Nur Frank, darfst Du es mir nicht zu schwer machen.

Hier war „große Wäsche“Waschtage (die arbeitsintensiv waren). u. hab’ ich die Zeit zum Lesen benützt. Die Reventlow hätte ich gerne kennen gelerntFranziska zu Reventlow, die mit Wedekind seit den 1890er Jahren befreundete Schriftstellerin, Übersetzerin und Zentralfigur der Schwabinger Boheme, lebte in München, wo Tilly Wedekind ihr bisher noch nicht begegnet ist.. Aber das ist wohl immer noch mal möglich.

Ich hätte so gern das Lied dans les fêtes des amoureux(frz.) an den Valentinstagen, ‚auf den Festen der Liebenden‘ (ein Liedtitel). Lied nicht eindeutig identifiziert. „An welches Lied sich Tilly von ungefähr erinnert, bleibt offen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 69] Es dürfte sich aber um das Lied „La Fête des amoureux“ (1886) von Paul Fauchey (Text: Georges Laure-Marguery) gehandelt haben. oder wie’s heißt gelernt, habe aber in Deinem Buchnicht identifizierte französischsprachige Liedersammlung aus Wedekinds Besitz; vielleicht hat es sich um dieses Buch gehandelt, in dem das Lied „Marion“ (siehe unten) mit Noten enthalten ist: Les plus jolies chansons du pays de France. Chansons tendres. Choisies par Catulle Mendès. Notées par Emmanuel Chabrier et Armand Gouzien. Illustrées par Lucien Métivet. Paris 1888. nur die Mariondas französische „Volkslied ‚Marion s’en va-t-a l’ou‘; vertont von dem frz. Komponisten Emmanuel Chabrier“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 69]. gefunden. Willst Du mir’s aufschreiben? | Hast Du niemand von unsern Bekannten gesehen?

Nun lebwohl für heute. Im Geiste sitze ich auf Deinem Bett, oder deinen Knien, umarme u. küsse Dich innig.

Deine Tilly |


Liebster Papa,

vielen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.9.1907.. Großmama, Tante Mati grüßen herzlich. Einen schönen Kuss von Deiner Anna Pamela Wedekind


[Seite 8 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Sie lacht u. freut sich riesig u. will noch schreiben.

Frank Wedekind schrieb am 23. September 1907 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in Lenzburg
Wohnung (Straße und Hausnummer) Ct. Aargau Schweiz |


Adresse des Absenders: |


Geliebte TilIy! So unglaublich es klingen mag, war ich heuteWedekind notierte am 23.9.1907: „Besuch bei Pater Expeditus. Probe von Iphigenie.“ [Tb] früh um 9 Uhr im Franziskanerkloster. Ich hatte eine halbstunde UnterredungWedekind suchte den Kontakt mit dem Franziskanermönch, um sich im Zusammenhang mit seinem entstehenden Einakter „Die Zensur“ (um diese Zeit noch unter dem Arbeitstitel „Das Kostüm“) Rat zu holen. „Inhalt dieser Gespräche waren vermutlich sowohl religiöse Fragestellungen als auch das Thema Zensur.“ [KSA 6, S. 827] mit dem Pater und ging dann ins Schauspielhaus zur Iphigenie-Probe. Gleichdrauf kam der Pater ebenfalls. Wir beide waren das einzige Publicum. MorgenWedekind notierte am 24.9.1907: „Generalprobe von Iphigenie. Pater Expeditus“ [Tb]. werde ich ihn noch einmal in | der GeneralprobeDie Generalprobe der Inszenierung von Johann Wolfgang Goethes „Iphigenie auf Tauris“ am Münchner Schauspielhaus fand am 24.9.1907 statt, die Premiere, die Wedekind dem Tagebuch zufolge ebenfalls besuchte („Premiere von Iphigenie“), am 25.9.1907. sehen. Er kommt im Winter nach Berlin um in der Reinhardtschen Theaterschuledie am 2.10.1905 eröffnete Schauspielschule des Deutschen Theater zu Berlin (In den Zelten 21). einen VortragDer Vortrag von Pater Dr. Expeditus Schmidt – er sprach über Theater – wurde nicht von der Schauspielschule des Deutschen Theater zu Berlin veranstaltet, sondern von der Wochenschrift „Morgen“ und fand am 12.12.1907 im Choralionsaal in Berlin statt [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 630, 12.12.1907, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (3)]. Wedekind hat den Vortrag am 12.12.1907 besucht: „Vortrag des Pater Expeditus im Choralionsaal“ [Tb]. zu halten. Wir sprachen auch von Dir und Anna Pamela. Meinen Brief wirst Du erhalten haben.

Herzlichste Grüße an Alle. Auf baldiges Wiedersehn
Dein Frank


23.9.7.

Tilly Wedekind schrieb am 24. September 1907 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Carte postale. ‒
Union postale universelle. ‒ Weltpostverein. ‒ Unione postale universale.
SUISSE. SCHWEIZ. SVIZZERA.
Nur für die Adresse.
Côté réservé à l’adresse.
Lato riservato all’ indirizzo.


Herrn
Frank Wedekind
München
Amalienstr. 86 II.


Adresse des Absenders – Angabe freigestellt.
Adresse de l’expéditeur – Indication facultative.
Indirizzo del mittente – Indicatione facoltativa. |


Mein lieber Frank,

ich freu’ mich ungeheuer, dass ich so Antheil nehmen kann. Ich danke Dir für Deine Mitteilungvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 23.9.1907.. Wenn Du den Pater nochmals siehst richte ihm Grüße von mir aus. Ich freu’ mich ihn in Berlin kennen zu lernen. Ich bin sehr gespannt von Dir zu hören, was Ihr alles gesprochen habt. Hast Du die 2te SceneWedekind begann frühestens am 25.9.1907 mit der 2. Szene seines Einakters „Die Zensur“ (hier noch unter dem vorläufigen Titel „Das Kostüm“), da er, „bevor er an die Ausarbeitung der 2. Szene ging“, die Gespräche mit „dem Franziskanermönch Dr. Pater Expeditus Schmidt“ [KSA 6, S. 827] führen wollte, um jene zu gestalten (das letzte Gespräch fand am 26.9.1907 statt). angefangen?

Frohes Wiedersehn!

Innigst Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 26. September 1907 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebte Tilly!

inliegend sende ich Dir M. 300Wedekind hielt am 26.9.1907 im Tagebuch fest: „Schicke an Tilly nach Lenzburg M. 300.“ Die 300 Mark waren für ihre Fahrkarten nach Berlin bestimmt.. Das BilletFahrkarte. BaselBerlin kostet einschließlich Schlafwagen zweiter Klasse 56 M. Das wäre für zwei Personen 112 M. Übrigens kommt mir die Summe etwas klein vor. Es ist möglich daß man sich auf dem Reisebureau geirrt hat und daß dies der Preis für 3. Klasse ist. Auf jeden Fall wirst du genug haben. | Vergiß nicht dem Mädchen zu Hause ein anständiges Trinkgeld zu geben. Man ist in dieser Beziehung von Mieze her sehr verwöhnt. Ich habe deine Gründevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1907. eingesehen und halte es auch für praktischer wenn Du direkt fährst. Ich selber kann den Tag meines Dortseins nicht genau bestimmen, deshalb wollen wir uns nicht von einander abhängig machen.

Eben war ich wieder beim PaterWedekind notierte am 26.9.1907 seinen letzten Besuch bei Pater Dr. Expeditus Schmidt (Carl Hermann Schmidt) im Franziskanerkloster St. Anna, um sich bei ihm für die Ausgestaltung der 2. Szene seines Einakters „Die Zensur“ (Arbeitstitel: „Das Kostüm“) zu beraten: „Besuch bei Pater Expeditus in seiner Zelle.“ [Tb] Der Pater „diente Wedekind als Gesprächspartner bei der Arbeit an der 2. Szene des Einakters“ und zugleich „als Modell für die Figur des Dr. Prantl im selben Einakter“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 70]. in seiner Zelle. Er läßt deine Grüße F/f/reundlichst erwidern. Selbstverständlich hat er mir ein Dramanicht ermittelt; Pater Dr. Expeditus Schmidt hatte mit der Dissertation „Die Bühnenverhältnisse des deutschen Schuldramas und seiner volkstümlichen Ableger im sechzehnten Jahrhundert“ (1903) in München promoviert, Theaterstücke von ihm sind aber nicht bekannt [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 69f.]. Im Herbst 1907 hat er die zweibändige Auswahlausgabe „Lustiges Komödienbüchlein“ (Komödien von Franz von Pocci) im Insel-Verlag mitherausgegeben [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 74, Nr. 267, 15.11.1907, S. 12241]. mitgegeben, das Reinhart | aufführen soll. Religiös steht er natürlich auf demselben Standpunkt wie ich, d. h. er glaubt an nichts. Umso eingehender kann man daher über Religion sprechen.

Ich danke Dir herzlich für deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1907. und für die Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.9.1907 (Postkarte). die ich gestern erhielt. Hoffentlich geht es Euch gut. Gestern Abend war PremiereWedekind notierte am 25.9.1907: „Premiere von Iphigenie.“ [Tb] Die Premierenvorstellung von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ am Münchner Schauspielhaus unter der Regie von Georg Stollberg begann um 19.30 Uhr, Ende war 22 Uhr, in der Titelrolle: „Klara Rabitow als Gast.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 449, 25.9.1907, Generalanzeiger, S. 2] Clara Rabitow (siehe unten) war verheiratet mit Albert Heine (siehe unten). von Iphigenie. Auf der GeneralprobeWedekind notierte am 24.9.1907: „Generalprobe von Iphigenie.“ [Tb] hatte Max Halbe einen Krach mit Frau StollbergGrete Stollberg, Schriftstellerin und Gattin von Georg Stollberg, Direktor des Münchner Schauspielhauses. bekommen. Die Aufführung war ein starker ErfolgHanns von Gumppenberg meinte: „Im Schauspielhause hatte die von Direktor Stollberg inszenierte erste Aufführung von Goethes Iphigenie auf Tauris mit Klara Rabitow in der Titelrolle starken und wohlverdienten Erfolg“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 451, 26.9.1907, Morgenblatt, S. 2]; er würdigte die Premiere dann ausführlich: „Das scheinbar so kühne Experiment, die klassische Bühnendichtung großen Stils ins hochmoderne Schauspielhaus zu verpflanzen, und zwar gleich mit einem allerklassischsten Werke, mit Goethes Iphigenie, ist gestern über jedes Erwarten geglückt [...]. In der richtigen Erkenntnis, daß sich kein derzeitiges Mitglied des Schauspielhaus-Ensembles ganz für die Hauptrolle eignen würde, hat die Direktion Klara Rabitow, das hervorragend begabte frühere Mitglied unseres Hofschauspiels und des Wiener Burgtheaters, für diese Aufgabe gewonnen [...]. Die Leistung der Frau Rabitow verdient [...] vollste und freudigste Anerkennung: das war endlich einmal eine nicht bloß deklamierende, sondern ihre Konflikte wirklich durchlebende Iphigenie; warmblütig und menschlich unmittelbar in allen Momenten der seelischen Entwicklung, brachte sie das Ideale der Gestalt dadurch nur umso eindringlicher zur Geltung: ihr gebührt die Hauptehre des Abends. [...] Das Haus war nicht eben glänzend besucht, der Beifall aber nach allen Akten von überzeugter Stärke; zuletzt wurden Frau Rabitow, die auch eine schöne Blumenspende erhielt, und den übrigen Darstellern lebhafte Ovationen bereitet.“ [H.v.G.: Iphigenie im Schauspielhaus. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 452, 27.9.1907, Vorabendblatt, S. 2] für die Rabitow. Nach der Aufführung arbeitete ich bis ein Uhr und | traf dann in später StundeWedekind notierte am 25.9.1907: „Premiere von Iphigenie. Dann im Hofbräuhaus gearbeitet. Mit Heine und Fridel in der Bar.“ [Tb] Er hat nach der Premiere von Goethes Schauspiel also bis 1 Uhr nachts an seinem Einakter gearbeitet und wechselte dann das Lokal; er ging in die American Bar (Maximilianstraße 4), wo er Albert Heine traf, den Ehemann der Schauspielerin Clara Rabitow (siehe oben) und Regisseur am Münchner Hoftheater [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 199], der bei der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ am 29.5.1905 die Regie geführt und die Rolle des Schigolch gespielt hat, sowie Egon Friedell, der bei der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ den Polizeikommissär spielte [vgl. KSA 3/I, S. 548]. Albert Heine mit Egon Fridell allein in der Amerikan Bar sitzenwohl Schreibversehen, statt: sitzend.. Sonst bin ich, das darf ich wohl sagen nicht mit viel Menschen zusammen gewesen. Einmal mit Fritz Schwarz und BasilWedekind notierte am 17.9.1907 sein Treffen mit Fritz Schwartz (genannt: Nero) und Fritz Basil in der Odeon Bar (Briennerstraße 4): „In der Odeonsbar treffe ich Basil und Nero.“ [Tb] und einmal mit Rung und dem Dr. KleinWedekind notierte am 21.9.1907: „Nachts in der Odeonsbar mit Runge und Dr. Klein.“ [Tb] Er traf in der Odeon Bar (Briennerstraße 4) also Woldemar Runge, Regisseur am Münchner Hoftheater [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 455], und möglicherweise Tim Klein [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 70], was aber unsicher ist; Dr. phil. Tim Klein wurde zwar 1902 in München promoviert, war dann aber seit 1903 in Straßburg als Lehrer tätig, unklar, wie lange (er hielt nachweislich erst ab 1909 in München Vorträge und war erst ab 1918 als Theaterkritiker der „Münchner Neuesten Nachrichten“ tätig) – eine Verwandtschaft mit Emmy Loewenfeld (geb. Wolff) in Berlin darf bezweifelt werden., Neffen der Frau Löwenfeld in der Odeonsbar. Mit der ArbeitWedekind arbeitete an der 2. Szene seines Einakters „Die Zensur“ – nun wohl schon unter diesem Titel, den er erstmals am 27.9.1907 notierte: „An Censur gearbeitet“ [Tb]. geht es jetzt langsamer. Aber ich komme immerhin vorwärts. Imm Das Schwierigste liegt hinter mir, und ich weiß dasSchreibversehen, statt: daß. ich nichts geschrieben habe, woran Du nicht Deine Freude haben wirst. In Hamburg bewerben sich Berger und | ThaliatheaterAlfred von Berger war Direktor des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 397] und hatte an einer von Karl Kraus angeregten Neuinszenierung der „Büchse der Pandora“ unter seiner Regie Interesse [vgl. Nottscheid 2008, S. 275-280], ebenso das Thalia-Theater (Direktion: Max Bachur) in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 400], von dessen Interesse an seiner Tragödie Wedekind seiner Frau berichtet hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.9.1907]. um Pandora. Davon daß ich mitspielen sollte ist nicht die Rede. Wozu auch. Wir haben andere Dinge, die wichtiger sind zu spielen. Ich habe mir bei Mück noch den ZaubertalarFritz Schwigerling in Wedekinds Schwank „Der Liebestrank“ (1899) trägt bei der Zubereitung des Zaubertranks für den Fürsten Rogoschin (2. Aufzug, 4. Auftritt) einen „Talar“ [KSA 2, S. 403], ein Requisit, das der Münchner Kostümschneider Johann Nepomuk Mück im Auftrag Wedekinds neu hergestellt hat. für Liebestrank machen lassen.

Geliebte Tilly, es lassen Dich eine Unmenge Menschen grüßen, jeder dem ich begegne. Neulich sagte mir Herr Bardou-MüllerMax Bardou, „Privatier“ [Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 21], war mit der Schauspielerin Ida Bardou-Müller verheiratet (vor der Heirat: Ida Müller), die am Münchner Schauspielhaus tätig war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 491] und bei der Uraufführung von „Hidalla“ am 18.2.1905 die Rolle der Berta gespielt hat [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 71]., daß er eifersüchtig auf Dich sei, weil seine Frau Dich so tief in ihr Herz geschlossen habe. Aber | das wird Dich nicht so sehr interessieren. Über Marquis Keith in Berlin hörte ich nichts mehr seit meiner Weigerung vor acht Tagenam 18.9.1907, genau gerechnet (es geht um die geplante Neuinszenierung des „Marquis von Keith“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu Berlin, über die Wedekind mit dem Dramaturgen Felix Hollaender verhandelte und deren Premiere am 9.11.1907 stattfand) – Hinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Felix Hollaender, 18.9.1907. „Ein schriftlicher Bescheid Wedekinds an die Berliner Kammerspiele [...] ist nicht nachweisbar.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 71] zur Probe zu kommen. Ich denke sie werden die Proben aufgeschoben haben.

Hoffentlich ist bei Euch alles wohl. Grüße Anna Pamela der ich für ihre Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1907 (mit Grußzeilen von Pamela Wedekind). danken lasse, sowie Mama und Mati und sei selber herzlich gegrüßt und geküßt
von Deinem getreuen
Frank


26.9.7.

Tilly Wedekind schrieb am 27. September 1907 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Carte postale. ‒
Union postale universelle. ‒ Weltpostverein. ‒ Unione
postale universale.
SUISSE. SCHWEIZ. SVIZZERA.
Nur für die Adresse.
Côté réservé à l’adresse.
Lato riservato all’ indirizzo.


Herrn
Frank Wedekind
München
Amalienstr. 86 II.


Adresse des Absenders – Angabe freigestellt.
Adresse de l’expéditeur – Indication facultative.
Indirizzo del mittente – Indicatione facoltativa. |


Mein lieber Frank, heute erhielt ich Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.9.1907. u. danke Dir vielmals für die 300 M. Wir fahren also Montagder 30.9.1907.. Mama, Mati und Anna Pamela lassen dich vielmals grüßen.

Herzlichst
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 28. September 1907 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
Im Steinbrüchli
in Lenzburg.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Ct. Aargau Schweizdreimal unterstrichen. |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly! Ich sehne mich sehr nach Dir. Ich habe hier jetzt noch das Packen vor mir. Dann fahre ich nach Frankfurt, bleibe dort zwei Tage weil ich anprobieren mußim Atelier des Schneidermeisters Johann Christoph Jureit in Frankfurt am Main (Roßmarkt 12) [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.9.1907]. und dann komme ich möglichst rasch nach Berlin. Ich beneide Dich nicht um die Anstrengungen der Reise, die Du vor Dir hast und würde Dir gerne helfen, wenn meine Gegenwart dabei etwas | helfen könnte. Aber ich freue mich sehr darauf, daß wir endlich wieder zusammen sind. Ich habe hier viel mehr gearbeitet, als ich gehofft hatte. Geliebteste Tilly, süßes Geschöpf! Wir nehmen alles vielleicht zu schwer, aber wir thun es doch nur für uns! Telegraphiere mir wenn irgend etwas fehlt. Diese Zeilen treffen Dich ja wahrscheinlich erst Montagder 30.9.1907; dem Posteingangsstempel zufolge traf der Kartenbrief schon am Samstag in Lenzburg ein, was die Empfängerin bestätigt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.9.1907].. Richte Dir alles so bequem wie möglich ein.

Dein Frank.


Grüße Alle herzlich.

Tilly Wedekind schrieb am 28. September 1907 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Lenzburg, Samstagder 28.9.1907..


Mein lieber Frank,

ich konnte Dir nicht ausführlicher antworten, weil wir bei Henkell’sbei dem Lenzburger Konservenfabrikanten Gustav Henckell (Bruder des Schriftstellers Karl Henckell) und dessen Frau. zu Besuch waren. Sie lassen Dich auch vielmals grüßen.

Nun ist die schöne Zeit hier auch wieder bald zu Ende. Ich hätte meine Abreise vielleicht noch etwas hinausgeschoben, denn Du scheinst | auch noch nicht große Lust zu haben nach Berlin zu kommen. Aber am 1ten schickt Mama ihr Mädchen fort u. sind sie dann allein. Auch haben sie die Absicht nach Baden zu gehen.

Wenn ich im Berliner Tageblatt lese was alles gespielt wird, hab’ ich ja auch große Lust wieder dabei zu sein. Ich meine als Publicum. Dann wird wohl auch Adele wieder da sein u. vor allem | Iduschka. Darauf bin ich sehr neugierig! Hier hab’ ich entschieden an Gewicht zugenommen u. sehe gut aus. Ich hab’ mich schon lange nicht so wohl gefühlt wie hier. Das beleidigt Dich hoffentlich nicht, es ist eben das Landleben. Ich glaube tatsächlich, ich habe meinen Humor wiedergefunden. Aber ich will nicht zuviel sagen, hoffentlich findest Du es selbst, wenn wir wieder zusammen sind. | Morgen packe ich u. Montag um 1.45/0/ glaub’ ich geht der Zug. Ich freu’ mich sehr Frank, Dich wieder zu sehen?/!/ Sag’ mir offen, ob Du Dich auch freust oder nicht.

Ich kann es kaum erwarten das neue StückWedekinds Einakter „Die Zensur“ – die „Rolle der Kadidja war Tilly sozusagen auf den Leib geschrieben“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 72]. zu hören u. wie Du mich gezeichnet hast. Ich werde in Berlin gleich mit „So ist das Leben“ anfangen. |

Eben jetzt erhielt ich Deinen Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.9.1907. u. breite die Arme nach Dir aus um Dich in sehnsüchtigem Jubel zu umfangen! Mein Frank, ich liebe Dich mehr, wie ich es je für möglich gehalten.

Komm’ so bald wie möglich.

Von ganzem Herzen
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 29. September 1907 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
in Lenzburg.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Ct. Aargau Schweiz |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly, ich kann erst Dienstagden 1.10.1907. hier fort, da ich gestern Abend bei Langen kein Geld bekamvon seinem Verleger Albert Langen in München, den Wedekind am 28.9.1907 abends aufgesucht hat., wäre also Donnerstag oder Freitag in Berlin, wohne in Frankfurt Frankfurter Hof. Ich brauche nur noch drei oder vier Tage, dann bin ich mit der zweiten SceneWedekind hat die 2. Szene seines Einakters „Die Zensur“ erst am 12.10.1907 abgeschlossen [vgl. KSA 6, S. 827]. fertig. Ich glaube daher kaum daß ich Heines in FrankfurtBeate und Carl Heine, das befreundete Ehepaar in Frankfurt am Main (Fichardstraße 21). aufsuchen werde. |

Gieb nur acht, geliebte Tilly, daß Du dir auf der Reise nicht schadest. Morgen früh telegraphiere ichvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.9.1907. noch. Grüße und küß Anna Pamela. Grüße Mama und Mati. Auf baldiges frohes Wiedersehn!

In Liebe
Dein Frank.


29.9.7.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 30. September 1907 in Karlsruhe folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


An
Herrn
Frank Wedekind
in München
Wohnung (Straße und Hausnummer) Amalienstr. 86 II. |


Mein lieber Frank, ich schreibe Dir in der Bahn. Mati hat uns nach Basel gebracht u. sitzen wir glücklich im Schlafwagen nach Berlin. Anna„die Zugeherin des Berliner Wedekind-Haushalts“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 68], die Tilly und Pamela Wedekind am Anhalter Bahnhof in Berlin abholte. holt uns vom Bahnhof ab. Herzl. Dank für Deinen Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.9.1907.! Wolltest Du mit Heine nicht wegen Gastspiel sprechenCarl Heine war Oberregisseur und Dramaturg am Frankfurter Schauspielhaus – ein mögliches Gastspiel als Gesprächsinteresse hat Wedekind nicht erwähnt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.9.1907].? Innigst
Deine Tilly


[Seite 2 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Anna Pamela

Frank Wedekind schrieb am 30. September 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

rp = tages„für ‚von 10 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens nicht zu bestellen‘“ [Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin, Nr. 38, 20.9.1901, S. 439]. = tilly wedekind.
berlin kurfuerstenstrasse 125:=


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W. Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] muenchen [...]


geliebte tilly, wie seid ihr angekommen? herzlichste gruesse:=
frank amalienstrasse 86.

Tilly Wedekind schrieb am 1. Oktober 1907 in Berlin folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


= frank wedekind muenchen amalienstr 86/II |


[Papierverlust]

= geliebter frank hoffentlich hast du mein erstes telegrammebenfalls am 1.10.1907 aufgegeben.. es geht mir u. anna pamehrÜbertragungsfehler, statt: pamela. ausgezeichnet. erwarte sehnsuechtig dein telegram, wann du ankommst herzlichst = deine tilly.

Frank Wedekind schrieb am 1. Oktober 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

rp = tilly wedekind berlin
kurfuerstenstrasze 125.=


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W. Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] muenchen [...]


geliebte tilly. ich warte sehnsuechtig auf nachricht ueber ankunft und wie es dir geht. voraussichtlich gehe ich nicht nach frankfurt sondern komme direkt nach berlin. Herzliche gruesse.= frank

Tilly Wedekind schrieb am 1. Oktober 1907 in Berlin folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


= frank wedekind muenchen
amalienstr 86 2= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


geliebter frank, sehr gut angekommen, umarmt dich innig, = deine tilly.

Frank Wedekind schrieb am 2. Oktober 1907 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind berlin
kurfuerstenstrasse 125:=


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W. Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] muenchen [...]


geliebte tilly, ich fahre donnerstagden 3.10.1907. abend und bin freitagden 4.10.1907. frueh in berlin. naeheres brieflich. herzlichste gruesse:= frank.

Frank Wedekind schrieb am 2. Oktober 1907 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in Berlin W
Wohnung (Straße und Hausnummer) Kurfürstenstrasse 125. |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly, also übermorgen, Freitagder 4.10.1907. früh bin ich bei Dir. Ich fahre hier um 10 Uhr zehn ab, wann der Zug ankommt weiß ich nicht. Ich bitte Dich, mich nicht abzuholenWedekind notierte am 4.10.1907 in Berlin: „Tilly holt mich ab.“ [Tb], wenn Du nicht gerade ohnehin aufbist. Ich freue mich innig Dich wiederzuhaben. Deine beiden Telegrammebeide am 1.10.1907 aufgegeben. habe ich erhalten. Morgen | AbendWedekind notierte am 3.10.1907: „Abends um 6 Uhr Souper mit Langheinrich und Martens in der Torggelstube. Sie begleiten mich zur Bahn. Fahre nach Berlin.“ [Tb] vor der Abreise werde ich voraussichtlich mit Langheinrich und Bacholswohl Schreibversehen (unklar, an wen Wedekind hier dachte), statt: Martens. Wedekind hat den Abend des 3.10.1907 mit Kurt Martens verbracht (siehe oben), den er am 2.10.1907 besucht hat: „Besuch bei Kurt Martens“ [Tb]. – Gemutmaßt wurde Fritz Basil: „verschrieben statt Basils?“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 74] in der Torggelstube sitzen. Behalt mich bitte bis übermorgen lieb. Sei herzlichst gegrüßt und geküßt von Deinem
getreuen
Frank


2.10.7.

Tilly Wedekind schrieb am 2. Oktober 1907 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Berlin, 2./10.07.


Mein geliebter Frank,

ich danke Dir herzlich für den Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.9.1907. u. die Telegrammevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.9.1907 und 1.10.1907.. Entschuldige, wenn ich Dich auf das 1. Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 1.10.1907. warten ließ. Wir hatten Verspätung u. dann machte Anna„die Zugeherin des Berliner Wedekind-Haushalts“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 68], die Tilly und Pamela Wedekind bei ihrer Rückkehr aus der Schweiz am 1.10.1907 am Anhalter Bahnhof in Berlin abgeholt hat. erst Frühstück, so wurde es 10 bis sie wegging. Heute wie Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.10.1907. kam, wollte ich eben auch telegraphieren. Doch dachte ich, Du willst | wohl die 2te SceneDie 2. Szene von Wedekinds Einakter „Die Zensur“ war am 12.10.1907 abgeschlossen [vgl. KSA 6, S. 827]. auch noch in München fertig machen, u. wollte ich Dich nicht drängen.

Ich bin sehr glücklich, dass ich Dich am Freitagden 4.10.1907. wiederhabe! Hoffentlich fühlst Du Dich zu Hause auch ein klein Bischen wohl. Es ist wirklich so wunderhübsch bei uns, die erste Stunde ging ich nur immer wieder durch alle Zimmer u. freute mich. Wenn wir das alles erst in München haben, | dann müsste es doch eigentlich das Paradies auf Erden sein. Berlin ist wirklich schrecklich laut u. unangenehm. Es fällt mir jetzt besonders auf, nach der ländlichen Ruhe in Lenzburg. Aber ich will Dir nicht mißSchreibversehen, statt: mies. machen.

Über Anna Pamela wirst Du Dich wundern, sie hat sich kolossal entwickelt.

Nun auf recht frohes Wiedersehn!

Von ganzem Herzen
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 18. Oktober 1907 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Freitagder 18.10.1907..


Geliebtester Frank,

Iduschka kam wie wir verabredet hatten zu Mittag, brachte aber unverhoffter Weise auch ihren MannIda Orloff hatte am 23.7.1907 ihren Jugendfreund Karl Satter geheiratet. Frank und Tilly Wedekind haben den neuen Ehemann der Freundin wenige Tage zuvor in Berlin bereits kennengelernt, wie das Tagebuch vom 13.10.1907 („Besuch von Herrn Sater und Ida Orloff“) und 13.10.1907 („Mit Sater Ida Orlow sind wir bei Treppchen“) dokumentiert. mit, zu so dass wir kaum satt wurden. Sie blieben bis Iduschka in’s TheaterIda Orloff war als Schauspielerin am Lessingtheater (Direktion: Otto Brahm) engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 266] und stand dort am 18.10.1907 um 20 Uhr in Henrik Ibsens Lustspiel „Der Bund der Jugend“ auf der Bühne [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 489, 18.10.1907, Morgen-Ausgabe, S. 14]; als „Selma, Eriks Frau – Ida Orloff“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 441, 20.9.1907, Morgen-Ausgabe, S. 8]. Tilly Wedekind hat ihre Freundin am 14.10.1907 in dieser Rolle gesehen: „Tilly in Bund der Jugend.“ [Tb] musste. Es war sehr nett, Satter las Deine Gedichte vor, wir nähten.

Hoffentlich ist es Dir recht. Morgen geh’ ich mit der | Durieux in die Komische Oper, es ist aber Carmen nicht Tieflanddie Oper „Carmen“ (uraufgeführt am 3.3.1875 in Paris) von Georges Bizet (Libretto nach Prosper Mérimées Novelle „Carmen“ von Henri Meilhac und Ludovic Halévy), die am 19.10.1907 (Samstag) in der Komischen Oper in Berlin gespielt wurde [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 481, 13.10.1907, Morgen-Ausgabe, S. 18], mit der italienischen Opernsängerin Maria Labia als Carmen [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 446, 3.9.1907, Morgen-Ausgabe, S. (2)], nicht Eugen d’Alberts Musikdrama „Tiefland“ (Libretto von Rudolf Lothar, uraufgeführt am 15.11.1903 in Prag), das nach der Premiere am 9.10.1907 an der Berliner Komischen Oper „ein sensationeller Erfolg“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 75] war und am 18.10.1907 (Freitag) auf dem Programm stand [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 481, 13.10.1907, Morgen-Ausgabe, S. 18].. Unser Speisezimmer ist jetzt sehr hübsch, es macht mir riesige Freude.

Anna Pamela dankt für Deine Grüße u. erwiedertSchreibversehen, statt: erwidert. sie vielmals; jetzt schläft sie.

Ich hoffe Du bist gut gereist u. fühlst Dich wohl, geliebter Frank. |

Ich freu’ mich sehr auf das fertige StückWedekinds Einakter „Die Zensur“ war fast fertig [vgl. KSA 6, S. 827].! Wenn Du Heine’sBeate und Carl Heine, das mit Wedekind befreundete Ehepaar in Frankfurt Main (Fichardstraße 21) [vgl. Adreßbuch für Frankfurt am Main 1908, Teil I, S. 148]. siehst, grüß’ sie bestens von mir.

Nun leb’ wohl mein Lieber, Guter, ich küsse Dich innigst, denke immer an Dich u. bin von ganzem Herzen
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 18. Oktober 1907 in Frankfurt am Main folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in Berlin W.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Kurfürstenstraße 125. |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly! Eben war ich bei JureitWedekind, der am 17.10.1907 nach Frankfurt am Main gereist ist: „Abends fahre ich nach Frankfurt“ [Tb], notierte am 18.10.1907 sein Hotel und die Anprobe im Schneideratelier von Johann Christoph Jureit (Roßmarkt 12) [vgl. Adreßbuch für Frankfurt am Main 1908, Teil I, S. 185]: „Frankfurter Hof. Besuch bei Jureit.“ [Tb]. Er hatte alles schon zugeschnitten, bittet mich aber dringend am MontagWedekind notierte am 21.10.1907: „Zu Jureit zur Anprobe.“ [Tb] Nachmittag 5 Uhr noch einmal anzuprobieren. Ich bitte Dich dringend, geliebte Tilly, gut zu essen und zu | trinken, damit Du Dich recht erholst. Ich hoffe jetzt nach Tisch schlafen zu können, damit ich heute AbendWedekind notierte am 18.10.1907 in Frankfurt am Main: „Abends im Rathskeller an Zensur gearbeitet.“ [Tb] Er arbeitete an der 3. Szene seines Einakters „Die Zensur“ [vgl. KSA 6, S. 827]. etwas vorwärts bringe. Die Nacht habe ich fast nichts geschlafen. Auf baldiges Wiedersehn, geliebteste Tilly! Behalt mich lieb und grüße Anna Pamela. Es küßt Dich, Geliebte, Dein Frank


Frankfurter Hof

Tilly Wedekind schrieb am 19. Oktober 1907 in Berlin folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


An
Herrn
Frank Wedekind
in Frankfurt a./M.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Frankfurterhof |


Geliebtester Frank, innigsten Dank für Deinen lieben Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.10.1907.. Ich esse den ganzen Tag. Jetzt hole ich Fr. Durieux von den/r/ Singstunde ab. Du kommst also Dienstagden 22.10.1907.? Schreib’ mir bitte um welche Zeit!

Innigst Deine Tilly u. Anna Pamela

Frank Wedekind schrieb am 19. Oktober 1907 in Frankfurt am Main folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte

An

Frau Tilly Wedekind
in Berlin W.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Kurfürstenstraße 125. |


Geliebteste Tilly, ich habe das Stück eben fertig geschriebenden Einakter „Die Zensur“, wie Wedekind am 19.10.1907 in Frankfurt am Main notierte: „Abends im Rathskeller Zensur fertig geschrieben.“ [Tb], ich werde also morgen, Sonntagder 20.10.1907, an dem Wedekind einen Besuch bei Carl Heine im Frankfurter Schauspielhaus, eine Unternehmung mit Beate Heine und ein gemeinsames Essen mit dem befreundeten Ehepaar notierte: „Suche Dr. Heine im Theater auf. Spazierfahrt mit Beate Heine Abendessen mit Heines im Frankfurter Hof.“ [Tb], Heines, besuchen. Ich danke Dir herzlich für Deine lieben Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.10.1907.. Montagder 20.10.1907, an dem Wedekind ein nochmaliges Beisammensein mit Beate und Carl Heine (und eine Begegnung mit Mary Irber), seine angekündigte Anprobe [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.10.1907] um 17 Uhr im Atelier des Schneidermeisters Johann Christoph Jureit (Roßmarkt 12) und seine Abreise von Frankfurt am Main zurück nach Berlin um 22.23 Uhr notierte: „Treffe Heine mit Frl. Irmer. Esse bei Heines zu Mittag. Zu Jureit zur Anprobe. Um 8 Uhr mit Heines auf dem Bahnhof. 10 Uhr 23 Abfahrt nach Berlin.“ [Tb] Nachmittag um 5 Uhr habe ich Probe bei Jureit und komme dann in der Nacht nach Berlin zurück. Ich sende Dir die herzlichsten Grüße.

Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 20. Oktober 1907 in Berlin folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


An
Herrn
Frank Wedekind
in Frankfurt a./M.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Frankfurterhof |


Geliebtester Frank, ich denke immer an Dich. Iduschka u. SatterIda Orloff und ihr Ehemann Karl Satter, den Wedekind dem Tagebuch zufolge schon kennengelernt hatte, wie er am 13.10.1907 („Besuch von Herrn Sater und Ida Orloff“) und 14.10.1907 („Mit Sater Ida Orlow sind wir bei Treppchen“) in Berlin notierte. waren heuteam 20.10.1907 (Sonntag). bei mir u. ich schätze mich glücklich, dass ich Vernunft genug habe um zu begreifen, was ich an Dir habe! Schreib’ mir bitte genau wann Du ankommst, ich hole Dich ab, wenn es Dir recht ist. Innigst
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 21. Oktober 1907 in Frankfurt am Main folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind berlin
kurfuerstenstrasse 125 =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W. Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] frankfurtm [...]


geliebte tilly komme morgen dienstagden 22.10.1907, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in Berlin.“ [Tb] frueh gegen neun uhr bitte nicht abzuholen = hocherfreut frank

Frank Wedekind schrieb am 27. Oktober 1907 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebte Tilly,

Eben kommt Dr. WeltiWedekind notierte am 27.10.1907, er habe bei Max Reinhardt (wohl im Deutschen Theater) seinen alten Freund aus Schulzeiten, den mit der Opernsängerin Emilie Herzog verheirateten Musikschriftsteller Dr. phil. Heinrich Welti (sowie Arthur Holitscher) getroffen: „Besuch bei Reinhart. Welti und Holitscher kommen.“ [Tb] Heinrich Welti dürfte ihm bei dieser Gelegenheit die Opernkarte für das Caruso-Gastspiel noch am selben Abend (siehe unten) angeboten haben. und hat die große Liebenswürdigkeit, dir einen Platz für CarusoLucia von Lammermoor[“] zu bringen für heute AbendDer berühmte Tenor Enrico Caruso war zu einem Gastspiel am Königlichen Opernhaus in Berlin (am 23.10.1907 sang er in „Rigoletto“, am 25. und 29.10.1907 in „Aida“), wie die Presse meldete: „Caruso ist wieder da, der König der Tenöre, er, der Teuerste von Allen, dem allein es vergönnt ist, stets nur bei dreifach erhöhten Preisen zu singen. Trotzdem war gestern im Kgl. Opernhause anscheinend kein einziger Parquet-Platz (à 25 Mk.) unbesetzt geblieben.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 499, 24.10.1907, Morgen-Ausgabe, S. 7] Er hatte am 27.10.1907 in Gaetano Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“ seinen dritten Auftritt (in der Rolle des Sir Edgardo di Ravenswood, dem Geliebten der Lucia): „Königliche Schauspiele. Opernhaus. Sonntag. 3. Gastspiel des Herrn Enrico Caruso. Lucia von Lammermoor. Oper in drei Akten von Gaëtano Donizetti. [...] (Hohe Preise.) Anfang 7½ Uhr. Ende gegen 10 Uhr.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 505, 27.10.1907, Morgen-Ausgabe, S. 17] Tilly Wedekind hat die Vorstellung besucht (19.30 bis gegen 22 Uhr), wie Frank Wedekind am 27.10.1907 notierte: „Tilly hört Caruso in Lucia.“ [Tb]. Das Theater beginnt um ½ 8 Uhr Opernhaus. | Solltest du hineingehen wollen dann hole das Billet bitte hier um 7 Uhr. Ich würde Dich dann nachher vom/n/ der Theater Oper abholen. Wenn du bis 7 Uhr nicht kommst oder keinen Gebrauch davon machen möchtest dann würde ich das Billet Welti um 7 Uhr zurück bringen. Bitte unserer Theurn Freundinnicht eindeutig identifiziert; gemutmaßt wurde: „Vermutlich ist damit Adele Sandrock gemeint“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 76]. mein Herz zu Füßen zu legen.

Mit bestem Gruß
Dein
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 23. November 1907 in Amsterdam folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

BRIEFKAART
CARTE POSTALE
ALGEMEENE POSTVEREENIGING – UNION POSTALE UNIVERSELLE


Frau Tilly Wedekind
Berlin
Kurfürstenstrasse 125


NAAM EN ADRES DES AFZENDERS – NOM ET ADRESSE DE L’EXPÉDITEUR
(Desverkiezende in te vullen – Indications facultatives)

Fr.W. American Hotel
AmsterdamWedekind hat am 19.11.1907 einen „Kontrakt für Holland unterzeichnet“ [Tb] und begab sich am 21.11.1907 auf eine Gastspielreise, um am 22.11.1907 im Stadttheater in Amsterdam und am 23.11.1907 im Großen Schauspielhaus in Rotterdam den vermummten Herrn in „Frühlings Erwachen“ zu spielen (siehe unten). Er notierte am 21.11.1907: „Kaufe Schlafwagenbillet nach Amsterdam. [...] Tilly [...] begleitet mich zum Bahnhof.“ [Tb] Wedekind fuhr vom Bahnhof Zoologischer Garten um 22 Uhr ab und traf am 22.11.1907 um 8.53 Uhr in Amsterdam ein [vgl. Nb 46], wo er von Hans Kuhnert, der das Ensemblegastspiel Berliner Bühnenkünstler leitete, empfangen wurde, an der Probe – „mittags 1 Uhr Probe“ [Nb 46] – jedoch nicht teilnahm, abends aber auftrat und anschließend mit den Ensemblemitgliedern im American Hotel (Wedekinds Unterkunft in Amsterdam, wie das Stadttheater am Leidseplein gelegen) zusammen war: „Ankunft in Amsterdam. Kuhnert holt mich am Bahnhof ab. Während der Probe besuche ich das Reichsmuseum. Abends Frühlingserwachen. Dann mit den Mitgliedern im American Hotel.“ [Tb] |


Geliebte Tilly, gesternden 22.11.1907 (Freitag), an dem Wedekind in Amsterdam notierte: „Abends Frühlingserwachen“ [Tb]; um 20 Uhr fand als Auftakt des Berliner Gastspiels in Holland die Premiere von „Frühlings Erwachen“ am Stadttheater (Stadsschouwburg) Amsterdam statt, wie angekündigt war: „Vrijdag 22. Nov. (8 u.) Ensemble Gastspiel Berliner Bühnenkünstler. Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie für Erwachsene in 3 Akten von FRANK WEDEKIND. Künstlerische Leitung HANS KUHNERT“ [Nieuwe Amsterdamsche Courant, Jg. 80, Nr. 25351, 21.11.1907, Abendblatt, 1. Blatt, S. 3]; in einer Notiz der Hinweis, Wedekind werde in seinem eigenen Stück die Rolle des vermummten Herrn spielen [vgl. Frühlings Erwachen. In: Nieuwe Amsterdamsche Courant, Jg. 80, Nr. 25351, 21.11.1907, Abendblatt, 2. Blatt, S. 6]. Das „Berliner Tageblatt“ schrieb über die Premiere: „Aus Amsterdam berichtet unser Korrespondent“, das Gastspiel des „Berliner Ensembles unter Leitung Hans Kuhnerts, der weitere Aufführungen von Wedekinds ‚Frühlings Erwachen‘ beabsichtigt, nahm einen guten Anfang im Amsterdamer Stadttheater. Der Autor, der selbst den ‚vermummten Herrn‘ spielte, wurde mehrmals gerufen. Die Leistungen der Mitwirkenden, besonders Elfriede Geister als Wendla und Marie Olly als Ilse fanden in der Presse Anerkennung. Über das Stück selbst ist man offenbar hier noch zu keinem abschließenden Urteil gelangt.“ [Wedekinds „Frühlings Erwachen“ in Holland. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 603, 27.11.1907, Abend-Ausgabe, S. (2-3)] ging es ohne Skandal ab. Die Vorstellung war ganz gut. Jetzt, Samstag Mittag, bin ich eben im Begriff nach RotterdamWedekind notierte am 23.11.1907 (Samstag) den weiteren Ablauf des Tages: „Ich fahre allein nach Rotterdam. Mit Kuhnert im Südholländischen Café. Ich diniere im Cafe und gehe im Schnee zum Theater Frühlings Erwachen. Fahre allein nach Amsterdam zurück Café Neuf. Amerikan Hotel“ [Tb]; demnach ist er unabhängig von den Berliner Ensemblemitgliedern von Amsterdam nach Rotterdam und zurück gefahren, hat sich aber mit Hans Kuhnert in Rotterdam zum Essen getroffen und abends die zweite Gastspielvorstellung als vermummter Herr in „Frühlings Erwachen“ im Rotterdamer Großen Schauspielhaus absolviert, die angezeigt war: „Groote Schouwburg, Rotterdam. Ensemble Gastspiel Berliner Bühnenkünstler ZATERDAG 23 November 1907, FRÜHLINGS ERWACHEN. Eine Kindertragödie in 3 Akten, 16 Bildern von Frank Wedekind. Kunstlerische Leitung. Dir. Hans Kühnert.“ [Rotterdamsch Nieuwsblad, Jg. 30, Nr. 9105, 23.11.1907, 2. Blatt, S. (4)] zu fahren und komme die Nacht noch hierher zurück. Morgen bin ich bei einem hiesigen Impresarionicht identifiziert. zu Mittag. Läßt sich mit dem etwas arrangieren, dann bleibe ich vielleicht noch Montag hier und bin Dienstag früh in Berlin. Er will mir die Sehenswürdigkeiten von Amsterdam zeigen. Andernfalls fahre ich Sonntagder 24.11.1907, an dem Wedekind um 14.43 Uhr von Amsterdam abreiste [vgl. Nb 46]. Wedekind, der am 19.11.1907 bei Vertragsabschluss ein Honorar von 250 Mark für sein Gastspiel vereinbart hatte – „Kontrakt für Holland unterzeichnet. Honorar für Holland à Conto M. 250“ [Tb], erhielt es am Abreisetag mit 70 Mark Reisekostenerstattung von Hans Kuhnert ausgezahlt, wie er am 24.11.1907 notierte: „Kuhner zahlt mir Honorar M. 250,‒ für Reise M. 70,‒ Spaziergang durch die Stadt. Abreise nach Berlin ohne Handgepäck.“ [Tb] – Das Ensemble Berliner Bühnenkünstler unter der Leitung von Hans Kuhnert gab nach Wedekinds Abreise noch zwei Vorstellungen von „Frühlings Erwachen“ – am 27.11.1907 in Rotterdam und am 30.11.1907 in Arnheim. Abend und bin Montagden 25.11.1907, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in Berlin. Ich lasse mich rasieren und die Haare schneiden.“ [Tb] früh in Berlin. Ich sende Dir, geliebte Tilly und Anna Pamela die herzlichsten Grüße. Auf baldiges Wiedersehen

Dein
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 9. Januar 1908 in Nürnberg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


An
Frau Tilly Wedekind
in Berlin W.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Kurfürstenstraße 125. |


Geliebte Tilly, ich bin wohlbehalten angekommenWedekind ist am 9.1.1908 von Berlin zur Uraufführung von „Musik“ (am 11.1.1908) am Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) nach Nürnberg gereist, wie er im Tagebuch notierte: „Nach Tisch begleitet mich Tilly zur Bahn. Fahrt nach Nürnberg. Wohne Grand Hotel. Mit Meßthaler und Gusti Holl bei Föttinger. Nachher in der American Bar.“ – Dort dürfte er zu später Stunde die vorliegende Postkarte geschrieben haben.. und sitze allein, nachdem Meßthaler sich schlafen gelegt hat. Tausend Grüße an Dich und A. P.

Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 10. Januar 1908 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 12.1.1908 aus Berlin:]


[...] ich habe Dir Freitag Deine Gummischuhe geschickt u. auf die Packetadresse ein paar Worte draufgeschrieben.


[2. Hinweis in Frank Wedekinds Kartenbrief an Tilly Wedekind vom 14.1.1908 aus Nürnberg:]


[...] ich danke dir [...] für die Sendung der Gummischuhe.

Frank Wedekind schrieb am 10. Januar 1908 in Nürnberg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


An
Frau Tilly Wedekind
in Berlin W
Wohnung (Straße und Hausnummer) Kurfürstenstraße 125. |


Geliebte Tilly! Heute früh war GeneralprobeWedekind notierte am 10.1.1908: „Generalprobe in Gegenwart Stollbergs“ [Tb] – die Generalprobe für die Uraufführung von „Musik. Sittengemälde in vier Bildern“ am 11.1.1908 am Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) in Nürnberg unter der Regie von Emil Meßthaler mit Wedekind in der Rolle des Franz Lindekuh, zu der Georg Stollberg, Direktor des Münchner Schauspielhauses, nach Nürnberg gekommen war., ich möchte darüber noch nichts näheres schreiben. Stollberg aus München war hier dabei, ist aber um 6 Uhrum 18 Uhr. wieder abgereist. Er bat mich, dir einen Handkuß zu bestellen. Nach TischWedekind notierte am 10.1.1908 weiter: „Speise mit Meßthaler und Stollberg bei Föttinger. Besuch beim Fränkischen Kurier Besichtigung des tiefen Brunnens. Rundgang um die Stadtmauer.“ [Tb] machten E/er/, Meßthaler und ich sehr/einen/ sehr schönen Spaziergang um die Stadtmauern. Eben war ich in den GespensternWedekind besuchte am 10.1.1908 im Nürnberger Intimen Theater die Vorstellung von Ibsens Familiendrama „Gespenster“ und war anschließend mit Emil Meßthaler – auf den er nach der Vorstellung wartete und in dieser Zeit die vorliegende Postkarte schrieb – und dessen Freundin zusammen: „Abends Gespenster. Dann bei Föttinger mit Meßthaler und seiner Freundin.“ [Tb] und warte jetzt auf Meßthaler. Hoffentlich geht es Dir und A. Pamela gut.

Herzlichste Grüße
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 11. Januar 1908 in Berlin folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Tilly Wedekinds Telegramm an Frank Wedekind vom 12.1.1908 aus Berlin:]


[...] brief [...] unterwegs [...]


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 12.1.1908 aus Berlin:]


Gesternder 11.1.1908 (Samstag). schrieb ich Dir einen Brief.


[3. Hinweis in Frank Wedekinds Kartenbrief an Tilly Wedekind vom 14.1.1908 aus Nürnberg:]


[...] danke [...] für deine beiden lieben Briefeder vorliegende erschlossene Brief und ein weiterer Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.1.1908]. [...]

Frank Wedekind schrieb am 12. Januar 1908 in Nürnberg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


An
Frau Tilly Wedekind
in Berlin W
Wohnung (Straße und Hausnummer) Kurfürstenstraße 125. |


Geliebteste Tilly, ich sitze heute Abendam 12.1.1908, an dem Wedekind nach der zweiten Vorstellung von „Musik“ die vorliegende Postkarte schrieb und im Notizbuch [vgl. Nb 49] unter dem vorläufigen Titel „Till Eulenspiegel“ an „Oaha“ arbeitete [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 79], wie er notierte: „Musik. 2“ sowie „Zweite Vorstellung. Nachher arbeite ich an Till Eulenspiegel bei Föttinger und Café Imperial.“ [Tb] wieder allein mit meinem Notizbuch, bin aber noch etwas nervös vom gestrigen Lampenfieberangesichts der Uraufführung von „Musik. Sittengemälde in vier Bildern“ am 11.1.1908 im Nürnberger Intimen Theater unter der Regie von Emil Meßthaler, bei der Wedekind die Rolle des Franz Lindekuh spielte [vgl. KSA 6, S. 793f.].. Dein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. Berlin, 12.1.1908 (Telegramm). habe ich erhalten. Heute Mittag schrieb ich an GrewesHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Julius Greve (wohl mit Gruß an dessen Frau), 12.1.1908. Den Brief hat Wedekind am 12.1.1908 notiert: „Brief an Greve“ [Tb].. Meßthaler will möglichst bald Zensur geben. Klara Hühnerwadel, so wie sie hier gespielt wurdeFritzi Schaffer, Schauspielerin im Ensemble von Emil Meßthalers Intimen Theater in Nürnberg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 504], spielte in der am 11.1.1908 uraufgeführten Nürnberger Inszenierung von „Musik“ die Rolle der Musikschülerin Klara Hühnerwadel., wäre eine Rolle für Dich. Aber interessiert Dich das Alles? Ich schreibe in’s Blaue hinein. Wenn Dir etwas fehlen sollte, dann schreib mir bitte.

Mit ganzem Herzen Dein Frank

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 12. Januar 1908 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

T W


Sonntagder 12.1.1908..


Geliebter Frank,

ich habe Dir Freitag Deine Gummischuhe geschickt u. auf die Packetadresse ein paar Worte draufgeschriebenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu der genannten Sendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 10.1.1908.. Gestern schrieb ich Dir einen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1908..

Was soll ich Dir schreiben, geliebter Frank? Ich bin nicht so eingebildet meine Briefe | für sehr interressantSchreibversehen, statt: interessant. zu halten, u. verschone Dich daher lieber mit dem Geschreibsel.

Anna Pamela spielt unterdess unter meinem Rock Verstecken.

Sie ist allerliebst!

Heute, Sonntag Nachmittag war ich beim Tee bei Greve’sbei dem Regierungsrat Julius Greve und seiner Frau in Berlin (Kurfürstendamm 215, 3. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1908, Teil I, S. 763]., die mich einge|laden hatten. Ich habe mündlich schon für uns Beide zugesagtvermutlich für den 21.1.1908, an dem Wedekind notierte: „Abends bei Grewes“ [Tb].; Du schreibst aber noch paar Zeilen nicht wahr?!

Hoffentlich findest Du nicht, dass ich zu viel auf der Gaudiauf Vergnügungstour. bin. Die Trommel„Die Lauftrommel hatte Wedekind selbst gefertigt. In ‚Die Zensur‘ (2. Szene) balanciert auf ihr Kadidja“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 79]. Kadidja in „Die Zensur“ nennt unter den von Buridan erfundenen Kinderspielzeugen „die Lauftrommel“ [KSA 6, S. 214]. Wedekind hat ihre Herstellung im Tagebuch am 6.1.1908 („Stütze für die Lauftrommel fertiggestellt“) und 7.1.1908 („Ich stelle die Lauftrommel fertig“) vermerkt, zwei Tage vor seiner Abreise nach Nürnberg. wird’s nicht mehr lang machen, sie stöhnt u. ächzt immer jämmerlicher.


[Seite 2 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Greve lasenSchreibversehen, statt: Greve las (oder: Greve’s lasen). mir eine sehr lobende Notiz aus der Zeitungnicht ermittelt; die Zeitungsnotiz dürfte die erfolgreiche Uraufführung von „Musik“ am Nürnberger Intimen Theater am 11.1.1908 kommentiert haben – konstatiert wurde in der Berliner Presse „ein rauschender Theatererfolg“ [vgl. Martin Boelitz: Uraufführung von Wedekinds „Musik“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 22, 13.1.1908, Abend-Ausgabe, S. (3)]. vor.


[Seite 2 am rechten Rand im Übergang zu Seite 3 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Es küsst Dich innigst
Deine Tilly |


Liebster Papa,

ich bin wohl u munter, u. rufe den ganzen Tag „Papa“.

Ich habe Dich, u. meine Mama sehr lieb. Deine
Anna Pamela

Tilly Wedekind schrieb am 12. Januar 1908 in Berlin folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


wedekind nuernberg
grande hotel = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt Nürnberg.

Aufgegeben in Berlin [...]


= geliebter frank, sehr erfreut, gratuliere dir herzlichst briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1908. u. packet unterwegs innigst = deine tilly.

Frank Wedekind schrieb am 12. Januar 1908 in Nürnberg folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind berlin
kurfuerstenstrasse 125=


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W. Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] nuernberg [...]


geliebte tilly warum hoere ich nichts von dir. die wirkungder Uraufführung von „Musik. Sittengemälde in vier Bildern“ am Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) in Nürnberg unter der Regie von Emil Meßthaler mit Wedekind in der Rolle des Franz Lindekuh [vgl. KSA 6, S. 793f., 798f.]. war stark aber das gegentheil meiner absicht. herzlichste gruesse an dich und anna pamela = frank.

Tilly Wedekind und Adele Sandrock schrieben am 13. Januar 1908 in Charlottenburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


An Herrn
Frank Wedekind
in Nürnberg
Wohnung (Straße und Hausnummer) Grande Hotel |


Montagder 13.1.1908.. Geliebtester Frank, heute bin ich bei AdeleAdele Sandrock wohnte in Charlottenburg (Leibnizstraße 60) [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 2042] ‒ zusammen mit ihrer Schwester Wilhelmine Sandrock., deren liebe Schwester bei mir war u. mich eingeladen hat. Sei bitte nicht böse, dass ich mich fortwährend unterhalte. Alle lesen in der ZeitungDer Presse war zu entnehmen, dass Wedekind sich in Nürnberg aufhielt; so in einem Korrespondentenbericht aus Nürnberg [vgl. Martin Boelitz: Uraufführung von Wedekinds „Musik“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 22, 13.1.1908, Abend-Ausgabe, S. (3)]., dass Du weg bist, u. laden mich dann ein. Bitte, schreib’ mir doch ausführlich über die AufführungDie Uraufführung von „Musik“ fand am 11.1.1908 am Intimen Theater in Nürnberg unter der Regie von Emil Meßthaler mit Wedekind in der Rolle des Franz Lindekuh statt (die zweite Vorstellung am 12.1.1908).! Innigst Deine treue Tilly


Gratulire zum großen ErfolgDie Uraufführung von „Musik“ am 11.1.1908 am Nürnberger Intimen Theater ging „mit sensationellem Erfolg über die Bühne. Die Kritiker überschlagen sich“ [KSA 6, S. 793; vgl. KSA 6, S. 798f.]; festgestellt wurde „ein rauschender Theatererfolg“ [vgl. Martin Boelitz: Uraufführung von Wedekinds „Musik“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 22, 13.1.1908, Abend-Ausgabe, S. (3)].!!!

DillyAdele Sandrocks Kosename..

Frank Wedekind, Anna von Seidlitz und Max Langheinrich schrieben am 14. Januar 1908 in Nürnberg folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
Berlin W.
Kurfürstenstraße 125


Geliebte Tilly, wir sitzen hier zusammenWedekind mit Anna und Max Langheinrich im Grand Hotel in Nürnberg – er notierte am 14.1.1908: „Speise mit Langheinrichs im Hotel Spaziergang. [...] Musik 3. Mit Langheinrichs im Grand Hotel.“ [Tb] und trinken auf Dein Wohl: Anna Langheinrich

Besten Gruß. Max Langheinrich.

Dein Frank |


Nürnberg,
Partie an der Museumsbrücke.

Frank Wedekind schrieb am 14. Januar 1908 in Nürnberg folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in Berlin W.
Wohnung (Straße und Hausnummer) Kurfürstenstrasse 125. |


Adresse des Absenders: |


Innigst geliebte Tilly, ich danke dir herzlichst für deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.1.1908 – und ein nicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1908. und für die Sendung der Gummischuhe. Heute spiele ichdie Rolle des Franz Lindekuh in „Musik“ – uraufgeführt am 11.1.1908 im Nürnberger Intimen Theater unter der Regie von Emil Meßthaler. zum vorletzten Mal. Donnerstag werde ich noch in der Nacht nach Berlin fahren. Freitag früh bin ich dann zwischen 9 und 10 Uhr in Berlin, bitte dich aber, mich nicht abzuholen, wenn Du nicht sowieso aufgestanden bist. Wenn Du das Geld noch nicht abgeschickt hast dann behalt es bis zu meiner Rückkunft. HeuteWedekind notierte am 14.1.1908 den Besuch von Anna und Max Langheinrich aus München, die nach Nürnberg gekommen sind, um die dritte Vorstellung von „Musik“ zu sehen, und das anschließende Beisammensein: „Speise mit Langheinrichs im Hotel Spaziergang. Arbeite bei Föttinger Musik 3. Mit Langheinrichs im Grand Hotel.“ [Tb] sind Langheinrichs aus München hier. Nach der Vorstellung werden wir zusammen sein, D/d/ann fahren sie noch in | der Nacht nach München zurück. Die wichtigste Kritikvermutlich „die begeisterte Kritik im Nürnberger ‚Fränkischen Kurier‘“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 80] vom 13.1.1907 über die Nürnberger Inszenierung von „Musik“ [vgl. KSA 6, S. 799]. die hier erschienen ist, schicke ich Dir mit gleicher Postvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.1.1908 (die genannte Kritik der Nürnberger Inszenierung von „Musik“ war dem Brief beigelegt).. Die anderen Kritiken habe ich nicht gelesen.

Nun leb wohl, geliebte Tilly. Bleib gesund und küsse Anna Pamela von mir. Mit herzlichem Gruß und Kuß auf baldiges Wiedersehn
Dein Frank


14.I.8.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 14. Januar 1908 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Dienstagder 14.1.1908..


Geliebter Frank,

beiliegenden Briefsiehe unten die Beilage (Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1908). schrieb ich Samstagder 11.1.1908. abend, nachdem ich einen andernBrief nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1908. eben an Dich weggeschickt hatte. Und nun schreibst Du mir ja heuteEs folgt ein Zitat aus Wedekinds letzter Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 12.1.1908]. „Interressiert Dich das Alles? Ich schreibe ins’ Blaue hinein.“

Frank ich möchte Dir nicht die Stimmung verderben, Du hast heute u. übermorgendie dritte Vorstellung am 14.1.1908 und die vierte und letzte Vorstellung am 16.1.1908 [vgl. Tb] der am 11.1.1908 im Nürnberger Intimen Theater uraufgeführten Inszenierung von „Musik“, in der Wedekind die Rolle des Franz Lindekuh spielte. | zu spielen. Wir können ja auch mündlich darüber verhandeln. Aber wenn du findest, dass ich keinen Anteil nehme an Dir u. Deiner Arbeit, wenn Du nicht ganz sicher bist, dass ich mich dafür interessiere, dann bitte ich Dich Dir jemanden zu suchen, der mehr Verständniss für Dich hat. Dann bin ich Deiner nicht würdig.

O, Geliebter, guter Frank, versteh’ mich bitte nicht falsch – | Aber es empört sich etwas in mir, wenn ich denke dass Du mich neben Dir herschleppst, ohne das zu finden bei mir, was Du brauchst.

Fritzi Schaffer war soviel ich weiß in Wien am Volkstheater u. ist noch sehr jungFritzi Schaffer, Schauspielerin im Ensemble von Emil Meßthalers Intimen Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 504], die in der Nürnberger „Musik“-Inszenierung die Rolle der Musikschülerin Klara Hühnerwadel spielte, war davor am Neuen Schauspielhaus in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 295], davor am Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 581]; sie war erst 18 Jahre alt (geboren am 30.4.1889) und drei Jahre jünger als Tilly Wedekind (geboren am 11.4.1886)..

Wie war denn Hedwig LangeHedwig Lange, Schauspielerin im Ensemble von Emil Meßthalers Intimen Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 504], spielte in der Nürnberger „Musik“-Inszenierung die Rolle der Else Reißner. Wedekind war mit ihr seit einigen Jahren bekannt, er hat am 30.6.1905 ihren Namen notiert: „Hedwig Lange.“ [Tb]? Das Stück wurde wohl zu ernst aufgefasst? |

Ich glaube ich komme mit dem Geld aus, Du brauchst mir nichts zu schicken. Ich danke Dir herzlich.

Anna Pamela hat ein neues Kunststück gelernt. Sie kann Flöte blasen.

Wann kommst Du denn, mein lieber Frank? Freitag Früh oder abends? Wenn es Dir recht ist, hole ich Dich ab. Von ganzem Herzen umarmt u. küsst Dich
Deine Tilly


Viele Küsse Deine Anna Pamela


[Beilage:]


Samstag.


Geliebter Frank,

Gesternam 10.1.1908. war ich Nachmittag’s bei Weltibei Wedekinds altem Freund, dem Schriftsteller Dr. phil. Heinrich Welti in Berlin (Lützowstraße 20) [vgl. Berliner Adreßbuch 1908, Teil I, S. 2784], der mit der Opernsängerin Emilie Herzog verheiratet war.. Frau Herzog gab gerade eine Stunde, kam aber doch u. war sehr liebenswürdig. Ich glaub’ ich habe mich nicht so ungeschickt benommen, wie wenn Du dabei bist. Vor Dir habe ich eben den meisten Respect.

Adele hat natürlich abgeschrie|benabgesagt. da sie Stunde hatte. Ich gieng mit Frau Schwarz. Vorher aß ich bei ihrvermutlich bei der Ehefrau von Fritz Schwartz [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 81], Grethe Schwartz (geb. Schüssel) in München (Richard Wagnerstraße 3) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1906, Teil I, S. 510; Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 552]..; dann fuhren wir zusammen nach Hause. Es war wirklich sehr schön! Ich werde der Herzog noch ein paar Zeilen schreiben.

Heute war ich Nachmittags wegen der Gasrechnung u. einen Augenblick bei Fr. Durieux. Sie schrieb mir, | dass sie zu Bett liegt.

Anna Pamela ruft immerzu nach Dir, sucht in Deinem Wohnzimmer nach Dir u. wenn sie es leer findet, geht sie zur Tür u. will in Dein Schlafzimmer. Sie kann es nicht begreifen, wenn ich ihr sage, dass Du weggefahren bist, u. lacht wenn ich den Zug nachmache. | Du spielst jetzt ebendie Rolle des Franz Lindekuh bei der Uraufführung von „Musik“ am 11.1.1908 am Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) in Nürnberg.. – Wenn Du Kritikender Uraufführung von „Musik“ am 11.1.1908 in Nürnberg. hast sende sie mir bitte.

Der Herrnicht identifiziert. war hier u. wird in 8 Tagen wieder kommen.

Nun kann ich Dir nur noch sagen, dass ich Dich sehr lieb habe, wenn es Dich nicht langweilt.

Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 15. Januar 1908 in Nürnberg folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Hotel Föttinger
Inhaber: Ferdinand Messerschmitt und Bapt. Ultsch
Weinrestaurant und Weinhandlung
Telephon No. 389 Ecke Königsstraße und Klaragasse Telephon No. 389
Weingroßhandlung J. B. Messerschmitt, Bamberg-Nürnberg.


Nürnberg, den   190


Innigst geliebte Tilly,

Wie soll ich Dir auf Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.1.1908 – mit Beilage, ein am 11.1.1908 geschriebener Brief. antworten. Ich müßte ja ein ganzes Buch voll schreiben. Nur das eine brauchst Du nicht zu fürchten, daß Du an meiner Seite nichts zu thun haben wirst. Für April sind wir schon für eine ganze Woche hierher engagiertDas Gastspiel in Nürnberg kam nicht zustande.. Ich habe nur deshalb noch nicht definitiv zugesagt, weil ich LeipzigWedekind war vom 30.3.1908 bis 4.4.1908 in Leipzig [vgl. Tb]. abwarten will. Aber die Tage sind schon festgelegt. Ich lege Dir hier die wichtigste KritikWedekind hatte in seinem Kartenbrief vom Vortag bereits angekündigt, er werde die „wichtigste Kritik“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.1.1908] über die Nürnberger Inszenierung von „Musik“ nach Berlin schicken (die Beilage zum vorliegenden Brief), vermutlich die Besprechung in der Nürnberger Zeitung „Fränkischer Kurier“ [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 80] (Nr. 23 vom 13.1.1907), in der es heißt: „Der Beifall wuchs von Akt zu Akt: nach dem 3. Akt wurde der Dichter, der selber eine der Nebenrollen spielte, stürmisch gerufen, doch erst nach dem Schlußakt leistete er den Hervorrufen Folge und wurde nun mit Beifall überschüttet. [...] Auch die meisterhafte Darstellung trug mit zu dem durchschlagenden Erfolge des Stückes das ihrige bei, Frl. Schaffer spielte die weibliche Hauptrolle wahrhaft ergreifend.“ [KSA 6, S. 799] über Musik bei. Näheres über die Vorstellung zu schreiben bitte ich Dir mir zu erlassen, da ich jede freie Stunde an meinem Stück schreibeWedekind schrieb an seinem neuen Stück „Oaha“ [vgl. KSA 8, S. 396f.].. Gestern standen ausführliche BesprechungenDie „Münchner Neuesten Nachrichten“ eröffneten ihre Besprechung mit dem Hinweis: „Wedekinds ‚Musik‘ hatte am Samstag im Intimen Theater in Nürnberg seine Uraufführung und, wie schon telegraphisch gemeldet, einen unbestrittenen Erfolg.“ [Wedekinds „Musik“. In: Münchner Neuesten Nachrichten, Jg. 61, Nr. 19, 14.1.1908, Vorabendblatt, S. 2] Die „Frankfurter Zeitung“ (Nr. 4 vom 14.1.1908) meinte: „Die Aufführung des Intimen Theaters, an der Herr Wedekind sich als Franz Lindekuh selbst beteiligte, war vorzüglich.“ [KSA 6, S. 798] Im „Berliner Tageblatt“ hieß es: „Frank Wedekind kann mit der Aufnahme, die sein jüngstes Werk ‚Musik‘ bei der Uraufführung in Meßthalers Intimem Theater in Nürnberg gefunden hat, sehr zufrieden sein, denn es war ein rauschender Theatererfolg, von keiner Seite bestritten. Das lag weniger an der Dichtung selbst [...]; der Beifall galt in viel höherem Maße der hervorragend guten Darstellung und der Persönlichkeit des Dichters, der durch seine Mitwirkung dem Abend einen besonderen Reiz verlieh.“ [Martin Boelitz: Uraufführung von Wedekinds „Musik“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 37, Nr. 22, 13.1.1908, Abend-Ausgabe, S. (3)] in Münchner Neuesten, Frankfurter Zeitung und Berliner Tageblatt. Die SchafferFritzi Schaffer, Schauspielerin im Ensemble von Emil Meßthalers Intimen Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 504], die in der Nürnberger „Musik“-Inszenierung die Rolle der Musikschülerin Klara Hühnerwadel spielte, war davor am Neuen Schauspielhaus in Berlin engagiert gewesen [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 295], davor am Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 581] und davor an den Vereinigten Theatern in Graz [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 413]. war in Wien und Graz. Näheres weiß ich nicht von ihr, da ich mit den Schauspielern noch nicht gesellschaftlich zusammen gewesen bin. – Ich | fahre morgen Nacht 1 UhrWedekind notierte am 16.1.1908 seine nächtliche Abreise von Nürnberg (nach der vierten Vorstellung von „Musik“ und einem anschließenden Beisammensein mit Emil Meßthaler und der jungen Schauspielerin Gussy Holl im Hotel): „Musik. 4 Darauf mit Meßthaler und Frl. Holl im Grand Hotel. Fahre 12 Uhr 55. nach Berlin.“ [Tb] hier weg und bin Freitagder 17.1.1908, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in Berlin.“ [Tb] Morgens zwischen 8 und 9 Uhr in Berlin. Daß Du mich abholst hat wol nicht viel Zweck, da ich vom Bahnhof sofort nach Hause zu fahren. Ich freue mich innig, Dich wiederzuhaben. Küsse Anna Pamela
Dein Frank.


15.1.8.


Langheinrichs sind heute früh um acht Uhr zurückgereist. Wir hatten Dir eine Karte geschriebeneine Bildpostkarte gemeinsam mit Anna und Max Langheinrich [vgl. Frank Wedekind, Anna von Seidlitz, Max Langheinrich an Tilly Wedekind, 14.1.1908]., die ich aber aufzugeben vergaß, da wir uns schon ein Uhr trennten.

Frank Wedekind schrieb am 29. März 1908 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

[1. Entwurf:]


Meine liebe Tilly!

Besorgte Gemüter glaubten lasen aus den folgenden Scenen (entnehmen zu können,) du hättest je zwischen meinem Beruf und mir gestanden, und beschwerten dir mit ihrer durch ihrer Besorgnis dein/das/ Herz. Wem die Scenen gefallen, dem liegt/en/ solche Gedanken fern. Aber den besorgten Gemütern schulde ich eine handgreifliche Beruhigung. In den langen Zeiten, die ich allein verbrachte, war es mir jedes dritte Jahr einmal möglich vergönnt, eine abgeschlossene Arbeit zu veröffentlichen. In den/Die/ zwei Jahren unseres Zusammenseins habe ich trugen mir drei abgeschlossenen Arbeiten Theaterstücke | Musik, Zensur und Oaha ein, an die ich vorher nie mit einem Gedanken gedacht hatte. Solche Die Solche Pralereien klingen/t/ nach Marktgeschrei. Aber dich bitte ich zu verzeihen daß ich an deiner Seite so viel Anregung zu künstlerischem Wirken fand.

Frank.


[2. Entwurf:]


Meine liebe Tilly!

Besorgte Gemüter lasen aus den folgenden Scenen, du hättest je einmal zwischen meinem/r/ Beruf Arbeit und mir gestanden, und beschwerten (dir) durch ihre Besorgnis dein das Herz. Wem die Scenen gefallen, dem liegt der Argwohn fern. Aber den besorgten Gemütern Lesern schulde ich eine handgreifliche b/B/eruhigung. In den langen Zeiten, die ich allein verbrachtezuerst „e“ gestrichen (zu „verbracht“), dann wieder hergestellt. habe, war es mir jedes dritte Jahr einmal möglich vergönnt, eine Arbeit zu veröffentlichen erscheinen zu lassen. Die zwei Jahre unseres Zusammenseins trugen mir drei Theaterstücke | „Musikunterstrichen, Unterstreichung getilgt.“, „Zensurunterstrichen, Unterstreichung getilgt.“ und „Oahaunterstrichen, Unterstreichung getilgt.“ ein, an die ich vorher nie mit einem Gedanken gedacht hatte. Solche Prahlerei gilt als Marktgeschrei. Aber dich bitte ich zu verzeihen daß ich an deiner Seite all die Anregung zu künstlerischem Wirken fand.irrtümlich nicht gestrichen. soviel Zeit zu selbständiger Arbeit Bethätigung fand.
Ich muß bin gewärtig sein, diese Aufzählung als Marktgeschrei gedeutet zu sehen. Aber dich bitte ich jedenfalls, zu verzeihen,

Frank.


[3. Druck:]


Meine liebe Tilly!

Besorgte Gemüter lasen aus diesen Szenen, du hättest je einmal zwischen meiner Arbeit und mir gestanden, und beschwerten dir durch ihre Besorgnisse das Herz. Wem die Szenen gefallen, dem liegt der Argwohn fern, aber den besorgten Lesern schulde ich eine Beruhigung. In den langen Jahren, die ich allein verlebte, war es mir jedes dritte Jahr einmal vergönnt, eine Arbeit erscheinen zu lassen; die zwei Jahreseit 1906 (eigentlich seit Ende 1905). unseres Zusammenseins trugen mir drei fertige Stücke „Musik“, „Zensur“ und „Oaha“ ein, an die ich vorher nie mit einem Gedanken gedacht hatte. Ich bin natürlich gewärtig, diese Aufzählung als Marktgeschrei gedeutet zu sehen. Aber dich bitte ich jedenfalls, zu verzeihen, daß ich an deiner Seite so viel Zeit zu selbständiger Betätigung fand.

Frank.

Frank Wedekind schrieb am 30. März 1908 in Leipzig folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
Berlin W.
Kurfürstenstrasse 125. |


Innigst geliebte Tilly, ich bitte Dich, mir Dein Rabbi-Esra-Bildwohl ein Foto, das Tilly Wedekind als Moses in „Rabbi Esra“ zeigt. Es handelt sich nicht um das Foto, auf dem sie als Moses und Frank Wedekind als Rabbi Esra zu sehen sind [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 389] und das aus dem Münchner Fotoatelier Franz Grainer stammt [Mü, FW VIII/8], da dieses Foto erst am 17.2.1909 aufgenommen wurde: „Wir lassen uns bei Greiner photographieren. Erdgeist Rabbi Esra.“ [Tb] zu schicken. Du kannst es aus dem RamenSchreibversehen, statt: Rahmen. nehmen und brauchst es nur in ein Kuvert zu legen. Ich wohne Hotel Hauffe. Bis jetzt bin ich noch alleinWedekind fuhr am 30.3.1908 um 17 Uhr von Berlin nach Leipzig und saß dort abends allein im Ratskeller, wo er die dann stets von ihm selbst gespielte Rolle des Walter Buridan aus seinem Einakter „Die Zensur“ einstudierte und die vorliegende Postkarte schrieb (später wechselte er das Lokal) – er notierte: „Nachmittag 5 Uhr Abfahrt nach Leipzig. Abends allein im Ratskeller studiere ich Zensur. Später besuche ich noch die Kneipe in der Grete Baldauf Kellnerin war.“ [Tb]. Ich sitze über der Rolle Buridan im Ratskeller. Von Berlin aus telegrafierte ichHinweis auf ein nicht überliefertes Telegramm; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Kurt Hezel, 30.3.1908. an Kurt Hetzel aber er scheint nicht zu kommen. Einen Brief erwarte ich nicht, wenn nicht außerordentliches vorliegt. Pfleg Dich gut!!

In innigster Liebe
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 31. März 1908 in Berlin
an Frank Wedekind

T. W.


Dienstagder 31.3.1908..


Mein lieber Frank,

ich danke Dir für Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.3.1908., über die ich mich sehr gefreut habe. Anna Pamela und ich sind ausnahmsweise, wenn ich mich so ausdrücken darf | fast, beinahe gesund. Wir fühlen uns auch sonst ziemlich wohl und zufrieden. Bitte, schreib’ mir genau auf einen Zettel, was Du an Schminken brauchst, und die Costüme„Da die Wedekinds planten, auf Gastspieltournee nach Graz und Wien zu gehen, wurde der hauseigene Kostümfundus einer Revision unterzogen und für die anstehende Reise verpackt. ‚So ist das Leben‘ (‚König Nicolo‘) kam jedoch während der Gastspielreise nicht zur Aufführung.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 82] Die Szene „Rabbi Esra“ wurde am 24.4.1908 in Graz zusammen mit dem Einakter „Der Kammersänger“ aufgeführt (während des Gastspiels in Graz vom 23. bis 25.4.1908 kamen auch „Frühlings Erwachen“ und „Erdgeist“ zur Aufführung). für „So ist das Leben“ u. „Rabbi Esra“. Ich will den Theaterkram gleich einpacken. Herzlichsten Kuss
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 1. April 1908 in Leipzig folgenden Brief
an Tilly Wedekind

(Leipzig), 1.IV.1908.


Meine innigstgeliebte Tilly!

Ich bitte Dich herzlich und inständig, sei doch nicht so muthlos, wie ich es aus Deinen lieben Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.3.1908. herauslesen muß. Du hast doch wirklich allen Grund, stolz auf Dich zu sein. Du weißt aus tausend Dingen, wie glücklich ich durch Dich bin. Und was Dir zu Deinem Wohlbefinden fehlt, ist doch nur Zeit und Ruhe. Ich meine nicht, daß Du stolz darauf sein sollst, daß ich glücklich bin, sondern darauf, was Du selber bist und was Du in Deinen Jahren schon alles zustande gebracht hast. Hab doch nur etwas mehr Geduld mit Dir selber. Wir haben gar nichts vor uns, was eilt, was unbedingt dann und dann geschehen muß. Das wichtigste ist jetzt Dein Wohlbefinden, Deine Gesundheit. Bis Du Dich wieder frisch und munter fühlst, muß alles andere Nebensache bleiben.

Du fragst mich nach den Schminken und Kostümen. Das Kostüm zu Rabbi Esra steht auf beiliegender Kartenicht überliefert.. Die Kostüme zu So ist das Leben aufzuzählen hätte keinen Zweck, da ich sicher etwas vergessen würde. Ebenso ist es mit den Schminksachen, die voraussichtlich alle in der Blechbüchse sind. Pack also bitte die Blechbüchse ein. Ich werde sie dann revidirenprüfen, durchsehen.. Außer Rabbi Esra und So ist das Leben habe ich nur noch 3 Kostümsachen, Talar, spitzer Hut und Schnallenschuhe. Ich würde Dich bitten, wenn Du Dich durchaus damit befassen willst, alles, was ich an Kostümen habe, in einen Korb zu packen und die Blechbüchse dazu. Ebenso die Kammersängerperrückeeine Perücke – (frz.) perruque – als Requisit für den Einakter „Der Kammersänger“ (1899)., die Perrücke(frz.) perruque; veraltet für: Perücke. zu M. v. Keith und alles, was ich an Stiefeln und Schuhen für die Bühne habe. Aber warum willst Du Dich mit alle dem plagen? Das Einpacken ist ein Vergnügen, wenn man es gemeinschaftlich besorgt. Für Dich allein ist es doch nur Plage und Hetzerei. Du sollst Dich doch schonen, essen, trinken, schlafen und spazirengehen.

Am ersten Abendam 30.3.1908 in Leipzig; Wedekind verbrachte den Abend dort allein im Ratskeller [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.3.1908]. war ich, wie ich voraussah, allein. Gesternam 31.3.1908, an dem Wedekind seinen Besuch bei dem befreundeten Rechtsanwalt Kurt Hezel und das abendliche Beisammensein mit ihm, dem Rechtsanwalt Martin Drucker und dem Mathematiker und Schriftsteller Felix Hausdorff (und dessen Frau Charlotte Goldschmidt) im Leipziger Ratskeller notierte: „Besuch bei Hetzel [...]. Abends Ratskeller mit Drucker, Hausdorf und Frau und Hetzel. Nachher im Kaffeebaum. Hetzel fährt uns im Automobil nach Haus.“ [Tb] war ich mit Hezel und Professor Hausdorf zusammen. Heuteam 1.4.1908, an dem Wedekind notierte: „Abends allein im Ratskeller Zensur studiert.“ [Tb] Er lernte die Rolle des Walter Buridan aus „Die Zensur“ (die Rolle spielte er dann stets selbst). werde ich wieder allein sein und Buridan lernen. Die Rolle lernt sich so leicht, wie mir das Lernen noch nie geworden ist. Küsse Anna Pamela herzlich von mir. Wenn Du mir nicht schreibst, so nehme ich das als ein Zeichen, daß Du Dich schonst und pflegst.

In innigster Liebe küßt Dich Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 2. April 1908 in Berlin folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstag. 2./IV.08.


Mein geliebter Frank,

es liegt absolut nichts ausserordentliches vor, ich habe Dir aber doch einiges zu schreiben. Vor allem bin ich (2) absolut nicht mutlos, und bilde mir ein, dass meine Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.3.1908. sogar einen gewissen Humor hatten oder wenigstens haben sollten.

Das Gastspiel in Graz ist mir nun aber nicht Nebensache, u. möchte ich ganz bestimmt am 23.am 23.4.1908; an diesem Tag stand Tilly Wedekind allerdings bei dem Gastspiel am Theater am Franzensplatz in Graz (23. bis 25.4.1908) nicht auf der Bühne („Frühlings Erwachen“ wurde ohne sie gespielt). Sie spielte dann aber am 24.4.1908 in „Rabbi Esra“ den Moses und in „Der Kammersänger“ dann gleich zwei Rollen – Frau Helene Marowa und Miss Isabel Coeurne [vgl. Grazer Tagblatt, Jg. 18, Nr. 113, 24.4.1908, Morgen-Ausgabe, S. 11] – und am 25.4.1908 in „Erdgeist“ die Lulu. dort | spielen. Du findest das vielleicht überflüssig, aber wenn daraus nun auch nichts würde, dann wäre ich allerdings mutlos. Du sagtest Sonntag oder Montagam 29. oder 30.3.1908 in Berlin., es hätte mich wahrscheinlich verstimmt dasSchreibversehen, statt: dass. aus Budapest nichts wirdaus einem Gastspiel in Budapest.; wahrscheinlich hast Du recht. Ich freue mich das ganze Jahr auf Gastspiele, die dann zu Wasser werden. Ich kann mir eben die Schauspielerei auch nicht ganz abgewöhnen, und das | verlangst Du ja auch gar nicht. Du darfst das alles nicht falsch auffassen, lieber Frank; ich glaube dass ich damit nichts Unmögliches verlange. Also nicht wahr, es bleibt dabei!? Was schrieb Dir das Hebbel-Theater?Hinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Hebbel-Theater an Wedekind, 28.3.1908. Wer geschrieben hat – der Direktor Eugen Robert oder der administrative Leiter des Berliner Hebbel-Theaters Adolf Edgar Licho [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 262] – ist unklar. Wedekinds Tagebuch zufolge hat er am 22.2.1908 mit dem administrativen Leiter über ein Gastspiel verhandelt („Licho kommt wegen Hebbeltheater“) und am 17.3.1908 mit dem Direktor einen provisorischen Vertrag geschlossen („Mit Dr. Robert vom Hebbeltheater schließe ich provisorischen Contrakt“); das Gastspiel fand nicht statt. Bitte, schreib’ es mir bald. Wenn es doch was würde, kannst Du mir eine große Freude damit machen!

Das Packen lasse ich vielleicht noch bis Du kommst, es genügt ja, dass ich alles vorrichte und das kann ich in aller Ruhe u. Behaglichkeit. |

Felix Bloch Erbender für den Bühnenvertrieb der Stücke „Marquis von Keith“ und „So ist das Leben“ zuständige Verlag, mit dem Wedekind den Vertrag zwar am 1.6.1907 gekündigt hat, die Kündigung aber erst am 1.6.1908 rechtskräftig wurde [vgl. Wedekind an Felix Bloch Erben, 20.9.1909]. hat 239.13 M. geschickt. Ich habe es quittiert. Ist es recht? Darf ich 100 M. davon nehmen u. dann verrechnen? Ich hätte Dich sonst heute um Geld bitten müssen. 5/4/8 Mä. MädchenlohnLohn für das Kindermädchen., einige Rechnungen, so ist mir nicht sehr viel geblieben. Ich möchte mir gern für Miss Coeurnefür die Rolle der jungen Engländerin Miss Isabel Coeurne in „Der Kammersänger“, die Tilly Wedekind dann in Graz spielte (siehe oben). Jahre zuvor ist Tilly Newes in dieser Rolle „erstmals in einem Stück Wedekinds aufgetreten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 83], als „Der Kammersänger“ schon einmal am Theater am Franzensplatz in Graz gespielt wurde (Premiere: 6.2.1903) [vgl. Grazer Volksblatt, Jg. 36, Nr. 58, 6.2.1903, Morgen-Ausgabe, S. 10]. das Costüm kaufen, wenn es Dir recht ist.

Wenn ich Dir Wäsche nachschicken soll, schreib’ mir bitte.

Anna Pamela ist gottlob recht munter, und meine ganze Freude!

Innigen Kuss
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 3. April 1908 in Leipzig folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind berlin
kurfuerstenstrasze 125 =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W. Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] lejpzig [...]


liebe tilly, herzlichen dank fuer lieben briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1908.. ich komme morgenden 4.4.1908, an dem Wedekind notierte: „Rückfahrt nach Berlin.“ [Tb] samstag abend gegen zehn uhr. bitte mich nicht abzuholen. vom hebbeltheatervgl. Hebbel-Theater an Wedekind, 28.3.1908 (erschlossen). leider nichts erfreuliches. also auf morgen abend. herzlichst = frank.

Frank Wedekind schrieb am 11. April 1908 in Berlin folgende Visitenkarte
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

Die herzlichsten Glückwünsche zu Deinem Geburtstag. In | Innigster Liebe
Dein
Frank Wedekind
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 19. April 1908 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


frank wedekind muenchen ohmstrasse 1
pension sernsamerÜbertragungsfehler, statt: fernsemer. Wedekind ist dem Tagebuch zufolge am 13.4.1908 mit Frau und Kind nach München gereist („Abfahrt von Berlin nach München“), wo er in der Pension Fernsemer (Ohmstraße 1, Hinterhaus, Parterre) logierte – bei Konstantine Fernsemer, „Pensionsinhaberin“ [Adreßbuch für München 1908, Teil II, S. 362; vgl. Teil I, S. 125]. Wedekind mietete einige Tage später die Wohnung, in der er bis zu seinem Tod lebte; er notierte am 18.4.1908: „Wohnung gemietet Prinzregentenstraße 50.“ [Tb] = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


= gluecklich angekommenin Graz, wo nicht nur Tilly Wedekinds Eltern lebten, sondern vom 23. bis 25.4.1908 ein gemeinsames Gastspiel am Theater am Franzensplatz stattfinden sollte, zu dem einige Tage später auch ihr Mann aufbrach. Frank Wedekind hat die Abreise von Tilly und Pamela Wedekind von München am 18.4.1908 notiert: „Tilly und Anna Pamela fahren nach Graz.“ [Tb] innigste gruesse = tilly.

Frank Wedekind schrieb am 19. April 1908 in München folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Nur für die Adresse


Frau Tilly Wedekind
geb. Newes
Graz (Steyermark)
Hotel Goldene Birn


Geliebteste Tilly! Für meinen Koffer hast du bei der Zollrevision keinen Schlüssel gehabt. Ich werde mich also jedenfalls in Wien (Westbahnhof) erkundigen. – Hoffentlich bist Du gut angekommenin Graz, wo nicht nur Tilly Wedekinds Eltern lebten, sondern vom 23. bis 25.4.1908 ein gemeinsames Gastspiel am Theater am Franzensplatz stattfinden sollte, zu dem einige Tage später auch ihr Mann aufbrach und sie offenbar sein Gepäck schon mitgenommen hat, aber der Kofferschlüssel vergessen worden ist. Frank Wedekind hat die Abreise von Tilly und Pamela Wedekind von München am 18.4.1908 notiert: „Tilly und Anna Pamela fahren nach Graz.“ [Tb] Die Reise führte über Wien Westbahnhof.. Ich sende Dir die herzlichsten Grüße!

Grüße Deine Lieben.

Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 20. April 1908 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]

frank wedekind muenchen
ohmstr 1 pension fernsemer |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


= kofferTilly Wedekind hatte am 18.4.1908 bei ihrer Abreise von München über Wien nach Graz Kofferschlüssel vergessen und am Wiener Westbahnhof Probleme beim Zoll [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.4.1908], die nun behoben waren. alle ausgeloest, – frohes wiedersehn! tilly =

Frank Wedekind schrieb am 21. April 1908 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Frau Wedekind
goldene Birn
Graz


Telegramm
aus
München [...]


Liebste Tilly! Ich bin morgenden 22.4.1908. Wedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 21.4.1908 von München ab („Abreise nach Graz“) und traf am 22.4.1908 um die Mittagszeit in Graz ein („Ankunft in Graz Mit Tilly dinirt. Abendessen in der Familie Newes“), der Heimatstadt seiner Frau, wo er mit ihr ein Gastspiel am Theater am Franzensplatz hatte – „Frühlings Erwachen“ (Wedekind als vermummter Herr) wurde am 23.4.1908 gespielt, „Rabbi Esra“ (Wedekind in der Titelrolle, seine Frau als Moses) und „Der Kammersänger“ (Wedekind in der Titelrolle des Gerardo, seine Frau als Helene Marowa und als Isabel Coeurne) am 24.4.1908, „Erdgeist“ am 25.4.1908 (Wedekind als Dr. Schön und im Prolog als Tierbändiger, seine Frau als Lulu). Mittwoch Mittag mit verabredetem Zug in Graz auf frohes Wiedersehen = FranzÜbertragungsfehler, statt: Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 27. April 1908 in Graz
an Frank Wedekind

Graz, 27./IV.08.


Geliebtester Frank,

ich bin gesternden 26.4.1908, einen Tag nach Abschluss des Gastspiels von Frank und Tilly Wedekind am Theater am Franzensplatz in Graz (23. bis 25.4.1906); das Paar hatte im Hotel Zur goldenen Birne gewohnt, das Tilly Wedekind verlassen hat und zu ihren Eltern gegangen ist, die in Graz wohnten (Brandhofgasse 1). Frank Wedekind war zuvor um 16 Uhr nach Wien abgereist (dort stand für ihn am Deutschen Volkstheater vom 9. bis 22.5.1908 in „Frühlings Erwachen“ das nächste Gastspiel an), wie er am 26.4.1908 notierte: „Mit Tilly im Café Union gefrühstückt. Mittagessen bei Mama Newes. Vier Uhr fahr ich nach Wien.“ [Tb] noch vom Hotel weg u. nach Hause. Es ist halt doch kein Platz hier, u. fühle ich mich bis jetzt nicht sehr behaglich. Ich möchte Dich ja gern | möglichst lang allein lassen u. ich kann ja schließlich auch wo anders hin. An Frl. Hamannan eine Tochter oder eine andere unverheiratete Verwandte von Wilhelm Hamann, Wedekinds Vermieter in Berlin; es dürfte sich in Tilly Wedekinds nicht überliefertem Brief an sie um Wohnungsangelegenheiten gehandelt haben. habe ich geschrieben, auch an die Pension FernsemerWedekind hat vor seinem Gastspiel in Graz vom 14. bis 21.4.1908 in der Münchner Pension Fernsemer (Ohmstraße 1, Hinterhaus, Parterre) logiert – bei Konstantine Fernsemer, „Pensionsinhaberin“ [Adreßbuch für München 1908, Teil II, S. 362; vgl. Teil I, S. 125], bis zu ihrer Abreise am 18.4.1908 nach Graz auch seine Frau, die nun wohl wegen nachzusendender Post an die Pension schrieb.. Hast Du schon Deine BriefeWedekind erwartete Post – ihm aus München nach Wien nachgesandt von der Münchner Pension Fernsemer.? Wie ist es in Wien? Anna Pamela u. ich küssen Dich innigst! Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 27. April 1908 in Wien folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL TEGETTHOFF, I., JOHANNESGASSE 23, WIEN.
TELEGRAMME:
TEGETTHOFFHOTEL, WIEN.


Geliebte Tilly!

ich war gestern Abendam 26.4.1908, an dem Wedekind seine Abreise von Graz um 17 Uhr, sein Hotel in Wien (Briefkopf des vorliegenden Briefs) und seinen Besuch im Deutschen Volkstheater (Direktion: Adolf Weisse), wo er vom 9. bis 22.5.1908 ein Gastspiel als vermummter Herr in „Frühlings Erwachen“ zu absolvieren hatte und gemeinsam mit Wolfgang Quincke die Regie führte [vgl. KSA 2, S. 964], notierte: „Vier Uhr fahr ich nach Wien. Hotel Tegethoff Theater“ [Tb]. noch im Theater und erfuhr dort daß heuteam 27.4.1908, an dem Wedekind seinen Besuch der Dekorationsprobe für die Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ im Deutschen Volkstheater notierte: „Im Theater.“ [Tb] nur Dekorationsprobe sei, saß dann allein bei in der Tabakspfeifedas Restaurant Zur großen Tabakspfeife (Wien I, Graben 29, Ecke Goldschmidtgasse 7a), Besitzer: Alois Lackner; „gegründet 1616. Rendezvous aller Fremden. Ältestes Restaurant Wiens von historischer Bedeutung.“ [Lehmanns Allgemeiner Wohnungsanzeiger für Wien 1908, Bd. 1, Teil IV, S. 1397]. Wedekind notierte am 26.4.1908: „Tabakspfeife“ [Tb]. und Cafe Fortelnydas Kaffeehaus Fortelny (Wien I, Kolowratring 2, Ecke Johannesgasse 18), Inhaberin: Emilie Fortelny [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungsanzeiger für Wien 1908, Bd. 1, Teil IV, S. 861]. Wedekind notierte am 26.4.1908: „Cafe Fortenly“ [Tb]. beim Hotel. Die Dekorationsprobe fand heute statt. Direktor Weiße kommt erst übermorgen. Jetzt bin ich eben in Begriff in einen VortragWedekind notierte am 27.4.1908: „Abends Kürenberger-Vortrag von Hermann Bahr.“ [Tb] Hermann Bahr hielt um 19.30 Uhr im Saal des Ingenieur- und Architektenvereins (Wien I, Eschenbachgasse 9) auf einem vom Wiener Verein für Kunst und Kultur veranstalteten „Kürnberger-Abend“ [Wiener Zeitung, Nr. 97, 26.4.1908, S. 8], an dem Otto Erich Deutsch und Olga Bauer mitwirkten, einen Vortrag „Geglaubt und vergessen“ [vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 16, Nr. 5215, 28.4.1908. S. 4] über den österreichischen Dichter Ferdinand Kürnberger, jenes „meisterhaft gelesenen Feuilletons ‚Geglaubt und vergessen‘“ [Neue Freie Presse, Nr. 15693, 29.4.1908, Morgenblatt, S. 10], das vor einiger Zeit bereits in der „Neuen Freien Presse“ erschienen sein soll. von Hermann Bahr zu gehen und | werde voraussichtlich nachher mit ihm zusammensein. Wegen der Post habe ich nach München geschriebenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Pension Fernsemer, 27.4.1908. Wedekind hat vor seiner Abreise zu den Gastspielen in Graz und Wien vom 14. bis 21.4.1908 in der Münchner Pension Fernsemer (Ohmstraße 1) logiert, geleitet von Konstantine Fernsemer, „Pensionsinhaberin“ [Adreßbuch für München 1908, Teil II, S. 362], und dürfte die Pension um Nachsendung seiner Post nach Wien gebeten haben.. Ich werde hier Zensur lernenWedekind lernte die Rolle des Walter Buridan aus „Die Zensur“. und möchte gerne unsere beiden Scenen in 3 und 4 Aktdie Szenen III/10 und IV/3 aus „Erdgeist“ mit Dr. Schön und Lulu [vgl. KSA 3/I, S. 456-461, 463f.].Erdgeist“ neu inscenieren damit wir auf jeden Fall darin etwas besonderes zu geben haben.

Pfleg Dich gut, geliebte Tilly! Sag Deinen Lieben meinen aufrichtigen Dank für die Herzlichkeit mit der Sie uns auf|genommen haben.

Willst Du nicht vielleicht ein Paar Zeilen an Frau DeutschFrank Wedekind kannte Lili Deutsch, Gattin des Mitbegründers und Direktors der AEG in Berlin Felix Deutsch und Freundin Walther Rathenaus und Maximilian Hardens, seit Herbst 1905. Er war dem Tagebuch zufolge am 27.2.1907 mit Tilly Wedekind in Berlin bei ihr eingeladen („Abends mit Tilli bei Lili Deutsch in großer Gesellschaft“), dann am 26.6.1907 („Kammersänger Rabbi Esra. Nachher bei Lili Deutsch“), am 7.12.1907 („Abend bei Deutsch in Gesellschaft mit Tilly“), am 19.2.1908 („Große Gesellschaft bei Deutsch“) und am 4.3.1908 („Abends bei Lili Deutsch“). Der genaue Anlass für einen an Lili Deutsch zu schreibenden Brief ist unklar. Es könnte das 25jährige Jubiläum der AEG gewesen sein, zu dem Maximilian Harden am 17.4.1908 Walther Rathenau gratulierte und dabei auch die gemeinsame Freundin erwähnte: „Frau Lili, die Arme, leidet noch immer. [...] Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum der A.E.G.“ [Hellige 1983, S. 548] schreiben? Sie schreibt sich mit einem L: Lili, Rauchstraße 16.

Ich hoffe, daß wir uns bald wiedersehn aber Du mußt die Zeit aus nützenSchreibversehen, statt: ausnützen. um Dich zu erholen.

In inniger Liebe
Dein
Frank


27.4.8.

Tilly Wedekind schrieb am 28. April 1908 in Graz folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 29.4.1908 aus Wien:]


Herzlichen Dank für [...] Deine Karte.

Frank Wedekind schrieb am 29. April 1908 in Wien folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL TEGETTHOFF, I., JOHANNESGASSE 23, WIEN.
TELEGRAMME:
TEGETTHOFFHOTEL, WIEN.


Geliebteste Tilly,

Herzlichen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.4.1908. und Deine Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.4.1908.. Heute Morgen bekam ich die erste Post von Münchenihm von der Münchner Pension Fernsemer (Ohmstraße 1) nach Wien nachgesandte Post; Wedekind hat in einem nicht überlieferten Schreiben um die Nachsendung gebeten [vgl. Wedekind an Pension Fernsemer, 27.4.1908]. und hatte die erste richtige Probevon „Frühlings Erwachen“ (siehe unten) – Wedekind notierte am 29.4.1908: „Arrangierprobe von Frl. Erw.“ [Tb] auf der alle ich alle drei Akte arrangierteWedekind führte bei der Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ am Deutschen Volkstheater (Direktion: Adolf Weisse) in Wien, bei der er vom 9. bis 22.5.1908 ein Gastspiel als vermummter Herr hatte, gemeinsam mit Wolfgang Quincke die Regie [vgl. KSA 2, S. 963-965].. Reinhart schickt mirHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Max Reinhardt an Wedekind, 22.4.1908. ‒ Wedekind stand seit Ende 1907 „in neuen Verhandlungen mit Max Reinhardt über seinen am 15.3.1906 mit dem Deutschen Theater Berlin geschlossenen Autorenvertrag“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 85]. einen so lumpichten Vertrag, daß ich ihm gar nicht darauf antworten werde. Direktor Weiße habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Ich würde mich nun sehr freuen, wenn Du hierher kämst. Ich habe nur noch nicht wegen der Zimmer gesprochen, werde | das aber sofort thun. Mit Herrmann Bahr habe ich nur einige Worte nach seinem VortragHermann Bahr hielt am 27.4.1908 einen vom Wiener Verein für Kunst und Kultur veranstalteten Vortrag über Ferdinand Kürnberger, den Wedekind besuchte und anschließend mit Wolfgang Quincke im Restaurant Zur großen Tabakspfeife war: „Abends Kürenberger-Vortrag von Hermann Bahr. Nachher mit Regisseur Quinke in der Tabakspfeife.“ [Tb] gesprochen. Er hatte die Gicht und mußte gleich wieder nach Hause fahren. Wenn Du kannst dann könnten wir sofort mit Studium von ZensurStudium der Rollen des Walter Buridan (Frank Wedekind) und der Kadidja (Tilly Wedekind) aus dem Einakter „Die Zensur“ (uraufgeführt in dieser Besetzung am 27.7.1909 am Münchner Schauspielhaus unter Wedekinds Regie). beginnen. Abends würden wir ins Theater gehen. Grüße Anna Pamela und Deine Lieben. In der Hoffnung auf baldiges Wiedersehn sendet Dir innigste Küsse
Dein
Frank.


29.4.8 |


Liebe Tilly, ich wollte wegen des Zimmers fragen, es war aber niemand im Bureau, der Auskunft geben konnte. Ich werde es heute Nacht oder jedenfalls morgen früh erfahren und dir dann sofort telegraphieren, bevor ich auf die ProbeWedekind notierte am 1.5.1908 „Probe“ [Tb], so auch am 2.5.1908, am 4. bis 7.5.1908, am 8.5.1908 „Generalprobe“ [Tb], am 9.5.1908 nochmals „Probe“ sowie „Premiere Frl. Erw.“ [Tb] gehe. Vielleicht kannst Du dann morgen 4 Uhr 25 noch abreisen, jedenfalls aber übermorgen, Freitagder 1.5.1908, an dem Tilly Wedekind mit dem genannten Zug von Graz nach Wien reiste.. Ich erwarte natürlich ein Telegramm, damit ich dich abholen kann.

Dein Onkel RichardRichard Engländer, ein Bruder von Tilly Wedekinds Mutter Mathilde Newes, k. k. Professor für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Wien. „Studenten der Wiener Technischen Hochschule“ hatten am 27.4.1908 „gegen den wegen seiner strengen Bewertungen unbeliebten Prof. Dr. Richard Engländer und dessen Assistenten demonstriert. Der Rektor der Hochschule versprach den Studenten, ihre Beschwerden zu überprüfen“; er ließ ihnen am 28.4.1908 „mitteilen, dass die Forderungen der Studentenschaft Berücksichtigung finden werden“ und „neue Prüfungstermine angesetzt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 85f.] würden. hat hier ja einen großen Kampf siegreich bestandenwohl ironisch gemeint, wie spätere Bemerkungen in der Korrespondenz zwischen Frank und Tilly Wedekind über diesen Onkel von ihr nahelegen.. Alle Zeitungen nehmen Partei für ihnEs „traf nicht zu“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 85f.], dass alle Zeitungen Partei für Richard Engländer genommen haben. Zwischen dem 27. und 29.4.1908 in Wien erschienene Presseberichte (in der liberalen bis konservativen Presse, der Wiener „Arbeiter-Zeitung“ war die Sache kein Bericht wert) vermieden vielmehr jede Wertung des Verhaltens des Hochschullehrers; sie schilderten die Ereignisse fast gleichlautend unter den Überschriften „Demonstrationen an der Technik“ [Die Zeit, Jg. 7, Nr. 2009, 27.4.1908, Abendblatt, S. 4; Neues Wiener Tagblatt, Jg. 42, Nr. 116, 27.4.1908, S. 8; Die Neue Zeitung, Nr. 117, 28.4.1908, S. 5] oder „Die Demonstrationen an der Technik“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 42, Nr. 117, 28.4.1908, S. 8; Die Zeit, Jg. 7, Nr. 2010, 28.4.1908, Abendblatt, S. 2; Neues Wiener Abendblatt, Jg. 42, Nr. 117, 28.4.1908, S. 3; Das Vaterland, Jg. 49, Nr. 197, 29.4.1908, Morgenblatt, S. 8], „Demonstration an der Technik“ [Deutsches Volksblatt, Jg. 20, Nr. 6941, 28.4.1908, Morgen-Ausgabe, S. 8] oder „Die Demonstration an der Technik“ [Neue Freie Presse, Nr. 15692, 28.4.1908, Morgenblatt, S. 10], „Demonstrationen an der technischen Hochschule“ [Neues Wiener Journal, Jg. 16, Nr. 5215, 28.4.1908, S. 5; Das Vaterland, Jg. 49, Nr. 195, 28.4.1908, Morgenblatt, S. 5-6], „Studentenunruhen an der Wiener Technik. Kundgebungen gegen Prof. Engländer“ [Reichspost, Jg. 15, Nr. 117, 28.4.1908, Morgenblatt, S. 6-7] oder „Studentenunruhen an der Wiener Technik. Die Demonstrationen gegen Prof. Engländer“ [Reichspost, Jg. 15, Nr. 118, 29.4.1908, Morgenblatt, S. 10], „Eine Demonstrationsversammlung an der Technik“ [Neues Wiener Journal, Jg. 16, Nr. 5216, 29.4.1908, S. 7]..

Frank Wedekind schrieb am 30. April 1908 in Wien folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind newes graz
brandhofgasze 1=


Telegramm aus [...]
wien [...]


liebe tilly, erwarte dich morgn frejtag mitag oder abend, kan aber mitag nicht zum bahnhof komen. bite telegram wann ankunft tausent gruesze = frank

Tilly Wedekind schrieb am 30. April 1908 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind win hotel tegethoff =


Telegramm
aus

[...] graz


kome frejtag mit dem zug der hier 4.25 wegfaehrt kuesze = tilly

Tilly Wedekind schrieb am 18. Mai 1908 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind
wien hotel tegethoff =


Telegramm
aus
[...] graz [...]


gut angekommenFrank Wedekind notierte am 18.5.1908: „Tilly reist nach Graz.“ [Tb] Tilly Wedekind war seit dem 1.5.1908 bei ihm in Wien gewesen. herzliche gruesse = tilly =

Tilly Wedekind schrieb am 19. Mai 1908 in Graz folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Dienstagder 19.5.1908. abends. Geliebter Frank, ich danke Dir für Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.5.1908.. Anna Pamela ist ein zu süßes Kind. Ich war gestern noch u. heute den ganzen Tag mit ihr spazieren. Ich bin sehr glücklich mit ihr! Sie hat mich noch erkanntWährend Tilly Wedekinds Aufenthalt in Wien vom 1. bis 18.5.1908 war die knapp anderthalb Jahre alte Tochter Pamela bei den Großeltern in Graz geblieben. u. sagte auch gleich Papa; sie dachte Du bist auch | mitgekommen. Hier ist es wunderschön, wie in einem Garten, liegt die Stadt. Ich bewohne wieder das kleine Zimmer. Alle lassen Dich grüßen.

Innigen Kuss
Deine Tilly


Absender:

Wedekind, Newes. Graz.


Korrespondenz-Karte
mit bezahlter Antwort


Herrn
Frank Wedekind
Wien I.
Hotel Tegetthoff

Frank Wedekind schrieb am 19. Mai 1908 in Wien folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind neuesÜbertragungsfehler, statt: newes.Übertragungsfehler, statt: newes.
graz brandhofgasze 1=


Telegramm
aus
[...]
wien [...]


geliebte tilly, herzlichen dank fuer dein telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.5.1908. kuesze anna pamela. gruesze unsere lieben. = innigst dein frank.

Frank Wedekind schrieb am 19. Mai 1908 in Wien folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL TEGETTHOFF, I., JOHANNESGASSE 23, WIEN.
TELEGRAMME:
TEGETTHOFFHOTEL, WIEN.


Geliebteste Tilly!

ich bin gestern wirklich den ganzen Nachmittag herumgelaufen nachdem ich vorher noch gepackt hatte und in ein kleines Zimmer übergesiedelt war. Am AbendWedekind notierte am 16.5.1908 nach der fünften Vorstellung von „Frühlings Erwachen“ im Rahmen seines Gastspiels am Deutschen Volkstheater seinen Besuch bei Hartmann (Kärntnerring 10), einem Restaurant (Inhaber: Franz Hartmann), und anschließend seinen Besuch im Kaffeehaus Fortelny (Kolowratring 2): „Frl. Erw. 5. Hartmann Dann Café Fortelny.“ [Tb] bei Hartmann waren nur diejenigen Herren die mich nicht sonderlich interessieren. Damen waren keine da. Nachher saß ich noch eine Stunde allein im Kaff/Caf/é. Eben habe ich schriftlichHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Emil Gutmann, 19.5.1908. – Emil Gutmann hat die im Brief genannten Vorträge organisiert (siehe unten). | auf zwei Vorträgedie Lesungen von „Totentanz“ und „Die Zensur“, die zuerst am 25.11.1908 im Konzertsaal des Bayrischen Hofes in München stattfanden [vgl. KSA 6, S. 676f.], organisiert vom Konzertbüro Emil Gutmann in München (Theatinerstraße 38), mit dem Wedekind sich später über die Ausgestaltung verständigte [vgl. Wedekind an Emil Gutmann, 21.11.1908]. für nächsten Winter zugesagt. Einen dritten Antragnicht ermittelt; im Tagebuch hat Wedekind für den Nachmittag des 19.5.1908 nichts eingetragen. werde ich mündlich hier heute Nachmittag erledigen. Ich bitte Dich, Dich für die 14 Tage behaglich einzurichten. Heute ist sehr schönes Wetter und ich hoffe daß Ihr Euch dessen auch erfreuen könnt. Küsse Anna Pamela von mir und grüße alle unsere Lieben. Ich werde Samstagam 23.5.1908. Abend abreisen. Der Zug geht Abends 9 Uhr und ist in der Frühe in München.

Mit den herzlichsten Wünschen für | Dein und Anna Pamelas Glück und Wohlergehen
in innigster Liebe
Dein
Frank.


19.5.8.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 20. Mai 1908 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Wien I.
Hotel Tegetthoff |


Innigst geliebter Frank, ich danke Dir herzlich für Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.5.1908.. Ich freue mich, dass Du die Vorträge angenommen hast, u. ich mir nicht sagen muss, dass ich Dich davon abhalte. Hier vergeht die Zeit mit Windeseile. Anna Pamela ist zu lieb u. | sehr zärtlich mit mir. Jetzt gehe ich mit Bertl in „JugendMax Halbes „Jugend“ wurde am 20.5.1908 im Theater am Franzensplatz in Graz gespielt, Beginn: 19.30 Uhr, Regie führte Alfred Schreiber [vgl. Grazer Tagblatt, Jg. 18, Nr. 139, 20.5.1908, Morgen-Ausgabe, S. 10]. Die von Tilly Wedekind und ihrem Bruder Dagobert Newes besuchte Vorstellung war ausgewiesen als „Gastspiel des Fräulein Ella Staerk vom Stadttheater in Danzig.“ [Grazer Volksblatt, Jg. 41, Nr. 231, 20.5.1908, Morgen-Ausgabe, S. 12] Sie stammte aus Graz, worauf die Ankündigungen hinwiesen: „Im Theater am Franzensplatz wird heute Frau Ella Stärk, ein Kind unserer Stadt, als Annchen in Halbes Liebesdrama ‚Jugend‘ ein Gastspiel absolvieren“ [ebd., S. 4]; sie werde „zum ersten Male die Bühne ihrer Heimatstadt betreten, und zwar als Annchen in ‚Jugend‘“ [Grazer Tagblatt, Jg. 18, Nr. 137, 18.5.1908, Abend-Ausgabe, S. 3]., eine Bekannte von mir spielt das Annchendie weibliche Hauptrolle in Max Halbes „Jugend“, gespielt von Ella Staerk (siehe oben).. Heute Vormittag im Park laßSchreibversehen, statt: las. ich Gedichte von Schiller, Bertl überhört mich die RollenTilly Wedekind „bezieht sich auf die Rolle Kadidja in ‚Die Zensur‘ und die Rolle Klara in ‚Musik‘.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 87]. Alle grüßen Dich. Innigst umarmt u. küsst Dich
Deine Tilly


20.V.08.


Viele Küsse Deine Anna Pamela

Frank Wedekind, Mathilde Engländer, Dagobert Engländer, Karl Lillin, Laura Engländer, Richard Engländer und Stephanie Engländer schrieben am 21. Mai 1908 in Wien folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte – Carte postale
Weltpostverein – Union postale universelle
[...]


Frau Tilly Wedekind-Newes
Graz (Steiermark)
Brandhofgasse 1.


Geliebte Tilly, wir alle bedauern sehr, daß Du nicht theilnimmst an diesem schönen FestFeier des gemeinsamen Hochzeitstags der Brüder Dagobert und Richard Engländer (Onkels von Tilly Wedekind, Brüder ihrer Mutter Mathilde Newes) am 21.5.1908 bei Dagobert Engländer (Wien III, Dampfschiffstraße 4) [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.5.1908] und deren Frauen, der mit Dagobert Engländer verheirateten Mathilde Engländer (geb. Lillin) und der mit Richard Engländer verheirateten Laura Engländer (geb. Leistler).. Wir senden Dir, Anna Pamela, den lieben Eltern und Martha, Rudolf, Bertl und KarlGeschwister Tilly Wedekinds. die herzlichsten Grüße
Dein Frank.


Tante Mathilde


Onkel Dagobert


Onkel KarlKarl Lillin in Wien (Dampfschiffstraße 4) war der Bruder von Mathilde Engländer (geb. Lillin), Gattin von Tilly Wedekinds Onkel Dagobert Engländer. Fetzersnicht identifiziert. haben seit gestern 8h Abs einen süßen Jungen |


Wien Raimund-Denkmal


Herzlichst Tante Laura und Richard.


SteffiStephanie Engländer, „Cousine Tillys.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 89].

Tilly Wedekind schrieb am 21. Mai 1908 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

Donnerstag. 21.V.08.


Mein lieber Frank,

hoffentlich nimmst Du’s mir nicht übel, dass ich Dir bis jetzt keinen richtig gehenden Brief geschrieben habe. Ich habe Dir schließlich alles geschrieben, was ich wusste; in Graz giebt es nicht viel Neues.

GesternTilly Wedekind hat am 20.5.1908 in Graz die Vorstellung von Max Halbes „Jugend“ im Theater am Franzensplatz besucht, wie sie ihrem Mann angekündigt hat [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.5.1908]. kam ich in’s Theater, da stand der DoctorGustav Ritter von Purgay, Hilfskassierer des Theaters am Franzensplatz [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 387], ehrenamtlich tätig; er war nicht nur Mitglied des Vereins der Landesbeamten der Steiermark, ein „Landesrechnungsrevident“ [Grazer Volksblatt, Jg. 41, Nr. 581, 18.12.1908, Morgen-Ausgabe, S. 5] kurz vor dem Ruhestand, sondern auch Vorstandsmitglied (neben dem Grazer Bürgermeister und einem Stadtrat) des 1891 gegründeten Grazer Theater-Versorgungs- und Unterstützungs-Vereins [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 428]. mit dem langen Bart an der Kasse. | Er gab mir gleich eine Loge. (Wie er heißt, weiß ich nicht mehr.) Es wurde recht gut gespielt.

Heute waren wir den ganzen Tag bei einer Freundinnicht identifiziert. von mir, die mit ihren Eltern eine Villa in der Umgebung bewohnt. Es war sehr schön; ich glaube die Luft hier wird mir sehr gut tun. Ich bleibe zu Hause wohnen, wir sind ja doch den ganzen Tag im Freien. |

Zu meinem Bedauern hörte ich, von Onkel Dagobert, dass Du bei Professor Engländer heute abendWedekind hat den Besuch bei Richard Engländer, dem Bruder von Dagobert Engländer und Onkel seiner Frau (beides Brüder ihrer Mutter Mathilde Newes), am 21.5.1908 im Tagebuch nicht notiert; die Begegnung fand aber statt, wie sein nächster Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.5.1908] und eine kollektiv geschriebene Bildpostkarte von diesem Abend [vgl. Frank Wedekind, Mathilde Engländer, Dagobert Engländer, Karl Lillin, Laura Engländer, Richard Engländer, Stephanie Engländer an Tilly Wedekind, 21.5.1908] belegt, allerdings nicht in der Wohnung von Richard Engländer (Wien VI, Kopernikusgasse 7), sondern bei Dagobert Engländer. eingeladen bist. Hoffentlich hast Du eine passende Ausrede gefunden, denn dass es Dir nicht angenehmWedekind hatte offenbar Vorbehalte gegen Richard Engländer, k. k. Professor für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Wien, gegen den seine Studenten revoltiert hatten, wie die Presse unlängst berichtete, wie eine ironische Stellungnahme von ihm nahelegt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.4.1908]. sein wird, kann ich mir denken.

Nun bist Du noch zwei Tage in Wien. Wenn Du in München mit einem Arzt gesprochen hast, bitte schreibe mir gleich was er meint. Ich wünsche | von Herzen, dass Dir der Aufenthalt in München recht gut bekommt. Du musst dann eben auch in Berlin möglichst viel gehen. Ich habe dann MarthaMartha Newes „unterstützte als ‚Kindermädchen‘ in jungen Jahren gelegentlich in München ihre ältere Schwester.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 88], u. Du brauchst Dich durch mich nicht gehindert fühlen. Ich habe jetzt „Werther’s Leiden“ angefangen. Wie dumm, dass man sich das Leben so schwer macht, wenn es so angenehm sein könnte. Ich tu’s nicht wieder, geliebter Frank.

In innigster Liebe
Deine Tilly


[Seite 1, am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

Anna Pamela, mein Stolz, schickt Dir viele Küsse.

Frank Wedekind schrieb am 21. Mai 1908 in Wien folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Nur für die Adresse


Frau Tilly Wedekind-Newes
Graz (Steiermark)
Brandhofgasse 1.


Geliebteste Tilly, herzlichen Dank für Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.5.1908.. Gestern und vorgestern AbendWedekind notierte im Tagebuch am 19.5.1908 („Mit Quinge und Hirschfeld bei Perschill“) und nach seinem sechsten Auftritt als vermummter Herr im Rahmen seiner Wiener Gastspiels in „Frühlings Erwachen“ am 20.5.1908 („Vermummter Herr 6 Mit Quinke und Hirschfeld bei Perschill“) sein Beisammensein mit Wolfgang Quincke, der mit ihm bei der Wiener Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ am Deutschen Volkstheater die Regie geführt hat, und mit dem Musikkritiker und Theaterreferenten Robert Hirschfeld im Perschill (Wien I, Naglergasse 1), Restaurant und Pilsener Bierhaus „zum Kühfuß“ (Inhaber: Eduard Perschill). war ich mit Quinke und Hirschfeld zusammen bei Perschill, beide lassen sich Dir empfehlen. Heute Donnerstag ist UmbesetzungsprobeWedekind notierte am 21.5.1908 zwei Umbesetzungen für die Wiener Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ (Premiere: 9.5.1908) am Deutschen Volkstheater (Direktion: Adolf Weisse), bei der er gemeinsam mit Wolfgang Quincke die Regie führte: „Umbesetzungsprobe. Edthofer spielt Melchior. Klitsch vermummten Herrn.“ [Tb] Die Rolle des Melchior, die bis dahin Jacob Feldhammer, Bruder der Schauspielerin Anna Feldhammer [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 88] und Schauspieler am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 259], gespielt hatte, übernahm Anton Edthofer, vor kurzem noch in den USA an den Vereinigten Deutschen Theatern in Milwaukee (Wisconsin) und Chicago (Illinois) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 477], nun Ensemblemitglied des Deutschen Volkstheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 650]. Die Rolle des vermummten Herrn, bis dahin von Wedekind gespielt, übernahm Wilhelm Klitsch vom Deutschen Volkstheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 595]. MelchiorEdthofer, da Feldhammer zu Reinhardt zurückkehrt. Küsse Anna Pamela.

HerlichsteSchreibversehen, statt: Herzlichste.n
Grüße
Dein Frank

Frank Wedekind schrieb am 22. Mai 1908 in Wien folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL TEGETTHOFF, I., JOHANNESGASSE 23, WIEN.
TELEGRAMME:
TEGETTHOFFHOTEL, WIEN.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.5.1908 (Kartenbrief) und 21.5.1908 (Brief).. Es freut mich ungemein, daß Du Dich soweit wohl fühlst. Ich glaube auch daß die freie Luft und das herrliche Wetter Dir in Graz besser zustatten kommen als hier. Ich selber freue mich, morgen Abend endlich fortzukommen. Ich bewohne ein kleines Zimmer nach der Straße, so daß sich des Lärms wegen die/das/ Fenster nicht gut öffnen läßt während ein immer geheizter Kamin der an der Wand hinauf läuft, eine entsetzliche Hitze hervorläuftSchreibversehen, statt: hervorruft (vermutlich).. Ich schreibe das nicht weil ich mich nicht darüber hinwegsetzen könnte, | aber Du denkst sonst vielleicht wieder daß ich wie im Schlaraffenland lebe.

Gestern war ich also richtig bei Onkel DagobertWedekind war am 21.5.1908 bei Dagobert Engländer (Wien III, Dampfschiffstraße 4), dem Inspektor der Donau-Dampfschiffs-Gesellschaft und einer seiner Trauzeugen, mit dem er sich gut verstand, auf einer Feier, an der ansonsten ihm mehr oder weniger fremde Verwandte seiner Frau zugegen waren., es war sein und seines Bruders Hochzeitstag. Ich war darauf gespannt gewesen, Professor EngländerRichard Engländer, k. k. Professor für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Wien, wie Dagobert Engländer ein Bruder von Tilly Wedekinds Mutter Mathilde Newes. näher kennen zu lernen. Ich glaube aber, er ist ein großer Mies-Macher, wir kamen uns nicht einen Schritt nah. Ich bitte dich aber, dieses/n/ Eindruck nicht weiterzuerzählen. Während des ganzen Abends hatte ich das unbehagliche Gefühl, daß es nicht richtig sei, daß Du nicht dabei wä/a/rst. Deshalb gab ich auch die Karteeine kollektiv auf der Familienfeier verfasste Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind, Mathilde Engländer, Dagobert Engländer, Karl Lillin, Laura Engländer, Richard Engländer, Stephanie Engländer an Tilly Wedekind, 21.5.1908]., die an Dich geschrieben wurde gestern Abend nicht mehr auf. Jetzt werde ich sie mit diesem Brief in den Kasten werfen. Den Schluß des AbendsWedekind hat am 21.5.1908 nicht notiert, was er abends unternahm. Er traf sich dem vorliegenden Brief zufolge zu späterer Stunde mit dem Musikkritiker und Theaterreferenten Robert Hirschfeld im Perschill (Wien I, Naglergasse 1), Restaurant und Pilsener Bierhaus „zum Kühfuß“ (Inhaber: Eduard Perschill), wo auch Josef Jarno zugegen war, Direktor des Theaters in der Josefstadt und des Lustspieltheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 652, 656]. | verbrachte ich mit Dr. Hirschfeld bei Perschill, wo einem jetzt das gute Bier nach der Hitze des Tages vorzüglich schmeckt.

Ich gehe jetzt gleich auf in das Reisebüreau um mir für morgen Abend ein Bett zu bestellenim Nachtzug nach München vom 23. auf den 24.5.1908.. In München will ich versuchen in dem neuen Hotel am Maximiliansplatz (gegenüber Parkhotel) zu wohnen, da die andern Hotels jedenfallSchreibversehen, statt: jedenfalls. überfüllt sind. Ich weiß augenblicklich den Namen nicht werde Dir aber sofort telegraphieren. Heute AbendWedekind notierte am 22.5.1908 lediglich, nach der siebenten Vorstellung von „Frühlings Erwachen“ am Deutschen Volkstheater, seinem letzten Auftritt als vermummter Herr im Rahmen seines Wiener Gastspiels, sei er mit Wolfgang Quincke, der mit ihm gemeinsam die Regie bei der Inszenierung der Kindertragödie geführt hat, bei Perschill gewesen: „Frl. Erw. 7. Nachher mit Quinke bei Perschill.“ [Tb] Ob er sich zusätzlich noch bei Hartmann (Kärntnerring 10), einem anderen gern besuchten Wiener Restaurant, mit Anton Geiringer traf, Sekretär am Deutschen Volkstheater und für die Kassenverwaltung zuständig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 650], ist unklar. werde ich noch mit Jarno zusammentreffen, der gestern auch bei Perschill war. Nach der Vorstellung bin ich voraussichtlich | mit Geiringer bei Hartmann.

Nun lebwohl, geliebte Tilly und thu alles was Du für Deine Gesundheit thun kannst. Ich freue mich sehr, daß wir uns bald wieder in Berlin zusammen sind, aber wie herrlich wäre es, wenn wir jetzt gleich nach München in unsere Wohnung ziehenWedekind hat diese Wohnung dem Tagebuch zufolge zwar am 18.4.1908 bereits gemietet („Wohnung gemietet Prinzregentenstraße 50“), sie war aber noch nicht frei. könnten. Grüße und küsse Anna Pamela von mir und sei innigst geküßt von Deinem
Frank.


HerlicheSchreibversehen, statt: Herzliche. Grüße an Papa und Mama und unsere Lieben.


22.8/5/.8.

Tilly Wedekind, Karl Newes und Pamela Wedekind schrieben am 22. Mai 1908 in Graz folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Post-Karte.


Herrn
Frank Wedekind
Wien I.
Hotel Tegetthoff. |


Gruss aus St. Gotthardt bei Graz. Café-Restaurant Türkenschanze.


Herzlichen Gruss
KarlWedekinds Schwager Karl Newes.


Küsse
Anna Pamela


Deine Tilly

Sende Dir die letzten Grüße nach Wien. Schreib’ mir bei Gelegenheit Deine Adresse. Herzl. Dank für die Kartedie kollektiv geschriebene Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind, Mathilde Engländer, Dagobert Engländer, Karl Lillin, Laura Engländer, Richard Engländer, Stephanie Engländer an Tilly Wedekind, 21.5.1908]..

Frank Wedekind schrieb am 24. Mai 1908 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

REGINA-PALAST-HOTEL
MÜNCHEN
MAXIMILIANSPLATZ


Meine geliebteste Tilly!

Ich danke Dir herzlich für Deinen ausführlichen Brief vom Donnerstagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.5.1908.. Du schreibst mir aber nicht einmal, was Du im Theater gesehen hast. Ich kam heute morgen hier anWedekind notierte am 24.5.1908: „Ankunft in München. Palasthotel.“ [Tb] und fand München naßkalt und unfreundlich. Sollte in Graz das Wetter ebenso umgeschlagen haben, dann kann dir der Aufenthalt kein großer Genuß mehr sein und Anna Pamela könnte sich | erkälten. Ich kann heute Sonntag leider die Zeit zu nichts verwenden. Wenn ich morgen beim Wiegen merke daß ich noch zugenommen habe und der Arzt auch nicht viel zu sagen hat, dann kann ich wann Du willst nach Berlin. Sobald das Wetter schlecht ist muß es in Graz doch sehr unbequem für dich werden. Ich möchte hier nur noch auch mit Stollberg sprechenWedekind notierte am 27.5.1908 das Gespräch mit dem Direktor des Münchner Schauspielhauses Georg Stollberg: „Unterredung mit Stollberg.“ [Tb] um zu erfahren, wann und in was die Berliner gastieren. Ich sprach in Wien auch am vorletzten Abendam 21.5.1908, an dem Wedekind sich in Wien mit Josef Jarno getroffen hat, Direktor des Theaters in der Josefstadt und des Lustspieltheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 652, 656]. noch mit Jarno. Er möchte daß Du im HerbstTilly Wedekind sollte die Rolle des jungen Hermann Casimir im „Marquis von Keith“ spielen; eine Inszenierung des Stücks kam im Herbst 1908 bei Josef Jarno, Direktor des Theaters in der Josefstadt und des Lustspieltheaters in Wien, nicht zustande. Hermann Casimir bei ihm spielst. | Du fragst nun freilich warum wir jetzt, Anfang Sommers, durchaus wieder nach Berlin sollen. Wenn Du etwas besseres weißt, dann mache mir bitte Deine Vorschläge. Für mich kommt der Aufenthalt geschäftlich in Betracht, vielleicht auch für Gastspiele. Ich denke natürlich nicht im Traum daran, daß wir den ganzen Sommer dort bleiben sollen. Morgen erfahre ich hier vielleicht auch, wann das argentinische KonsulatIn der großen Wohnung im 3. Stock der Prinzregentenstraße 50, die Wedekind dem Tagebuch zufolge am 18.4.1908 gemietet hat („Wohnung gemietet Prinzregentenstraße 50“), war das „Konsulat v. Argentinien (Kanzl.)“ [Adreßbuch für München 1908, Teil II, S. 394] ansässig (Sitz des argentinischen Vizekonsuls Apollo Geiger): „Kanzlei: Prinz-Regentenstraße 50 3. An Werktagen geöffnet v. 11-12 Uhr.“ [Adreßbuch für München 1908, Teil III, S. 8] unsere Wohnung räumt. Das wird für unsere Beschlüsse sehr wichtig sein. |

Nun leb wohl, liebe Tilly; ich bleibe hier gewiß nicht länger als nötig, denn ich freue mich sehr, endlich wieder mit Dir zusammen zu sein.

Küsse Anna Pamela von mir. Grüß Deine l Lieben.

Es küßt Dich in Liebe.
Dein Frank


Sonntagder 24.5.1908. 5.8.

Frank Wedekind schrieb am 24. Mai 1908 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Tilly wedekind
Newes
Graz Brandhofgasse 1


Telegramm
aus
München [...]


Geliebte Tilly ich wohne regina palast hotel und schreibe dir ausführlich morgen Montag abend. Dir und Anna Pamela herzlichste grüsse =
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 25. Mai 1908 in Graz folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 26.5.1908 aus Graz:]


Gestern abend hab’ ich noch einen langen Brief an Dich geschrieben, [...] ich schicke ihn Dir nicht, werde ihn Dir aber geben, wenn wir wieder zusammen sind. [...]


[2. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 28.5.1908 aus München:]


[...] warum hast Du mir nicht den anderen Brief auch geschickt. Ich bitte Dich, schick ihn mir.


[3. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 30.5.1908 aus Graz:]


Den andern Brief kann ich Dir jetzt nicht schicken. [...] Ich werde ihn Dir geben [...] wenn ich bei Dir bin [...]

Tilly Wedekind schrieb am 25. Mai 1908 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
München.
Regina Palt/a/st Hotel |


Montagder 25.5.1908.. Innigst geliebter Frank, ich danke Dir für Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.5.1908 (Telegramm).. Jetzt wirst Du Dich hoffentlich wohler fühlen, wie in Wien; dassSchreibversehen, statt: das. kann mich doch nur freuen u. nicht das Gegentheil. Das HotelDie „Münchner Neuesten Nachrichten“ brachten einen ausführlichen Artikel (datiert auf den 22.5.1908) über das neue Regina-Palast-Hotel (Maximiliansplatz 5), in dem es heißt, es sei „so groß und so modern für die verwöhnteste Vornehmheit angelegt, wie es hier nur ganz wenige gibt. Wir wollen es uns nicht verdrießen lassen, daß es seine äußere und innere Architektur einer vergangenen Zeit entlehnt, da die alten Stilarten den neuen Bedürfnissen gut angepaßt sind, vornehm und monumental wirken und, konsequent durchgeführt, einheitliche Wirkung erzeugen. [...] intimer [...] sind die Zimmer und Appartements für die Gäste, durch vier Stockwerke hinauf, gehalten. [...] 250 Zimmer sind es [...]. Von einem um den ganzen Bau laufenden Korridor sind sie zugänglich. [...] Nach Besichtigung durch geladene Gäste wird das Prunkhotel morgen dem allgemeinen Verkehr übergeben.“ [Das neue Regina Palast-Hotel. In: Münchner Neuesten Nachrichten, Jg. 61, Nr. 242, 23.5.1908, Vorabendblatt, S. 5] Demnach ist das Hotel am 23.5.1908 eröffnet worden und Wedekind, der es am 24.5.1908 bezogen hat, war einer der ersten Gäste. muss ja sehr schön sein. Ich las die „Münchner | N. N.“ Ich hatte ja gar nicht daran gedacht, in München ist ja Ausstellungdie Architektur- und Kunstgewerbe-Ausstellung vom 16.5.1908 bis 31.10.1908 in München. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ brachten zur Eröffnung einen umfangreichen Berichtsteil „Ausstellung München 1908“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 232, 17.5.1908, Vorabendblatt, S. 4-5] und berichteten kontinuierlich über die kulturelle Großveranstaltung.. Schade; wenn wir uns doch miteinander so frei u. fröhlich fühlen könnten, wie jeder für sich allein, wie schön könnte unser Leben sein. Dahin müssen wir unbedingt gelangen, sonst nimmt doch noch die ganze Herrlichkeit ein böses Ende. Ich bin wieder voll guter Vorsätze, wie lieb ich künftig zu Dir sein will.


[am rechten Rand, um 90 Grad gedreht:]

Morgen ausführlicher. Innigste Küsse von mir u. A.P. Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 25. Mai 1908 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind Newes
in Graz (Steiermark)
Wohnung (Straße und Hausnummer) Brandhofgasse 1. |


Adresse des Absenders: Wedekind
Palast Hotel, Maximiliansplatz |


Geliebteste Tilly, ich lese in den Zeitungen, daß es überall, sehr kalt geworden sei, jedenfalls also auch bei euch. Du wirst daher wenig Behagen haben. Wenn Du früher nach Berlin willst als wir verabredet hatten, dann schreib es mir bitte. Ich habe mich heute im BadWedekind notierte am 25.5.1908: „Dampfbad“ [Tb]. gewogen, ich habe sehr stark zugenommen; ich könnte die nötige Kur aber auch in Berlin durchführen. Zum Arzt gehe ich morgen, heute hatte er keine SprechstundeDie Sprechzeiten von Dr. Heinrich Bock, Spezialarzt für Atmungs- und Kreislaufstörungen (Richard Wagnerstraße 1, Parterre) waren werktags von 14.30 bis 17 Uhr [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil I, 51]. Wedekind hat am 26.5.1908 den „Besuch bei Dr. [...] Bock“ [Tb] notiert.. Schreib mir bitte, wie es dir und Anna Pamela geht. Wenn das Wetter sehr schön ist und Du | Dich wohl fühlst, dann wäre es für Deine Gesundheit wohl gut, wenn Du noch einige Tage in Graz bliebst. Morgen werde ich auch nachfragen, wann unsere Wohnung freiDie Münchner Wohnung im 3. Stock der Prinzregenstraße 50 war noch durch das Argentinische Konsulat belegt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.5.1908]. wird. Ich schreibe Dir dann sofort. Doch würde ich mich sehr freuen, auch ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten. Aus Deinem Karten Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.5.1908. sah ich daß Du in Halbes Jugend warst. Ich hatte das übersehen als ich Dir gestern schriebvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.5.1908.. Gestern AbendDas Beisammensein mit Waldemar Bonsels und Karl Peppler, Regisseur und Schauspieler am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 539], am 24.5.1908 in der Torggelstube (Platzl 8) ist im Tagebuch nicht notiert. war ich mit Bonsels und dem Schauspieler Pepler, einem Freund Heines, in der Torggelstube zusammen. Ich küsse Dich innigst, meine geliebte Tilly
Dein Frank


Montag Abend.


Grüße Anna Pamela

Tilly Wedekind schrieb am 26. Mai 1908 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

Dienstagder 26.5.1908..


Mein lieber, guter Frank,

Sonntag war allerdings ein schlechter Tag u. hat München wohl deshalb keinen angenehmen Eindruck auf Dich gemacht. Hier ist’s auch trüb, wir gehen aber trotzdem aus, auch bin ich öfter eingeladen u. nehme dann das Kind mit. Im Theater sah ich Halbe’s „Jugend“. Ich schrieb es Dir am selben Tag in einem Kartenbriefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.5.1908.. Du hast ihn wohl nicht so genau gelesen. |

Gestern war ich wieder im TheaterIm Theater am Franzensplatz in Graz fand am 25.5.1908 ein „Gastspiel der japanischen Tragödin Hanako“ – das war der Künstlername der japanischen Schauspielerin und Tänzerin Ota Hisa – „mit ihrer Gesellschaft“ statt, die in zwei Einaktern auftrat; im Anschluss wurde ein Einakter von Felix Dörmann gespielt: „Zur Aufführung gelangen: Otake. Drama in einem Akte von Loi-Fu. Im Teehause. Drama in einem Akt von Loi-Fu. Hierauf: Der Mäcen. Aus dem Einakter-Zyklus ‚Das stärkere Geschlecht‘ von Felix Dörmann. Spielleiter: Karl Staub.“ [Grazer Tagblatt, Jg. 18, Nr. 144, 25.5.1908, Abend-Ausgabe, S. 12] Der „sehr lebhafte Vorverkauf“ [Grazer Volksblatt, Jg. 41, Nr. 239, 24.5.1908, Morgen-Ausgabe, S. 7] der Veranstaltung wurde von der Presse konstatiert, die auf die Veranstaltung am ersten Abend gleichwohl nochmals hinwies: „Die japanische Tragödin Hanako beginnt heute mit ihrer Gesellschaft im Theater am Franzensplatz ihr interessantes Gastspiel. Zu den zwei japanischen Dramen wird sich der von einheimischen Kräften gespielte Dörmann’sche Einakter ‚Der Mäzen‘ gesellen.“ [Grazer Tagblatt, Jg. 18, Nr. 144, 25.5.1908, Abend-Ausgabe, S. 3] u. zw. bei der „Hanako“. Du wirst denken, ich unterhalte mich nur immerzu. Ich war von einer bekannten Dame u. ihrer Tochternicht identifiziert. eingeladen. Die Japaner waren recht interressantSchreibversehen, statt: interessant.; dann wurde noch ein sehr netter Einacter von Dörrmann dazu gegeben.

Wenn Du nun beim Arzt warst, dann schreibe mir aufrichtig was er gesagt hat. Wenn wir uns nicht wohl fühlen, werden wir uns gegenseitig das Leben schwer machen, das wäre ganz natürlich. Und dazu sind wir | uns doch zu lieb. Wenn es Dir aber gut geht, vielleicht lässt sich in München selbst etwas machen. Ich denke bei der AustellungSchreibversehen, statt: Ausstellung; die Architektur- und Kunstgewerbe-Ausstellung vom 16.5.1908 bis 31.10.1908 in München („Ausstellung München 1908“). könnte Stollberg doch froh sein, noch einige interressanteSchreibversehen, statt: interessante. Gäste zu haben. Und vielleicht wird doch die Wohnung früher leer. Du wirst ja gestern u. heute über das alles, vielleicht genaueres erfahren haben u. bist so lieb mir darüber zu schreiben. Ich gehe nicht ungern nach Berlin zurück, ich möchte nur nicht gern, dass ich mit Kind u. Kegel | die weite u. teure Reise dahin mache, um dann vielleicht in ein paar Wochen wieder wandern zu müssen. Wenn sich für diesen Sommer noch Gastspiele machen lassen, gienge das nicht auch schriftlich von München aus?

Du brauchst Dich meinethalben in Deinen Beschlüssen nicht zu überstürzen, eine Weile lässt es sich hier noch aushalten. – Gestern abend hab’ ich noch einen langen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.5.1908. an Dich geschrieben, Geliebter, ich schicke ihn Dir nicht, werde ihn Dir aber geben, wenn wir wieder zusammen sind.

In innigster Liebe Deine Tilly


Anna Pamela schickt viele Küsse. Allen grüßen Dich.

Frank Wedekind schrieb am 26. Mai 1908 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind-Newes
in Graz (Steiermark)
Wohnung (Straße und Hausnummer) Brandhofgasse 1. |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly. Herzlichen Dank für Deine lieben Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.5.1908 (Brief).. Ich war heute beim ArztWedekind hat am 26.5.1908 den „Besuch bei Dr. [...] Bock“ [Tb] notiert. Das war Dr. med. Heinrich Bock, Spezialarzt für Atmungs- und Kreislaufstörungen (Richard Wagnerstraße 1, Parterre) [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil I, S. 51].. Sehr ernst scheint meine Herzensangelegenheit nicht zu sein. Er hat mir aber auf das allerdringendste Bewegung, möglichst viel Bewegung anempfohlen. Eben war ich d bei unsern Vermiethernder Münchner Wohnung im 3. Stock der Prinzregenstraße 50, die Wedekind gemietet hat. Eigentümer war der Fabrikant Wilhelm Schröder [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil II, S. 394], der eine Bau- und Möbeltischlerei betrieb; Fabrik und Kontor: Theresienstraße 47, Privatwohnung: Prinzregenstraße 50 (Parterre) [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil I, S. 515]; der Schreinermeister Wilhelm Schröder und seine Gattin Amalie Schröder (geb. Jandebeur) waren Wedekinds Vermieter. und werde morgen die Tapeten auswählen. Die früheren Mieterdas Argentinische Konsulat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.5.1908]. ziehen wohl einige Tage vor 1.X. aus aber viel wird es nicht ausmachen. Immerhin kann darin | noch eine Änderung eintreten. Heute AbendWedekind notierte am 26.5.1908: „Wildente.“ [Tb] Die Vorstellung von Henrik Ibsens Drama „Die Wildente“ (Premiere: 16.5.1908) im Münchner Schauspielhaus an diesem Abend begann um 19.30 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 247, 26.5.1908, Generalanzeiger, S. 2]. gehe ich in Wildente. Wenn ich morgen Zeit habe werde ich auch zu Stollberg gehenzu dem Direktor des Münchner Schauspielhauses. Wedekind notierte am 27.5.1908: „Unterredung mit Stollberg.“ [Tb]. Grüße und küsse Anna Pamela von mir.

Mit herzlichstem Kuß
Dein
Frank


Grüße Deine Lieben.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 27. Mai 1908 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
München.
Regina Palast Hotel. |


Mittwochder 27.5.1908..

Geliebtester Frank, Anna Pamela sagt „Papa Brief heibenKindersprache für: schreiben.“. Inzwischen hast Du auch meinen Kartenbrief von Montagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.5.1908. Früh u. meinen Brief von gesternvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.5.1908.. Nun fühlst Du Dich ja offenbar schon behaglicher in München. Bitte geh’ nun aber auch möglichst viel spazieren u. nimm’ Bäder, das wird Dir sicher sehr gut tun! Was hat der Arzt gesagt? In Berlin würdest Du eben doch nicht | gehen. Könntest Du in München nicht auch reiten? Reithose bekommst Du auch ausgeliehen in der Reitschule.

Anfang Juni ist Martha mit der Schule fertig. Solang könnte ich ja bleiben, meinethalben auch länger. Wenn die Wohnung früher leer werden sollte, sich auch eventuell ein Gastspiel findet, u. Du ausserdem unbezähmbare Sehnsucht nach mir bekommen solltest, dann würde ich | ja mit Freuden zu Dir kommen. Du kannst Dir meinen Vorschlag bez. einer Sommerwohnung in der Umgebung München’s ja noch überlegen. Du kannst ja in der Stadt bleiben, u. mich mal ab u. zu besuchen. Irgendwo an’s Meer zu gehen macht Dir keinen Spaß, gesund wäre es uns allen; ich würde aufblühen, sagt Mama. Aber ich will Dich absolut zu nichts bestimmen, wozu Du keine Lust hast. Auch will ich nicht, dass wir zuviel Geld brauchen. Wenn in München nichts zu machen ist, so lassen wir’s bei unserer Verabredung. Du machst Deine Kur in München | u. schreibst mir, wann Du nach Berlin willst. Lass’ Dir nur Zeit dazu, nicht dass Du denkst ich halte es nicht mehr aus u. will weg. Solang ich Dich nur störe, ist’s so besser, ich bin nicht bei Dir. Frank Du darfst nicht glauben, dass ich gar keine Sehnsucht nach Dir habe; aber wozu soll ich kommen, wenn Du noch keine rechte Freude an mir haben kannst. Wie schrecklich müssen Dir alle diese Vorschläge sein, wo Du so ungern Pläne machst.

Sei mir nicht böse, ich wollte Dir mit dem allen nichts Unangenehmes sagen, ich hab’ Dich ja so lieb!

Innigst Deine Tilly


[Seite 5, am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Viele Küsse Deine Anna Pamela

Frank Wedekind schrieb am 28. Mai 1908 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

REGINA-PALAST-HOTEL
MÜNCHEN
MAXIMILIANSPLATZ


Innigst geliebte Tilly!

meinen herzlichsten Dank für Deine lieben freundlichen Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.5.1908.. Aber warum hast Du mir nicht den anderen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.5.1908. auch geschickt. Ich bitte Dich, schick ihn mir. Ich muß doch wissen, was in Deinem Inneren vorgeht. Und jetzt weiß ich ja, daß bittere Dinge darin vorkommen und werde nicht unangenehm ÜberraschtSchreibversehen, statt: überrascht. sein. Also bitte, schick ihn mir.

Die Dinge liegen nun folgender | Maßen. Hier bei StollbergWedekind hat dem Tagebuch zufolge am 26.5.1908 („Unterredung mit Stollberg“) und 27.5.1908 („Unterredung mit Stollberg“) mit Georg Stollberg gesprochen, dem Direktor des Münchner Schauspielhauses. diesen Sommer zu gastieren hat wenig Aussicht. Stollberg hat ganz andere Dinge im Kopf. Frl. Erw. ist frei gewordenNachdem Wedekind und Georg Stollberg am 21.4.1908 persönlich bei der Münchner Polizeidirektion wegen einer öffentlichen Aufführung von „Frühlings Erwachen“ in München vorgesprochen hatten und der Münchner Polizeipräsident Julius von der Heidte noch am 21.4.1908 den Mitgliedern des Münchner Zensurbeirats Franz Muncker, Max von Gruber, Max Halbe, Anton Stadler, Johann Nicklas und Ernst von Possart ein Textbuch zur Begutachtung zugeschickt hatte und die Gutachten in den Tagen darauf eingegangen waren (für Freigabe votierten Gruber, Halbe, Stadler, Nicklas und Possart, dagegen Muncker), wurde die öffentliche Aufführung der Kindertragödie dem Münchner Schauspielhaus am 11.5.1908 von Julius von der Heidte genehmigt [vgl. KSA 2, S. 967-972]; Premiere war am 14.11.1908 unter der Regie Wedekinds. und zwar hauptsächlich durch Halbes Befürwortung bei der ZensurIn Max Halbe Gutachten vom 24.4.1908 über die Freigabe von „Frühlings Erwachen“, die Antwort auf das Schreiben des Münchner Polizeipräsidenten Julius von der Heidte vom 21.4.1908, heißt es: „Ein durch und durch genialisches Werk! Ganz einseitig, aber darum auch ganz einheitlich in Tendenz, Stimmung, Beleuchtung, Details. Ein Wurf, wie er selten gelingt und wie er auch Wedekind nicht entfernt mehr gelungen ist, schwerlich auch je wieder gelingen wird. Aufrechterhaltung des Verbots würde nach meiner Ansicht eine schwere Bloßstellung vor der Nachwelt bedeuten. Ich bin unbedingt für Freigabe.“ [KSA 2, S. 969]. Außerdem hat Stollberg mehrere sehr gutgehende Stücke auf dem Repertoir. Nun legt er es mir dringend ans Herz, doch mit hinaus aufs Land bei Tegernseein der Nähe des etwa 50 Kilometer von München entfernt liegenden Tegernsees. zu ziehen. Er bot sich an selber dieser Tage mit mir hinauszufahren, um Wohnung für den Sommer zu mieten. Ich entgegnete ihm, ich müsse zuerst wissen was Du dazu sagst. Aus seinem | Diensteifer schließe ich daß sich seine Frau und Schwesternicht ermittelt. mit ihren Kindern da draußen entsetzlich langweilen und dich gerne zur Gesellschaft haben möchten. Aber ich trage dir die Sache hiemit pflichtgemäß vor. Nur glaube ich, daß wenn man einmal da draußen sitzt von Gastieren während des Sommers nicht mehr die Rede sein wird, und daß sich auch das Rollenstudieren da draußen nicht sehr behaglich gestalten würde. Dabei hätte Stollberg den Vortheil daß er mich für alle Vorarbeiten für Frl Erw in Anspruch nehmen könnte ohne natürlich etwas dafür zu bezahlen. | Heute früh habe ich die Tapeten ausgesucht, alle so wie wir es besprochen haben, bis auf die Rote meines ArbeitszimmersTilly Wedekind erinnerte sich, das Arbeitszimmer ihres Mannes in der Wohnung im 3. Stock der Prinzregentenstraße 50 war eingerichtet „mit rotem Teppich und roter Tapete, roten Vorhängen […] und rot gestrichenen Bücherregalen und Sesseln, auch möglichst rot“ [Wedekind 1969, S. 117f.]., wegen der ich morgen noch einmal zum Tapezierer muß. Dann habe ich hier eigentlich weiter nichts mehr zu tun als eine Unterredung mit LangeWedekind notierte am 31.5.1908: „Unterredung mit Langen.“ [Tb]n, Ich muß auch noch einmal zurSchreibversehen, statt: zum. ArztWedekind war bei Dr. med. Heinrich Bock, Spezialarzt für Atmungs- und Kreislaufstörungen (Richard Wagnerstraße 1, Parterre) [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil I, 51] in Behandlung, den er zuerst am 26.5.1908 konsultiert hat: „Besuch bei Dr. [...] Bock“ [Tb]. denn Dampf- und Lichtbäder würde ich dann in Berlin weiternehmen, vorausgesetzt, daß wir nach Berlin gehen. Ich möchte nun nicht, liebe Tilly, daß jetzt wo gar keine Nötigung vorhanden ist, Du Dich beklagst, daß ich über alles bestimme ohne daß Dein Wille in Betracht käme. Du schreibst | mir, Du giengest jetzt sehr gern wieder nach Berlin, vorausgesetzt daß Du nicht sofort wieder packen müßtest. Dazu sähe ich gar keinen Grund. Und zum Studieren ist es in Berlin doch am bequemsten. Ich weiß nun nicht wann Martha frei wird. u/U/nd ob Du bei diesem Wetter die Donaufahrt machen willst. Ist das der Fall dann wäre es wohl am besten ich käme euch nach Wien entgegen. Aber dann fragt es sich wieder, ob für so viele Menschen Platz in der Kajüte ist. Willst Du mir über diese Dinge schreiben, dann würde ich den Tag der Reise von Dir zu bestimmen überlassen. |

Unsere Wohnung hier wird nicht vor 15 September frei und die zweite Hälfte September will der Hausherr zum Herrichten der Wohnung benutzen. Er selber zieht aus der ParterrewohnungWedekinds Vermieter Wilhelm Schröder wohnte in der Prinzregentenstraße 50 zunächst Parterre [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil I, S. 515], dann im 2. Stock [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 530]. Den Mietvertrag mit ihm für die Wohnung im 3. Stock hat Wedekind am 18.4.1908 geschlossen, Einzug war am 1.10.1908. in den dritt zweiten Stock und wohnt dann also unter uns. Er ließ heute Mittag so etwas fallen, daß, wenn wir vorher nach München kommen wollten, wir ja dann derweil in der leeren Parterrewohnung wohnen könnten. Ich weiß aber gar nicht wann er umziehen will. Ich werde morgen noch einmal in sein Bureau gehen und ihn fragen. |

Geliebteste Tilly, heute, den 28der 28.5.1908. sind es wohl drei Jahre, seit wir uns zum ersten Mal sahenWedekind und Tilly Newes haben sich erstmals am 27.5.1905 bei der ersten Probe zur Wiener „Büchse der Pandora“-Inszenierung (Generalprobe war am 28.5.1905, Premiere am 29.5.1905) gesehen: „Kraus holt mich am Bahnhof ab. Wir [...] fahren zur Probe.“ [Tb]. Ich danke Dir, geliebte Tilly, für diese Zeit. Du hast Dich manchmal nicht sonderlich glücklich gefühlt. Aber das ist ja das einzige womit ich nicht zufrieden bin, damit daß Du zu wenig Freude hast. Aber bis jetzt ist doch auch das bis mit jedem Tag besser geworden. Deshalb bitte ich Dich, geliebte Tilly, die Geduld noch nicht zu verlieren.

Küsse Anna Pamela von mir.

Mit herzlichstem Kuß
Dein
Frank.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 29. Mai 1908 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
München.
Regina Palast Hotel. |


Freitagder 29.5.1908..


Mein lieber Papa, Mama behauptet, ich sei ein süßes Engelsgeschöpf.


Lenerl kommt mit einem Stück Kuchen, u. Anna Pamela hat genug vom Brief schreiben. Sie plaudert jetzt schon sehr drollig. Ich bin sehr neugierig, ob Du mit Stollberg gesprochen hast u. was Du zu unternehmen gedenkst. Soll bei JarnoJosef Jarno, Direktor des Theaters in der Josefstadt und des Lustspieltheaters in Wien, hatte für den Herbst 1908 eine Inszenierung des „Marquis von Keith“ erwogen, die nicht zustande kam. nur „Marquis v. Keith“ gespielt werden? Spielst Du den Marquis? Jarno kommt nächste WocheAm Stadttheater in Graz fand vom 1. bis 9.6.1908 ein „Gesamt-Gastspiel des Josefstädter und Lustspiel-Theaters in Wien unter der Leitung von Josef Jarno“ [Grazer Volksblatt, Jg. 41, Nr. 250, 1.6.1908, Abend-Ausgabe, S. 8] statt. nach Graz; vielleicht geh’ ich mal in’s Theater. Ich freue mich, dass Du keine ernste HerzensangelegenheitZitat; Wedekind hat seiner Frau nach einem Arztbesuch erklärt, „ernst“ scheine seine „Herzensangelegenheit“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.5.1908] nicht zu sein. hast; hast Du schon Bischen abgenommen? Weißt Du übrigens, dass Du nicht ein E/e/inziges Bild von mir mithast? Oder ist’s Dir gar nicht abgegangen? Zensur kann ich schondie Rolle der Kadidja im Einakter „Die Zensur“.. Wie wird denn unsre Wohnung?

In innigster Liebe küsst Dich Deine Tilly.

Tilly Wedekind schrieb am 30. Mai 1908 in Gösting folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Correspondenz-Karte.


An Wohlgeboren
Herrn Frank Wedekind
in München
Regina Palast-Hotel


Nur für die Adresse. |


Innigst Tilly


Hotel Tivoli. Gösting bei Graz.


Anna Pamela, Omama und Lenerl senden vergnügte herzlichste Grüsse

Tilly Wedekind, Lene Newes und Pamela Wedekind schrieben am 30. Mai 1908 - 31. Mai 1908 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

Samstag der 30.5.1908.abends.

Mein Frank, ich danke Dir, Innigstgeliebter. Du hast mir eine große Freude mit Deinem Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.5.1908. gemacht. Den andern Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.4.1908. kann ich Dir jetzt nicht schicken. Bitte mach’ Dir aber gar keine Sorgen deshalb. Wenn bittere Dinge darin vorgekommen sind, so liegt der Grund einzig u. allein darin, dass ich das Bestreben habe Dir immer näher u. näher zu kommen, Dich ganz zu verstehen u. glücklich | zu machen, u. dass ich nur zu oft fühle wie wenig mir das alles gelingt, trotz meines guten Willens. Ich werde ihn Dir geben, aber nur, wenn ich bei Dir bin, Dein Gesicht sehen kann u. Du mir gleich darauf antworten kannst.


Sonntagder 31.5.1908..

Gestern war ich schon sehr müde u. gieng zu Bett. Ich habe natürlich auch nicht viel Lust am Tegernsee hinaus zu ziehen, wenn du denkst, dass man sich langweilt. Ausserdem möchte ich nicht, dass Stollberg Dich | ausnützt, u. die Gelegenheit wäre ihm damit allerdings gegeben. Also Schluss mit München u. Umgebung. Zum Az/r/zt u. zu Langen zu gehen hast Du noch dieser Tage Zeit. Willst Du aber nicht zu „Frl. Erw.„Frühlings Erwachen“ hatte am 14.11.1908 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) Premiere. hinfahren? Wann wird das sein? Ich freu’ mich sehr, dass es freigegebenDer Münchner Polizeipräsident Julius von der Heidte hat die öffentliche Aufführung von „Frühlings Erwachen“ am 11.5.1908 für das Münchner Schauspielhaus freigegeben [vgl. KSA 2, S. 971f.]. ist, es stand auch hier in der Zeitungnicht eindeutig ermittelt; das „Grazer Volksblatt“ hat in anderem Zusammenhang bemerkt, man lasse „den berüchtigten Schriftsteller und Schauspieler Frank Wedekind mit seiner Kindertragödie ‚Frühlings Erwachen‘ Erfolge einheimsen.“ [J. N‒r: Wiener Theater. In: Grazer Volksblatt, Jg. 41, Nr. 248, 30.5.1908, Abend-Ausgabe, S. 2]. Bist Du nun mit Halbe schon versöhnt?Wedekind notierte am 3.6.1908: „Ich versöhne mich mit Max Halbe.“ [Tb] Ich denke also es ist am Besten wir gehen nach Berlin zurück, | vorausgesetzt dass auch Du Lust dazu hast. Martha wird am 4. Juni frei, das ist Donnerstag. Einige Tage hat sie aber dann noch zu tun, bis sie reisefertig ist. Dann ist Pfingsten. Ich dachte also nach Pfingsten, am Dienstag den 9. Juni zu reisen. Übrigens Frank, hast Du auch sicher nichts dagegen, dass Martha mitkommtTilly Wedekinds jüngere Schwester Martha Newes ging am 9.6.1908 mit nach Berlin und blieb dort als Gast bis zum 10.9.1908 [vgl. Tb].? Viel mehr kosten wird es nicht, als wenn ich wieder ein 2tes Mädchen nehme, u. so haben alle Theile mehr Annehmlichkeit. Aber wenn Du Bedenken hast, sag’ sie bitte. | Wenn Du willst, dass wir früher kommen, könnten wir auch schon Freitag oder Samstag reisen. Die Donaufahrt werde ich nicht machen. Onkel Dagobert schrieb mir, dass ich um Anschluss zu haben, in Regensburg auch noch 1 Nacht übernachten müsste, so käme die Reise, trotz Ermäßigung auf der Donau teurer, wie nur mit der Bahn. Ausserdem ist das Wetter immer unsicher. Wir fahren lieber mal herunter. Besser ist es, wenn Du erst 1 – 2 Tage später nach Berlin kommst, als wir, damit schon wieder alles | in Ordnung ist. Ich gehe dieser Tage in ein ReisebureauxSchreibunsicherheit: statt: Reisebureau (nach der frz. Schreibung von Büro). (?), um zu sehen, wie ich am Besten fahre, ob bei Tag oder Nacht.

Nun, geliebter Frank, ist es Dir so recht? Nur eine Woche noch, u. Du wirst wieder mit allen häuslichen KalamitätenMissständen, Schwierigkeiten. geplagt. Drei Jahre kennen wir uns jetzt. Mich wundert’s, dass Du es noch aushältst. Oh Frank, ich habe Dir viel mehr zu danken, ich fühle jeden Tag, wieviel ich durch Dich geworden bin. |

Gestern, bei einem AusflugTilly Wedekind hat von dem Ausflug nach Gösting mit Grüßen von ihrer Mutter Mathilde Newes, ihrer Tochter Pamela Wedekind und der kleinen Lene Newes (genannt Lenerl) eine Bildpostkarte verschickt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. Graz, 30.5.1908]. nach Gösting, fand Mama im Extrablatt Dein Bild mit einer Rezensionim „Illustrirten Wiener Extrablatt“ vom 10.5.1908 (Nr. 129) über die Aufführung von „Frühlings Erwachen“ am 9.5.1908 im Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. KSA 2, S. 964]. über Frühlings-Erwachen. Sie zeigte Anna Pamela das Bild, u. fragte: wer ist das. Anna Pamela sah es lange an, u. sagte dann: Papa.

Ich denke sie wird Dich sicher erkennen.

Neulich abends mi bin ich mit meinem Bruder Carl Rad gefahren, es geht noch ganz gut.

Zensur habe ich jetzt fertig gelerntdie Rolle der Kadidja im Einakter „Die Zensur“.. Bertl muss mich jeden Tag | paarmal überhören; ich hoffe bis Berlin sicher zu sein.

Nun lebwohl, geliebter Frank u. schreibe mir bald, ob es Dir so recht ist.

Innigen Kuss
Deine Tilly


Viele Küsse meinem lieben Papa, Anna Pamela


Busserln Leni

Frank Wedekind schrieb am 30. Mai 1908 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind-Newes
in Graz Steiermark
Wohnung (Straße und Hausnummer) Brandhofgasse 1. |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly! Ich danke Dir herzlich für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.5.1908.. Meinenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.5.1908. hast Du derweil auch bekommen. Wenn es Dir recht ist, fahren wir also Mitte nächster Woche, wenn MarthaMartha Newes ging am 9.6.1908 mit nach Berlin und blieb dort als Gast bis zum 10.9.1908 [vgl. Tb]. bis dahin frei ist nach Berlin. Ich kann Dir nicht gut auf all Deine Vorschläge antworten, so sehr sie mich interessierten. Aber ans Meer gehen, ich glaube gerne daß Du aufgehen würdest wie eine Dampfnudel obschon Du mir gar nicht zu schlank bist. Aber wenn es mir dann ebenso geht? Ich habe in den fünf Tagen die ich hier badeWedekind hat seine Badekur in München am 25. und 26.5.1908 („Dampfbad“), am 27.5.1908 („Heißes Bad“) sowie am 29. und 30.5.1908 („Elektrisches Bad“) im Tagebuch vermerkt. 5 Pfund verloren und habe jetzt nur noch 12 Pfund zu viel. Ich glaube aber daß ich die auch in Berlin loswerden kann. Ich sprach gestern noch einmal mit SchröderWilhelm Schröder, der Vermieter von Wedekinds Wohnung im 3. Stock der Prinzregentenstraße 50, der innerhalb seines Hauses umzog [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.5.1908]. wegen der leeren Parterrewohnung. Er sagt, es sei allerdings möglich daß wir dort eine Zeit lang wohnten da er jetzt gleich in den zweiten Stock zieht, aber nur wenn er die Wohnung bis zum Herbst nicht vermietet. Die Aussicht ist also sehr ungewiß. Im übrigen muß ich jetzt zu meinen Geschäften in Berlin zurück, und außerdem oder in erster Linie habe ich auch große Sehnsucht nach Dir. Nur möchte ich nicht gerne wieder durch Platzmangel und Mangel an Bequemlichkeit in n/N/ervosität verfallen die Du dann auf Dich beziehst. | Deshalb bin ich nicht sehr dafür, daß wir uns jetzt wieder im Hotel oder auf dem Lande mit zu wenig Raum behelfen. Wir wohnen eben nun doch einmal in Berlin. und sind bald 7 Wochen auf Reisen.

Langen habe ich heute und gestern verfehlt, da er nachmittags keine Büreaustunden mehr hat, was ich nicht wußte. Ich werde also Montagder 1.6.1908; Wedekind hat dann allerdings bereits am 31.5.1908 mit seinem Verleger Albert Langen gesprochen: „Unterredung mit Langen.“ [Tb] zu ihm gehen. Dann bleibt noch der Arzt.

Vielleicht, liebe Tilly sc kannst du mir im nächsten Brief schon schreiben wann du von Graz abreisen kannst. Daß wir sobald wieder auf Reisen gehen hast du nicht zu fürchten.

Küsse Anna Pamela von mir.

Mit innigsten Kuß und Gruß
Dein Frank.


Grüße an all Deine Lieben. |


In der Ausstellungdie Architektur- und Kunstgewerbe-Ausstellung vom 16.5.1908 bis 31.10.1908 in München („Ausstellung München 1908“). bin ich noch nicht gewesen. Das Theaterdas Münchner Künstlertheater; es war „Bestandteil“ der „großen kunstgewerblichen Ausstellung“ [Wilhelm Michel: Das Münchner Künstlertheater. II. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 151, 30.3.1908, S. 13], ein 1908 auf dem Ausstellungsgelände zur 750-Jahr-Feier der Stadt München auf der Theresienwiese fertiggestellter sezessionistischer Theaterbau, der ohne städtische Subventionierung vom Verein Ausstellungspark (dem Eigentümer) betrieben wurde [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 555]. Das Künstlertheater wurde am 29.5.1908 mit „total ausverkauftem Hause“ [Ausstellung München 1908. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 252, 30.5.1908, Vorabendblatt, S. 4] eröffnet mit Goethes „Faust“ (der Tragödie erster Teil). soll sehr gut sein aber das bleibt bestehen. Das übrige soll G’eschnas(öster.) Gschnas (G’schnas) = wertloses Ding; „hier im Sinn von billige Unterhaltung.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 94] sein. Gestern begegnete ich Therese Rosenthalmit Wedekind befreundete „Witwe des Münchner Justizrats Friedrich Rosenthal“ – verstorben am 9.8.1906, mit dem sie 30 Jahre verheiratet war – „und Cousine des Rechtsanwalts Wilhelm Rosenthal.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 94], die mich sehr bat, sie in die Ausstellung zu führen. Sie erbot sich dafür zu allen Diensten an, wenn wir von Berlin aus etwas in der Wohnung auszurichten hätten. Ich hoffe nun nur daß Du nicht eifersüchtig wirst denn dann würde ich natürlich verzichten.

Frank Wedekind schrieb am 1. Juni 1908 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind Newes
in Graz Steiermark
Wohnung (Straße und Hausnummer) Brandhofgasse 1. |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly, ich halte es für das BestenSchreibversehen, statt: Beste. wenn wir uns möglich bald wieder vereinigen, aber unter behaglichen Verhältnissen, d. h. in Berlin. Hier ist es ja jetzt allerdings wunderschön, ebenso wird es auch in Graz sein, aber für uns beide ist es doch in unserer Wohnung am schönsten, sonst brauchten wir sie ja nicht, und leider Gottes wohnen wir eben noch nicht in München. Ein Bild h von Dir habe ich allerdings jetzt nicht bei mir aber ich möchte schon | lieber Dich selber haben obschon ich mich dann jedenfalls auch über ein schönes Bild freuen werde. Jarno will im November Marquis v. KeithJosef Jarno, Direktor des Theaters in der Josefstadt und des Lustspieltheaters in Wien sowie Schauspieler, hatte für den Herbst 1908 eine Inszenierung des „Marquis von Keith“ erwogen, die nicht zustande kam. mit IhmSchreibversehen, statt: ihm. als Keith, mir als Scholz und dir als Hermann geben.

Schreib mir wieviel Geld ich dir schicken soll. Ich hatte hier sehr wichtige geschäftliche BesprechungenDie Besprechung mit seinem Verleger Albert Langen hat Wedekind am 31.5.1908 im Tagebuch notiert („Unterredung mit Langen“), nicht aber die Besprechung mit dem befreundete Redakteur und Verlagsbuchhändler Fritz Schwartz (genannt: Nero), der in München lebte (Richard Wagnerstraße 3), wo auch sein Büro war (Nymphenburgerstraße 86) [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 538] – im Verlag F. Bruckmann, wo er seit 1892 zusammen mit Hugo Bruckmann Direktor war. mit Nero Schwarz und Albert Langen und muß die Geschäfte in Berlin sofort wieder aufnehmen.

Küsse Anna Pamela von mir. Herzlichst küßt Dich Dein Frank.

Grüße Großmama, Großpapa und deine lieben Geschwister. Herzl. Dank für die Kartedie Bildpostkarte aus Gösting [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.5.1908].

Frank Wedekind schrieb am 2. Juni 1908 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Tilly Wedekind
graz
brandhofgasse 1=


Telegramm
aus
München [...]


Liebe tilly herzlichen dank einverstandenmit der vorgeschlagenen Reiseplanung nach Berlin [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.5.1908]. brief folgt frank

Frank Wedekind, Therese Rosenthal, Emil Gerhäuser und Ottilie Gerhäuser schrieben am 2. Juni 1908 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Frau Tilly Wedekind
Graz i. Steiermark
Brandhofgasse 1 |


Liebe Frau Tilly! Wir sitzen im Viktoriagärtleinim Biergarten des Cafés und Restaurants Victoria (Maximilianstraße 17) [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 613], Inhaberin: Victoria Obermeier [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil II, S. 338]. Wedekind hat am 2.6.1908 das Beisammensein dort notiert: „Mit Therese Rosenthal Gerhäuser und Frau im Victoriagarten.“ [Tb] u. bedauern sehr, dass Sie nicht mit hier sind. Morgen ist Molochpremieredie Münchner Premiere der Oper „Der Moloch“ von Max von Schillings, zu der Emil Gerhäuser das Libretto nach dem gleichnamigen Dramenfragment von Friedrich Hebbel geschrieben hat, am 3.6.1908 um 18 Uhr im „Prinz-Regenten-Theater“, wie angezeigt war: „Mittwoch, den 3. Juni. Zu Ehren des Tonkünstlerfestes des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in München. Zum ersten Male: Moloch. Musikalische Tragödie in 3 Aufzügen von Max Schillings.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 259, 3.6.1908, Vorabendblatt, S. 2] im Prinzregententheater. Mit herzlichsten Grüssen an Sie u. das Kleinedie knapp anderthalbjährige Pamela Wedekind.
Ihr herzlich ergebener Emil Gerhäuser


Auch von mir die allerherzlichsten Grüße u. auf baldiges Wiedersehen! Ihre
Tilly Gerhäuser


Herzlichst grüßt und küßt Dich Dein
Frank.


Herzlichst Grüße u. hoffentlich baldiges Wiedersehen in München Therese Rosenthal

Frank Wedekind schrieb am 3. Juni 1908 in München folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind-Newes
in Graz (Steiermark)
Wohnung (Straße und Hausnummer) Brandhofgasse 1. |


Adresse des Absenders: |


Geliebteste Tilly! Ich lese eben Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30./31.5.1908. noch einmal durch um dir auf die Einzelheiten zu antworten. Du fragst ob ich nicht zu Fr. Erw nach München gehen wollte. Die Aufführung findet jedenfalls erst September oder Oktober„Frühlings Erwachen“ hatte am 14.11.1908 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) Premiere. statt, was Stollberg aber nicht hindert jetzt schon mit den Vorbereitungen zu beginnen. Mit Max Halbe habe ich noch nicht gesprochenWedekind notierte am 3.6.1908: „Ich versöhne mich mit Max Halbe.“ [Tb]. Darüber daß Deine SchwesterTilly Wedekinds jüngere Schwester Martha Newes ging am 9.6.1908 von Graz mit nach Berlin und blieb dort als Gast bis zum 10.9.1908 [vgl. Tb]. nach Berlin kommt, werde ich mich sehr freuen, sobald es dir zur Freude gereicht. Vielleicht kannst Du im Reisebüreau in Graz für die Strecke Wien – Berlin 3 Betten in einem Koupé(frz.) Coupé; hier: Einzelabteil im Zug. bestellen. Das vierte Bett würde dann voraussichtlich nicht mehr vergeben. Jedenfalls kannst du in Graz erfahren, wieviel die ganze Fahrt kostet. Ich denke es wird am besten sein, du fährst am Tage von Graz nach Wien und in der Nacht Wien Berlin. Ich freue mich sehr darauf, geliebte Tilly, daß wir bald wieder beisammen sind. Küsse Anna Pamela. Grüße Deine lieben Eltern und Geschwister. Herzinnig grüßt und küßt Dich
Dein
Frank.


3.6.8.

Frank Wedekind schrieb am 4. Juni 1908 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind graz
brandhofgasze 1=


Telegramm
aus
münchen [...]


kann auch schon samstagder 6.6.1908, an dem Frank Wedekind aber nicht von München nach Berlin reiste, sondern am nächsten Tag (Sonntag) nach Wien, wo sein Bruder Donald Wedekind sich am 5.6.1908 das Leben genommen hat, wie Wedekind an diesem Samstag spät abends erfuhr: „Nachher im Hoftheaterrestaurant arbeite ich an Oaha, erfahre von Halbe von Donalds Tod.“ [Tb] reisen dasz ich sontagÜbertragungsfehler, anstatt: sonntag. in berlin bin wenn es dir nicht zu frueh ist grusz = frank.

Frank Wedekind schrieb am 4. Juni 1908 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind graz
brandhofgasze 1=


Telegramm
aus
münchen [...]


wenn du geld genug hast u es bequem getÜbertragungsfehler, anstatt: geht. dann freitagden 5.6.1908. ich fahre dann sonntagden 7.6.1908, an dem Frank Wedekind aber nicht von München nach Berlin reiste, sondern nach Wien, wo sein Bruder Donald Wedekind sich am 5.6.1908 das Leben genommen hat, wie er spät am 6.6.1908 erfuhr. abend herzinnigst = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 4. Juni 1908 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


frank wedekind muenchen
regina palasthotel = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


soll ich morgen freitag oder dienstag den 9. reisen kuesse = tily.

Frank Wedekind schrieb am 5. Juni 1908 in München
an Tilly Wedekind

Abschnitt.
Coupon.
Kann vom Empfänger abgetrennt werden.
Peut être détaché par le destinataire.


Betrag der Postanweisung in Ziffern.
Montant du mandat en chiffres.


Name, Wohnort und Wohnung (Straße und Nr.) des Absenders
Désignation de l’envoyeur
Wedekind
München


Den 5.6 1908
Le
|


Liebe Tilly, ich bin also Donnerstagder 11.6.1908 – der gewünschte Ankunftstag in Berlin [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.6.1908]. Frank Wedekind reiste dann allerdings nicht von München, sondern am 10.6.1908 um 22 Uhr von Wien Nordwestbahnhof mit dem Nachtzug „nach Berlin“ [Tb]. in Berlin. Meine herzlichen Wünsche zu glücklicher FahrtWedekind hat seiner Frau für ihre Fahrt nach Berlin 150 Kronen überwiesen (per Postanweisung, wie der vorliegende Coupon dokumentiert); er notierte am 5.6.1908: „Tilly 150 Kr.“ [Tb]. Grüße an Alle
Vor allem an Dich Geliebte und Anna Pamela
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 5. Juni 1908 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
München.
Regina Palat/s/t-Hotel. |


Freitagder 5.6.1908.. Geliebtester Frank,

hoffentlich bist Du nicht ärgerlich über mich. Du hast mir Dienstag telegraphiert „einverstanden“Zitat aus dem genannten Telegramm [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.6.1908]. ich wusste aber nicht womit, mit Freitag oder Dienstag. Ich wartete immer auf Nachricht, deshalb schrieb ich nicht. Nun war meine Anfrage gesternihr vorletztes Telegramm [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.6.1908]. auch | etwas spät, ich hätte denken können, dass ich in einem Tag nicht mit allem fertig werde.

Ich hoffe nur, dass Du jetzt zufrieden bist mit den Vorschlägen in meinem Telegrammihr letztes Telegramm [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.6.1908]., u. wünsche sehnlichst dass wir wieder in Berlin zusammen sind, mein lieber Frank!

Innigsten Kuss
Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 5. Juni 1908 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]


FRANK WEDEKIND MUENCHN
REGINA PALAST HOTEL = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


TELEGRAM ETWAS SPAET ERHALTENTilly Wedekind hat beide Telegramme Frank Wedekinds vom 4.6.1908 nach 22.20 Uhr erhalten. MUESZTE MICH ABHETZEN FAHRE DOCH BESZER DINSTAGder 9.6.1908. BIN MITWOCH FRUEH BERLIN KANST DU AM DONERSTAGder 11.6.1908; Wedekind sagte seine Ankunft in Berlin an diesem Tag zu [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.6.1908]. FRUEH DORT SEIN WENN DU MIR NOCH 150– KRONEN SCHIKSTWedekind schickte noch nachmittags per Postüberweisung die 150 Kronen nach Graz [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.6.1908], die er am 5.6.1908 auch notierte: „Tilly 150 Kr.“ [Tb] HABE ICH VOLLAUF GENUG BIST DU EINVERSTANDEN? INIGST DEINE TILLE.

Tilly Wedekind schrieb am 6. Juni 1908 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind win
hotel tegetthoffFrank Wedekind logierte in Wien nicht im Hotel Tegetthoff (Johannesgasse 23), sondern im Palast-Hotel (Mariahilferstraße 99), wo sein Bruder Donald Wedekind, der sich am 5.6.1908 in Wien das Leben nahm, gewohnt hat. Tilly Wedekind dürfte angenommen haben, dass ihr Mann wie bei seinem letzten Aufenthalt in Wien vom 26.4.1908 bis 23.5.1908 wieder im Hotel Tegetthoff absteigen würde. =


Telegramm
aus
graz [...]


meine innigste theilnahme zu dem unglueckeOb Tilly Wedekind durch ihren Mann in München vom Selbstmord seines Bruders am 5.6.1908 in Wien erfahren hat, ist unklar; möglich wäre es, da ihr Telegramm sehr spät aufgegeben wurde (um 23.10 Uhr) und Frank Wedekind in München spät abends nach einem Theaterbesuch am 6.6.1908 durch Max Halbe davon erfuhr: „im Hoftheaterrestaurant [...], erfahre von Halbe von Donalds Tod.“ [Tb] Tilly Wedekind konnte aber auch durch die österreichische Presse davon erfahren haben, die bereits in den Morgen-Ausgaben über den Fall berichtete [vgl. Selbstmord des Schriftstellers Donald Wedekind. In: Neue Freie Presse, Nr. 15731, 6.6.1908, Morgenblatt, S. 13]; so findet sich neben einem Bericht über den Fall in der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“ [vgl. Selbstmord Donald Wedekinds. Im Prater erschossen. In: Die Zeit, Jg. 7, Nr. 2049, 6.6.1908, Morgenblatt, S. 3] ein Hinweis bereits auf der Titelseite: „Gestern hat sich in Wien Schriftsteller Donald Wedekind, der jüngere Bruder Frank Wedekinds, erschossen.“ [Ebd., S. 1] das dich betrofen soll ich zu dir komen in liebe deine tilly

Tilly Wedekind schrieb am 7. Juni 1908 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Wien I.
Hotel TegetthoffFrank Wedekind logierte in Wien nicht im Hotel Tegetthoff (Johannesgasse 23), sondern im Palast-Hotel (Mariahilferstraße 99), wo sein Bruder Donald Wedekind, der sich am 5.6.1908 in Wien das Leben nahm, gewohnt hat. Tilly Wedekind dürfte angenommen haben, dass ihr Mann wie bei seinem letzten Aufenthalt in Wien vom 26.4.1908 bis 23.5.1908 wieder im Hotel Tegetthoff absteigen würde. |


Mein lieber Frank, dass ich innigst theilnehme an Deinem Schmerz u. in Gedanken immer bei Dir bin, kannst Du Dir denken. Ich habe Freitag nach Münchenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.6.1908., Samstag nach Wienvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.6.1908. telegraphiert. Irgend ein Missverständniss muss vorliegen, da ich ohne Nachricht blieb. |

Ich fahre also Dienstagder 9.6.1908, der Tag von Donald Wedekinds Beerdigung, an dem Frank Wedekind notierte: „Ich bezahle das Grab. Esse im Hotel Enthebe 2000 Kr. Wiener Bankverein. Fahre zum Kirchhof. Mama Mieze Armin Walter und Herr Wolfbauer. Mit Wolfbauer fahre ich zurück und hole Tilly Anna Pamela Martha vom Südbahnhof ab. Mit Tilly zu den andern. Darauf Abendessen bei Hartmann, nachdem wir bei Onkel Dagobert vorgefahren sind. Ich begleite Tilly Anna Pamela und Martha zum Nordbahnhof“ [Tb]. u. komme Nachmittags 5.40 nach Wien. Onkel Dagobert erwartet uns. Ich würde mich sehr freuen Dich zu sehen, weiß aber nicht ob Du nicht zu tun hast. Ich könnte mit Dir gehen, die andern mit Onkel, wenn Du willst. Um 10 Uhr22 Uhr. Tilly Wedekind und ihre Schwester Martha Newes fuhren zusammen mit Pamela Wedekind nach Berlin. fahren wir weiter. Schick’ die Kartedie in den vorliegenden Kartenbrief eingelegte Beilage, eine Briefkarte Tilly Wedekinds an ihre Schwiegermutter Emilie Wedekind in Lenzburg. bitte weiter, ich weiß nicht wie weit Mama unterrichtet ist.

Sonntagder 7.6.1908, das Schreibdatum..

[Seite 3, am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Es umarmt und küsst Dich Deine Tilly


[Beilage:]


Graz, 7.6.08.


Meine liebe gute Mama,

ich spreche Dir meine tiefste, herzlichste Theilname aus, zu dem großen Schmerz der Dich getroffen! Ich weiß von meiner armen Mutter, | wie furchtbar es istAnspielung auf die Trauer ihrer Mutter Mathilde Newes über den Tod ihrer Tochter Paula Newes, die sich am 7.1.1907 das Leben genommen hat. ein Kind zu verlieren u. gar auf solche Weise! Auch Mati mein herzlichstes Beileid. Wenn ich irgend etwas tun kann Euren Schmerz zu lindern, ich würde es mit Freuden.

In herzlichster Liebe Eure Tilly

Frank Wedekind schrieb am 7. Juni 1908 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind
brandhofgasse 1 graz =


Telegramm
aus
[...] muenchen [...]


liebe tilly bitte dich, wie verabredetvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.6.1908 (Telegramm). dienstagder 9.6.1908, an dem Tilly Wedekind und ihre Schwester Martha Newes von Graz nach Wien fuhren und abends weiter nach Berlin reisten. mit martha nach berlin zu rejsen. ich fahre heute abendWedekind notierte am 7.6.1908 in München: „Suche Wilhelm Rosenthal auf der mir Reisegeld giebt. [...] Abfahrt nach Wien.“ [Tb] nach wien u komme sobald irgend moeglich nach berlin. wohne voraussichtlich hotel tegethoffWedekind logierte in Wien nicht im Hotel Tegetthoff (Johannesgasse 23), sondern im Palast-Hotel (Mariahilferstraße 99), wo sein Bruder Donald Wedekind, der sich am 5.6.1908 in Wien das Leben nahm, gewohnt hat; er notierte am 8.6.1908: „Wohne Palace Hotel.“ [Tb]. gruesze = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 8. Juni 1908 in Graz folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Wien VI.
Palace Hotel.
Mariahilferstr. |


Montagder 8.6.1908..


Innigst geliebter Frank,

ich fahre morgen mit Onkel Dagobert mit, wenn es Dir recht ist. Vielleicht giebst Du mir Nachricht zu Onkel, III. Dampfschiffg. 4Tilly Wedekinds Onkel Dagobert Engländer (ein Bruder ihrer Mutter Mathilde Newes), Oberinspektor und stellvertretender Leiter der Abteilung „Nautischer u. technischer Dienst“ der „Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ [Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien 1909, Bd. 1, Teil II, S. 284] in Wien, wohnte Wien III, Dampfschiffstraße 4 [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien 1909, Bd. 2, Teil VII, S. 220], nicht Dampfschiffgasse., (Telephon Dampfschf. Gesellschaft,) oder Rohrpost, ob u. wann Du | mich sehenFrank Wedekind hat seine Frau (sowie deren Schwester und die Tochter) nach der Beerdigung seines Bruders Donald Wedekind (um 16 Uhr auf dem Döblinger Friedhof) um 17.40 Uhr [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.6.1908] vom Wiener Südbahnhof abgeholt und um 22 Uhr [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.6.1908] zur Abreise nach Berlin an den Wiener Nordbahnhof gebracht, wie er am 9.6.1908 notierte: „hole Tilly Anna Pamela Martha vom Südbahnhof ab. Mit Tilly zu den andern. Darauf Abendessen bei Hartmann, nachdem wir bei Onkel Dagobert vorgefahren sind. Ich begleite Tilly Anna Pamela und Martha zum Nordbahnhof“ [Tb]. willst. Ich könnte auch in’s Hotel kommen. Aber bitte Frank, ich würde auch begreifen, wenn Du allein bleiben willst, sage das unumwunden. Wir sehen uns ja hoffentlich bald in BerlinWedekind reiste am 10.6.1908 um 22 Uhr von Wien ab, wie er im Tagebuch notierte („fahre zum Nordwestbahnhof und um 10 Uhr nach Berlin“), und kam morgens am 11.6.1908 in Berlin an (kein Eintrag an diesem Tag im Tagebuch)..

In innigster Liebe
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 8. Juni 1908 in Wien folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

tilly wedekind graz
brandhofgasze 1 =


Telegramm
aus
[...] wien [...]


woherÜbertragungsfehler, statt: wohne. palace hotel mariahilferstraszeFrank Wedekind, der am 7.6.1908 mit dem Nachtzug von München nach Wien gereist ist und dort das Palast-Hotel (Mariahilferstraße 99) bezog, wo sein Bruder Donald Wedekind seit dem 26.5.1908 bis zu seinem Freitod am 5.6.1908 in Zimmer 76 logiert hatte, hielt am 8.6.1908 in Wien im Tagebuch fest: „Wohne Palace Hotel. Fahre auf den Friedhof und sehe Donald im Sarg liegen. Fahre zum Beerdigungsamt Esse im Hotel zu Mittag, dann Caffé.“ morgen dinstagÜbertragungsfehler, statt: dienstag. findesÜbertragungsfehler, statt: findet. beerdigungDonald Wedekind wurde am 9.6.1908 um 16 Uhr in kleinem Kreis auf dem Friedhof im 19. Wiener Bezirk Döbling beerdigt. Die Presse berichtete: „Die Beerdigung des Schriftstellers Donald Wedekind fand infolge behördlicher Abänderung schon gestern, Dienstag, um·4 Uhr nachmittags auf dem Döblinger Friedhofe statt. Da die Bekanntgabe des neuen Termins wegen der Kürze der Zeit nur mehr an die Nächststehenden des Verblichenen ermöglicht war, konnte nur eine kleine Trauergemeinde dem geliebten Toten das letzte Geleite geben, und zwar: Die Mutter, Frau Dr. Emilie Wedekind-Kammerer aus Zürich, die Schwester, königlich sächsische Kammersängerin Frau Erika Wedekind-Oschwald aus Dresden, die Brüder Dr. Arnim Wedekind aus Zürich und Schriftsteller Frank Wedekind aus München, der Schwager Dr. Oschwald aus Dresden und Schriftsteller Franz Wolfbauer.“ [Neue Freie Presse, Nr. 15734, 10.6.1908, Morgenblatt, S. 8] Wedekind notierte am 9.6.1908: „Fahre zum Kirchhof. Mama Mieze Armin Walter und Herr Wolfbauer.“ [Tb] statt kann dich voraussichtlich also nicht abholenWedekind konnte seine Frau sowie deren Schwester und die Tochter, die aus Graz anreisten, im Anschluss an die Beerdigung seines Bruders doch um 17.40 Uhr [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.6.1908] vom Wiener Südbahnhof abholen, wie er am 9.6.1908 notierte: „Mit Wolfbauer fahre ich zurück und hole Tilly Anna Pamela Martha vom Südbahnhof ab. Mit Tilly zu den andern.“ [Tb] herzliche gruesze = frank

Frank Wedekind schrieb am 29. Juli 1908 in Berlin folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Liebe Tilly! ich esseim Grand Hotel Bellevue, „Restauration am Potsdamer Platz 1“ [Berliner Adreßbuch 1909, Teil III, S. 406]. Wedekind notierte am 29.7.1908 im Anschluss an die Beerdigung des Malers Walter Leistikow auf dem Steglitzer Friedhof sein Abendessen mit dem Maler Max Liebermann, mit dem Kunsthistoriker Hugo von Tschudi ‒ „seit 1909 Direktor der Münchner Staatlichen Galerien. Er unterstützte Wedekinds Kampf gegen die Münchner Zensurbehörde“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 99] – sowie mit Paul Cassirer und Max Slevogt im Restaurant des Grand Hotel Bellevue, wobei es später wurde, da er danach noch ein anderes Lokal aufsuchte: „Leistikows Beerdigung. Ich fahre mit Cassirer Fried und Slevogt hinaus und mit Liebermann zurück. Abendessen mit Liebermann Tschudi Kassirer und Slevogt im Hotel Bellevue. Dann mit Tschudi und Slevogt im Roten Haus.“ [Tb] mit Liebermann und Tschudi im Hotel Bellevue zu Abend. Ich weiß nicht bestimmt wann ich nach Haus komme, voraussichtlich nicht spät, da die Herren heute noch abreisen.

Gruß
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 17. August 1908 in Breslau folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
Berlin W
Kurfürsten Strasse 125. |


Geliebte Tilly! Ich bitte Dich mir nichts zu Riegner nachzuschicken. Das ganze Hotel wird renoviert. Ich ziehe morgenam 18.8.1908. Wedekind, der gerade zu einem Gastspiel in Breslau eingetroffen war, ist allerdings noch am 17.8.1908 von Riegner’s Hotel (Königstraße 4) in das Savoy-Hotel (Tauentzienplatz 13) umgezogen, wie er notiert hat: „Ich fahre nach Breslau. Von Riegner ziehe ich ins Savoy Hotel.“ [Tb] voraussichtlich ins Savoyhotel, bitte Dich aber, wenn morgen Briefe kommen sollten mir ins
Breslauer Schauspielhaus
nachzuschicken. Eben war ich im Theaterim Breslauer Schauspielhaus, wo die 1907 überarbeitete Fassung „Der Marquis von Keith“ am 23.8.1908 Premiere hatte – mit Wedekind in der Rolle des Ernst Scholz und unter seiner Regie.. ZielgelSchreibversehen, statt: Ziegel. – Erich Ziegel spielte in der Inszenierung des „Marquis von Keith“ am Breslauer Schauspielhaus die Titelrolle. war schon nach Hause gegangen um zu lernen. So sitze ich jetzt allein und sehe das RegiebuchErhalten ist lediglich ein Regiebuch des „Marquis von Keith“, das „vermutlich anläßlich des Münchner Wedekind-Zyklus 1909 eingerichtet wurde“ [KSA 4, S. 559]. durch. Mit herzlichsten Grüßen und Küssen Dir und Anna Pamela
Dein
Frank.


Grüßean Martha und Karl Newes, die beiden jüngeren Geschwister Tilly Wedekinds, die aus Graz bei ihr zu Besuch in Berlin waren. Martha und Karl.

Frank Wedekind schrieb am 18. August 1908 in Breslau folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
Berlin W
Kurfürstenstraße 125 |


Geliebteste Tilly! Ich wohne jetzt also Savoy-Hotel, Tauenzienplatz und bitte, mir Briefe dorthin zu schicken. Heute früh habe ich alle 5 Akte arrangiertWedekind, der bei dem „Marquis von Keith“-Gastspiel am Breslauer Schauspielhaus offenbar die Regie bei der neuen Fassung (1907 umgearbeitet) seines Schauspiels führte, notierte am 18.8.1908: „Arrangierprobe von M. v. Keith.“ [Tb] Erich Ziegel spielte die Titelrolle, Wedekind die Rolle des Ernst Scholz [vgl. KSA 4, S. 552].. Ziegel kann sehr gut werden, wenn er den Text bewältigt. Die Premiere ist auf Sonntag festgelegt. Von anderen AufführungenNach der „Marquis von Keith“-Premiere am Breslauer Schauspielhaus am 23.8.1908 fanden am 25. und 26.8.1908 zwei weitere Vorstellungen statt [vgl. Tb]; andere Stücke Wedekinds wurden nicht gespielt. war noch nicht die Rede. Ich erwarte Dich also Freitag. Heute Mittag aß ich mit Ziegel und seiner FrauWedekind hat also mit Erich Ziegel und Mirjam Horwitz am 18.8.1908 gemeinsam zu Mittag gegessen, in Riegner’s Hotel (Königstraße 4) in Breslau – notiert hat er: „Speise mit Ziegel bei Riegner.“ [Tb] zusammen. Sonst habe ich noch niemanden Bekannten getroffen. Gestern Abend war ich alleinWedekind notierte für den ersten Abend in Breslau am 17.8.1908 allerdings: „Kneipe mit einem Agenten zusammen.“ [Tb]. Heute wird es wohl auch nicht anders werden. Ich bekam einen Brief von Hardennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Maximilian Harden an Wedekind, 17.8.1908. in dem er mir schreibt, daß ihn Oaha sehr interessiert habeWedekind hatte Maximilian Harden sein neues Stück „Oaha“ am 16.7.1908 in Berlin persönlich übergeben wollen: „Ich bringe Harden Oaha, finde ihn aber nicht zu Hause.“ [Tb] Vier Tage später, am 20.7.1908, traf man sich: „Harden kommt, wir gehen zusammen zu Josti.“ [Tb] Da dürfte Harden angesichts seiner starken Arbeitsbelastung das Stück noch nicht gelesen haben, zu dem er sich erst nach der Lektüre brieflich äußerte. und daß er nach unserer Rückkehr mit uns zusammenzuseinFrank Wedekind traf sich am 4.9.1908 zunächst allein mit dem Kritiker: „Am Nachmittag treffe ich mich mit Harden im Café Josti. Wir sprechen über OAHA.“ [Tb] Den Tag darauf, am 5.9.1908, war Tilly Wedekind mit dabei: „Zum Abendessen mit Tilly bei Harden.“ [Tb] hofft. Ich hoffe, daß Ihr wohl und munter seid. Herzinnigste Grüße an Dich und Anna Pamela.
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 18. August 1908 in Berlin folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Breslau.
Riegner’s Hotel. |


Dienstagder 18.8.1908..


Mein lieber Frank,

gesternam 17.8.1908 nach Frank Wedekinds Abreise nach Breslau; Tilly Wedekind hat mit ihrer Tochter Pamela Dr. med. Theodor Simon Flatau aufgesucht (Potsdamerstraße 113), „Arzt für Hals-, Ohren- und Nasenkranke“ [Berliner Adreßbuch 1909, Teil I, S. 602], seit Ende 1905 in Berlin ihr Hausarzt. war ich noch mit Anna Pamela bei Flatau, der versprach während meiner AbwesenheitTilly Wedekind war vom 21. bis 27.8.1908 in Breslau, wo sie mit Frank Wedekind ein „Marquis von Keith“-Gastspiel (Premiere: 23.8.1908) am Breslauer Schauspielhaus hatte. nach ihr zu sehen. Heute waren wir bei Iduschkabei ihrer engen Freundin Ida Orloff.. Es gutSchreibversehen, statt: geht. uns allen gut, u. hoffen wir von Dir dasselbe. Alle lassen Dich grüßen. Wie hast Du die Dinge vorgefunden?

Innigst Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 19. August 1908 in Breslau folgenden Brief
an Tilly Wedekind

SAVOY HOTEL
GUSTAV FISCHER
TELEPHON 4081


BRESLAU 5, DEN   190
TAUENTZIEN-PLATZ 13.


Geliebteste Tilly!

eben bekomme ich Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.8.1908.. Meine beiden Karten von Montag und Dienstagvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.8.1908 und 18.8.1908. Abend wirst Du derweil erhalten haben. Eben habe ich auf übermorgen, Freitag Abend ein Zimmer für Dichim Savoy-Hotel; Tilly Wedekind reiste am 21.8.1908 nach Breslau, um in der „Marquis von Keith“-Inszenierung (Premiere: 23.8.1908) am Breslauer Schauspielhaus aufzutreten. neben dem meinigen reservieren lassen. ZiegelErich Ziegel, Regisseur und Schauspieler am Kleinen Theater in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 289], hatte in der Sommerspielzeit vom 1.6.1908 bis 31.8.1908 die Direktion des Breslauer Schauspielhauses übernommen [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 333]. fragte mich heute nach Bildern zum Ausstellen. Ich bitte Dich also etwa 20 – 30 wenn möglich verschiedene Bilder, es können auch Postkarten dabei | sein, mitzubringen, und zwar so daß Du sie gleich zur Hand hast, so daß man sie am Abend noch im Theater haben kann. Ich erwarte Dich dann also mit dem gleichen Zug mit dem ich reiste, der 8 Uhr 11um 20.11 Uhr. Tilly Wedekind zufolge fuhr der Zug um 14.25 von Berlin ab und traf um 20.12 in Breslau ein [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.8.1908]. hier ankommt.

Heute früh haben wir ersten und zweiten Aktden 1. und 2. Akt des „Marquis von Keith“ im Breslauer Schauspielhaus – Wedekind notierte am 19.8.1908 „Probe“ [Tb], ebenso am 20. und 21.8.1908, am 22.8.1908 dann „Generalprobe M.v.Keith“ [Tb]. probiert. Ziegel hat sehr tapfer gelernt. Morgen kommt 3. 4. und 5 Akt Heute AbendWedekind notierte am 19.8.1908: „Abends mit Hans Kempner (Kerr) im Pilsner Urquell. Nachher allein in der Bar“ [Tb]. Hans Kemptner (Pseudonym: Hanns Kerr) hat 1908 eine 48 Seiten umfassende Broschüre „Frank Wedekind. Eine Studie“ veröffentlicht (als Band 56 der seit 1906 von Hermann Gräf im Verlag für Literatur, Kunst und Musik in Leipzig herausgegebenen Reihe „Beiträge zur Literaturgeschichte“). Er feierte darin Wedekinds „Marquis von Keith“ in recht detaillierten Ausführungen als „die positive Krönung [...] von des Dichters Lebenswerk.“ [Hanns Kerr: Frank Wedekind. Eine Studie. Leipzig 1908, S. 28] bin ich mit Hans Kemptner zusammen, der sich in seiner seiner Schrift so warm für M.v.K. eingetreten ist.

Ich freue mich sehr, daß es Euch allen gut geht und freue mich auch sehr darauf, Dich hier zu haben.

Von irgend welchen anderen | StückenWedekinds „Der Marquis von Keith“ wurde am Breslauer Schauspielhaus in drei Vorstellungen am 23.8.1908 (Premiere), am 25. und 26.8.1908 gegeben; andere Stücke von ihm wurden im Rahmen seines Gastspiels nicht gespielt. ist noch nicht die Rede gewesen.

Also auf baldiges Wiedersehn, geliebte Tilly!

Es grüßt und küßt Dich innigst
Dein Frank.


19.8.8.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 20. August 1908 in Berlin folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Breslau 5
Savoy-Hotel
Tauenzienplatz 13 |


Donnerstagder 20.8.1908. morgens.


Mein lieber Frank, ich danke Dir herzlichst für Deine Kartenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.8.1908 und 18.8.1908. u. Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.8.1908.. Du musst entschuldigen, dass ich gestern nicht schrieb; erstens passiert nichts Neues u. zweitens nehmen mich meine 3 KinderTilly Wedekinds Geschwister Karl und Martha, die zu Besuch in Berlin waren, sowie ihre Tochter Pamela. | sehr in Anspruch. Ich hatte gestern schon gepackt, weil ich ja nicht wusste ob ich heute oder morgen fahren soll. KammersängerTilly Wedekind nahm den Einakter „Der Kammersänger“ mit zu ihrem Gastspiel nach Breslau – falls er am Breslauer Schauspielhaus gespielt werden sollte, wo „Marquis von Keith“ am 23.8.1908 Premiere hatte. nehme ich für alle Fälle mit.

Morgen Freitag fahre ich also mit demselben ZugFrank Wedekind reiste am 17.8.1908 zu dem Gastspiel nach Breslau, mit einem Zug, der Tilly Wedekind zufolge um 14.25 in Berlin abfuhr und um 20.12 in Breslau ankam und den sie nun am 20.8.1908 nahm. Wedekind notierte am 20.8.1908: „Ich hole Tilly vom Bahnhof ab. Wir diniren im Hotel und gehen dann in den Pilsner Urquell.“ [Tb] Frank und Tilly Wedekind reisten nach Abschluss ihres Gastspiels am Breslauer Schauspielhaus am 27.8.1908 zurück nach Berlin. um | 2.25 u. bin um 8.12 bei Dir. Die BilderFotos von Frank und Tilly Wedekind für die Präsentation der „Marquis von Keith“- Inszenierung im Breslauer Schauspielhaus. bring’ ich auch. – Oscar Fried u. Frau haben mir eine Karte geschrieben. Sie denken noch an den famosen Abendmit dem Komponisten und Dirigenten Oskar Fried und seiner Gattin Gusti Fried (geb. Rathgeber), der ehemaligen Frau Otto Julius Bierbaums, sowie Julius Schaumberger am 12.8.1908 bei Frank und Tilly Wedekind in Berlin (Kurfürstenstraße 125): „Oskar Fried und Frau und Julius Schaumberger kommen zum Abend zu Besuch. Tilly singt Confession.“ [Tb] u. möchten gern wieder mit uns zusammen sein. |

Brüder Karamasow“ sind angekommenWedekind hat seiner Frau offenbar Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasow“ (1880, in deutscher Übersetzung zuerst 1884) geschenkt. u. danke ich Dir vielmals dafür.

Anna Pamela ist frisch u. munter. Sie war sehr traurig, dass Papa fort ist u. sagte: „Soll er wieder kommen.“ |

Heute gehen wir noch alle zusammen spazieren.

Nun lebwohl, alle lassen Dich vielmals grüßen.

Innigen Kuss
Deine Tilly |


Lieber Papa, komm bald zu Deiner Anna Pamela, die Dich sehr lieb hat.

Viele Küsse A.P.

Tilly Wedekind schrieb am 22. Februar 1909 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]

FRANK WEDEKIND MUENCHEN
PRINZREGENDSTR 50 |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


= HABE MIT HAUSARZT GESPROCHEN KRISISWedekinds Schwiegermutter, Mathilde Newes in Graz, war krank. Wedekind notierte am 21.2.1909: „Tilly theilt mir mit daß ihre Mutter Lungenentzündung hat. [...] Tilly reist nach Graz.“ [Tb] KANN MORGEN LAENGSTENS DONNERSTAG EINTRETEN. WANN SOLL ICH KOMMEN INNIGST DEINE TILLY =

Tilly Wedekind schrieb am 22. Februar 1909 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Graz, 22.II.09.


Mein lieber Frank,

ich habe Dir nicht viel Frohes zu berichten. Mama hat hohes Fieber, ist sehr schwach; spricht kaum. Mittwocham 18.2.1909. Tilly Wedekind ist am 21.2.1909 von München zu ihrer kranken Mutter Mathilde Newes nach Graz gereist, wie Frank Wedekind notierte: „Tilly theilt mir mit daß ihre Mutter Lungenentzündung hat. [...] Tilly reist nach Graz.“ [Tb] hatte die Lungenentzündung angefangen; am 7. oder 9. Tag soll die Krisis eintreten. Wenn Du es mir erlaubst, so bleibe ich solange u. fahre dann sofort zurück. Geschlafen hab’ ich ganz gut, | I im Damencoupee(frz.) Coupé; hier: Einzelabteil im Zug, für Damen. fuhr ich mit noch einer Dame. Ich habe den letzten Act Musik unterwegs gelerntTilly Wedekind hat während der Zugfahrt von München nach Graz die Rolle der Klara Hühnerwadel im letzten Bild von „Musik. Sittengemälde in vier Bildern“ gelernt., u. dann das Ganze nochmals wiederholt. Ich glaube es geht ganz gut. – Ich helfe DoraDora Newes, Tilly Wedekinds älteste Schwester. bei der Pflege, mache Wickel, gebe Medizin etz.Schreibversehen, statt: etc. Dora hat schrecklich viel auf sich. Ich sehne mich sehr nach Dir, mein lieber Frank, | u. nach Anna Pamela. Es ist mir sehr schwer ums Herz. Es umarmt Dich
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 23. Februar 1909 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Graz, Dienstagder 23.2.1909. abends.


Mein lieber Frank,

Gott sei Dank, es geht bessermit der Genesung ihrer Mutter Mathilde Newes (siehe den vorangehenden Brief vom Vortag).. Wenn es so anhält, ist das Schlimmste wohl überstanden. Ich gehe gleich morgen auf den Bahnhof, werde mich nach den Zügen erkundigen, u. kann hoffentlich gleich weg. Ich denke ich fahre mit dem 5 Uhr Schnellzug nach Wien u. die | Nacht durch nach München. Wenn der Zug so furchtbar früh ankommt, brauchst Du mich nicht abholen, ich nehme mir eine Droschke u. fahr’ nach Hause. Ich sage das aber nur aus Rücksicht für Dich, lieber Frank.

Früher konnte ich nicht weg, weil die Temperatur noch sehr schwankte. Jetzt, wo es besser ist, kann ich es kaum erwarten, wieder bei Dir zu | sein. Ausser beim Arzt, war ich gar nicht weg, immer um Mama beschäftigt; auch Nachts Dora geholfen. Den Arzt wollte ich nur gleich fragen, damit ich Dir etwas Bestimmtes telegraphierenAnspielung auf ihr Telegramm aus Graz [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.2.1909]. kann.

Telegraphiere Dir morgen gleich, wann ich ankomme.

Innigst umarmt Dich
Deine Tilly


Hustest Du immer noch?

Tilly Wedekind schrieb am 24. Februar 1909 in Graz folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]

HERRN FRANK WEDEKIND MUENCHEN
PRINZREGENT STRASSE 50 ROEMFernschreiberkürzel zur Markierung römischer Zahlen (hier „3“ für „III“ = 3. Stock). 3,= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Graz [...]


BIN MORGEN DONNERSTAGden 25.2.1909, an dem Wedekind notierte: „In der Frühe kommt Tilly von Graz zurück.“ [Tb] 6.30 FRUEH MUENCHEN, = DEINE TILLY.

Frank Wedekind schrieb am 13. März 1909 in Dresden folgenden Brief
an Tilly Wedekind

WEBER’S HOTEL
DRESDEN
Ecke Postplatz u. Zwingerpromenade
Telefon 140 Lift. Elektrisch. Licht.
Centralheizung.


Dresden, den 13. März 1909


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Dein liebes Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.3.1909. – Wedekind notierte am 13.3.1909: „Telegramm über Premiere von Junge Welt“ [Tb], womit wohl das Telegramm seiner Frau gemeint war; es bezog sich auf die von der Akademischen Bühne veranstaltete Premiere seines Jugendstücks „Die junge Welt“ am Vorabend im Hebbel-Theater in Berlin, die er am 12.3.1909 notierte: „Premiere von Junge Welt.“ [Tb]. Ich weiß noch nicht, worauf es sich gründet. Die Telegramme aus dem Theater werden natürlich sehr günstig sein. Die Kritik im B.T.Monty Jacobs schrieb im „Berliner Tageblatt“ über die Berliner Premiere (siehe oben), es sei „eine Kraftverschwendung“ gewesen, „gerade Wedekinds Erstling ‚Die junge Welt‘“ für eine Inszenierung auszuwählen; es handle sich um „ein schlechtes Theaterstück“, um „eine Satire von vorgestern“, um „ein dramatisches Gefüge ohne Wirbelsäule“ [M.J.: Akademische Bühne. „Die junge Welt“, Komödie von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 38, Nr. 131, 13.3.1909, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)]. ist sehr abfällig. Ich stehe eben vor dem Vortrag. GesternWedekind ist dem Tagebuch zufolge morgens am 12.3.1908 von München nach Dresden gereist („Stehe ½ 7 auf Tilly begleitet mich zur Bahn Abfahrt von München [...]. Nach Tisch repetiere ich Vortrag Wohne Webershotel“), um dort am 13.3.1909 auf Einladung des Dresdner Goethebundes im Künstlerhaus (Beginn 20 Uhr) einen Vortrag zu halten; er las aus „Die Zensur“ und „Totentanz“ – ein erstmals am 25.11.1908 in München präsentiertes Programm [vgl. Wedekind an Emil Gutmann, 21.11.1908]. hab ich während der ganzen Fahrt studiert. Abends war ich alleinWedekind war am 12.3.1908 abends in einer von Paul Kneist betriebenen Dresdner Schankwirtschaft (große Brüdergasse 2) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1909, Teil I, S. 447] in diskussionsfreudiger Gesellschaft: „Bei Kneist mit Pastor Kaiser und seinem Schwiegersohn. Philosophische Unterhaltung.“ [Tb], ging um 12 zu Bett. Heute MittagFrank Wedekind notierte am 13.3.1909 das Mittagessen bei seiner Schwester Erika Wedekind, der berühmten Hofopernsängerin: „Zu Mittag bei Mieze.“ [Tb] war ich bei Mieze zu Tisch. Ich hoffe, daß Ihr, Du und Anna Pamela gesund seid und daß es Euch gut geht. Nach dem VortragWedekind war am 13.3.1909 nach seinem „Vortrag“ auf Einladung des Dresdner Goethebundes im Künstlerhaus (siehe oben) auf einer „Gesellschaft“ [Tb] im Palais de Saxe „mit Dr. Stössel“ [Tb] – Dr. phil. Alfred Stößel, der Schatzmeister des Dresdner Goethebundes; anschließen war er bis in die frühen Morgenstunden in einem Lokal: „Bis 5 Uhr Stadkaffe“ [Tb], im Stadtcafé (Sophienstraße 3) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1909, Teil IV, S. 47]. schreib ich wenn möglich noch eine Karte. Herzliche Grüße und Küsse
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 13. März 1909 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 13.3.1909 aus Dresden:]


Herzlichsten Dank für Dein liebes Telegramm.


[2. Hinweis in Wedekinds Tagebuch vom 13.3.1909 in Dresden:]


Telegramm über Premiere von Junge Welt [...]

Frank Wedekind schrieb am 14. März 1909 in Dresden folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind muenchen
prinzregentenstrasze 50 = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Dresden [...]


geliebte komme morgenWedekind reiste am 14.3.1909 abends von Dresden ab – „Abendessen Palais de Sax mit Mieze Walter und Kurt Martens, der mich zum Bahnhof begleitet Abfahrt“ [Tb] – und traf am 15.3.1909 in München ein: „Ankunft in München“ [Tb]. frueh bitte nicht abholen innigst = frank.

Frank Wedekind schrieb am 19. März 1909 in Wien folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

= tilly wedekind muenchen
prinzregentenstrahse 50= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Wien [...]


geliebte tilly fahre meiner arbeitWedekind war auf Vortragsreise (organisiert vom Konzertbüro Emil Gutmann in München). „Zum Vortrag kamen in Stuttgart am 21.3.1909 die zweite Szene von ‚Zensur‘, ‚Totentanz‘ und Gedichte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 103], ebenso wie zuvor am 17.3.1909 in Budapest und am 18.3.1909 in Wien [vgl. KSA 6, S. 679f.]. Wedekind hat seiner Frau über seine Aufenthalte in Budapest und Wien detailliert brieflich berichtet [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1909]. wegen direkt nach stuttgart. da morgenWedekind kam auf der Fahrt von Wien nach Stuttgart am 20.3.1909 über München, reiste aber gleich weiter: „Ankunft in München. Ich schreibe während des Vormittags in der Bahn. Ankunft in Stuttgart Ich schreibe in Kannstatt am Neckar. Arbeite im Weihenstephan und auf dem Bahnhof bis 4 Uhr“ [Tb]. doch wieder fort mueszte. komme montag abend. genaueres durch telegramm. budapest war leidlich. wien gut. innigste gruesze = frank =

Frank Wedekind schrieb am 19. März 1909 in Wien folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

ich halte es für richtiger gleich nach Stuttgart weiterzufahrenWedekind hat seiner Frau am selben Tag in einen Telegramm mitgeteilt (siehe unten), er werde auf der Reise von Wien – am 19.3.1909 „Abfahrt von Wien“ [Tb] – in München keine Station machen, sondern gleich nach Stuttgart weiterfahren, wo am 21.3.1909 abends ein Vortrag stattfand (siehe unten). Er notierte am 20.3.1909: „Ankunft in München. Ich schreibe [...] in der Bahn. Ankunft in Stuttgart“ [Tb]., weil ich sonst doch morgen Nacht schon weiter müßte und wir bei dieser Hetzerei wohl wenig Annehmlichkeit von einander hätten. Auf der FahrSchreibversehen, statt: Fahrt. ‒ Wedekind war auf Vortragsreise, zu der er dem Tagebuch zufolge am 16.3.1909 von München aufgebrochen ist („Tilly begleitet mich zur Bahn Abfahrt von München“), um zunächst über Wien nach Budapest zu reisen, wo er am 17.3.1909 eintraf („Abfahrt von Wien. Ankunft in Budapest. Wohne Hotel Royal“), um dort abends einen Vortrag zu halten (siehe unten). von Wien nach Budapest schrieb ich einigesWedekind arbeitete an seinem Einakter „Der Stein der Weisen“ [vgl. KSA 6, S. 900].. In Budapest wohnte ich nicht Hungaria sonderSchreibversehen, statt: sondern. Hotel Royal, in dessen Saal der | VortragWedekind las ‒ wie zuerst am 25.11.1908 im Bayerischen Hof in München ‒ am 17.3.1909 im Saal des Hotels Royal in Budapest, sein „Vortragsabend im ‚Royal‘-Saale“ [Pester Lloyd, Jg. 56, Nr. 64, 17.3.1909, Morgenblatt, S. 8], die zweite Szene von „Die Zensur“, „Totentanz“ sowie abschließend Gedichte, alles mit einleitenden Worten eröffnet [vgl. KSA 6, S. 679] und organisiert vom Konzertbüro Emil Gutmann in München. Die Presse bemerkte: „Man hörte ihn hier nicht zum ersten Male. [...] Man durfte damals bereits seine scharfe, markante Sprechkunst bewundern, die heute vom nicht minder markanten, doch poselosen Mienenspiel seines harten Napoleongesichtes unterstützt wurde. Sonst aber ist sein Vortrag durchaus ungesucht und natürlich [...]. Er verläßt sich ohne viel Interpretierkunst ganz auf die Wirkung seines Werkes. Leider las er kaum etwas, was repräsentativ [...] gewesen wäre. [...] Was er heute las, liegt nicht auf dem Wege seines eigentlichen Schaffens. Die ‚Zensur‘, deren zweite Szene man hörte, ist ein Selbstplädoyer, das heute wohl überflüssig ist. [...] Ungleich stärker ergriff sein ‚Totentanz‘. [...] Mit ein paar seiner älteren Gedichte beschloß Wedekind den Abend“ [Vortrag Frank Wedekinds. In: Pester Lloyd, Jg. 56, Nr. 65, 18.3.1909, Morgenblatt, S. 11]. stattfand. Am Nachmittag stieg ich in frischgefallnem Schnee auf die Ofner Burgder Burgpalast in Budapest oder die Budapester Burg (Budavári Palota), als „barockes Palais unter der Herrschaft Maria Theresias errichtet, wurde der Palast 1890-1903 um- und ausgebaut“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 104]. Der Burgpalast lag in Buda, deutsch: ‚Ofen‘, weshalb er vor der Vereinigung 1873 von Buda und Pest zu Budapest ‚Ofener Burg‘ hieß. Wedekind notierte am 17.3.1909: „Spaziergang auf die Ofener Hofburg.“ [Tb] und besichtigte nachher die beiden Kettenbrücken„die imposante Széchenyi-Kettenbrücke (erbaut 1839-1849) und die Elisabeth-Brücke (erbaut 1898-1903).“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 104]. Nach dem VortragWedekind notierte am 17.3.1909 zu seiner Lesung im Saal des Hotels Royal in Budapest (siehe oben): „Vortrag. Nach dem Vortrag sitze ich bis 1 Uhr mit Mery Bela im Hotelrestaurant.“ [Tb] Er saß mit dem Verlagsbuchhändler Belá Méry, der in Budapest eine angesehene Musikalienhandlung betrieb und die Münchner Konzertagentur Emil Gutmann in Budapest vertrat, im Restaurant des Hotels Royal. saß ich mit Gutmanns Vertreter Musikhändler Mery allein im Restaurant. Das PublikumDie Presse bemerkte über Wedekinds Lesung am 17.3.1909 im Hotel Royal in Budapest, dass ihr „ein zahlreiches und dankbar angeregtes Publikum beiwohnte.“ [Vortrag Frank Wedekinds. In: Pester Lloyd, Jg. 56, Nr. 65, 18.3.1909, Morgenblatt, S. 11] war sehr aufmerksam, applaudierte aber wenig. Ich ging um ein Uhr zu Bett, stand um 8 Uhr auf und fuhr hierhernach Wien. Wedekind notierte am 18.3.1909: „Abreise von Budapest. Ich schreibe im Coupe. Ankunft in Wien. Bummele bis 5 Uhr schreibend durch die Straßen.“ [Tb]. Als ich zum Hotel fuhr schneite es wieder. Am Nachmittag suchte ich Gutmanns Vertreternicht eindeutig identifiziert. Karten für den „Vortragsabend“ waren bei „Gutmann, Perles und an der Abendkasse zu haben.“ [Wedekind am Vorlesetisch. In: Die Zeit, Jg. 8, Nr. 2399, 18.3.1909, Morgenblatt, S. 4] Da der in Wien geborene Emil Gutmann, der seit 1906 in München das Konzertbüro Emil Gutmann (Sitz: Theatinerstraße 38) betrieb und die aktuelle Lesereise Wedekinds organisiert hat, der Sohn des Musikverlegers Albert Gutmann war, der in Wien eine bekannte Konzertagentur betrieb (Himmelpfortgasse 27), darf angenommen werden, dass dieses Konzertbüro seines Vaters seine Vertretung in Wien war. auf bummelte durch die Stadt und schrieb bis zum Beginn des VortragsWedekinds vom Verein für Kunst und Literatur veranstaltete Lesung am 18.3.1909 im Bösendorfer Saal in Wien, bei der er ‒ wie zuerst am 25.11.1908 im Bayerischen Hof in München ‒ die zweite Szene von „Die Zensur“, „Totentanz“ sowie abschließend Gedichte las, alles mit einleitenden Worten eröffnet [vgl. KSA 6, S. 679] und organisiert vom Konzertbüro Emil Gutmann in München, begann um 19.30 Uhr [vgl. Wedekind am Vorlesetisch. In: Die Zeit, Jg. 8, Nr. 2399, 18.3.1909, Morgenblatt, S. 4]. Begrüßt wurde er von Julie Speyer (seit 1899 mit Jakob Wassermann verheiratet), wie Wedekind am 18.3.1909 notierte: „Vortrag. Frau Wassermann begrüßt mich.“ [Tb]. Nachher fand sich eine große Ge|sellschaftWedekind notierte nach der Lesung im Bösendorfer Saal (siehe oben) am 18.3.1909 das Beisammensein im Ratshauskeller in Wien (Felderstraße 1), bei dem er Wilhelm von Wymetal, seit 1908 Oberregisseur an der Wiener Hofoper [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 642], Dr. Paul Stefan, Schriftsteller, Musikwissenschaftler und Sekretär beim Zentralverband österreichischer Industrieller [vgl. Der Fremdenverkehr. Offizielles Organ des Landesverband für Fremdenverkehr für Wien und Niederösterreich, Jg. 2, Nr. 15, 11.4.1909, S. 3], und Franz Servaes, seit 1904 Feuilletonchef der „Neuen Freien Presse“, begegnet ist (statt Ratshauskeller irrtümlich Ratskeller geschrieben): „Große Versammlung im Ratskeller Franz Servies Dr. von Wynnthal.“ [Tb] im Rathauskeller zusammen, von der ich nur Wimethal, Dr. Stefan und Franz Servaes kannte. Um zwölf Uhr empfahl ich mich, ging in die Pilsener BierkneipeWedekind war bei Perschill – Restaurant und Pilsener Bierhaus „zum Kühfuß“ (Naglergasse 1) sowie in einem weiteren Lokal, wie er am 18.3.1909 in Wien notierte: „Bei Perschill und Café de l’Europe bis 3 Uhr.“ [Tb] und saß dort allein bis zwei Uhr. Darauf legte ich mich schlafen.

Heute stand ich um 12 Uhr auf und packte meine Sachen. Bei Hartmann traf ich Roda RodaWedekind, der den k.k.-kritischen Schriftsteller Alexander Roda Roda am 19.3.1909 im Wiener Restaurant Hartmann (Kärntnerring 10) traf – „Mittags bei Hartmann treffe ich Roda Roda“ [Tb] – und ihn zuletzt am 12.1.1909 bei dem „Roda-Roda-Vortrag“ [Tb] in München gesehen hatte, erfuhr, dass er als Kriegsberichterstatter nach Serbien ging. Die Presse schrieb darüber im Zusammenhang mit dem drohenden Krieg (siehe unten): „Die Kriegsberichterstattung auf serbischer und montenegrinischer Seite hat Herr Roda Roda übernommen, der bekannte Militärschriftsteller, der, wie so mancher Publizist von Ruf, selbst aus den Reihen der österreichischen Armee hervorgegangen ist.“ [Kriegsgefahr und Berichterstattung. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 139, 24.3.1909, Morgenblatt, S. 5], der nach Belgrad fährt um den Krieg„Am 5.10.1908 hatte Österreich die türkischen Balkanprovinzen Bosnien und Herzegowina, seit 1878 durch den von den europäischen Großmächten geschlossenen Berliner Vertrag der österr. Militärverwaltung unterstellt, völkerrechtswidrig annektiert. Es drohte ein Krieg auszubrechen, da England und Russland darauf bestanden, die alten Rechtszustände auf dem Balkan wiederherzustellen. Da das Deutsche Reich sich bedingungslos politisch und militärisch hinter die Interessen der österr. Monarchie stellte, sah sich jedoch das durch den Russisch-Japanischen Krieg militärisch geschwächte Russland genötigt, am 25.3.1909 dem Anschluss von Bosnien-Herzegowina an Österreich-Ungarn zuzustimmen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 104f.] mitzumachen. Nach Tisch fuhr ich auf den Döblinger Friedhof und bestellte einen GrabsteinFrank Wedekind notierte am 19.3.1909 in Wien seinen Besuch auf dem Döblinger Friedhof, wo am 9.6.1908 sein Bruder Donald Wedekind beerdigt worden ist: „Fahrt auf den Friedhof. Bestelle Grabschmuck und Grabstein für Donald.“ [Tb] für Donalds Grab.

Dies sind meine Reiseerlebnisse, geliebte Tilly. In Stuttgart werde | ich voraussichtlich Hotel Marquart wohnen. Ich denke daß ich Gerhäuser wol gelegentlich des Vortragsaus Anlass von Wedekinds Lesung am 21.3.1909 in Stuttgart (organisiert vom Konzertbüro Emil Gutmann in München), veranstaltet von der Museums-Gesellschaft im Oberen Museum in Stuttgart (Kanzleistraße 11), wo wieder mit einer von ihm gesprochenen Einleitung die zweite Szene von „Die Zensur“, „Totentanz“ und Gedichte zum Vortrag kamen [vgl. KSA 6, S. 679f.] ‒ wie zuerst am 25.11.1908 im Bayerischen Hof in München. Wedekind notierte am 21.3.1909 in Stuttgart: „Entzückender Spaziergang mit Gerhäuser Vortrag. Bei Bertram mit Gerhäuser Kühn Eisenstein und Braunfels Café Königsbau.“ [Tb] sehen werde. Vorher werde ich ihn wohl schwerlich aufsuchen, da ich sehr mit meiner Arbeit beschäftigt bin.

Mein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1909. wirst Du derweil bekommen haben. Ich telegraphiere Dir noch, wann ich Montag Abend ankomme. Ich freue mich sehr darauf.

Ich hoffe, geliebte Tilly, daß es Dir und Anna Pamela gut geht. Grüße und küsse sie von mir.

Mit innigstem Kuß in Liebe
Dein
Frank


19.3.9Wedekind notierte am 19.3.1909 in Wien: „Brief an Tilly“ [Tb]..

Tilly Wedekind schrieb am 20. März 1909 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstagder 20.3.1909..


Mein lieber, geliebter Frank,

vielen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1909 (Brief).. Ich werde sehr froh sein, wenn diese Plagerei für Dich ein Ende hat. Im ersten Moment war ich ja sehr enttäuscht als ich Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1909 (Telegramm). erhielt, aber bei ruhiger Überlegung sagte ich mir natürlich auch, dass es so besser und angenehmer für Dich ist. |

Viel Neues kann ich Dir nicht berichten. Annapamela ist Gottlob gesund und munter, und geht viel spazieren. Sie schickt Dir viele Küsse, sie würde selbst schreiben, aber sie liegt schon zu Bett.

Mittwoch war ich fast den ganzen Tag zu Hause, besorgte nur etwas in der Stadt. Donnerstag hatte ich Stunde bei Frl. SchmidEs dürfte sich um Therese Schmid handeln, Solotänzerin am Münchner Hofballett [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 533], die in München (Rumfordstraße 42) [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 514], „privat Tanzunterricht erteilte.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 105], und war abends in dem VortragArtur Kutschers vom Neuen Verein veranstalteter Vortrag am 18.3.1909 begann um 20 Uhr: „Der Donnerstag [...] im Russischen Hof stattfindende Vortragsabend, bei dem Dr. Artur Kutscher über ‚Das Künstlertheater und Max Reinhardt‘ sprechen wird, beginnt Punkt 8 Uhr.“ [Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 129, 18.3.1909, Morgenblatt, S. 2] In einer Kurzrezension heißt es über den Vortrag: „Nach einem Privatissimum über die Unterscheidungsmerkmale berufener und unberufener Kritik, gab der Vortragende, ohne im wesentlichen Neues zu sagen, eine übersichtliche Synthese der gegenwärtigen Situation der Künstlertheater-Idee und versuchte, die Ziele des Problems [...] mit klaren Worten aufzuzeigen.“ [-er: Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 132, 20.3.1909, Vorabendblatt, S. 2] Tilly Wedekind saß neben Gertrud Kutscher (geb. Schaper), Artur Kutschers Ehefrau, und begegnete Georg Fuchs, der das Münchner Künstlertheater leitete, sowie Karl Henckell.. Ich saß neben Fr. Kutscher, | deren Tantenicht identifiziert. Vormittags das Billett für mich abgegeben hatte. Von Bekannten waren Fuchs u. Henckell; es war furchtbar leer u. sehr stimmungslos. Nachher fuhr ich gleich in einer Droschke nach Hause. Gestern war ich den ganzen Tag zu Hause, las u. gieng auf der KugelFrank Wedekind hatte für Tilly Wedekinds „Auftritte im Einakter ‚Die Zensur‘ [...] eine Laufkugel angefertigt, auf der sie gehen sollte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 106].. Heute gieng ich Vormittag Bischen mit Frau Heinrichwohl Schreibversehen, statt: Langheinrich. ‒ Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) und ihr Mann Max Langheinrich waren mit Frank und Tilly Wedekind „eng befreundet.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 106] spazieren, traf in der Elektrischenin der Trambahn (Straßenbahn). Frau Roda-RodaElsbeth Anna Freifrau von Zeppelin (geb. Leuckfeld von Weysen), die mit Alexander Roda Roda seit 1905 „in offener Ehe“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 106] lebte – seit 1907 in München (Clemensstraße 2) [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 465]. Sie dürfte sich mit Tilly Wedekind darüber unterhalten haben, dass ihr Mann in Wien und im Begriff war, als Kriegsberichterstatter nach Serbien zu gehen, wie diese von ihrem Mann wusste [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1909 (Brief)]., | und war Nachmitttags bei der Schneiderinvermutlich bei Auguste Goebel, Damenschneiderin in München (Ainmillerstraße 32, Hinterhaus, Parterre) [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 167; Teil II, S. 23; Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 171], die Tilly Wedekind ihr Kostüm für die Rolle der Kadidja in „Die Zensur“ schneiderte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.2.1910].. Ich glaube Du wirst mit dem Costümmöglicherweise bereits „das Kostüm für ihre Rolle der Kadidja in ‚Die Zensur‘.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 106] zufrieden sein.

Nun telegraphiere bald, wann ich Dich abholen darf, u. grüß’ Gerhäuser bestens von mir.

Innigst umarmt Dich
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 22. März 1909 in Stuttgart folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind muenchen
prinzregentenstrasze 50= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Stuttgart [...]


= geliebteste tilly, ich komme heute abendWedekind, der seiner Frau mit dem vorliegenden Telegramm aus Stuttgart seine Ankunft abends um 21.37 Uhr in München ankündigt, notierte am 22.3.1909: „Rückfahrt nach München. Schreibe während der ganzen Fahrt. Tilly holt mich ab.“ [Tb] 9 uhr 37 = innigst frank.

Tilly Wedekind schrieb am 26. November 1909 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, Freitagder 26.11.1909..


Mein lieber Frank,

bitte schreib’ mir recht bald wie der VortragWedekind hatte am 26.11.1909 um 20 Uhr im Großen Saal des Conventgartens in Hamburg eine Lesung, bei der er „Totentanz“ und „Der Stein der Weisen“ vortrug, wie angekündigt war [vgl. Hamburgischer Correspondent, Jg. 179, Nr. 600, 26.11.1909, Morgen-Ausgabe, S. 4]. war. War es gut besucht? Es interressiertSchreibversehen, statt: interessiert. mich sehr, was die Hamburger gesagt haben. Hast Du Gesellschaft gefunden? Wenn Du morgen schon weiter fährstWedekind reiste am 27.11.1909 mit einem Nachtzug von Hamburg nach Leipzig, wo er am 28.11.1909 eintraf [vgl. Tb]., wird Dir der Brief wohl nach Leip|zig nachgeschickt.

Der Nachmittag gesternDie Schriftstellerin Elsa Bernstein (Pseudonym: Ernst Rosmer) hatte Tilly Wedekind offenbar am 25.11.1909 zu einem Tee in ihren Salon – „den wohl bedeutendsten Salon Münchens“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 107] – geladen (Briennerstraße 8a), bei dem auch ihre Mutter Wilhelmine Porges, Witwe eines königlich bayrischen Musikdirektors, mit deren Tochter Gabriele Porges, Schwester Elsa Bernsteins und „Salonniere“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 107], zugegen waren. bei Frau Bernstein war überraschend nett u. hat mir einen kleinen Theil meiner Selbstachtung oder meines Selbstbewusstseins wieder gegeben. Frau Borges ist wirklich eine entzückende, alte Frau. Fräulein Gabriele war auch da, leider fand ich keine Gelegenheit mich | mit ihr zu unterhalten.

Heute war ich wie gewöhnlich mit Anna Pamela spazieren. NachmittagsTilly Wedekind war am 26.11.1909 nachmittags zu Besuch bei der Schauspielerin Elisabeth Steinrück (geb. Gussmann), Gattin Albert Steinrücks und Schwägerin Arthur Schnitzlers. war ich bei Frau Steinrück u. habe mich intimer mit ihr unterhalten als je.

Gott vielleicht wird’s doch noch mit der Zeit.

Du musst halt nur recht viel Geduld mit | mir haben, geliebter Frank!

Anna Pamela wollte in der Früh in Dein Schlafzimmer, als wir nach Hause kamen, lief sie auch gleich in Dein Arbeitszimmer. Sie hat mir auch ihre Hilfe angeboten, damit ich nach Tisch auf der Kugel gehenFrank Wedekind hatte für Tilly Wedekinds „Auftritte im Einakter ‚Die Zensur‘ [...] eine Laufkugel angefertigt, auf der sie gehen sollte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 106]. kann. Die hab’ ich gestern auch b glücklich angebracht. (die Kugel)

Von ganzem Herzen, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 26. November 1909 in Hamburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
50. Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebteste Tilly! Ich bin eben angekommenWedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 25.11.1909 mit dem Nachtzug nach Hamburg („Tilly begleitet mich zum Bahnhof. Lese Stein der Weisen durch. Abendessen im Speisewagen. Schlaflose Nacht im Schlafwagen. Ankunft in Hamburg“), traf dort morgens am 26.11.1909 ein, nahm im Hamburger Hof (Jungfernstieg 30) Quartier und frühstückte („Frühstück im Hamburger Hof“)., wohne Hamburger Hof, Alter Jungfernstieg habe wenig geschlafen, fand zwischen vier und neunzwischen 16 und 21 Uhr am 25.11.1909 im Zug von München nach Hamburg – Wedekind ging seinen Einakter „Der Stein der Weisen“ durch (siehe oben), den er am 26.11.1909 zusammen mit „Totentanz“ um 20 Uhr auf einer Lesung im Conventgarten in Hamburg (Neuer Wall 1) präsentierte. gerade noch Zeit St.d.W. durchzunehmen. Gesprochen habe ich noch niemand. Küsse Annapamela von mir und sei selber herzlichst geküßt von Deinem
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 27. November 1909 in Hamburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
50 Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebteste Tilly, der VortragWedekind notierte am 26.11.1909: „Vortrag im Conventgarten.“ [Tb] Er las um 20 Uhr im Großen Saal [vgl. Hamburgischer Correspondent, Jg. 179, Nr. 600, 26.11.1909, Morgen-Ausgabe, S. 4] des Conventgartens in Hamburg (Neuer Wall 1) seine Einakter „Totentanz“ [vgl. KSA 6, S. 680] und „Der Stein der Weisen“ [vgl. KSA 6, S. 1008]. ist glücklich vorüber, war nicht sehr besuchtIn der Presse wurde berichtet: „Der Saal war [...] nur halbvoll.“ [Altonaer Nachrichten, Jg. 60, Nr. 557, 28.11.1909, Morgen-Ausgabe, S. (2)], dauerte sehr lang. NachherWedekind notierte nach dem Vortrag im Conventgarten (siehe oben) am 26.11.1909 sein Beisammensein mit Leopold Jessner, Oberregisseur am Hamburger Thalia-Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 454], Käthe Franck-Witt, Schauspielerin am Thalia-Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 455], die dort am 27.9.1906 in Jessners „Erdgeist“-Inszenierung die Rolle der Lulu gespielt hat [vgl. KSA 3/II, S. 1230], und Hermann Gura, Kammersänger und Oberregisseur der Oper des Hamburger Stadttheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 445] sowie zugleich Direktor des Neuen Königlichen Operntheaters (Kroll) in Berlin, der „Gura-Oper“ [Neuer Theater-Almanach 1910, S. 280]: „Mit Jeßner bei Kempinsky. [...] Mit Jeßner Frankwitt Gura und Frauen im Alsterpavillon.“ [Tb] war ich mit Leopold Jeßner, Frank Witt und Kammersänger Gura zusammen. Heute, Samstagder 27.11.1909, an dem Wedekind zuletzt notierte: „Im Schlafwagen nach Leipzig.“ [Tb] Er traf dort am 28.11.1909 ein und logierte im Hotel Der Kaiserhof (Georgiring 7b) [vgl. Leipziger Adreßbuch 1910, Teil III, S. 43]., Abend fahre ich nach Leipzig, wohne dort Hotel Kaiserhof. Herzlichste Küsse und Grüße Dir, geliebte Tilly und Annapamela
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 27. November 1909 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstagder 27.11.1909..


Mein lieber Frank,

vielen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.11.1909.! Hast Du meinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.11.1909. bekommen? Ich war mit Anna Pamela Vor- u. Nachmittag spazierenTilly Wedekind hat auch in ihrem vorigen Brief berichtet, sie sei mit ihrer Tochter Pamela „wie gewöhnlich [...] spazieren“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.11.1909] gewesen., abends hab ich sie gebadet, dann aß ich mit ihr in ihrem Zimmer Abendbrot.

Sonst hab’ ich nichts erlebt. | Sende Dir gleichzeitig die heutige Post. Wann kommst Du zurück?

Innigst umarmt Dich
Deine Tilly


Anna Pamela küsst Dich vielmals.

Frank Wedekind schrieb am 28. November 1909 in Leipzig folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
50 Prinzregentenstrasse 50 |


Liebe Tilly! Ich habe den gestrigen Tagden 27.11.1909 in Hamburg, an dem Wedekind nach seiner Lesung am Vorabend im Conventgarten dem Tagebuch zufolge die Betreiberin des Conventgartens aufsuchte („Besuch bei Leichsenring“), die Witwe des Musikverlegers Max Leichssenring, anschließend das Fotoatelier Emil Bieber („Bieber photographiert mich“), und sich dann bis zur Abreise nach Leipzig der Stadt Hamburg und der Presseresonanz auf seine Lesung widmete („Stadtbesichtigung. Diner im Hotel. Kofferpacken Spaziergang. Im Café Belvedere lese ich die Kritiken. Abendessen im Ratsweinkeller Im Schlafwagen nach Leipzig“). in Hamburg allein zugebracht und heute auch noch niemanden gesehn. Die Kritikendie Besprechungen seiner Lesung am 26.11.1906 im Conventgarten in der Hamburger Presse, die Wedekind am 27.11.1909 noch in Hamburg gelesen hat: „Im Café Belvedere lese ich die Kritiken.“ [Tb] Sie sind in den Morgen-Ausgaben des 28.11.1909 erschienen, waren aber vermutlich am Vortag schon greifbar: Im „Hamburger Fremdenblatt“ hieß es, „Der Stein der Weisen“ sei „eine langatmige Dichtung, absolut ungeeignet zu einem Vortragsabend [...] und vor allem langweilig. Immerhin – an einigen Stellen entdeckte man den Dichter Wedekind“ [KSA 6, S. 987], im „Hamburgischen Correspondent“ meinte Carl Müller-Rastatt: „Je länger die Vorlesung währte, desto gelangweilter erschien das Publikum“ [KSA 6, S. 1008]. waren mäßig aber wenigstens nicht vernichtend. Auf heuteder 28.11.1909, an dem Wedekind sein abendliches Treffen mit dem befreundeten Rechtsanwalt Dr. Kurt Hezel (dabei war auch der Rechtsanwalt Dr. Martin Drucker) im Wein-Restaurant August Simmer (Petersstraße 34) und im Café Bauer (Roßplatz 6) notierte, den er morgens in seiner Wohnung aufgesucht hat (Roßplatz 7): „Ankunft in Leipzig. Hetzel liegt noch zu Bett. [...] Abends mit Hetzel und Martin Drucker bei Simmer und in Café Bauer“ [Tb]. (Sonntag) Abend habe ich mich mit Kurt Hetzel verabredet. Es ist hier rauh und kalt, so daß das Spazierengehen wenig Vergnügen macht. Ich wohne Hotel Kaiserhof. Morgenam 29.11.1909, an dem Wedekind die jungen Schriftsteller Kurt Pinthus, der in Leipzig studierte und dort 1910 zum Dr. phil. promoviert wurde, und Walter Hasenclever, der seit 1909 in Leipzig studierte, getroffen hat, um dann mit einem Nachtzug nach München zurückzufahren: „Besuch bei Hasenklever. [...] Abendessen mit Hasenklever Pinthus und Hetzel im Ratskeller. Abfahrt nach München Nachts 1 Uhr.“ [Tb], Montag, Abend, fahre ich voraussichtlich nach München zurück. Die Studenten habe ich auch noch nicht gesehen. Morgen werde ich Zeit genug dazu haben. Ich schreibe die Karte in einem sehr schönen neuen Café neben dem alten Rathaus.

Herzliche Küsse und Grüße sendet Dir und Annapamela
Dein Frank.

Frank Wedekind schrieb am 29. November 1909 in Leipzig folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

= tilly wedekind muenchen
prinzregentenstrasze 50 = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Leipzig [...]


geliebteste tilly, herzlichen dank fuer allesWedekind bedankt sich hier offenbar für die nachgesandte Post [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.11.1909] und für die beiden Briefe seiner Frau [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.11.1909 und 27.11.1909], nach denen sie ihn telegrafisch ausdrücklich gefragt hat [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.11.1909].. komme morgen fruehWedekind notierte am 29.11.1909: „Abfahrt nach München Nachts 1 Uhr“ [Tb], am 30.11.1909: „Ankunft in München 1. Stunde Verspätung“ [Tb], er traf also um 11 Uhr ein. zehn uhr muenchen an = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 29. November 1909 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

herrn frank wedekind
lejpzig hotel kaiserhof =


Telegraphie des Deutschen Reiches.
Leipzig. Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] muenchen [...]


geliebter frank hoffe dich im besitz meiner beiden briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.11.1909 und 27.11.1909., freuen uns sehr auf dein kommen innigst tilly und annapameraÜbertragungsfehler, statt: anna pamela.

Frank Wedekind schrieb am 6. Dezember 1909 in Wien folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebteste Tilly! Ich wohne Hotel Tegethoff. Jarno riet mirFrank Wedekind notierte am 6.12.1909: „Im Cafe mit Jarno Ziehe ins Hotel Tegetthoff“ [Tb]; er hat mit Josef Jarno, Direktor des Wiener Lustspieltheaters und neuerdings auch des Theaters in der Josefstadt [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 676], nicht nur über seine mögliche Hotelunterkunft in Wien – Residenz-Hotel (Teinfaltstraße 6), Hotel „Continental“ (Praterstraße 7) oder Hotel Tegetthoff (Johannesgasse 23) – gesprochen, sondern vor allem über das anstehende Gastspiel Frank und Tilly Wedekinds am Lustspieltheater in Wien vom 15. bis 19.12.1909 mit „Musik“ (Premiere: 15.12.1909) sowie „Die Zensur“ und „Der Kammersänger“ (Premiere: 17.12.1909). vom Residenzhotel ab, wußte nichts anderes als Continental und fand auch Tegethoff sei besser.

Eben war ich bei Hartmann mit Singer, Geiringer und Dörmann zusammen. Alle freuen sich sehr, Dich wiederzusehenFrank Wedekind notierte anschließend an das Treffen mit Josef Jarno am 6.12.1909: „Bei Hartman mit Singer Geringer Dörmann e.ct e.ct“ [Tb]; er traf bei Hartmann, einem von ihm gern besuchten Restaurant (Kärntnerring 10), Wilhelm Singer, Chefredakteur des „Neuen Wiener Tagblatt“, Anton Geiringer, nach wie vor Sekretär und Kassenverwalter am Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 669], und den Schriftsteller Felix Dörmann, die Tilly Wedekind alle drei im Vorjahr zuletzt in Wien gesehen hat, als Frank Wedekind vom 9. bis 22.5.1908 dort sein Gastspiel in „Frühlings Erwachen“ am Deutschen Volkstheater hatte (Direktion seinerzeit: Josef Jarno). Sie war am 10.5.1908 mit ihrem Mann nachweislich bei „Hermann Bahr zu Tisch mit Willhelm Singer“ [Tb] – „Wedekinds, Singer bei mir“ [Tb Bahr, Bd. 5, S. 379], notierte der Gastgeber. Wann genau sie mit den beiden anderen Herren zusammenkam, ist nicht belegt, Anton Geiringer aber dürfte sie im Zuge des Gastspiels ihres Mannes mehrfach gesehen haben.. | Mit Jarno besprach ich die Besetzung. Er kommt uns jedenfalls mit sehr viel gutem Willen entgegen. Augenblicklich sitze ich allein bei PerschillWedekind notierte zu späterer Stunde am 6.12.1909: „Bei Perschill geschrieben“ [Tb]; er hat bei Perschill – Restaurant und Pilsener Bierhaus „zum Kühfuß“ (Naglergasse 1) auch den vorliegenden Kartenbrief geschrieben..

Mit innigsten Küssen und Grüßen an Dich und Annapamela
Dein Frank


6.12.9.

Frank Wedekind schrieb am 6. Dezember 1909 in Wien folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebteste Tilly! Der VortragWedekind notierte am 5.12.1909 (Sonntag): „Fahrt nach Brünn. [...] Vortrag. Totentanz verboten.“ [Tb] Bei der Lesung in Brünn kam „Rabbi Esra“ anstelle von „Totentanz“ zum Vortrag, wie der vorliegende Kartenbrief dokumentiert, „außerdem die zweite Szene des Einakters ‚Die Zensur‘ und Gedichte.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 109] ist glücklich vorbei und ich sitze wieder in WienWedekind ist am 4.12.1909 abends mit dem Nachtzug von München aufgebrochen, kam am 5.12.1909 über Wien, um von dort nach Brünn zu seinem Vortrag (siehe oben) zu fahren, und reiste am 6.12.1909 zurück nach Wien [vgl. Tb], wo er um die Mittagszeit eintraf und im Nordbahnhof den vorliegenden Kartenbrief schrieb: „Rückfahrt nach Wien. Mittag im Nordbahnhof.“ [Tb] Wedekind war wegen eines Gastspiels vom 15. bis 19.12.1909 am Lustspieltheater (Direktion: Josef Jarno) in Wien, wo „Musik“ sowie „Die Zensur“ und „Der Kammersänger“ gespielt wurde. auf dem Nordbahnhof. Im Schlafwagen habe ich nicht eine Minute geschlafen, war deshalb gestern etwas zerschlagen. DirekteSchreibversehen, statt: Direkter. Anschluß nach Brünn war nicht möglich, da der Zug von München erst 7 Uhr 30 hier ankommt. Du wirst auch darauf gefaßt sein müssenTilly Wedekind reiste vom 8. auf den 9.12.1909 ebenfalls mit dem Nachtzug von München nach Wien und weckte ihren Mann am späteren Vormittag: „Um 11 Uhr weckt mich Tilly“ [Tb, 9.12.1909].. Am Sonntag Vormittag war ich im Museum, kam erst um 4 Uhr in Brünnum 16 Uhr Ankunft in Brünn. Wedekind hat am 5.12.1909 notiert: „Ankunft in Wien, fahre zum Nordbahnhof. Besuch im Museum. Speise Nordbahnhof. Fahrt nach Brünn.“ [Tb] an. Totentanz war verboten, trug deshalb Rabbi Esra vor. Es war mir ganz angenehm da ich mich nicht so anzustrengen brauchte. Die Aufnahme war bedeutend besser als in HamburgAnspielung auf Wedekinds Lesung am 26.11.1909 im Conventgarten in Hamburg. Die Presse hat kurz zuvor gemeldet: „Frank Wedekind wurde [...] bei seiner Vorlesung im Konventgarten in Hamburg von den angewiderten und gelangweilten Zuhörern energisch ausgezischt.“ [Prager Tagblatt, Jg. 23, Nr. 331, 1.12.1909, Morgen-Ausgabe, S. 11]. Nach|her waren wir mit einigen Kritikern und StudentenWedekind hat am 5.12.1909 im Anschluss an den Vortrag in Brünn notiert: „Kneiperei im Grand Hotel. Kritiker Strobl.“ [Tb] Das war wohl der Schriftsteller Karl Hans Strobl; wer sonst dabei war, ist unklar. zusammen. Heute Vormittag sah ich mir die Stadt anWedekind notierte am 6.12.1909 über Brünn: „Besichtige den Dom von außen.“ [Tb] und fuhr dann hierher. Ich schreibe Dir heute Abendvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 6.12.1909. Wedekind nahm ein Zimmer im Hotel Tegetthoff. noch einmal wo ich wohne.

Vergiß doch bitte nicht, geliebte Tilly, meinen englischen Strohhut mitzubringen für 1. Akt MusikDas erste Bild von „Musik“ sieht einen Hut als Requisite für die Rolle des Josef Reissner, die Wedekind bei dem anstehenden Gastspiel am Wiener Lustspieltheater (siehe oben) spielte, nicht vor [vgl. KSA 6, S. 157-165]. Die Proben zu „Musik“ begannen am 9.12.1909, am 15.12.1909 war Premiere, weitere Vorstellungen folgen am 18. und 19.12.1909..

Ich hoffe sehr, daß ihr euch beide wohl befindet. Das Wetter ist ja glücklicher Weise milde. Wegen der Züge nach GrazWährend Tilly Wedekinds Gastspielaufenthalt in Wien ab dem 9.12.1909 fuhr das Kindermädchen zusammen mit Pamela Wedekind offenbar weiter nach Graz zu Tilly Wedekinds Eltern, wurde aber gemeinsam mit dem Kind wegen einer Erkrankung vorzeitig abgeholt, wie Frank Wedekind im Tagebuch festhielt – am 20.12.1909 („Tilly bekommt Brief von Graz daß das Mädchen krank ist [...]. Tilly fährt nach Graz“), 21.12.1909 („Abend neun Uhr kommt Tilly mit Annapamela und dem Mädchen“) und 22.12.1909 („In aller Frühe bringt Tilly das Mädchen zur Bahn“); die Tochter blieb bei ihren Eltern und kehrte mit ihnen am 23.12.1909 nach München zurück („Ankunft in München. Wir fahren zu Dritt in unsere Wohnung und schlafen. Annapamela ist sehr erkältet. Dr. Hauschild kommt“). werde ich noch nachsehen. Jetzt werde ich versuchen Jarno in seinem Café zu treffenWedekind notierte am 6.12.1909 in Wien: „Im Cafe mit Jarno“ [Tb]. Josef Jarno war Eigentümer und Direktor des Lustspieltheaters in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 672], wo Wedekind vom 15. bis 19.12.1909 ein Gastspiel gab..

Innigst küßt Dich und Annapamela
Dein getreuer
Frank.


6.12.9.

Tilly Wedekind schrieb am 7. Dezember 1909 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

herrn frank wedekind
wien hotel tegetthoff


Telegramm
aus muenchen


= haben genuegend zeit onkel dagobert erwartet unsDagobert Engländer, der in Wien ansässige Bruder von Tilly Wedekinds Mutter, dürfte seine Nichte mit Tochter erwartet haben. Frank Wedekind in Wien notierte am 9.12.1909 das Eintreffen seiner Frau, die mit dem Nachtzug von München gekommen sein dürfte: „Um 11 Uhr weckt mich Tilly, geht dann zu Onkel Dagobert.“ [Tb] bitte dich nicht stoerenWedekind war vollauf beschäftigt – nicht zuletzt mit den Vorbereitungen des Wiener Gastspiels vom 15. bis 19.12.1909 mit „Musik“ (Premiere: 15.12.1909) sowie „Die Zensur“ und „Der Kammersänger“ (Premiere: 17.12.1909). zu lassen bringe alles mitWedekind hatte für das Gastspiel am Wiener Lustspieltheater um Kostümausstattung – einen Hut – gebeten [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 6.12.1909 (erster Kartenbrief)]. =
= innigst deine tilly.

Frank Wedekind schrieb am 7. Dezember 1909 in Wien folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind muenchn
prinzregentenstrasze 50= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Wien [...]


wohne hotel tegetthoff herzlychste gruesze frank

Tilly Wedekind schrieb am 8. Dezember 1909 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind wien 1
hotel tegetthoff =


Telegramm
aus muenchen [...]


= geliebter frank vielen dank fuer nachricht frohes wiedersehnTilly Wedekind dürfte am 8.12.1909 von München mit dem Nachtzug nach Wien zum Gastspiel am Wiener Lustspieltheater gereist und am nächsten Morgen eingetroffen sein. Frank Wedekind notierte am 9.12.1909: „Um 11 Uhr weckt mich Tilly“ [Tb]. innigst deine = tilly.

Frank Wedekind schrieb am 1. Februar 1910 in Berlin folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in München
Wohnung (Straße und Hausnummer) Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebte Tilly! Ich habe die Nacht wenig geschlafenWedekind reiste am 31.1.1910 mit dem Nachtzug nach Berlin, um die in seinen Notizbüchern unter dem Stichwort „Contra Cassirer“ [vgl. KSA 5/III, S. 126-141] dokumentierten Streitigkeiten mit seinem Verleger Bruno Cassirer, der den Verkauf der Rechte an Wedekinds Werken verweigerte, persönlich zu klären: „Ich packe den ganzen Tag. Nehme Geld auf der Bank auf. Tilly begleitet mich zur Bahn. Abendessen. Schlaflose Fahrt.“ [Tb]. Hier nahm ich ein BadWedekind notierte am 1.2.1910: „Wohne Habsburger Hof. Bad. Besuch bei Cassirer.“ [Tb] Wedekind hat die heftige Auseinandersetzung mit Bruno Cassirer am 1.2.1910 in dessen Verlagsräumen im Berliner Bezirk Tiergarten (Derfflingerstraße 16) in seinem Dialogfragment „Scene mit Cassirer“ [vgl. KSA 7/I, S. 564] szenisch gestaltet. im Habsburger Hof, frühstückte und ging dann zu Cassirer. Als ich ihn zur Rede stellte, warum er die Fragen in meinen Briefen nicht beantwortete, drohte er sofort, mich durch seine Leute hinauswerfen zu lassen und hatte auch schon auf den elektrischen Knopf gedrückt, wenn ich recht gesehen habe. Darauf riß mir die Geduld. Ich versetzte ihm ein paar Ohrfeigen. Er zog sich zur Thür zurück und zwei seiner Leute traten ein. Er hetzte sie wie Hunde auf mich, aber es hat mich niemand angerührt. Ich zog ruhig meinen Rock an und nahm Hut und Stock und ging. Darauf ging ich eine Stunde im Thiergarten spazieren, schreibe Dir jetzt diese Karte und werde | dann wohl mit Barnowsky sprechenWedekind notierte am 1.2.1910 (im Anschluss an seinen Besuch bei Bruno Cassirer): „Besuch bei Barnowsky“ [Tb]. Sein Gespräch mit Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin (Unter den Linden 44) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 290], betraf die Inszenierung seines Schwanks „Der Liebestrank“ (1899), der zusammen mit dem Einakter „Die Zensur“ am 6.10.1910 am Kleinen Theater Premiere hatte (ein Gastspiel Wedekinds). wegen Liebestrank. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß die Geschichte ganz anders als wie ich sie Dir hier erzählt habe, in die Zeitung kommt. Ich halte es aber nicht für wahrscheinlich, daß Cassirer die Zeitungen benachrichtigtBruno Cassirer hat sich mit der Sache nicht an die Presse gewandt. Der Verleger gab dann allerdings im weiteren Verlauf der Streitigkeiten mit seinem Autor am 10.3.1910 im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ eine Anzeige auf, in der er Wedekinds Werke zum Verkauf anbot [vgl. KSA 5/III, S. 752].. Ich werde vorderhand niemandem etwas davon erzählenWedekind hat die heftige Auseinandersetzung mit Bruno Cassirer am 1.2.1910 in Berlin, bei der er sich zu Tätlichkeiten hinreissen ließ, später Maximilian Harden erzählt [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 25.4.1910], der bei den Streitigkeiten zu vermitteln suchte.. Wenn ein Brief von Cassirer kommt, dann öffne ihn bitte und telegraphiere mir in wenigen Worten den Inhalt. Dann schick den Brief auch sofort hierher, Habsburger Hof am Anhalter Bahnhof. Ich werde Cassirer vorderhand meine Adresse nicht mittheilen, damit er nicht glaubt, daß ich eine Unterredung mit ihm wünsche. Ich hoffe, geliebte Tilly, | daß es Dir und Anapamela recht gut geht. Ich kann hier vorderhand nichts thun als abwarten. Dir und Annapamela herzlichste Grüße und Küsse.
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 2. Februar 1910 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind berlin
habsburgerhof am anhalterbahnhof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] muenchen [...]


innigsten dank fuer nachrichtvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.2.1910. schicken dir tausend gruesze brief folgt = deine tilly u annapamela

Tilly Wedekind schrieb am 2. Februar 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mittwochder 2.2.1910..


Innigst geliebter Frank,

Dein Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.2.1910. hat mich sehr erregt u. ich kann mir vorstellen in welcher Aufregung Du gestern Vormittag gewesen sein musst. Ich bin gespannt, was Cassirer jetzt beginnt. Bis jetzt ist kein Brief als der von der Banknicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Deutsche Bank Filiale München an Wedekind, 1.2.1910. – Wedekind war am 31.1.1910 in München vor seiner Abreise nach Berlin bei der Deutschen Bank: „Nehme Geld auf der Bank auf.“ [Tb] Er hat dort seinem Kontobuch zufolge 1000 Mark aufgenommen („DB aufgenommen 1000“). für Dich eingetroffen. | Ich habe Angst um Dich geliebter Frank, u. werde froh sein, wenn ich Dich glücklich wieder habe! Ich bekomme Herzklopfen, wenn ich an die Scene denke!

Hast Du Barnowsky schon gesprochen? Wie ist es mit Liebestrank? Hast Du sonst schon Leute gesehen? Wie findest Du Berlin? Du hast sicher in der | ZeitungBerliner Zeitungen meldeten in ihren Morgen-Ausgaben: „Dresden, 1. Februar. [...] Im Alter von 44 Jahren verschied heute abend 7 Uhr der Dichter Otto Julius Bierbaum nach schwerem chronischen Nierenleiden an Herzlähmung“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 53, 2.2.1910, Morgen-Ausgabe, S. 8]; „dieser Tod kommt als eine schmerzliche Überraschung“ [F.L. (Felix Lorenz): Otto Julius Bierbaum †. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 58, 2.2.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. gelesen, oder von jemand gehört, dass Bierbaum gestorbenDer am 1.2.1910 in Dresden verstorbene Schriftsteller Otto Julius Bierbaum war mit Wedekind befreundet. Wedekind notierte am 2.2.1910 in Berlin: „Lese die Nachricht von Bierbaums Tod“ [Tb] – das war offenbar morgens [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.2.1910]. ist. Ich traf heute wie ich mit Anna Pamela spazieren gieng die Freundinnicht identifiziert; gemutmaßt wurde Elisabeth Stremel [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 112], die Gattin des Malers Max Stremel. von Gemma, ich weiß nicht wie sie heißt. Sie wollte gerade zur Bahn um nach Dresden zu fahren. Gemma ist erst gestern hingefahren. Es ist entsetzlich!

Gestern giengen wir auch Vor- u. Nachmittag spazieren u. | holten die Sandeldie mit Tilly Wedekind befreundete Schauspielerin Käthi Sandel, die seinerzeit in München gastierte. ab, die sich sehr liebSchreibversehen, statt: sehr lieb. mit Anna Pamela gespielt hat. Es geht uns gut u. sprechen wir sehr viel von Dir! Jetzt Nachmittag kam unvermutet Fr. v. JacobiLucy von Jacobi (geb. Goldberg), Schauspielerin, Journalistin, Schriftstellerin, gehörte wie ihr Mann Bernhard von Jacobi zu Wedekinds Münchner Freundeskreis.. Im übrigen habe ich angefangen zu rechnen. Eben habe ich Anna Pamela gebadet und werde dann auch selbst baden. Annapamela schickt ihrem lieben Papa viele Küsse.

Von ganzem Herzen umarmt u. küsst Dich
Deine Tilly


[Seite 4 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Wie ist die AdresseDie Adresse des Schriftstellers Otto Julius Bierbaum und seiner Gattin Gemma Bierbaum (geb. Pruneti Lotti) in Dresden war Bernhardstraße 7 (1. Stock) [vgl. Adreßbuch für Dresden und seine Vororte1910, Teil I, S. 62]. von Gemma?

Tilly Wedekind schrieb am 3. Februar 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstagder 3.2.1910. abends.


Geliebter Frank,

sei mir nicht böse, dass ich den Brief nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Gemma Bierbaum an Wedekind, 2.2.1910; ein Eilbrief.geöffnet habe. Ich habe es hin u. her überlegt, u. gedacht, wenn es etwas sehr Wichtiges ist, muss ich es Dir doch nachtelegraphierenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.2.1910 (Telegramm).. Ich erwarte sehnsüchtig einen Nachricht von Dir.

Innigst
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 3. Februar 1910 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

nachts = frank wedekind
habsburger hof am anhalterbahnhof
berlin =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus [...] muenchen [...]


gemma bittet um pekuniaere hilfe sende eilbriefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Gemma Bierbaum an Wedekind, 2.2.1910. nach = deine tilly

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 3. Februar 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstagder 3.2.1910..


Geliebter Frank,

ich bin auf weitere Nachrichtenvom Tod Otto Julius Bierbaums am 1.2.1910 in Dresden, der Beisetzung, der Trauerfeiern. sehr gespannt. In der Zeitung stand ja bis jetzt nichts. Wozu hast Du Dich entschlossen?

Heute Vormittag war ich mit Annapamela im ReisebüreauTilly Wedekind hat sich im Reisebüro nach den Reiseverbindungen für das anstehende Gastspiel vom 14. bis 17.2.1910 am Lustspielhaus in Düsseldorf erkundigt.. Der Unterschied von II. und III. Classe ist 12 M. u. der Schlafwagen. Ausserdem ist die Verbindung am Tag noch besser. Nachts fährt man von 10 Uhr22 Uhr. bis 12.58, | am Tage von 7 Uhr Früh bis 6 Uhr Abend. Wir fahren also am Mittwoch Früh, Donnerstag den 10. kann ich zur ProbeTilly Wedekind traf am 9.2.1910 zum Gastspiel am Lustspielhaus in Düsseldorf ein (gespielt wurde „Die Zensur“, „Totentanz“ und „Hidalla“) und nahm insofern am 10.2.1910 an der „Probe von Totentanz und Zensur um 10 Uhr“ [Tb] teil. sein.

Eben erhielt ich das Telegramm von Bierbaumnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Gemma Bierbaum an Wedekind, 3.2.1910. u. sende es Dir nach. Ich nehme an, dass Du ein Beileid-TelegrammWedekind hat der Witwe von Otto Julius Bierbaum telegrafisch kondoliert – in seinem eigenen Namen und dem seiner Frau [vgl. Frank und Tilly Wedekind an Gemma Bierbaum, 2.2.1910]. Er notierte am 2.2.1910: „Lese die Nachricht von Bierbaums Tod, telegraphiere Gemma.“ [Tb] geschickt hast, was ich auch noch tun werde. Es ist schrecklich! Gemma hat ihn gar nicht mehr lebend getroffen„Die in Italien weilende Gattin des Dichters traf erst nach seinem Tode ein; sie war untröstlich über seinen Verlust.“ [Bierbaums Begräbnis. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 59, 2.2.1910, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Hast Du die Absicht zur TrauerfeierEine Trauerfeier für den am 1.2.1910 in Dresden verstorbenen Schriftsteller Otto Julius Bierbaum fand am 4.2.1910 nachmittags in dessen Dresdner Wohnung statt [vgl. Trauerfeier für Otto Julius Bierbaum. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 64, 5.2.1910, Morgen-Ausgabe, S. (3)]. zu fahren? |

Heute Nachmittag gehe ich zu Frau Henckellzu Anny Henckell (geb. Haaf), der Gattin von Karl Henckell, im Münchner Stadtteil Bogenhausen (Kufsteinerplatz 1) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 220]., die mich eingeladen hat. Meine Cousine kommt vielleicht auch. Sie bringt dann Hypolit zu uns u. die beiden KinderFerdinand von Sadkowski, genannt Hypolit, der Sohn von Tilly Wedekinds Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski, und Pamela Wedekind. gehen mit dem Mädchenmit „Senta“ [Wedekind 1969, S. 138], dem Kindermädchen. „Seit Oktober 1908 beschäftigte die Familie Wedekind ein Kinder- und Hausmädchen. Tilly erwähnt für das Jahr 1911 den Namen Senta“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 113]. spazieren.

In der Elektrischender Trambahn (Straßenbahn). traf ich Frl. Terwin, sie trug mir Karten für „Das Conzertzwei von der Hofschauspielerin Johanna Terwin (sie hatte 1907 in Zürich die Lulu gespielt) übermittelte Theaterkarten für eine Vorstellung von Hermann Bahrs Lustspiel „Das Konzert“ (1909) am Münchner Residenztheater (Premiere: 29.1.1910), in dem sie die Rolle der Delphine spielte [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 46, 29.1.1010, Generalanzeiger, S. 2]. Tilly Wedekind besuchte die Vorstellung am 1.2.1910 (Dienstag) gemeinsam mit der befreundeten Schauspielerin Käthi Sandel, die seinerzeit in München gastierte. an. Ich sagte ich weiß noch nicht ob ich kann. Am nächsten Tag in der Früh schickte sie | gleich herüber, u. ließ sagen sie hätte 2 Karten. Ich holte mir die Sandel dazu ab, meine übrigen Bekannten sind ja größtentheils mit dem Hoftheater verheiratet. Aber an dem Abend war auch ganz München versammeltTilly Wedekind traf am 1.2.1910 im Residenztheater (siehe oben) Adele Sandrocks Bruder, den Maler und Schriftsteller Christoph Sandrock und dessen Gattin, Franz Blei und dessen Frau, die Zahnärztin Maria Blei (geb. Lehmann), Korfiz Holm, Prokurist und nach Albert Langens Tod Treuhänder des Albert Langen Verlags, und dessen Frau Augusta Holm (geschiedene Ziemann), Emil Meßthaler, Jenny Albu (geb. Fischer), die Gattin des Schriftstellers Eugen Albu, und Elisabeth Steinrück (geb. Gussmann), die Gattin des Schauspielers Albert Steinrück und Schwägerin Arthur Schnitzlers.. Sandrock u. Frau, Blei u. Frau, Holm u. Frau, Met/s/sthaler, Fr. Albu, Fr. Steinrück. Ich sprach nur Frau Albu u. Frau Steinrück u. gieng nachher dem Theater gleich nach Hause. Das war am Dienstag. Gestern war ich zu Hause. Das sind alle meine Erlebnisse! Und Deine?

Innigsten Kuss Deine Tilly


5 Küsse schickt Dir Deine Annapamela.

Frank Wedekind schrieb am 4. Februar 1910 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.


Aufgegeben in Berlin [...]


geliebteste tilly, herzlichen dank fuer briefezwei von drei Briefen dürfte Wedekind erhalten haben [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.2.1910; Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.2.1910 (erster von zwei Briefen unter diesem Datum)].. war gestern beunruhigtWedekind notierte am 3.2.1910: „Keine Nachrichten von Tilly.“ [Tb], da gar nichts kam. bitte erdgeistbildFoto aus einer „Erdgeist“-Inszenierung für die Presseankündigung des bevorstehenden Gastspiels von Frank und Tilly Wedekind am Düsseldorfer Lustspielhaus vom 14. bis 17.2.1910. schicken. innigste kuesse dir und annapamela. brief folgt sofort = frank.

Frank Wedekind schrieb am 4. Februar 1910 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebteste TillyWedekind notierte am 4.2.1910 die Abfassung des vorliegenden Briefs: „Schreibe im Café Fürstenhof an Tilly“ [Tb].!

ich war gestern sehr beunruhigtWedekind notierte am 3.2.1910: „Keine Nachrichten von Tilly.“ [Tb] da ich Mittags und Abends nichts vorfand und Nachts als ich nach Hause kam nur die beiden TelegrameSchreibversehen, statt: Telegramme. – Das eine der beiden Telegramm stammte von seiner Frau und betraf die Geldnot von Otto Julius Bierbaums Witwe [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.2.1910], das andere von der Witwe selbst; es ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Gemma Bierbaum an Wedekind, 3.2.1910. in der Sache Bierbaum fand. Gott sei Dank, jetzt habe ich drei Briefe von DirTilly Wedekinds Brief vom 2.2.1910 und ihre beiden Briefe vom 3.2.1910. und weiß daß es euch gut geht. Es freut mich daß Du im „Konzert“ gewesen bist und auch sonst Menschen gesehen hast. Mit Deinem Reiseplan bin ich gleichfalls einverstanden. Also auf baldiges frohes Wiedersehnin Düsseldorf, zu Frank und Tilly Wedekinds Gastspiel vom 14. bis 17.2.1910 im Lustspielhaus. in DüsseldorffSchreibversehen, statt: Düsseldorf..

Ich verbrachte den Dienstag in vollkommner Einsamkeit bei meiner ArbeitWedekind arbeitete in Berlin an seinem Einakter „In allen Wassern gewaschen“ [vgl. KSA 7/II, S. 656], wie er am 1.2.1910 notierte: „Abends im Lindenrestaurant und Habsburger Hof an Iawg gearbeitet.“ [Tb]. Mittwoch als ich aus dem Hotel trat, las ich den Tod BierbaumsWedekind notierte nachträglich unter dem 1.2.1910: „Otto Julius Bierbaum †“ [Tb]; vom Tod des in Dresden an diesem Tag verstorbenen befreundeten Schriftstellers erfuhr er am 2.2.1910: „Lese die Nachricht von Bierbaums Tod, telegraphiere an Gemma.“ [Tb] und telegraphierte sofort vgl. Frank und Tilly Wedekind an Gemma Bierbaum, 2.2.1910.auch in deinem Namen an seine Frau. Gegen Abend ging ich zu Paul Cassirer den ich mitten im wildesten Kriegslärm antraf. Die Sze Sezession will sich nämlich spaltenDie 1898 gegründete Berliner Secession, jene Vereinigung moderner Künstler, deren Kunst überwiegend dem Impressionismus verpflichtet war, erfolgreich ausgestellt in der Galerie von Paul Cassirer (Victoriastraße 35), grenzte expressionistische Werke aus, so dass sich eine Künstlergruppe abspaltete und die Neue Secession gründete. Das war nach der Generalversammlung vom 28.1.1910 absehbar: „In der Berliner Sezession ist ganz plötzlich eine Krisis ausgebrochen, die vielleicht zur Auflösung dieser Künstlervereinigung führen wird. Schon wiederholt hatte sich [...] eine Opposition geltend gemacht – eine Opposition der Jüngeren, denen die Sezession bereits zu konservativ, zu ‚akademisch‘ und zu exklusiv war. [...] in der Generalversammlung [...], die am letzten Freitag abend stattfand, kam es zur offenen Rebellion.“ [Krisis in der Berliner Sezession. Rücktritt des gesamten Vorstandes. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 56, 1.2.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2)] Es schien klar, „daß man [...] nicht nur von einer Spaltung, sondern von dem Ende der Sezession sprechen muß.“ [Fritz Stahl: Das Ende der Sezession. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 57, 1.2.1910, Abend-Ausgabe, S. (1)], Du hast vielleicht davon gelesen. Ich wohnte eine Stunde lang einer aufgeregten SitzungWedekind notierte am 2.2.1910 seinen Besuch bei Paul Cassirer (Victoriastraße 35), mit dem er eigentlich über dessen Vetter Bruno Cassirer sprechen wollte, aber in eine Sitzung von Vorstandsmitgliedern (der Galerist Paul Cassirer, der Bildhauer Fritz Klimsch, die Maler Max Slevogt und Konrad von Kardorff) und einem langjährigen Mitglied (der Bildhauer Louis Tuaillon) der Berliner Secession hineingeriet: „Besuch bei Paul Cassirer wo Toueillon Slevogt Klims und Kardorff Sitzung haben.“ [Tb] bei. Anwesend waren Slevogt, Touaillon, Klimsch und Kardorff. Dann ging ich meiner Wege, studierte TotentanzWedekind studierte für das anstehende Gastspiel im Düsseldorfer Lustspielhaus seine Rolle in „Totentanz“, wie er am 2.2.1910 notierte: „Studiere Totentanz.“ [Tb] im Hotel und verbrachte den Abend bei der ArbeitWedekind arbeitete weiter an seinem Einakter „In allen Wassern gewaschen“ (siehe oben), im Linden-Restaurant und im Hotel Habsburger Hof, und beendete den Auftritt III/5 [vgl. KSA 7/II, S. 656], wie er am 2.2.1910 notierte: „Arbeite an Iawg in Lindenrestaurant und Habsb. Hof. III 5 vollendet.“ [Tb] im Lindenrestaurant. |

Übrigens war ich schon am Dienstag bei BarnowskyWedekind notierte am 1.2.1910: „Besuch bei Barnowsky“ [Tb]. Sein Gespräch mit Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin (Unter den Linden 44) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 290], betraf die Inszenierung seines Schwanks „Der Liebestrank“, der (zusammen mit dem Einakter „Die Zensur“) am 6.10.1910 am Kleinen Theater mit Alfred Abel in der Rolle des Fritz Schwigerling Premiere hatte [vgl. KSA 2, S. 1091f.]. gewesen und hatte Liebestrankaufführung besprochen. Mittwoch war ich wieder dort wegen Bierbaums Adresse. Liebestrank wird voraussichtlich erst im Herbst gespielt, da Abel jetzt nicht frei ist.

Gestern Donnerstag schickte ich einen Kranz nach Dresdenzum Begräbnis von Otto Julius Bierbaum in Dresden; den Kranz schickte die Berliner Gärtnerei und Blumenhandlung J.C. Schmidt [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 2.2.1910], die spezialisiert war auf „Kranzbindereien“ [Berliner Adreßbuch 1910, Teil IV, S. 231]. und war dann auf der Suche nach HolzbockWedekind, dem es um eine von ihm geplante Umfrage über ihn als Schauspieler ging [vgl. Wedekind an Alfred Holzbock, 21.1.1910], notierte am 3.2.1910: „Besuch auf Lokalanzeiger und bei Holzbock.“ [Tb] Wedekind suchte Alfred Holzbock, Theaterreferent beim „Berliner Lokal-Anzeiger“ (Redaktion: Zimmerstraße 36-41) [vgl. Berliner Adreßbuch 1910, Teil I, S. 172], auch in dessen Privatwohnung auf (Dessauer Straße 15) [vgl. Berliner Adreßbuch 1910, Teil I, S. 1119], traf ihn aber nicht an.. In seiner Wohnung gab ich meine Kartenicht überlieferte Visitenkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Alfred Holzbock, 3.2.1910. ab. Gegen Abend traf ich im Zigarrenladen am Potsdamer Platz den Maler Schwarz, der mir erzählte daß Cassirer wieder eine aufgeregte SitzungWedekind unternahm am 3.2.1910 erneut einen Besuch bei Paul Cassirer (Victoriastraße 35) und geriet wieder in eine Sitzung der Berliner Secession (siehe oben). habe. Trotzdem ging ich zu ihm, da ich gern über seinen Vetter mit ihm gesprochen hätte. Das war aber ganz ausgeschlossen. Wir verabredeten uns auf 10 Uhr22 Uhr. Wedekind war am 3.2.1910 im Linden-Restaurant (Unter den Linden 44) mit Paul Cassirer, den Malern Paul Bach, George Mosson und Ludwig Stutz zusammen, alle Mitglieder der Berliner Secession, die von der Sitzung kamen (siehe oben), sowie mit Tilla Durieux, die nach der Vorstellung des Lustspiels „Der gute König Dagobert“ von André Rivoire (für die deutsche Bühne übersetzt und bearbeitet von Felix Salten) in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, in der sie die Königin spielte [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 31, 20.1.1910, Morgen-Ausgabe, S. 8], dazukam: „Abends Lindenrestaurant mit Cassirer Durieux Bach Mosson Stutz.“ [Tb] Abends ins Lindenrestaurant. Dorthin kam er um halb elf in heller Aufregung mit Stutz Mosson und Bach. Gleich darauf kam Frau Durieux die gespielt hatte. Ich richtete ihr deine Grüße aus. Es war aber ganz unmöglich von etwas anderem als vom Sezessionsstreit zu sprechen. Um ein Uhr trennte man sich und ich wollte in meinem Hotel | noch ein Glas Wein trinken. Das aber nicht möglich. Alles war zu und ich ging zu Bett.

Heute NachmittagWedekind notierte am 4.2.1910 seinen Versuch, den Herausgeber des „Berliner Tageblatt“ zu treffen: „Versuche vergeblich Theodor Wolff zu sprechen.“ [Tb] werde ich versuchen, über Theodor Wolff zu treffen und werde mit ihm auch über Gemmas Briefnicht überlieferter Eilbrief; erschlossenes Korrespondenzstück: Gemma Bierbaum an Wedekind, 2.2.1910. sprechen. Denn mit einer Kleinigkeit ist da natürlich gar nicht geholfen, wo es sich um Feuerbestattung e.ctDer Presse war zu entnehmen, der Leichnam des Schriftstellers Otto Julius Bierbaum werde am 4.2.1910 abends von Dresden nach Chemnitz überführt, wo die Einäscherung stattfinde und am 5.2.1910 die Beisetzung [vgl. Bierbaums Begräbnis. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 59, 2.2.1910, Abend-Ausgabe, S. (3)]. handelt. Heute Abend hat die Sezession wieder SitzungDie Presse berichtete über die Sitzung der Berliner Secession am 4.2.1910: „In der gestrigen Generalversammlung der Berliner Sezession ist eine vollständige Einigung erzielt worden. [...] Dem Vorstand gehören weiter an Max Slevogt, Lovis Corinth, August Gaul, Fritz Klimsch, Paul Cassirer, Hans Baluschek, Emil Rudolf Weiß, Leo v. König und Max Beckmann. [...] Zur Ergänzung des Vorstandes in besonderen Fällen wurde ein Ausschuß gewählt, dem außer dem Vorstand George Mosson, Carl Walser, Curt Herrmann und Georg Kolbe angehören.“ [Friedensschluß in der Sezession. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 65, 5.2.1910, Abend-Ausgabe, S. (3)] Wedekind notierte am 4.2.1910 den anschließenden Besuch im Weinlokal Eugen Steigert (Kurfürstendamm 22) – „Bei Steinert mit der ganzen Sezession“ [Tb] – und daran anschließend sein Beisammensein mit Paul Cassirer und dem Maler Max Slevogt im Café Kutschera, genannt Café Secession, in Charlottenburg (Bismarckstraße 109): „Im Sezessionskaffee mit Paul Cassirer und Slevogt.“ [Tb] und nachher wollen wir uns bei Steinert in Charlottenburg treffen. Morgen oder übermorgen hoffe ich BleyFranz Blei „unterschrieb [...] von Fall zu Fall auch mit Franz Bley“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 117] und Wedekind schrieb den Namen gelegentlich ebenso, so am 30.1.1910 die Notiz zum letzten Treffen: „Bley“ [Tb]. In Berlin hat Wedekind ihn am 5. oder 6.2.1910 nicht getroffen. noch hier zu sehen um ihn über Bruno Cassirer zu orientieren. Am Sonntagder 6.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Koffer gepackt, im Hotel diniert. Bei Cassirer Café getrunken. Im Lindenrestaurant zu Abend gegessen. Abfahrt nach Düsseldorf“ [Tb]. Abend denke ich nach Düsseldorf zu fahren, so daß ich Montagder 7.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in Düsseldorf“ [Tb] – zum Gastspiel vom 14. bis 17.2.1910 im Lustspielhaus. dort bin. Ich werde Dir von dort gleich meine Adresse e.ct. schreiben.

Von Bruno Cassirer habe nichtSchreibversehen, statt: ich. nichts mehr gehörtseit der heftigen Auseinandersetzung am 1.2.1910 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.2.1910].. Ich kann nichts anderes thun als abwarten. Als mein Verleger ist er kaum mehr möglich. Ich zweifle aber sehr daran, daß er das einsieht. |

Geliebteste Tilly, leb wohl und bleib gesund.

Auf baldiges frohes Wiedersehen
herzinnigst
Dein
Frank.


Küsse Annapamela von mir!


Freitagder 4.2.1910. 5.2.10Wedekind irrte sich im Tagesdatum, richtig: 4.2.1910..

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 4. Februar 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Freitagder 4.2.1910..


Innigst geliebter Frank,

Gott sei Dank, eben kam Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.2.1910 (Telegramm).! Ich danke Dir tausendmal dafür. Ich war schon so unruhig, was mit Dir ist! Ich fürchtete Du seist mir böse, weil ich Dienstag nicht geschrieben habe. Aber Du warst doch am Abend vorher weggefahren, u. es war gar nichts vorgefallen, wir waren Vor- u. Nachmittag spa|zieren wie immer. Als ich Mittwoch Deinen lieben Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.2.1910. erhielt, telegraphierte ichvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.2.1910 (Telegramm). gleich. Dann schrieb ich Dir einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.2.1910 (Brief).. Donnerstag, gestern, sandte ich Dir das Telegramm von F. Bierbaumnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Gemma Bierbaum an Wedekind, 3.2.1910. nach, schrieb Dir einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.2.1910 (erster von zwei Briefen)., telegraphiertevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.2.1910 (Telegramm). u. sandte Dir den Eilbrief von Gemmanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Gemma Bierbaum an Wedekind, 2.2.1910.. Ich zähle das nur auf, weil Du gestern doch schon etwas erhalten haben müsstest. Es tut mir sehr leid, dass Du beunruhigt warst, ich dachte sicher, Du hättest gestern meinen Brief | von Mittwochder 2.2.1910. erhalten.

Ich küsste vor Freude über Dein Telegramm Annapamela stürmisch ab. Es geht uns beiden sehr gut. Heute Mittag wollte sie „die Braut“ kosten, statt Kraut. Sie fragt ob ich Dir nach dem „Habsburger-Hof“ schreibe. Das weiß sie auch schon. Heute Vormittag waren wir nicht spazieren, jetzt gehen wir aber gleich. Das Erdgeist BildFoto aus einer „Erdgeist“-Inszenierung für die Presseankündigung des bevorstehenden Gastspiels von Frank und Tilly Wedekind am Düsseldorfer Lustspielhaus (Direktion: Hans Sturm und Hanns Schreiner) vom 14. bis 17.2.1910 (gespielt wurde „Die Zensur“, „Totentanz“ und „Hidalla“). schicke ich also an den General-Anzeiger nach Düsseldorf. Ich bin sehr gespannt wie es mit Deinen Angelegen|heitenVerlagsangelegenheiten, Wedekinds Auseinandersetzung mit seinem Verleger Bruno Cassirer. in Berlin steht. Deinem Telegramm nach bist Du nicht nach Dresden gefahren.

Ich freue mich schon sehr auf Deinen Brief!

Gestern bei Frau Henckell war es sehr nett. Jenny kam auch, wir nahmen beide KinderFerdinand von Sadkowski, genannt Hypolit, der Sohn von Tilly Wedekinds Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski, und Pamela Wedekind. mit; sie waren sehr brav. Am Mittwochder 9.2.1910, an dem Wedekind, der schon in Düsseldorf war, notierte: „Ich hole Tilly und Annapamela von der Bahn ab.“ [Tb] um 6 Uhr abendssind wir in Düsseldorf. Wann fährst Du hin? Heute abend will ich Totentanz“ wiederholenTilly Wedekind repetierte ihre Rolle für die Aufführung von „Totentanz“ am 14.2.1910 im Rahmen des Gastspiels am Düsseldorfer Lustspielhaus..

In treuer Liebe
Deine Tilly


Vielmals küsst ihren lieben Papa Annapamela.

Tilly Wedekind schrieb am 5. Februar 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstagder 5.2.1910. abends.


Mein geliebter Frank,

ich danke Dir für Deinen lieben, ausführlichen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.2.1910.! Der Sezession Streit mag ja sehr interressantSchreibversehen, statt: interessant. sein, aber ich kann mir denken, dass Du lieber von Deinen G AngelegenheitenVerlagsangelegenheiten, Wedekinds Auseinandersetzung mit seinem Verleger Bruno Cassirer. sprechen würdest, als den ganzen Abend von andern Dingen. Hoffentlich triffst Du Blei und hörst von dem Weiteres über Cassirer. Aber auf Blei ist doch kein Verlass; wann wollte er nach | Berlin kommen? Schade, dass Liebestrank diesen Woche/inter/ nicht mehr heraus kommtMissverständnis; Wedekind hatte geschrieben, sein Schwank „Der Liebestrank“ werde „im Herbst gespielt“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.2.1910] – Premiere war dann am 6.10.1910 am Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowsky)..

Richtig, vom Verlag Langen ist eine Postanweisung für 45 M. gekommen. Soll ich sie Dir nach Berlin oder Düsseldorf senden, oder soll ich das Geld mitbringen?

Gestern giengen wir noch zu Frl. Goebel, meiner SchneiderinAuguste Goebel, Damenschneiderin in München (Ainmillerstraße 32) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 171], schneiderte Tilly Wedekind Kostüm für die Rolle der Kadidja in „Die Zensur“ – der Einakter wurde ebenso wie „Totentanz“ und „Hidalla“ während des Gastspiels am Düsseldorfer Lustspielhaus vom 14. bis 17.2.1910 aufgeführt.. Sie macht mir aus dem Batist von Mama und den Stickereien ein Kleid für „Zensur“. Es wurde ziemlich spät und als wir | fortgiengen sahen wir bei Langheinrichsbei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) und Max Langheinrich (Theresienstraße 34) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 320]. oben Licht. Wir giengen hinauf und wirklich Frau Langheinrich u. Toni waren seit 2 Tagen aus Kropfmühl zurückAnna Langheinrich (geb. von Seidlitz) und ihr Sohn Anton Langheinrich. Sie und Max Langheinrich waren unternehmerisch in Kropfmühl tätig, „wo seit 1876 Graphit abgebaut wurde. Im Jahr 1908 ging die ertragreiche Grube in den Besitz der neugegründeten Firma Max & Anna Langheinrich KG über. Offizielle Firmengründerin, d. h. persönlich haftende Gesellschafterin, war Anna von Seidlitz-Langheinrich, seit 1905 verheiratet mit Max Langheinrich. Die Kommanditgesellschaft wurde 1916 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 120] Die Firma „M. & A. Langheinrich Graphitgewinnung u. Verwertung“ [Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 320] hatte dieselbe Adresse wie die Wohnung (Theresienstraße 34), beide Ehepartner einzeln aufgeführt und als Teilhaber der Firma ausgewiesen.. Sie will 14 Tage bleiben, gerade solange wir in Düsseldorf sind. Er arbeitet in Kropfmühl. Wir blieben eine halbe Stunde. Vielleicht sehen wir uns dieser Tage noch einmal.

Heute hat es sehr stark geschneit, Vormittag waren wir zu Hause. Ich studierte „Toten|tanzfür das Gastspiel am Düsseldorfer Lustspielhaus (siehe oben). u. wiederholte „HidallaRepetieren der Rolle in diesem Stück für das Gastspiel am Düsseldorfer Lustspielhaus (siehe oben).. Nachmittags waren wir fort, es war herrliche, frische Luft, Anna Pamela ist Gottlob frisch u. munter, sie fragt schon jeden Tag, ob wir wegfahren.

Sonst weiß ich gar nichts Neues, ausser dass ich Dich sehr lieb habe, aber das ist für Dich doch auch nichts Neues mehr.

Innigst umarmt Dich
Deine Tilly


Warst Du bei ReinhardtGemeint sind die Bühnen unter der Direktion von Max Reinhardt, das Deutsche Theater zu Berlin und die Kammerspiele des Deutschen Theaters. Wedekind hat dem Tagebuch zufolge während seines Aufenthalts in Berlin vom 1. bis 6.2.1910 kein Theater besucht.?

Oder in andern Theatern?

Frank Wedekind schrieb am 5. Februar 1910 in Berlin folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in München
Wohnung (Straße und Hausnummer) Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Deinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.2.1910. der mich sehr erfreut hat. Ich freue mich so, daß es euch beiden gut geht. Ich fahre Morgen Sonntagder 6.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Koffer gepackt, im Hotel diniert. Bei Cassirer Café getrunken. Im Lindenrestaurant zu Abend gegessen. Abfahrt nach Düsseldorf“ [Tb]. Abend nach Düsseldorf, bin übermorgender 7.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in Düsseldorf“ [Tb] – zum Gastspiel vom 14. bis 17.2.1910 im Lustspielhaus. früh dort. Theodor Wolff war gestern nachmittagam 4.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Versuche vergeblich Theodor Wolff zu sprechen.“ [Tb] nicht zu treffen, ich dachte schon er will nicht. Um 10 Uhr22 Uhr. Wedekind notierte am 4.2.1910 zu seinem Besuch im Weinlokal Eugen Steinert (Kurfürstendamm 22): „Bei Steinert mit der ganzen Sezession“ [Tb]. ging ich zu Steinert. Gleich darauf kam die ganze Sezession, aber nur Herren und eine Anzahl Ungarischer Maler, die hier eine Ausstellung bei CassirerIm Kunstsalon Paul Cassirer (Victoriastraße 35) war vom 9.1.1910 bis 9.2.1910 die Gemäldesammlung der Hamburger Galerie Eduard L. Behrens – die Familie hatte „den gesamten Besitz der Kunsthandlung Cassirer leihweise zur Ausstellung überlassen“ [Aus dem Berliner Kunstleben. In: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Jg. 49, Nr. 27, 2.2,1910, Unterhaltungsbeilage, S. (1)] – zu sehen. „Ungarische Maler waren in dieser Ausstellung nicht vertreten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 118]. haben. Ich saß neben einem alten Herrnnicht identifiziert., der mit Makart und Böcklin in München studiert hat. Nachher gingen Cassirer Slevogt und ich ins Café SezessionWedekind notierte am 4.2.1910 den Besuch im Café Kutschera, genannt Café Secession (Bismarckstraße 109): „Im Sezessionskaffee mit Paul Cassirer und Slevogt.“ [Tb], wo der Fall Bruno CassirerWedekinds in seinen Notizbüchern unter dem Stichwort „Contra Cassirer“ [vgl. KSA 5/III, S. 126-141] dokumentierten Streitigkeiten mit seinem Verleger Bruno Cassirer. gründlich durchgesprochen wurde. |

HeuteWedekind notierte am 5.2.1910 seinen Besuch beim „Berliner Tageblatt“ (Jerusalemer Straße 46-49), sein Gespräch mit dem Chefredakteur Theodor Wolff und mit dem Feuilletonredakteur Fritz Engel, sowie ein anschließendes Bankett im Restaurant Kannenberg – Hotel Stadt Berlin (Dorotheenstraße 84): „Ich fahre zum Berliner Tageblatt. Theodor Wolff empfängt mich sehr liebenswürdig. Unterredung mit Fritz Engel. Banket der Ungarischen Maler.“ [Tb] Die ungarischen Maler (siehe oben) sind nicht identifiziert, Verbindungen zu Ungarn hatten durch ihre Herkunft aber die anwesenden Schriftsteller Ludwig Hatvany und Arthur Holitscher, Verbindungen zur Kunst der Feuilletonredakteur Fritz Stahl, seit 1897 Kunstkritiker des „Berliner Tageblatt“, und der Galerist Paul Cassirer. Frank Wedekind war schon einmal – gemeinsam mit Tilly Wedekind – auf einem Bankett in diesem Restaurant gewesen, das seinerzeit Artur Landsberger gegeben hatte, am 12.12.1907: „Dr. Landsberger giebt ein Banket bei Kannenberg.“ [Tb] ging ich direkt aus dem Bett aufs Berliner Tageblatt, wurde von Theodor Wolff mit offenen Armen empfangen, und hatte dann eine halbstündige Unterredung mit Fritz Engel. Ich glaube meine Absichten erreicht zu haben, nachher war ein Diner der Ungarischen Maler in der Dorotheenstraße bei Kannenberg, wo wir mit Landsberger waren. Hatwany Holitscher Fritz Stahl Cassirer und ich trangenSchreibversehen, statt: tranken. auf Dein Wohl. Heute AbendWedekind notierte am 5.2.1910 sein Treffen mit dem befreundeten Arthur Holitscher im Weinlokal Eugen Steinert (Kurfürstendamm 22): „Am Abend mit Holitscher bei Steinert.“ [Tb] haben Holitscher und ich uns zu Steinert verabredet. Vielleicht kommt noch Welti.

Und nun leb WohlSchreibversehen, statt: wohl., geliebteste Tilly, küsse Anapamela von mir. Bleibt gesund! Auf baldiges Wiedersehn
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 6. Februar 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Düsseldorf.
Lustspielhaus. |


Abs: Tilly Wedekind
München, Prinzregentenstr. 50 III. |


Sonntagder 6.2.1910.. abends.


Geliebtester Frank, gestern Samstag abends schrieb ich Dir noch einen Brief nach Berlinvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.2.1910.. Hast Du ihn noch bekommen? Ich bin sehr neugierigTilly Wedekind bezieht sich auf den zuletzt von ihrem Mann erhaltenen Kartenbrief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.2.1910]., was alle zu dem Fall Cassirer gesagt haben! Sehr freut mich, dass Du bei Theodor Wolff warst u. auch mit Fritz Engel gesprochen hast. Du kannst Dir denken wie neugierig ich bin, alle Einzelheiten zu erfahren. Anna Pamela war heute so lieb, ich habe mich nicht ein E/e/inziges Mal über sie geärgert! Ich habe sie gebadet u. sagte als sie im Bett lag: Du hast heute einen sehr braven Tag gehabt. Sie sagte, ich soll es dem Papa schreiben. Erlebt haben wir gar nichts, gesehen haben wir auch niemanden. Aber wir sind sehr vergnügt u. fühlen uns wohl. Hoffentlich ist dies bei Dir auch der Fall.

Innigst umarmt und küsst Dich
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 7. Februar 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Düsseldorf.
Sternstr. 20, a
Pension Simons. |


Montagder 7.2.1910. abends.


Lieber Frank, nein, doch – Geliebter Frank,

Du scheinst wieder keine Nachricht zu haben, weil Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.2.1910 (Telegramm). so kühl ist. Samstag abends habe ich Dir noch nach Berlin geschriebenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.2.1910., gestern Sonntag abends nach Düsseldorfvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.2.1910. Lustspielhaus. Meinen Brief von Freitagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.2.1910. hast Du doch bekommen? Wie hast Du es in Düsseldorf gefunden? Warst Du schon im Theater? Wie ist die Pension? Es tut mir unendlich leid, dass ich Dir das Suchen derselben nicht abnehmen konnte! Wie geht es Dir Geliebter? Wir waren heute 2 mal weg, ich hatte noch Einiges zu besorgen, Anna Pamela hatte meine Pierrot-MützeTeil des Pierrot-Kostüms, das zur Rolle der Lulu in „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ gehört (oft von Tilly Wedekind gespielt). auf u. eine kleine PeitscheRequisit, das zur Rolle des Tierbändigers im Prolog zum „Erdgeist“ gehört (oft von Frank Wedekind gespielt). in der Hand. Übermorgender 9.2.1010 (Montag). um die Zeit, habe ich dich wieder! Tausend innige Küsse,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 7. Februar 1910 in Düsseldorf folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind muenchen
prinzregentenstrasse 50= |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Düßeldorf [...]


liebe tilly ich wohne sternstraße 20 a pension simons nachricht folgt innige gruesse = frank.

Frank Wedekind schrieb am 7. Februar 1910 in Düsseldorf folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50. |


Geliebte Tilly, heute MorgenWedekind notierte am 7.2.1910: „Ankunft in Düsseldorf. Pension Simons Sternstraße 20a.“ [Tb] kam ich hier an und suchte nach einer Familienpension. Ich fand sie: Sternstraße 20A. Pension Simons. Ob sie gut ist weiß ich natürlich nichSchreibversehen, statt: nicht.. Jedenfalls ist genügend Raum da. Sie liegt neben dem HofgartenParkanlage im Zentrum Düsseldorfs. und das Theater ist von dort per Trambahn leicht zu erreichen. Hier fällt unaufhörlich ein warmer Regen. Heute NachmittagWedekind notierte am 7.2.1910: „Nachmittag Arrangierprobe 1 und 2. Akt Hidalla.“ [Tb] Das war die erste Probe für das Gastspiel am Lustspielhaus (Direktion: Hans Sturm und Hanns Schreiner) in Düsseldorf vom 14. bis 17.2.1910, bei dem „Die Zensur“ und „Totentanz“ (Vorstellungen am 14. und 15.2.1910) sowie „Hidalla“ (Vorstellungen am 16. und 17.2.1910) gespielt wurde. um drei Uhr war die erste Probe von Hidalla. Der Vorstellung sehe ich nicht allzu vertrauensvoll entgegen. Aber das Vertrauen kann ja noch kommen. Hoffentlich seid Ihr Beide gesund. undSchreibversehen, statt: gesund und. wohl. Küsse Annapamela und sei selber innigst geküßt.
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 8. Februar 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Düsseldorf
Sternstr. 20, a.
Pension Simons. |


Dienstagder 8.2.1910.. Mittag.


Geliebtester Frank, hoffe Dich im Besitz meiner Briefewohl die zwei letzten zwei Kartenbriefe vom 6. und 7.2.1910. und meines Telegrammsvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 8.2.1910.. Der Zug kommt 6.2118.21 Uhr. Wedekind notierte am 9.2.1910: „Ich hole Tilly und Annapamela von der Bahn ab. Wir essen im Prinz Alexander zu Abend.“ [Tb] nach Düsseldorf. Ich freue mich sehr, dass ich bald bei Dir bin! Anna Pamela schickt Dir viele Küsse.

Innigst umarmt Dich
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 8. Februar 1910 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind dueszeldorf
sternstr 20 a pension simons =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Amt Düsseldorf.


Telegramm aus muenchen [...]


geliebter frank samstag brief nach berlinvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.2.1910. sonntag dueszeldorf lustspielhaus geschriebenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.2.1910. brief sternstrasze unterwegsvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.2.1910. auf wiedersehen mitwoch 6 uhr18 Uhr. = innigst deine tilly.

Frank Wedekind schrieb am 27. Februar 1910 in Wien folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Frau
Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


Geliebte Tilly!

Eben war ich mit Rudolf bei HartmannWedekind, der am 26.2.1910 von München zu einer Vortragsreise aufgebrochen ist, die ihn zunächst nach Wien führte, war mit seinem Schwagers Rudolf Newes mittags sowie nach seiner Lesung (siehe unten) abends im Restaurant Hartmann (Kärntnerring 10), wie er am 27.2.1910 notierte: „Rudolf holt mich ab. Mittag bei Hartmann [...] Mit Rudolf bei Hartmann. Singer Dörmann e.ct.“ [Tb] in Gesellschaft des alten Singer, Dörmanns und der anderen Tafelrunde. Der VortragWedekinds Lesung, veranstaltet von der Vereinigung der arbeitenden Frauen, fand am 27.2.1910 im Festsaal des Ingenieurs- und Architektenvereins (Wien I, Eschenbachgasse 9) um 19 Uhr statt [vgl. Neue Freie Presse, Nr. 16350, 27.2.1910, Morgenblatt, S. 14]. Wedekind las die Erzählung „Der Brand von Egliswyl“ [vgl. KSA 5/I, S. 428], „die Scene ‚Lamia, eine Geisterbeschwörung‘“ [Vorlesung Frank Wedekinds. In: Neue Freie Presse, Nr. 16351, 28.2.1910, Nachmittagsblatt, S. 7] aus „Der Stein der Weisen“ [vgl. KSA 6, S. 1009], den Dialog „Rabbi Esra“ [vgl. KSA 6, S. 351] und als Zugabe „Der blinde Knabe“ – „die bekannte, sehr wirksame Ballade ‚Vom blinden Kind‘, die auch diesmal ihre Wirkung nicht verfehlte.“ [Vorlesung Frank Wedekinds. In: Neue Freie Presse, Nr. 16351, 28.2.1910, Nachmittagsblatt, S. 7] ging leidlich vorbei obschon ich ganz heiserWedekind notierte am 27.2.1910 zu seiner Lesung (siehe oben): „Vortrag. Ich bin stockheiser.“ [Tb] war. Aber das milde Wetter hier thut mir sehr gut. Sonst habe | ich noch keine Bekannten gesehen. Ich würde Dich nun bitten, geliebte Tilly, die Lamiasceneder 5. Auftritt (der Dialog zwischen dem jungen Mädchen Lamia und Basil) von Wedekinds Versdrama „Der Stein der Weisen“ [KSA 6, S. 256-263]; Wedekind trug ihn bei seiner Lesung vor (siehe oben). textlich zu bewältigen, bis ich zurückkomme. Sie ist nicht schwer zu lernen, da alles Schlager sind. Morgender 28.2.1910 – Wedekinds Gespräch mit Anton Geiringer (im Tagebuch nicht vermerkt) fand statt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910], die Verhandlung mit der Neuen Wiener Bühne erst am 2.3.1910 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.3.1910]. denke ich mit Geiringer und der Neuen Wiener Bühne zu verhandeln. Ich hoffe, geliebte Tilly, daß es Dir und Annapamela gut geht. Ich fahre voraussichtlich erst am 3.Wedekind reiste am 3.3.1910 nach Olmütz zu seiner nächsten Lesung: „Abfahrt von Wien. Versäume umzusteigen, fahre bis Abends 8 Uhr. Vortrag in Olmütz.“ [Tb] nach Olmütz, da um Mittag ein bequemer Zug geht der früh genug dort ankommt.

Ich küsse Dich und Annapamela
Dein Frank


Sonntagder 27.2.1910. Abend.

Tilly Wedekind schrieb am 27. Februar 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 27.II.10.


Geliebter Frank,

hier ist das Bild von unserm KindDas Foto von Pamela Wedekind liegt dem Brief nicht mehr bei.. Wenn ich es gegen das von vorigem Weihnachten halte, wo ich liege und sie neben mir steht, sehe ich deutlich wie sehr sie sich entwickelt hat. Ich schickte gleich eines an meine Mutter und glaube, dass sie sich sehr darüber freuen wird!

Wie war die Fahrt? Hast Du | ein Zimmer nach Deinem Wunsch erhalten? Die Bücher habe, Zensur und Totentanz habe ich an Gutmann geschickt.

Ich wäre gern zu BölscheWilhelm Bölsche hielt am 28.2.1910 im Saal des Münchner Hotels Vier Jahreszeiten um 20 Uhr einen Vortrag mit dem Titel „Die Rätsel in der Entstehung des Menschen“ [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 97, 28.2.1910, S. 2]. gegangen, dachte aber nicht daran, dass heute Sonntag ist und das MädchenAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. Ausgang hat. Ich will dann eben mal mit Anna Pamela zu Henckell’s fahren vielleicht haben sie Verwendung dafürfür die Karten für Wilhelm Bölsches Vortrag (siehe oben).. Heute ist abscheuliches Wetter Regen und Schnee. Wir werden Nachmittags zu | Hause bleiben, ich will Briefe schreiben und Stein der Weisen lernen. Ich hoffe nur, dass in Wien das Wetter besser ist, und Du spazieren gehenFrank Wedekind notierte am 27.2.1910 in Wien: „Prächtiger Spaziergang am Donauspitz“ [Tb], am 28.2.1910 besuchte er das Grab seines Bruders Donald Wedekind auf dem „Döblinger Friedhof“ [Tb], am 1.3.1910 notierte er: „Spaziergang im Stadtpark und Belvederepark“ [Tb]. kannst. Wie geht es Dir denn? Frank, wenn Dein Husten nicht besser wird, dann sag’ doch lieber die übrigen Vorträge ab! Mir ist sehr bang, bis Mittwoch über acht Tage sollst Du unterwegs sein und dann am Ende noch dieses Wetter! |

Frau Langheinrich haben wir gestern besucht, sie bleibt wohl noch die Woche hier u. wollen wir öfter zusammen sein. Mit Frau Steinrück will ich am Dienstag in die SchackgalerieDie 1909 eröffnete Schack-Galerie (Prinzregentenstraße 9), eine Gemäldegalerie, welche die bedeutende Kunstsammlung des Dichters, Kunst- und Literarhistorikers Adolf Friedrich Graf von Schack beherbergte, lag gegenüber von Wedekinds Wohnung (Prinzregentenstraße 50)..

Bitte mein lieber Frank, schreib’ mir recht bald ein paar Zeilen, wie Du Dich befindest.

Innigst umarmt Dich
Deine Tilly

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 28. Februar 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Montag, 28.II.10.


Innigst geliebter Frank,

wir waren gestern ganz allein zu Hause und haben große Sehnsucht nach Dir gehabt. Während der Zeit Deines VortragesWedekinds von der Vereinigung der arbeitenden Frauen veranstaltete Lesung am 27.2.1910 im Festsaal des Ingenieurs- und Architektenvereins in Wien. waren meine Gedanken immer bei Dir. Wie geht es Dir, mein lieber Frank? Hier war heute im Gegensatz zu gestern sehr schönes Wetter. Ich hoffe von ganzem Herzen | dass Du auch schönes Wetter hast und Dich gut erholen kannst. Vormittag waren wir spazieren, Nachmittag war Anna Pamela mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. fort und ich war bei Stollbergbei Georg und Grete Stollberg (Cuvilliésstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 600]. Die von Tilly Wedekind genannten Gäste waren der Verleger und Mitinhaber der „Münchner Neuesten Nachrichten“ Georg Hirth und dessen Gattin Elise Hirth (geb. Knorr), der Architekt und Bühnenbildner Ferdinand Götz und dessen Gattin (nicht identifiziert), die Schauspielerin und Sängerin Anny Wünsch, die gerade am Theater am Gärtnerplatz (Direktion: Georg Stollberg) in der Operette „Die geschiedene Frau“ (von Victor Leon, Musik von Leo Fall) ein Gastspiel hatte – „Anny Wünsch als Gast“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 89, 23.2.1910, Generalanzeiger, S. 2], der Schriftsteller Paul Gutmann (Mitarbeiter der von Georg Hirth verlegten und herausgegebenen Zeitschrift „Jugend“), der Schauspieler Arthur Dunjecki, der gerade im Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) in dem Lustspiel „Im Klubsessel“ (von Carl Rößler und Ludwig Heller) auf der Bühne zu sehen war, und dessen Gattin, die Schauspielerin Anna Dunjecki (Anna Marinelli), sowie der Schriftsteller und Schauspieler Ludwig Heller, der in dem von ihm mitverfassten Lustspiel „Im Klubsessel“ (siehe unten) im Münchner Schauspielhaus ebenfalls mitspielte.. Zuerst waren Dr. Hirth und Frau da, er bat mich Dich zu grüßen. Dann kamen Architekt Götz und Frau, Frau Wünsch vom Gärtnter-Theater, Herr Paul Gutmann, Herr v. Dunieçki und Frau und Heller. Stollbergs baten mich auch | Dich zu grüßen. Es war sehr nett. Am Mittwoch geh’ ich vielleicht mit Frau Langheinrich in „KlubsesselDas Lustspiel „Im Klubsessel“ (1909) von Carl Rößler und Ludwig Heller, uraufgeführt am 15.1.1910 im Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg), galt als „der neue Schlager des Schauspielhauses“ [Münchner Schauspielhaus. In: Münchner Stadtanzeiger, Jg. 22, Nr. 4, 21.1.1910, S. (6)].. Jetzt ist eine Einschreibe Brief aus Nürnbergnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Stadttheater Nürnberg an Wedekind, 26.2.1910. gekommen, sonst kam heute gar nichts. Ich sende ihn Dir weiter. Von dem Herrn Herzog hast Du bis jetzt nichts gehört? Glaubst Du nicht, dass er überhaupt erst jetzt zu Paul Cassirer gegangen ist, nachdem er mit Dir | gesprochenWedekind hat dem Tagebuch zufolge am 22.2.1910 („Vor dem Abendessen kommt Wilhelm Herzog“) und 23.2.1910 („Zum Thee kommt Wilh. Herzog“) in München mit Wilhelm Herzog gesprochen, der Lektor im Verlag Paul Cassirer war. Es dürfte um Wedekinds Verlagsangelegenheiten gegangen sein, um die Konflikte mit seinem Verleger Bruno Cassirer und einen möglichen Verlagswechsel zu dessen Vetter Paul Cassirer [vgl. Herzog 1959, S. 203-205]. hat? An Paul Cassirer willst Du nicht schreiben? Ich will natürlich nicht dreinsprechen, ich interessiere mich nur selbstverständlich sehr dafür.

Ich hoffe und wünsche sehr, morgen Nachricht von Dir zu bekommen. Geh’ ich Dir denn auch ein ganz klein bischen ab? Wem/n/ hast Du in Wien alles gesehen?

In treuer Liebe Deine Tilly


Viele Küsse meinem lieben Papa,
Anna Pamela

Frank Wedekind schrieb am 28. Februar 1910 in Wien folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.2.1910. und für das hübsche Bild Annapamelas, über das ich mich sehr freue. Es hat unvergleichlich mehr Ausdruck als das vom vorigen Jahr. Meine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.2.1910. von gestern Abend wirst Du nun auch erhalten haben. Eben war ich im Volkstheater und sprach mit Geiringermit Anton Geiringer, Sekretär und Kassenverwalter am Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 669]., der keine blasse Ahnung von unserem angeblichen Gastspiel„Mit welchem Stück Wedekinds am Wiener Volkstheater zu gastieren geplant war, lässt sich nicht exakt feststellen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 124]. hat. Er sagte mir auch, daß für die Zeit, die in Frage käme, bereits andere Stücke in Aussicht genommen sind. Ich freue mich sehr über alles | was Du mir schreibst und besonders darüber, daß es euch Beiden gut geht. Mein Husten ist noch um wenig besser aber das Wetter ist milde und ich bewege mich möglichst viel in freier Luft. Heute Nachmittag ging ich zu Fuß auf den KirchhofWedekind notierte am 28.2.1910: „Döblinger Friedhof. Donalds Grab“ [Tb].. Ich freue mich sehr, daß Du an Lamia lernst. Daß der Text schwer zu lernen ist würde man Dir vielleicht nicht glauben. Ich bleibe also voraussichtlich bis Donnerstagder 3.3.1910 – Wedekind reiste an diesem Tag von Wien nach Olmütz, um dort abends einen Vortrag zu halten. Mittag hier und bin am Freitagder 4.3.1910 – Wedekind reiste an diesem Tag von Olmütz nach Prag, um dort abends einen Vortrag zu halten und blieb drei Tage; seine Vortragsreise setzte er am 7.3.1910 mit der Abreise von Prag fort (die nächsten Stationen waren Teplitz und Dresden). in Prag wo ich drei Tage Zeit habe.

Herzlichste Küsse Dir und Annapamela
Dein Frank.


28.2.10

Frank Wedekind schrieb am 2. März 1910 in Wien folgende Kartenbrief
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
München.
Prinzregentenstrasse 50. |


Innigst geliebte Tilly! Meine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.2.1910. und meinen Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910. wirst Du nun auch erhalten haben. Herzlichen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.2.1910. von Montag. Ich freue mich sehr, daß es euch beiden gut geht. Am Montag Abend war ich mit drei KritikernWedekind war am 28.2.1910 (Montag) mit Max Messer, Schriftsteller und Rechtsanwalt, der für die Wiener Wochenzeitung „Die Zeit“ lange als Redakteur tätig war, Camill Hoffmann, Feuilletonredakteur der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“, und Hugo Bettauer, Feuilletonredakteur der Wiener „Neuen Freien Presse“, den Wedekind aus München kannte: „Bettauer gehörte als Henkersknecht zum Ensemble der ‚Elf Scharfrichter‘“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 127], bei Hartmann (Kärntnerring 10), dem von ihm gern besuchten Restaurant: „Mit Max Messer, Camillo Hoffmann und Bettauer bei Hartmann.“ [Tb] Dort traf er dem vorliegenden Brief zufolge auch nochmals Anton Geiringer, den er tagsüber im Deutschen Volkstheater aufgesucht hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910]. bei Hartmann, wo mir Geiringer noch einmal wiederholte daß an ein Gastspiel im Traum nicht zu denken war/sei/. Gestern nach Tisch fuhr ich nach HüttendorffSchreibversehen, statt: Hütteldorf (dem westlichen Wiener Stadtteil mit eigenem Bahnhof). hinaus um eine neue Kirche zu besichtigenWedekind notierte am 1.3.1910 für den Nachmittag: „Fahrt nach Hütteldorf. Besichtige die Kirche in Steinhof.“ [Tb] Die 1904 bis 1907 nach Plänen des Wiener Architekten Otto Wagner für das Psychiatrische Krankenhaus Steinhof erbaute Kirche „gilt als eines der bedeutendsten Bauwerke des Wiener Jugendstils.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 127] von der mir ein JournalistHermann Menkes (Literatur- und Theaterreferent des „Neue Wiener Journals“), wie Wedekind am 1.3.1910 für den Vormittag notierte: „Dr. Menkes sucht mich auf. Spaziergang im Stadtpark und Belvederepark. Ich schütte ihm mein Herz aus.“ [Tb] Er veröffentlichte das mit dem Autor geführte Interview [vgl. Hermann Menkes: Ein Gespräch mit Frank Wedekind. In: Neues Wiener Journal, Jg. 18, Nr. 5880, 6.3.1910, S. 4-5]. erzählt hatte, mit dem ich am Morgen eine eingehende Besprechung über unsere Schauspielerei | hatte. Gegen Abend brachte ich das Lulumanuscriptdas Typoskript „Lulu. Tragödie in fünf Aufzügen von Frank Wedekind“ (1910), dessen „Umschlagblatt dokumentiert“, dass es „für die geplante Aufführung an der Neuen Wiener Bühne eingereicht und von der Zensurbehörde am 13.VII.1910 abgelehnt wurde.“ [KSA 3/II, S. 866] Wedekind hat es dem vorliegenden Brief zufolge der Neuen Wiener Bühne am 1.3.1910 eingereicht, im Tagebuch allerdings erst am 2.3.1910 notiert (womöglich hat er sich um einen Tag vertan): „Besuch in der Neuen W. Bühne.“ auf die Neue Wiener Bühne und verbrachte den AbendWedekind notierte am 1.3.1910 für den Abend zunächst sein Beisammensein mit dem gerade in Wien gastierenden Schauspieler August Weigert und Hermann Menkes (siehe oben), dann sein Beisammensein mit dem Maler Max Oppenheimer, dem Regisseur Emil Geyer und dem Schriftsteller und Kritiker Alfred Polgar im Lokal Zur großen Tabakspfeife (Graben 29): „Abends mit Weigert und Menkes bei Dominikaner. Dann Tabakspfeife mit Oppenheimer Geier Polgar.“ [Tb] mit Weigert, Geyer und Polgar in der Tabakspfeife. Die N. W. Bühne geht kräftig ins Zeug. Wir sollen in Hidallah und So ist das Leben gastierenGastspiele Wedekinds in „Hidalla“ und „So ist das Leben“ wurden von der Neuen Wiener Bühne nicht realisiert, „Hidalla“ allerdings am 21.4.1913 von der Neuen Wiener Bühne inszeniert.. Dann bekam ich eine Anfrage von Barnowskynicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Victor Barnowsky an Wedekind, 28.2.1910. ‒ Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin, hat „Hidalla“ dort zwar schon einmal erfolgreich inszeniert (Premiere: 26.9.1905), die vorgeschlagenen erneuten Aufführungen am 24. und 26.3.1910 kamen aber nicht zustande. ob wir 24. und 26. März Hidalla spielen wollen. Ich verlangteHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Victor Barnowsky, 1.3.1910. 500 M pro Abend. Heute bekomme ich Anfrage vom Hebbeltheaternicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hebbel-Theater Berlin an Wedekind, 1.3.1910. ‒ Die vorgeschlagene Tournee mit Wedekinds Schwank „Der Liebestrank“ kam nicht zustande. ob wir eine Tournee mit Liebestrank machen wollen. Wilhelm Herzog hat nichts von sich hören lassen. Ich möchte aber die Sache nicht eher wieder aufnehmen als bis ich in München bin. Bruno Cassirer schickt mir | heute eine gleichgültige Cartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bruno Cassirer an Wedekind, 1.3.1910.. In den Verlust des Bühnenvertriebes„Strittig war für Wedekind, ob die Bühnenvertriebsrechte an seinen Werken bei Bruno Cassirer lagen. Schließlich wurde zwischen Bruno Cassirer und Wedekinds neuem Verleger, Georg Müller, vertraglich vereinbart, dass die Rechte, sofern sie im Besitz Bruno Cassirers waren, rückwirkend ab dem 15.6.1910 an Georg Müller übergingen [...]. Kurz zuvor hatte Georg Müller [...], der Inhaber seines 1903 gegründeten gleichnamigen Münchner Verlags, von Bruno Cassirer die Rechte an Wedekinds Werken erworben und den Bücherbestand übernommen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 128] scheint er sich also schon gefunden zu haben.

Geliebteste Tilly! Ich freue mich sehr darauf, endlich einmal wieder bei Dir zu sein. Morgen MittagWedekind notierte am 3.3.1910 seine Abreise zur nächsten Lesung: „Abfahrt von Wien. Versäume umzusteigen, fahre bis Abends 8 Uhr. Vortrag in Olmütz.“ [Tb] fahre ich nach Olmütz. Mein Husten ist besser geworden. Ich bitte Dich, fleißig Stein der Weisen zu lernen. Je besser Du den Text kannst um so mehr Vergnügen wird das Einstudieren machen. Heute Nachmittag werde ich noch einen Kritikerden Schriftsteller und Journalisten Stefan Großmann, Redakteur der Wiener „Arbeiter-Zeitung“, wie Wedekind am 2.3.1910 für den Nachmittag notierte: „Besuch bei Stephan Großmann auf der Arbeiterzeitung“ [Tb]. aufsuchen und heute AbendWedekind notierte am 2.3.1910 für den Abend: „Mit Weigert und zwei Herrn in der Tabakspfeife.“ [Tb] wieder mit Weigert Geyer, Polgar und Menkes zusammentreffen.

Innigste Küsse Dir, geliebte Tilly und unserer lieben Annapamela.

Bleibt gesund!

In treuer Liebe
Dein
Frank.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 2. März 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mittwoch, 2.III.10.


Mein lieber Frank,

ich danke Dir herzlich für Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.2.1910. und Deinen Kartenbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910.. Ich freue mich dass der Vortrag gut vorbei ist, und Du die Wirkung der Lamiascene ausprobiertWedekind hatte bei seiner Lesung am 27.2.1910 in Wien die 5. Szene (der Dialog zwischen Lamia und Basil) seines Versdramas „Der Stein der Weisen“ vorgetragen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.2.1910]. hast. Sie ist wirklich nicht schwer zu lernen, der Anfang (LeonhardDer Famulus Leonhard tritt in der 1. und 2. Szene des Versdramas „Der Stein der Weisen“ auf [vgl. KSA 6, S. 237-242].) wurde mir schwerer. Ich werde die Lamia jeden Tag öfter durchsprechen, so gut | und so deutlich es mir möglich ist, und freue mich sehr, bis wir sie dann zusammen studieren. Vielleicht können wir Stein der Weisen doch im Juli spielenWedekinds Versdrama „Der Stein der Weisen“ wurde erst am 23.1.1911 im Rahmen eines Gastspiels an der Kleinen Bühne in Wien uraufgeführt [vgl. KSA 6, S. 1004]..

Sehr froh bin ich, dass das Wetter mild und angenehm ist. Ich hoffe zuversichtlich dass Dein Husten bald besser wird. Hoffentlich ist es auch in Prag schön. Das ist sehr gut, dass Du in Prag einige Tage Ruhe hast. MorgenAm 3.3.1910 fand Wedekinds „Vortrag in Olmütz“ [Tb] statt. und übermorgenAm 4.3.1910 fand Wedekinds „Vortrag in Prag“ [Tb] statt., dann | ist es ja bald vorbei.

Das ist unglaublich, dass Gutmann noch gar nicht mit dem Volkstheater verhandeltEmil Gutmann – das Konzertbüro Emil Gutmann in München organisierte Wedekinds Vortragsreisen und Gastspiele – hatte anders als angenommen nicht mit dem Deutschen Volkstheater in Wien über ein Gastspiel verhandelt, wie Wedekind vor Ort von Anton Geiringer erfahren musste [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910]. hat! Wie Du das gleich wusstest!

Wir waren gestern in der Schackgalerie, Anna Pamela auch, dann giengen wir noch spazieren. Nachmittags war ich bei Frl. Osterlohbei Hildegard Osterloh (Galeriestraße 35a) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 419], Schauspielerin am Münchner Schauspielhaus und am Theater am Gärtnerplatz [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 554] – am 1.3.1910 nachmittags, zusammen mit der befreundeten Schauspielerin Käthi Sandel. eingeladen mit der Sandel. Mit Frau Langheinrich war ich im „nakten Weibin Henry Batailles Schauspiel „Das nackte Weib“ („La femme nue“) im Münchner Schauspielhaus (Hildegard Osterloh spielte die Krankenpflegerin) um 19.30 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 99, 1.3.1910, Generalanzeiger, S. 2] – am 1.3.1910 abends, zusammen mit Anna Langheinrich. heute wollen wir in „Klubsesselin Carl Rößlers und Ludwig Hellers Lustspiel „Im Klubsessel“ im Münchner Schauspielhaus [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.2.1910] – am 2.3.1910 abends, zusammen mit Anna Langheinrich.. Es ist Dir doch recht | wenn ich paar mal in’s Theater gehe? Die Karten für BölscheTilly Wedekind hatte Karl und Anny Henckell am 27.2.1910 Karten für Wilhelm Bölsches Vortrag „Die Rätsel in der Entstehung des Menschen“ am 28.2.1910 angeboten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.2.1910]. nahmen Henckell’s mit Dank an. Für morgen Mittag hat mich Frau Justizrath Bernsteinbei der Schriftstellerin Elsa Bernstein (Ernst Rosmer), der Gattin des Justizrats Max Bernstein (Briennerstraße 8) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 43] – am 3.3.1910 mittags. zum Essen eingeladen. Du wirst denken, ich sei oft weg, aber das ist gar nicht der Fall, bis jetzt war ich bei Stollberg’sbei Georg und Grete Stollberg (Cuvilliésstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 600] – am 28.2.1910 nachmittags. u. Osterloh u. einmal im Theater. Auch tust Du mir sehr Unrecht, wenn Du denkst, ich hätte für die Lamia nicht genügend Interesse.

Uns geht es gut, wir senden Dir herzliche Küsse, Deine Tilly
und Anna Pamela.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 3. März 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 3.III.10.


Mein lieber, geliebter Frank,

tausend Dank für Deine lieben Zeilenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.3.1910.! Inzwischen hab’ ich Dir einen Brief von Paul Cassirernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Paul Cassirer an Wedekind, 2.3.1910. geschickt und bin sehr gespannt wie die SacheWedekinds Streit mit seinem Verleger Bruno Cassirer, dem Vetter Paul Cassirers. Paul Cassirer, von Wilhelm Herzog darauf angesprochen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.2.1910], könnte Wedekind in dem verschollenen Brief darüber Mitteilungen gemacht haben. jetzt aussieht. Auf der Post sagte man mir, dass Du die Briefe noch heute Früh bekommst. Jetzt fährst Du also nach Olmütz, ich werde froh sein wenn heuteder 3.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Abfahrt von Wien. Versäume umzusteigen, fahre bis Abends 8 Uhr. Vortrag in Olmütz.“ [Tb] | und morgender 4.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Abfahrt von Ollmütz um 3 Uhr in Prag. Bertl begleitet mich ins Hotel [...]. Vortrag in Prag.“ [Tb] für Dich vorbei ist. Mein Bruder Rudolf schrieb mirDer Brief von Rudolf Newes an seine Schwester ist nicht überliefert. Wedekind notierte über seinen Schwager am 27.2.1910 nach seiner Ankunft in Wien: „Rudolf holt mich ab. Mittag bei Hartmann [...]. Vortrag. Mit Rudolf bei Hartmann.“ [Tb] aus Wien. Es tut mir leid, dass er Dich schon vor dem Vortrag aufgesucht hat. Ich hatte ihm Dein Hotel nicht gesagt, aber wir wohnen eben immer da. Bertl wird Dir glaub’ ich nicht so sehr auf die Nerven gehen, ich hoffe es wenigstens.

Uns geht es gut, ich lerne jeden Tag an Stein der Weisen. Ich kann den Text natürlich schon, und übe nun haupt|sächlich das Sprechen.

Klubsessel“ war ganz hübschTilly Wedekind hat am 2.3.1910 eine Vorstellung von Carl Rößlers und Ludwig Hellers Lustspiel „Im Klubsessel“ im Münchner Schauspielhaus besucht [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.3.1910]., ich saß in der Direction’s Loge. Heute Mittag esse b ich bei Frau Bernstein, wohl mit ihnen allein. Nachmittags wollte meine Cousine kommen, dann muss sie mich überhören. Anna Pamela ist sehr vergnügt. Sie findet nur, dass Du schon sehr lang weg bist, und begreift nicht warum wir nicht zu Dir fahren. Gestern waren | wir Vor- und Nachmittags fort. Ich freue mich, dass Du Menschen gesehen hast, und wieder neue Gastspiele in Aussicht sind. Am Montagder 7.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Abfahrt von Prag, Versäume umzusteigen komme eine Stunde zu spät nach Teplitz. Vortrag.“ [Tb] bist Du wohl in Teplitz und Dienstagder 8.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Spaziergang durch Teplitz. Fahrt nach Dresden.“ [Tb] in Dresden? Oder ist noch etwas dazwischen? Heute in 8 Tagen kommst Du zurück? Noch eine lange Zeit!

Nun lebe wohl geliebtester Frank,
tausend innige Küsse
Deine Tilly


Viele Küsse
Deine Anna Pamela

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 4. März 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Freitag, 4.III.10.


Innigst geliebter Frank,

meinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1910. den ich Dir gestern nach Prag schrieb, wirst Du erhalten haben. Abends sandte ich Dir noch einen Brief von Bruno Cassirernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bruno Cassirer an Wedekind, 1.3.1910 (Brief). – Tilly Wedekind hat diesen Brief Bruno Cassirers mit einem Begleitschreiben von Wilhelm Herzog aus Berlin erhalten und ihrem Mann am 3.3.1910 („gestern“) abends nach Prag nachgesandt [vgl. Wedekind an Wilhelm Herzog, 5.3.1910]. nach. Wie war es in Olmütz? Bist Du erst heute nach Prag weitergefahren? Die beiden Tagen werden sehr anstrengend für Dich sein. Ich war also gestern Mittag bei Bernstein, mit ihnen allein. | Ich brachte Frau Bernstein ein paar Blumen. Vorgestern erschien ein neues Buch von ihrElsa Bernsteins Buch „Achill. Tragödie in drei Akten“ ist 1910 unter ihrem Pseudonym Ernst Rosmer im Verlag S. Fischer in Berlin erschienen., und erkundigte ich mich sehr interressiertSchreibversehen, statt: interessiert. danach. Dann sprachen wir von Dir, Deinen Vorträgen, vom Theater, von Stollberg, von der Schackgalerie, von der Schauspielerversammlung, von Thomas u. Heinrich Mann etz. Ich glaube, ich habe mich richtig benommen. Meine Cousine überhörte mich Nachmittags die Lamiascene, es gieng ziemlich ohne Stockung. Alle die ich sehe, lassen Dich natürlich vielmals grüßen. |

Heute gehe ich mit Annapamela spazieren, obwohl nicht sehr schönes Wetter ist. Mittags sollen wir beide bei Frau Steinrück essen. Nachmittags sollen werden wir wohl auch spazieren gehen. Die Tage haben wir nichts mehr vor. Ich habe genug zu tun, mit lernen, schreiben, rechnen, lesen. Dienstag hab’ ich für Annapamela einige Kinder eingeladen. Und dann ist die Zeit bald herum, und Du kommst endlich heim. |

Was willst Du dem Hebbel-Theater antworten? Hat Barnowsky geantwortet? Hast Du mit der n. W. Bühne etwas Bestimmtes ausgemacht?

Ich habe Dir weiter nichts Interessantes zu erzählen. Hoffentlich langweilen meine Briefe Dich nicht zu sehr.

In innigster Liebe
Deine Tilly


Lieber Papa, ich schicke Dir 3 Küsse u. bitte Dich uns bald wieder zu schreiben.
Deine Annapamela.

Frank Wedekind und Dagobert Newes schrieben am 4. März 1910 in Prag folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Prag 4/März 1910

Meine liebe Tilly, ich freue mich Dir sagen zu können, daß Frank gut in Prag ankamDagobert Newes hat seinen Schwager, der um 15 Uhr in Prag eintraf, am Bahnhof abgeholt. Wedekind notierte am 4.3.1910: „um 3 Uhr in Prag. Bertl begleitet mich ins Hotel“ [Tb]. u. sagt, daß er sich wohl fühlt, obwohl er leider noch ziemlich arg hustet. Dein Bertl.


Geliebteste Tilly! Eben las ich Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1910. und werde Dir heute noch schreiben. Mit dem Husten ist es nicht mehr schlimm. B. Cassirer hat ist einverstanden zu verkaufenentweder bereits auf einer Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.3.1910] oder brieflich [vgl. Wedekind an Wilhelm Herzog, 5.3.1910] erklärt. Bruno Cassirer veröffentlichte dann die Anzeige: „Ich beabsichtige, aus meinem Verlage sämtliche bei mir erschienenen Werke von FRANK WEDEKIND zu verkaufen.“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 77, Nr. 56, 10.3.1910, S. 3079], aber vom Preis war noch nicht die Rede. Barnowsky hat abgesagtein in Aussicht genommenes Gastspiel Wedekinds, für das Wedekind 500 Mark pro Abend als Honorar verlangt hat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.3.1910], Victor Barnowsky aber nur 200 Mark geboten hat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.3.1910].. DeinenSchreibversehen, statt: Deine. nächsten Nachricht erwarte ich Dresden Webers Hotel. Ich freue | mich sehr daß Du Stein der Weisen gelernt hast. Wenn der Text festsitzt werden wir nur im Kostüm probieren. Gestern AbendWedekinds „Vortrag in Olmütz“ [Tb] am 3.3.1910 um 20 Uhr im Deutschen Kasino [vgl. Vorlesung Frank Wedekind. In: Mährisches Tagblatt, Jg. 31, Nr. 49, 2.3.1910, S. 4], bei dem er aus „Die Zensur“ und „Totentanz“ sowie Gedichte las [vgl. KSA 1/IV, S. 1313] – dasselbe Programm wie am 4.3.1910 beim „Vortrag in Prag“ [Tb]. ging es ganz gut. Später war ich mit Bekannten von Roda-Roda zusammen. Bleib nur gesund, geliebte Tilly! Auch Du Annapamela! Innigste Küsse. Auf Wiedersehn am Donnerstagder 10.3.1910.. In Liebe Dein Frank.


Frau
Tilly Wedekind
München
Prinz Regentenstr. 50.

Tilly Wedekind schrieb am 5. März 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Böhmen. Prag.
Hotel „blauer Stern“. |


Wenn abgereist, bitte nachsenden:
Dresden, Weber’s Hotel. |


Samstagder 5.3.1910., abends.

Mein einziger, geliebter Frank, ich setze mich an den Schreibtisch um zu rechnen, oder Briefe zu beantworten – immer wieder schreibe ich statt dessen Dir! Heute war ein schöner Vorfrühlings Tag, wir waren Vor- und Nachmittag spazieren. Ich bin müde und sehne mich nach Dir, mein Geliebter! Als Annapamela im Bett lag und wir uns Gutenacht sagten bat sie, „bitte schreib’ dem Papa er soll morgen wiederkommen.“ Wann kommst Du Donnerstagder 10.3.1910. hier an? Wir begegneten Herrn und Frau Stollberg, die mich baten Annapamela mitzubringen, wenn ich sie wieder besuche. Wolltest Du nicht 3 Tage in Prag bleiben? Wann kommst Du nach Dresden? Gleichzeitig sende ich den Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Großherzogliches Hof- und Nationaltheater Mannheim an Wedekind, 4.3.1910. Intendant des Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters in Mannheim war Carl Hagemann [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 526], dem Wedekind am 21.8.1909 in München persönlich begegnet ist – „Intendant Hagemann aus Mannheim ist da“ [Tb] – und der einen Ruf an das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg erhalten hat, wozu Wedekind ihm telegrafisch gratulierte [vgl. Wedekind an Carl Hagemann, 28.1.1910]. vom Großherzoglichen Hoftheater in Mannheim. Bin sehr gespannt auf den Inhalt.

Innigst
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 5. März 1910 in Prag folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HÔTEL BLAUER STERN
CARL SELTMANN.
TELEGRAMM-ADRESSE:
STERNHÔTEL PRAG.


PRAG, 5.III.10.


Innigst geliebte Tilly!

Ich danke Dir herzlich für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1910 und 4.3.1910.. Ich habe mich über jedes Wort darüber gefreut. Jetzt fällt mir aber eben ein, daß Du vielleicht kein GeldWedekind schickte 100 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.3.1910]. mehr hast und morgen ist Sonntag. Heute ist es schon zu spät. Montag vormittag schicke ich Dir also auf alle Fälle Geld.

Auf der Fahrt WienOllmütz versäumte ich umzusteigenWedekind notierte am 3.3.1910 zu seiner Fahrt von Wien nach Olmütz: „Abfahrt von Wien. Versäume umzusteigen, fahre bis Abends 8 Uhr.“ [Tb], da kein Mensch was davon gesagt hatte. Ich kam daher erst 8 Uhr Abends kurz vor Beginn des VortragsWedekinds Lesung am 3.3.1910 im Deutschen Kasino in Olmütz (er las aus „Die Zensur“ und „Totentanz“ sowie Gedichte) war auf 20 Uhr angesetzt: „Morgen abends, pünktlich 8 Uhr, findet im deutschen Kasino die einzige Vorlesung Frank Wedekinds aus eigenen Werken statt. Vorgemerkte Plätze müssen bis mittags abgeholt werden, da sie sonst zur Befriedigung noch unerledigter Bestellungen verwendet werden. Vorverkauf in Friedrich Grosse’s Buchhandlung.“ [Vorlesung Frank Wedekind. In: Mährisches Tagblatt, Jg. 31, Nr. 49, 2.3.1910, S. 4] in Olmütz an. Das Sprechen wurde mir bedeutend leichter als in Wien. Nachher war ich mit einem BuchhändlerWilhelm Grosse, in dessen Buchhandlung der Vorverkauf für Wedekinds Lesung stattfand (siehe oben), wahrscheinlich der Veranstalter; Wedekind hat am 3.3.1910 notiert: „Vortrag in Olmütz. Nachher mit Große [...] zusammen.“ [Tb], einem Kritiker nicht identifiziert.und einem | Oberleutnantnicht identifiziert. Wedekind hat am 3.3.1910 notiert: „Vortrag in Olmütz. Nachher mit [...] einem Oberleutnant Bekannter von Roda zusammen.“ [Tb], Freund von Roda Roda, zusammen. Gewohnt habe ich besser als in Wien wo ich ein sehr schlechtes Zimmer hatte. Gestern holte mich Bertl vom Bahnhof ab. Am Nachmittag ging ich bei herrlichstem Wetter auf dem Rhadschin spazierenauf dem Hradschin, dem Prager Burghügel. Wedekind notierte am 4.3.1910: „Spaziergang auf dem Rhadschin und um den Hofgarten herum.“ [Tb]. Nach dem Vortrag trafen wir uns im blauen SternWedekind war nach seiner Lesung im Hotel Central in Prag (er las aus „Die Zensur“ und „Totentanz“ sowie Gedichte) in geselliger Runde mit dem Musikkritiker Felix Adler, Otto Engländer (Schwager Tilly Wedekinds), Dagobert Newes (Bruder Tilly Wedekinds), dem Musikalienhändler Emil Wetzler und dessen Frau Ida Wetzler (geb. Horschitz) im Hotel Blauer Stern (Am Graben 34), wie er am 4.3.1910 notierte: „Vortrag in Prag. Nachher mit Felix Adler Otto Engländer Bertl und Wetzler und Frau zusammen.“ [Tb], Bertl, sein Vetter Otto, Felix Adler und der MusikalienhändlerEmil Wetzler (siehe oben). der den Vortrag veranstaltet hatte. Wir kneipten bis ein Uhr, dann schlief ich mich wiedereinmal aus. Heute schrieb ich Briefedarunter ein Brief an Wilhelm Herzog (siehe unten). vor Tisch und ging nachher spazieren. Unsere Kartevgl. Frank Wedekind und Dagobert Newes an Tilly Wedekind, 4.3.1910. von gestern Nachmittag wirst Du bekommen haben.

Barnowsky findet 500 M.Wedekinds Honorarvorschlag für einen Gastspielabend [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.3.1910]. pro Abend zu viel und bietet 200 M. Darauf telegraphierte ichTelegramm nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hebbel-Theater Berlin, 4.3.1910. ans Hebbeltheater, es soll mir Gegenvorschläge nach Dresden zukommen lassen. In Wien | sprachen Weigert und Geyer am letzten Abendam 2.3.1910, dem letzten Abend in Wien, den Wedekind in Gesellschaft von August Weigert und Emil Geyer im Lokal Zur großen Tabakspfeife verbrachte [vgl. Tb]; dabei wurde auch über mögliche Gastspiele Wedekinds in „Hidalla“ und „So ist das Leben“ an der Neuen Wiener Bühne gesprochen (nicht realisiert). noch viel davon, wir sollten im Frühjahr in So ist das Leben und Hidalla gastieren. Ob es mehr als Gerede war kann ich vorderhand schwer beurtheilen.

Bruno Cassirer willigt ein, zu verkaufen und stellt allerhand Bedingungenüber den Verkauf von Wedekinds Werken, der zentrale Streitpunkt in Wedekinds Auseinandersetzung mit seinem Verleger Bruno Cassirer. Wedekind bezieht sich auf einen Brief Bruno Cassirers, den er mit einem Begleitschreiben von Wilhelm Herzog erhalten hat [vgl. Wedekind an Wilhelm Herzog, 5.3.1910].. Über den Preis ist aber noch gar nicht verhandelt worden. Sobald ich in München bin werde ich der Sache wieder einen kräftigen Ruck geben. Während der Reise kann ich das nicht. Ich schrieb aber an Herzogvgl. Wedekind an Wilhelm Herzog, 5.3.1910., sie er möchte die Verhandlungen weiter fortsetzen.

Morgen, Sonntag bleibe ich noch hier. Montagder 7.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Abfahrt von Prag, Versäume umzusteigen komme eine Stunde zu spät nach Teplitz. Vortrag.“ [Tb] Seine vom Teplitz-Schönauer Leseklub veranstaltete Lesung im Lindensaal in Teplitz [vgl. Vortrag Frank Wedekind. In: Teplitz-Schönauer Anzeiger, Jg. 50, Nr. 30, 9.3.1910, S. 7] hatte dasselbe Programm wie die Lesungen in Olmütz und Prag. Nachmittag fahre ich nach Teplitz und Dienstagder 8.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Fahrt nach Dresden.“ Er las am 9.3.1910 im Künstlerhaus in Dresden [vgl. Dresdner Nachrichten, Jg. 54, Nr. 50, 20.2.1910, S. (4)] seine Tragödie „Die Büchse der Pandora“ [vgl. KSA 3/II, S. 1268]. nach Dresden. | Schick mir also bitte nichts mehr hierher S/s/ondern na/se/nde die Post nach Dresden „Webers Hotel“. Am Donnerstagder 10.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Um 11 Uhr Abfahrt nach München“ [Tb]. denke ich um 11 Uhr von Dresden abzureisen und wäre also am Abend in München.

Also auf baldiges Wiedersehn, geliebteste Tilly! Innigste Küsse Dir und Annapamela. Bleibt gesund! Ich freue mich sehr, daß Du Stein der Weisen gelernt hast.

In Liebe
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 7. März 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Montag, 7.III.10.


Innigst geliebter Frank,

vielen, vielen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.3.1910. und Deine Karte mit Bertlvgl. Frank Wedekind und Dagobert Newes an Tilly Wedekind, 4.3.1910. zusammen! Wenn ich keine Nachricht von Dir habe und mir Gedanken darüber mache, bin ich für den ganzen Tag verstimmt und traurig! Ein Wort von Dir, geliebter Frank, macht mich glücklich. Ich | freue mich, dass ich Annapamela habe, ich freue mich über mein Heim, ich freue mich dass die Sonne scheint – ich bin zufrieden mit Gott und der Welt und mit mir. Was wäre mein Leben ohne Dich!

Drei Tage noch, dann bist Du endlich wieder bei mir, aber dass Du noch immer hustest Frank, beunruhigt mich sehr! Wenn Dich diese Reise nur nicht zu sehr angestrengt hat! Es wäre sehr | gut, wenn Du jetzt einige Zeit Ruhe hättest und Dich erholen könntest. Deshalb ist es vielleicht besser, wir gehen im März nicht nach BerlinWedekind reiste am 28.3.1910 allein von München ab, machte in Darmstadt Station und reiste von dort nach Berlin weiter, wo er am 30.3.1910 eintraf [vgl. Tb].. Was hat das Hebbel-Theater geantwortet?Nachfrage in Anspielung auf eine Mitteilung Wedekinds über seine Korrespondenz mit dem Hebbel-Theater in Berlin [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.3.1910]. Ich freue mich sehr, dass Bruno Cassirer nun endlich eingesehenAnspielung auf die Mitteilungen Wedekinds über seinen Verleger Bruno Cassirer [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.3.1910]. hat, dass er verkaufen muss. DassSchreibversehen, statt: Das. muss ja schrecklich anstrengend für Dich gewesen sein, wenn Du erst kurz vor Deinem Vortrag in Olmütz ankamst! |

Ich danke Dir, mein lieber Frank, dass Du daran dachtest mir Geld zu schickenWedekind schickte 100 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.3.1910].. Es wurde schon ein Bischen knapp.

Anna Pamela ist Gottlob und unberufen munter und frisch. Gestern waren wir fast den ganzen Tag im Freien, giengen Nachmittags zu Fuß fast bis Ober-Föhringdie seinerzeit noch selbständige Gemeinde Oberföhring, etwa 5 Kilometer von München entfernt.. Von Mama aus Lenzburg hab’ ich einen sehr lieben BriefDer Brief von Tilly Wedekinds Schwiegermutter Emilie Wedekind an sie ist nicht überliefert.!

Innigen Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 7. März 1910 in Prag
an Tilly Wedekind

Abschnitt. ‒ Coupon.
(Kann vom Empfänger abgetrennt werden.)
(Peut être détaché par le destinataire.)


Stempel des Aufgabepostamtes
Timbre du bureau d‘otigine


Betrag der Postanweisung in Ziffern.
Montant du mandat en chiffres.

100 Mark


Name, Wohnort und Wohnung des Absenders
Désignation de l’envoyeur
Wedekind.
Hotel blauer Stern


Am 7.III 1910
Le |


1908, I.

Tilly Wedekind schrieb am 8. März 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Dresden.
Weber’s Hotel. |


Dienstagder 8.3.1910., abends.


Innigst geliebter Frank, heute hatten wir also Kinderkaffée, bei dem es aber nur Thee und Cacao gab. Anwesend waren im Ganzen 6 KinderHans Blaustein (der Sohn Marie Glümers aus ihrer Ehe mit Paul Martin), genannt Hansi; Dorothea und Ruth Albu (die Töchter von Eugen und Jenny Albu); Ralph Birron (der Sohn von Emil Birron und seiner Frau); Ferdinand von Sadkowski, genannt Hypolit; Pamela Wedekind. und 9 Damendie Schwestern Marie Glümer, engagiert am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 553], und Auguste Glümer, ebenfalls Schauspielerin; Jenny Albu (Gattin des Schriftstellers Eugen Albu) und das von ihr beschäftigte Kindermädchen (nicht identifiziert); die Gattin (nicht identifiziert) des Hofschauspielers Emil Birron; Eugenie von Sadkowski (Cousine Tilly Wedekinds), genannt Jenny; Elisabeth Steinrück (Arthur Schnitzlers Schwägerin, verheiratet mit dem Hofschauspieler Albert Steinrück); die Hofschauspielerin Luise Hohorst; Tilly Wedekind.. Die beiden Damen Glümer mit dem kleinen Hansi, Frau Albu mit ihrem Fräulein und zwei Töchterchen, Frau Birron mit dem kl. Ralph, Jenny mit Hypolit, Frau Steinrück, Frl. HorrorstSchreibversehen (oder Verballhornung), statt: Hohorst., Anna Pamela und ich. Ich glaube, es gieng recht gut. Ich musste die mal einladen, und ich dachte, es wird Dir lieber sein, wenn ich das jetzt abmache. Für das Geld100 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.3.1910]. noch vielen Dank. Morgen also Dresdender 9.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Bei Mieze zu Mittag. Nachher Spaziergang mit ihr und Mati im Großen Garten. Abends Vortrag d. B. d. Pandora.“ [Tb], dann kommst Du endlich wieder! Bitte schreibe, oder telegraphiere mir die Zeit Deiner Ankunft, dass ich Dich abholenWedekind notierte am 10.3.1910 zu seiner Ankunft am Hauptbahnhof in München: „Tilly holt mich ab.“ [Tb] kann. Ich freue mich von ganzem Herzen auf das Wiedersehen! Innigsten Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 9. März 1910 in Dresden folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind prinzregentenstrasze 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Dresden [...]


geliebte tilly, innigen dank, komme morgenden 10.3.1910. abend 9 uhr 4321.43 Uhr. kuesse dich und anapamela = frank.

Tilly Wedekind, Dagobert Newes und Pamela Wedekind schrieben am 28. März 1910 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Hôtel Konradshöhe
Bayerbrunn.


POSTKARTE


Herrn
Frank Wedekind
DarmstadtWedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 28.3.1910 (Ostermontag) ab nach Darmstadt („Tilly bringt mich zur Bahn. Fahrt nach Darmstadt“), von dort am 30.3.1910 weiter nach Berlin („Fahrt nach Berlin. Abends im Habsburger Hof“).
Hotel KronprinzWedekind hatte sich im Namen des Hotels vertan [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1910] (und seine Frau falsch informiert), was zu Verzögerungen in der Postzustellung der vorliegenden Bildpostkarte und weiterer Korrespondenzstücke seiner Frau an ihn führte; gemeint war das Hotel Zum Prinzen Karl (Karlstraße 1) [vgl. Adreßbuch der Haupt- und Residenzstadt Darmstadt für 1910, Teil V, S. 557], in dem er aber dann in Darmstadt doch nicht logierte, sondern im Hotel Britannia (Rheinstraße 35).


[um 90 Grad gedreht:]

Wenn verreist, bitte nachsenden:
Berlin, Habsburger Hof, Anhalter Bahnhof.


Mein lieber Frank, Vormittag giengen wir von Höllriegels KreuthHöllriegelskreuth „war seit 1891 per Eisenbahn von München aus erreichbar.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 134] Die Konradshöhe in Baierbrunn lag etwa 3 Kilometer südlich davon. nach Konrads Höhe aßen daim Restaurant des Hotels Konradshöhe (Motiv auf der Bildseite der Bildpostkarte)., u. giengen jetzt wieder zurück. Herzlichste Grüße. Deine Tilly u. Anna Pamela

herzlichsten Gruß u. nochmals vielSchreibversehen, statt: vielen. Dank. Dein ergebener BertlTilly Wedekinds Bruder Dagobert Newes war vom 25. bis 28.3.1910 zu Besuch in München [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 134].. |


Isartal. Hôtel Konradshöhe, 620 m. ü. M.
Bayerbrunn.

Frank Wedekind schrieb am 29. März 1910 in Darmstadt folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Hôtel Britannia, Darmstadt
RUDOLF REUTER, Hoflieferant.

Zentralheizung.
Personen-Aufzug.
Elektr. Licht.

Telefon Nr. 153.


DARMSTADTWedekind notierte am 28.3.1910 seine Abreise von München nach Darmstadt: „Tilly bringt mich zur Bahn. Fahrt nach Darmstadt.“ [Tb], den 29. März 1910Wedekind notierte am 29.3.1910 in Darmstadt: „Brief an Tilly.“ [Tb].


Geliebteste Tilly!

Es war der interessanteste AbendWedekind war am Abend des 28.3.1910 (Ostermontag) zu Gast auf einer Soiree des international berühmten Komponisten Willy Burmester in Darmstadt (Heidelberger Straße 9), „Professor für Musik“ [Adreßbuch der Haupt- und Residenzstadt Darmstadt für 1910, Teil II, S. 30]: „Soirée bei Willy Burmester. Ich sitze neben dem Großherzog.“ [Tb], den ich bis jetzt erlebt habe und ich hoffe nur daß wir recht bald zusammen einen ähnlichen Abend erleben werden. Du hättest Dich ausgezeichnet in der Gesellschaft ausgenommen. Wenn ich mich dabei weniger unbefangen gefühlt hätte, so ist das ein Mißstand, der sich eben ändern muß. – Ich kam also am Mittag hier an und fuhr ins Hotel Prinz Karl, nicht KronprinzWedekind hatte sich im Namen des Hotels geirrt; der richtige Name des Hotels lautete: Zum Prinzen Karl (Karlstraße 1) [vgl. Adreßbuch der Haupt- und Residenzstadt Darmstadt für 1910, Teil V, S. 557], in dem er dann aber doch nicht logierte, es aber am 28.3.1910 zunächst aufgesucht hat: „Das Hochzeitszimmer im Prinzen Karl.“ [Tb], wie ich glaubte. Das Hotel hatte sich aber in eine ganz gewöhnliche Bierkneipe verwandelt, so daß ich im Lauf des Nachmittags hierher umzog und das gleiche ZimmerFrank Wedekind notierte am 28.3.1910 zu seinem Zimmer im Hotel Britannia (Rheinstraße 35) [vgl. Adreßbuch der Haupt- und Residenzstadt Darmstadt für 1910, Teil V, S. 557], in dem er schon einmal übernachtete – gemeinsam mit seinem älteren Bruder Armin Wedekind auf der Reise mit dem Vater in die Schweiz vom 18.7.1872 bis 2.9.1872, um dort Schloss Lenzburg zu kaufen [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 264]: „Im Britanniahotel wohne ich im gleichen Zimmer in dem ich vor 38 Jahren mit Armin geschlafen.“ [Tb] erhielt, in dem ich vor 38 Jahren bei unserer Übersiedelung von Hannover nach Lenzburg mit meinem Bruder Armin geschlafen. – Während des Nachmittags gab ich meine Kartenwohl Schreibversehen, statt: Karte. Hinweis auf eine nicht überlieferte Visitenkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Willy Burmester, 28.3.1910. bei Burmester ab, ohne jemanden zu treffen. Abend um 7 Uhr ging ich zu Fuß hin, die meisten Gäste gingen zu Fuß. Es waren etwa 50 Personen. Dann kamen die Hoheiten, der GroßherzogErnst Ludwig, Großherzog von Hessen und bei Rhein, war „als Liebhaber und Mäzen der Künste bekannt. 1899 berief er eine Gruppe junger Künstler und Architekten nach Darmstadt und trug als Gründer und Förderer der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe entscheidend zur Entwicklung des Jugendstils in Deutschland bei. Daneben zeichnete er sich auch selbst durch breite künstlerische Interessen und Begabungen aus.“ [KSA 7/II, S. 1048] Die Figur des Herzogs von Rotenburg in „Franziska“ trägt Züge von ihm [vgl. KSA 7/II, S. 1047f.]. mit Frau und sein SchwagerHeinrich von Preußen (der jüngere Bruder Wilhelms II.) war seit 1888 mit seiner Cousine Irene von Hessen-Darmstadt, der Schwester Ernst Ludwigs (und der russischen Zarin Alexandra Fjodorowna), verheiratet., der Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder des Deutschen Kaisers. Die GroßherzoginEleonore zu Solms-Hohensolms-Lich, seit 1905 Eleonore von Hessen und bei Rhein, Ernst Ludwigs zweite Frau. Die Figur der Herzogin in „Franziska“ trägt Züge von ihr [vgl. KSA 7/II, S. 1049]. reichte jedem der Gäste die Hand, während die beiden Herren sich gleich mit ihren näheren Bekannten unterhielten. Dann kam ein musikalischer Vortrag am Klavier von einem Musik|kritiker aus CölnOtto Neitzel, Komponist, Pianist und Musikkritiker, war „1885 als Lehrer an das Kölner Konservatorium berufen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 135] worden, wo Wedekinds alter Freund Hans Richard Weinhöppel seit 1906 als Gesangslehrer tätig war., Dr. Neitzel, der mir nachher viel von Weinhöppels ScheidungHans Richard Weinhöppel hat Wedekind erst am 28.7.1910 in München näher über „seine Scheidung von der Amerikanerin Stella Brockow, mit der er seit 1896 verheiratet war“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 136], unterrichtet: „Weinhöppel erzählt mir die Geschichte seiner Scheidung“ [Tb]. erzählte. Dann wurden die Tischkarten ausgetheilt. Der Großherzog saß zwischen der Dame, die ich zu Tisch geführt hatte und der Frau Burmester, neben der ich saß, meiner Tischdamenicht identifiziert. gegenüber, dann noch eine Dame, Dr. Neitzel und ein Engländernicht identifiziert.. Am Tisch gegenüber präsidierte die Großherzogin. Zum Glück hatte ich erfahren, daß der Großherzog auch Theaterstücke„Mit der Weihnachtsdichtung ‚Bonifatius‘, die Ernst Ludwig unter dem Pseudonym E. Mann vorlegte, wurde am 19.IX.1909 das erste Bühnenstück des Großherzogs am Darmstädter Hoftheater (mit Musik des Darmstädter Hofkapellmeisters Willem de Haan) aufgeführt.“ [KSA 7/II, S. 1048] schreibt und neulich eines am hiesigen Hoftheater hatte aufführen lassen. Ich setzte mich daher mit den Worten nieder: Kgl Hoheit wurden neulich am hiesigen Hoftheater aufgeführt. Damit war das Eis gebrochen. Seit Willy GrétorWedekind hat den deutsch-dänischen Maler und Kunsthändler Willy Gretor (die Titelfigur des „Marquis von Keith“ trägt Züge von ihm) Anfang 1894 in Paris kennen gelernt. habe ich keinen so aufgeregten Menschen mehr gesehen. Er erzählte daß er mit 12 Jahren zum ersten Mal ins Theater kam und seitdem jeden Tag im Theater war. Er führt Regie, schreibt Stücke und tritt in seinen eigenen Stücken als Schauspieler auf. Ich erzählte ihm die ganze Liga-GründungWedekinds Tagebuch zufolge dürfte es sich um Pläne zur Gründung eines literarischen Vereins oder Theatervereins gehandelt haben, die von Carl Sternheim am 12.3.1910 in München initiiert wurden („Am Nachmittag kommt Sternheim und schlägt mir die Gründung einer Liga vor“). Gespräche dazu folgten mit Carl Sternheim, Paul Cassirer, Karl Gustav Vollmoeller und dem Schauspieler Karl Peppler am 15.3.1910 („Nach Tisch fahre ich zu Sternheim hinaus Privatunterredung mit Cassirer. Conferenz mit Vollmöller Sternheim Cassirer. Abendessen bei Sternheim Rückfahrt im Automobil. Torgelstube mit Cassirer Vollmöller Peppler“) und wurden am 16.3.1910 – nun war Friedrich Freksa mit dabei – fortgeführt („Um 4 Uhr Conferenz bei mir Sternheim Cassirer Freksa Vollmöller Abendessen mit den Theilhabern im Hotel Marienbad“). ‒ Paul Cassirer gründete dann Ende 1910 in Berlin die Theatergesellschaft Pan. an der er großen Antheil nahm. Er schwärmte vom Münchner Schauspielhaus, da er aber weder von meinen Stücken noch von unserm Auftreten sprach hatte ich keine Ursache, davon anzufangen. Dann kam das Gespräch auf Hoffmannsthal und Richard StraußAnspielung auf die erfolgreiche Oper „Elektra“ (1908, uraufgeführt am 25.1.1909 in Dresden) von Richard Strauss, für die Hugo von Hofmannsthal das Libretto geschrieben und dabei auf seine Tragödie „Elektra“ (1904, uraufgeführt am 30.10.1903 in Berlin) zurückgegriffen hat.. Gleich zuerst hatte ich ihm mein politisches Glaubensbekenntnis in Bezug auf SüddeutschlandWedekinds formulierte in einem Aphorismus: „Der Norddeutsche braucht sehr viel Bildung, weil er sehr wenig Kultur (Erziehung) hat. Der Süddeutsche braucht weniger Bildung, weil er viel mehr Cultur (Erziehung) hat.“ [KSA 5/II, S. 243] vorgesetzt, daß/s/ ihm zu behagen schien. Die Frau BurmesterNaema Apollonia Burmester (geb. Fazer), seit 1894 mit Willy Burmester verheiratet. ist eine ungemein liebenswürdige Dame von 30 – 40 Jahren, mit der Du, geliebte Tilly, nach den ersten Worten ein Herz und eine Seele wärst. Nach aufgehobener Tafel sang Schmedes, der Bruder des Wiener Opernsängersder dänische Konzertsänger Paul Schmedes (Bariton), Bruder des berühmteren Opernsängers Erik Schmedes (Tenor), der an der Wiener Hofoper engagiert war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 661]. einige Lieder, worauf sich die Hoheiten empfahlen. Der Großherzogin | kam ich nicht nahe, ebenso wenig dem Prinzen Heinrich, mit dem Burmester einen heftigen Disput ausfocht. Ich blieb noch etwa eine Stunde und ging dann mit Dr. Neitzel ins Café Bauerin das gegenüber dem Hotel Britannia (Rheinstraße 35) gelegene Café Bauer (Rheinstraße 28) [vgl. vgl. Adreßbuch der Haupt- und Residenzstadt Darmstadt für 1910, Teil V, S. 544]., wo wir noch längere Zeit über Musik schwatzten. – Heute stand ich um 11 Uhr auf und begegnete dicht vor dem Hotel Burmester der heute Abend nach Kopenhagen fährt. Er brachte mich in seinem Auto auf die Matildenhöhe, die Künstler KolonieWedekind hatte die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt schon einmal besucht, als er vom 26. bis 29.7.1901 im Spielhaus der Künstlerkolonie mit den Elf Scharfrichtern dort gastierte., wo ich mir die neuen Bauten ansah. Heute Abend bleibe ich noch hier und hoffe etwas zu arbeiten. Morgender 30.3.1910, an dem Wedekind notierte: „Fahrt nach Berlin. Abends im Habsburger Hof.“ [Tb] Vormittag fahre ich nach Berlin.

Nun leb wohl, geliebteste Tilly. Ich hoffe, daß es Dir und Annapamela gut geht. Küsse Annapamela von mir und sei selber innigst geküßt.
In Liebe Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 30. März 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mittwochder 30.3.1910..


Mein lieber Frank,
ich erwarte sehnsüchtig Nachricht von Dir. Wie war es in DarmstadtWedekind war am 28.3.1910 in Darmstadt auf einer Soiree bei Willy Burmester zu Gast [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1910].? Wann bist Du nach FrankfurtWedekind ist nicht nach Frankfurt am Main gereist., wann nach BerlinWedekind reiste am 30.3.1910 von Darmstadt weiter nach Berlin: „Fahrt nach Berlin. Abends im Habsburger Hof.“ [Tb]? Gestern sah ich Frau v. Jacobi, sonst Niemand. Hoffentlich bist Du wohl!

Uns geht es gut und senden wir Dir die herzlichsten Grüße.
Deine Tilly


Hast Du meine Karte bekommen?vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind, Dagobert Newes an Frank Wedekind, 28.3.1910. – Wedekind hatte die Bildpostkarte noch nicht erhalten (ihr Postweg zog sich über Wochen hin).

Tilly Wedekind schrieb am 30. März 1910 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin
Habsburger-Hof
am Anhalter Bahnhof. |


Mittwochder 30.3.1910.. Geliebter Frank, innigen Dank für Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1910. über den ich mich von ganzem Herzen gefreut habe! Ich werde Dir gleich morgen früh ausführlich antworten. Ich hoffe sehr, dass Dir Deine Stimmung in Berlin nicht verdorben wird. Uns geht es gut, ich war mit Jenny in „Baumeister SolneßIm Münchner Königlichen Residenztheater hatte am 22.3.1910 „neu einstudiert Baumeister Solneß von Ibsen“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 123, 15.3.1910, Morgenblatt, S. 2] Premiere gehabt (in der Titelrolle Albert Steinrück). Tilly Wedekind besuchte mit ihrer Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowsky die Vorstellung am 30.3.1910, die nach 22 Uhr beendet war: „Ende nach 10 Uhr“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 147, 30.3.1910, Generalanzeiger, S. 2]. Sie waren anschließend noch mit Eugen und Jenny Albu im Hoftheater-Restaurant essen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.3.1910], so dass die vorliegende Postkarte sehr spät abends geschrieben wurde.. Innigst
Deine Tilly

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 31. März 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstagder 31.3.1910..


Mein lieber Frank,

ich freue mich so sehr, dass der AbendWedekind war am 28.3.1910 in Darmstadt auf einer Soiree bei Willy Burmester zu Gast [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1910]. für Dich so interessant war und Du anscheinend so guter Stimmung bist. Ob wir jemals unbefangen und gemeinschaftlich so einen Abend verleben werden, kommt mir vor der Hand nicht sehr wahrscheinlich vor. ‒

Es hat sicher viel Erinnerungen in Dir erweckt, dass Du das gleiche Zimmer hattest wie vor so langer Zeit. Wir schrieben Dir | Montag eine Karte nach Hotel Kronprinzvgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind, Dagobert Newes an Frank Wedekind, 28.3.1910. ‒ Die Bildpostkarte nach Darmstadt wurde verspätet zugestellt, da das Hotel falsch angegeben war; gemeint war das Hotel Zum Prinzen Karl (Karlstraße 1). von unserm wirklich schönen Ausflugnach Höllriegelskreuth und von dort auf die Konradshöhe in Baierbrunn [vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind, Dagobert Newes an Frank Wedekind, 28.3.1910].. Als Bertl abends weggefahren war, kam ich mir bischen verlassen vor. Er lässt Dich/r/ noch vielmals für alles danken.

Dienstag waren wir spazieren, Nachmittags schickte Frau v. Jacobi zu uns, ob wir nicht kommen wollen. Wir verbrachten dann ein paar sehr nette Stunden miteinander.

Gestern und heute hat es un|unterbrochen geschneit, es hat ein paar Grad Kälte. Ich habe eben mit Annapamela eine Schlittenfahrt durch den ganzen englischen Garten gemacht. Ich hoffe, dass Du in Berlin gutes Wetter hast, habe aber doch zur Vorsicht Deinen Wintermantel und Überschuhe gestern abgeschickt. Du hast sie wohl schon erhalten. Deinen Brief bekam ich Nachmittag. Ich hätte Dir gleich ge|schrieben aber um 6 Uhr18 Uhr. Die am 30.3.1910 von Tilly Wedekind mit ihrer Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowsky besuchte Vorstellung von Henrik Ibsens Schauspiel „Baumeister Solneß“ im Residenztheater (in der Titelrolle Albert Steinrück) begann um 19.30, die Kasse öffnete um 19 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 147, 30.3.1910, Generalanzeiger, S. 2]. kam Jenny und wir giengen zusammen in „Baumeister Solneß“, das/er/ mir einen großen Eindruck gemacht hat. Ich würde gern Deine Abhandlung aus der FackelWedekinds Essay „Schriftsteller Ibsen (‚Baumeister Solneß‘)“ [KSA 5/II, S. 131-144], zuerst vom 2. bis 5.11.1895 in der „Neuen Zürcher Zeitung“ veröffentlicht, dann überarbeitet unter dem Titel „Schriftsteller Ibsen und ‚Baumeister Solneß‘. Ein kritischer Essay“ [KSA 5/II, S. 176-188] am 13.7.1902 in der Münchner Wochenschrift „Freistatt“ gedruckt, erschien in dieser überarbeiteten Fassung [vgl. KSA 5/III, S. 755f.] in der von Karl Kraus in Wien herausgegebenen Zeitschrift „Die Fackel“ [vgl. Frank Wedekind: Schriftsteller Ibsen und „Baumeister Solneß“. Ein kritischer Essay. In: Die Fackel, Jg. 8, Nr. 205, 11.6.1906, S. 5-20]. darüber wieder mal lesen. Wo ist sie? Nachher haben wir mit Herrn und Frau Albu im Hoftheater Restaurant gegessen u. giengen dann gleich nach Hause. Wie sind die Dinge in BerlinAnspielung auf Wedekinds Konflikt mit seinem Verleger Bruno Cassirer in Berlin.? Ich bin sehr gespannt auf Deine nächsten Mitteilungen.

Innigsten Kuss
Deine Tilly.


Viele Küsse, komm’ bald wieder.
Deine Anna Pamela.

Frank Wedekind schrieb am 31. März 1910 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

[1. Briefentwurf:]


Mich auf Reisen ohne Nachrichten zu lassen, das ist ebenso unanständig von Dir, liebe Tilly, wie wenn ich Dich ohne Geld lassen oder, wenn Du nach Hause kommst, Dir die Thür vor der Nase zuschlagen wollte. Mit welchem Recht gehst Du in meinem Haus noch aus und ein?

Ich habe Deine Unanständigkeiten gründlich satt

Frank Wedekind.


[2. Abgesandter Brief:]


Ich bestätige meinen Brief vom 29.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1910. Abends, den ich in Darmstadt selber zur Post brachte.

Mich auf Reisen ohne Nachrichten zu lassen, das ist ebenso unanständig von Dir, wie wenn ich Dich ohne Geld lassen oder, wenn Du nach Hause kommst, Dir die Thür vor der Nase zuschlagen wollte.

Ich habe Deine Unanständigkeiten gründlich satt.

Mit welchem Recht gehst du in meinem Haus noch aus und ein?

Frank Wedekind.


Berlin 31.III.10Wedekind notierte am 31.3.1910: „Warte vergeblich auf Nachricht von zu Haus. Verärgerter Abend. Telegramm und Brief an Tilly. Bis 3 Uhr im Café Bauer“ [Tb]..

Frank Wedekind schrieb am 1. April 1910 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

[1. Telegrammentwurf:]


Tilly Wedekind München

Prinzregentenstraße 50.

Du hast mir ein schweres großes Stück Arbeit abgenommen erspart. Wir sind fertig. Herzlichen Glückwunsch.

Frank


[2. Abgesandtes Telegramm:]


Telegramm.

[...]

tilly wedekind
prinzregentenstrasze 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


du hast mir ein grosses stueck arbeit erspaert. wir sind fertig.
herzlichen glueckwunsch = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 1. April 1910 in Nürnberg folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

[1. Telegrammentwurf:]


Frank Wedekind. Berlin.

Habsburger Hof, Anhalter Bahnhof.

Innigst geliebter Frank,
sofort nach Erhalt Deines TelegramsSchreibversehen, statt: Telegramms. abgereist. Habe Dir Montag, Mittwoch, Donnerstag Nachricht u. Mantel geschickt. Ich habe nicht das Geringste Unrechte getan. Bin in furchtbarer Aufregung. Bin um 6.4218.42 Uhr. Wedekind notierte die Ankunft seiner Frau am 1.4.1910 in Berlin um 19 Uhr (und nach einer Aussprache in seinem Hotelzimmer ihre Rückreise nach München um 23 Uhr): „Um 7 Uhr kommt Tilly. Abendessen auf meinem Zimmer. Um 11 Uhr fährt sie zurück.“ [Tb] | Nachmittag in Berlin. Konnte nicht eher telegraphieren, erreichte noch gerade den Zug.

In unveränderter treuer Liebe,
Deine Tilly


[2. Telegramm:]


frank wedekind habsburgerhof berlin
anhalterbahnhof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus nuernberg [...]


innigst geliebter frank sofort nach erhalt deines telegrammsvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.4.1910 (erstes Telegramm). – Das Telegramm aus Berlin wurde früh morgens um 5.40 Uhr in München aufgenommen und also in den frühen Morgenstunden zugestellt. Tilly Wedekind reiste noch morgens oder vormittags am 1.4.1910 mit dem Zug von München ab nach Berlin über Nürnberg als Zwischenaufenthalt, wo sie das vorliegende Telegramm aufgab. abgereist habe dir montagder 28.3.1910; unter diesem Datum eine Bildpostkarte [vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind, Dagobert Newes an Frank Wedekind, 28.3.1910], deren Postweg sich über Wochen hinzog. mittwochder 30.3.1910; unter diesem Datum ein Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.3.1910] und eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.3.1910]. donnerstagder 31.3.1910; unter diesem Datum ein Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.3.1910]. nachricht und mantel geschicktTilly Wedekind hat ihrem Mann am 30.3.1910 „Wintermantel und Überschuhe“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.3.1910] nach Berlin geschickt. ich habe nicht des geringste unrecht getan. bin in furchtbarer aufregung bin um 642 nachmittag berlin anhalter bahnhof konnte nicht eher telegraphieren erreichte noch gerade den zug. in unveraenderter treuer liebe = deine tilly

Frank Wedekind schrieb am 1. April 1910 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

= tilly wedekind muenchen
prinzregentenstrasse 50 = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


= endlich lebenszeichenwohl Brief und Postkarte von seiner Frau, beides am 30.3.1910 geschrieben.. bedauere meinen briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.3.1910. = frank.

Frank Wedekind schrieb am 2. April 1910 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebteste Tilly! Herzlichen Dank für Dein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1910 (Telegramm).. Hoffentlich ist Deine EinladungTilly Wedekind hatte Elsa Bernstein, Gabriele Porges und Ottilie Gerhäuser für den 2.4.1910 in München zu einem „Damentee“ [Wedekind 1969, S. 134] eingeladen (siehe die nachfolgende Korrespondenz). nun auch gut vorübergegangen. Ich bitte Dich nur, Geliebte Dich in deiner Bewegungsfreiheit nicht hindertSchreibversehen, statt: hindern. zu lassen, Du hast gesehen, wie ich mich darüber gefreut habe, daß Du unter Menschen gegangen bist. Am Montagder 4.4.1910, an dem Wedekind zu dem Berliner Justizrat Dr. Paul Jonas notierte (dieser hatte ihn 1905/06 schon im „Pandora“-Prozess verteidigt): „Besuch bei Jonas.“ [Tb] Wedekind hatte bereits am 31.3.1910 eine „Unterredung mit Justizrat Jonas. Er übernimmt meinen Prozess“ [Tb] – als juristischer Vertreter in Wedekinds Auseinandersetzung mit seinem Verleger Bruno Cassirer. gehe ich noch einmal zu Jonas und bin vielleicht Dienstagder 5.4.1910. Wedekind reiste erst am 6.4.1910 (Mittwoch) nach einer nochmaligen „Unterredung mit Jonas“ [Tb] abends mit dem Nachtzug nach München, wo er am 7.4.1910 (Donnerstag) morgens eintraf: „Ankunft in München.“ [Tb] schon in München. Herzliche Grüße an Dich und Annapamela!

Innigst
Dein
Frank.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 2. April 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstagder 2.4.1910..


Mein lieber Frank,

heute Nacht habe ich ganz fest geschlafen, nur einmal wachte ich auf und hatte keine Ahnung wo ich bin. Anna Pamela war sehr verwundert als ich ebenso plötzlich wieder zurückkamRückkehr nach München am 2.4.1910 vormittags von der Reise nach Berlin, zu der Tilly Wedekind am 1.4.1910 aufgebrochen ist.. Heute ist es sehr schön hier, der Schnee ist fast ganz weg.

Leider erfuhr ich durchs TelephonTilly Wedekind erfuhr telefonisch, dass die Schriftstellerin Elsa Bernstein (Ernst Rosmer) und deren Schwester Gabriele Porges, die sie beide für den 2.4.1910 zu einem „Damentee“ [Wedekind 1969, S. 134] eingeladen hat, nicht kommen konnten (zugesagt hat nur Ottilie Gerhäuser), sie dafür aber bei deren Mutter Wilhelmine Porges eingeladen war., dass Fr. Justizr. Bernstein verreist ist. Fräulein Gabriele ist nicht | wohl, aber ihre Mutter bat mich nächste Woche zu I/i/hnen zu kommen. Die Gerhäuser kommt. Ich habe das GefühlTilly Wedekind „bezieht sich [...] auf die sie verletzenden Äußerungen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 141] ihres Mannes in seinem letzten Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.3.1910] und seinem Telegramm [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.4.1910]., dass seit gestern etwas andern/s/ geworden ist, ob besser oder schlechter weiß ich nicht. Hoffentlich besser!

In treuer Liebe umarmt Dich
Deine Tilly


Mein lieber Papa,
ich hab Dich sehr lieb. Viele Küsse. Komm’ bald wieder.
Deine Annapamela

Tilly Wedekind schrieb am 2. April 1910 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind berlin
habsburger hof am anhalter bahnhof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus muenchen [...]


gut angekommenTilly Wedekind fuhr am 1.4.1910 um 23 Uhr mit dem Nachtzug von Berlin ab – ihr Mann notierte: „Um 11 Uhr fährt sie zurück“ [Tb] – und kam am 2.4.1910 vormittags oder mittags wieder in München an. senden dir innige gruesze =
tilly und annamapela.

Frank Wedekind schrieb am 3. April 1910 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50. |


Geliebteste Tilly! Eben erhielt ich Dein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910 (Telegramm). Ich habe Dir aber gernSchreibversehen, statt: gestern. mittag eine Carte geschriebenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.4.1910., die ich selbst in den Kasten warf und die heute offenbar in München noch nicht ausgetragen wurde. Gestern AbendWedekind hat am 2.4.1910 an der 7. Szene seines Einakters „In allen Wassern gewaschen“ gearbeitet: „Abends an Iawg 7 gearbeitet im Café Bauer Lindenrestaurant und Hütte.“ [Tb] Die erste Niederschrift war am 5.4.1910 abgeschlossen [vgl. KSA 7/II, S. 657]. habe ich flott gearbeitet. Wenn es heute ebenso geht, bin ich über die Schwierigkeiten hinweg und in ein paar Tagen fertig. Morgenam 4.4.1910, an dem Wedekind seinen Besuch bei dem Justizrat Paul Jonas notierte, der ihn in seiner Auseinandersetzung mit dem Verleger Bruno Cassirer juristisch vertrat, sowie seinen Besuch bei Paul Cassirer (Wilhelm Herzog traf er dort nicht, dafür die Künstler Max Liebermann, Louis Tuaillon und Max Slevogt): „Besuch bei Jonas. [...] bei Cassirer, wo ich Liebermann, Tuaillon und Slevogt treffe.“ [Tb] Wedekind traf Wilhelm Herzog dann am 6.4.1910: „Unterredung mit Wilhelm Herzog“ [Tb]. früh conferiere ich wieder mit Jonas und werde am Abend voraussichtlich mit Paul Cassirer und Wilhelm Herzog zusammen sein. Sonst habe ich noch keinen Bekannten gesehen. Ich bin jetzt ebenWedekind, der dem Tagebuch zufolge am 3.4.1910 mittags mit Wilhelm Herzog zusammen war („Mittagessen mit Wilhelm Herzog im Neuen Schauspielhaus“), machte sich anschließend auf den Weg in den Grunewald zu Maximilian Harden („Besuch bei Harden“). [Tb]. auf dem Wege zu Harden. Ich freue mich sehr, geliebte Tilly, daß es Dir und Annapamela gut geht. Erhole Dich nur so gut Du kannst von der entsetzlichen FahrtTilly Wedekinds am 1.4.1910 morgens „Hals über Kopf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 141] zu einer Aussprache mit ihrem Mann angetretene Reise nach Berlin und abends zurück nach München (siehe die vorangehende Korrespondenz seit dem 1.4.1910).. Im Hebbeltheater war ich zwei malWedekind notierte einen von zwei Besuchsversuchen beim Hebbel-Theater (Direktion: Eugen Robert) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 289], mit dem er korrespondiert hatte [nicht überliefert; vgl. Hebbel-Theater Berlin an Wedekind, 1.3.1910; Wedekind an Hebbel-Theater Berlin, 4.3.1910], am 2.4.1910: „Vergeblicher Besuch im Hebbeltheater“ [Tb]. aber ohne jemanden zu treffen.

Innigste Küsse Dir und Annapamela
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 3. April 1910 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind berlin habsburger hof
am anhalter bahnhof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus muenchen [...]


geliebter frank habe mich heute sehr auf ein liebes wort von dir gefreut uns geht es gut. senden dir innigste kuesse = tilly und anna =

Tilly Wedekind schrieb am 3. April 1910 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Sonntagder 3.4.1910..


Innigst geliebter Frank,

ist noch irgend etwas zwischen uns? Obwohl ich gestern telegraphiertvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1910 (Telegramm). und geschriebenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1910 (Brief). habe, packt mich oft plötzlich die Angst, ich hätte irgend was versäumt. Dann klopft mein Herz zum Zerspringen.

Frank, hast Du was gegen mich? So schrecklich mir das wäre, sag’ es mir lieber | gleich. Ungewissheit ist furchtbar.

Habe ich Dir was getan? Mein ganzes Denken und Fühlen gehört Dir! Durch Dich bin ich ein anderer Mensch geworden. Um wieviel näher sind wir uns während dieser 5 Jahre gekommen! Sollte das alles umsonst gewesen sein?

Wenn es Dir von Herzen möglich ist, schreib’ mir ein liebes Wort zur Beruhigung. | Wann kommst Du zu uns zurück?

Ich sehne die morgige Post herbei!

In innigster Liebe
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 3. April 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin.
Habsburger Hof.
am Anhalter Bahnhof. |


Sonntagder 3.4.1910.. 7 Uhr abends.


Innigst geliebter Frank,

ein qualvoller Tag wieder zu Ende. Warum telegraphierst Du mir nicht? Ich bin seit Freitag Früh entsetzlich schreckhaft u. aufgeregt. Wenn Du Dich aufgeregt hast, so weißt Du doch jetzt, dass es nicht wissentlich meine Schuld war. Und wie leid hat es mir ausserdem getan! Wir giengen Freitagder 1.4.1910, an dem Tilly Wedekind „Hals über Kopf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 141] zu einer Aussprache mit ihrem Mann nach Berlin reiste (und spät abends wieder zurück nach München). abends versöhnt auseinander. War mein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1910 (Telegramm). u. Brief von gesternvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1910 (Brief). nicht herzlich genug? Gewiss nicht aus böser Absicht! Ich war so zerschlagen, ich wusste den ganzen Tag nicht recht was ich tat. Anna Pamela ist so lieb. Sie sagt: „Du liebe Mama, sei nicht traurig. Der Papa kann doch nicht immer bei uns sein.“ Heute habe ich Dir telegraphiertvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910 (Telegramm). und geschriebenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910 (Brief).. Ein liebes Wort von Dir! Zürnst Du mir nicht mehr? Deine Geschäfte gehen natürlich vor, aber wie sehr sehne ich das Ende dieser Trennung herbei! Ich finde keinen Menschen wie Dich mehr auf der Welt, aber glaubst Du dass es ganz leicht ist, eine Frau zu finden die Dir so von ganzem Herzen ergeben ist wie ich Dir? Innigen Kuss, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 4. April 1910 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Wedekind


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus amts berlin [...] muenchen amts [...]


bitten in heutigerAuftakt des Nachtrags zu dem vorangehenden Telegramm [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.4.1910 (erstes Telegramm)]. von muenchen 22 30 4/4 10 m = an frank wedekind berlin habsburger hof anhalter bahnhof lesen im textedes vorangehenden Telegramms [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.4.1910 (erstes Telegramm)]; es folgt die „Berichtigung“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 143] oder der Nachtrag, der eine Mitteilung in dem vorangehenden Telegramm besonders hervorhebt.:
uebergluecklich im besitz wiederholen im besitz

Tilly Wedekind schrieb am 4. April 1910 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind berlin habsburger hof
anhalter bahnhof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus muenchen [...]


= geliebter frank uebergluecklich hmÜbertragungsfehler, statt: im. besitz deiner karte von samstagvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.4.1910. verzeih meine briefe von sonntagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910 (Brief); Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910 (Kartenbrief). hoffentlich morgender 5.4.1919; Wedekind reiste erst am 6.4.1910 mit dem Nachtzug nach München, wo er am 7.4.1910 eintraf (siehe die nachfolgende Korrespondenz). auf wiedersehen von ganzen herzen deine = tilly

Tilly Wedekind schrieb am 4. April 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin.
Habsburger Hof.
am Anhalter Bahnhof. |


Montagder 4.4.1910.. Vormittag.


Innigst geliebter Frank,

jetzt hab ich auch noch Deine 2te Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.4.1910. erhalten. Ich bin sehr froh und glücklich, dass meine Besorgnisse unbegründet waren! Ich habe sehr unruhig geschlafen, in der Früh stand ich vor dem Frühstück auf um gleich die Post in Empfang nehmen zu können.

Am SamstagTilly Wedekind hatte am 2.4.1910 einem „Damentee“ [Wedekind 1969, S. 134] veranstaltet, zu dem Ottilie Gerhäuser kam (siehe die vorangehende Korrespondenz). mit der Gerhäuser war es sehr nett. Gestern Vormittag gieng ich mit Anna Pamela spazieren u. sah zu Frau Henckell hinauf, die aber noch immer nicht ganz wohl ist. Nachmittags waren wir zu Hause; ich wartete immer auf eine Nachricht von Dir u. versuchte mit aufbieten meiner ganzen Kraft meine Gedanken auf „Stein der Weisenzu conzentrierenauf das Studieren des Versdramas „Der Stein der Weisen“ (darin die Rolle der Lamia).. Heute wollte Jenny mit Hypolit kommen, wir hatten das schon am Mittwoch verabredet. Heute kann ich wieder von ganzem Herzen vergnügt sein!

Innigste Küsse
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 4. April 1910 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50. |


Geliebteste Tilly! Gestern NachmittagWedekind notierte am 3.4.1910: „Besuch bei Harden“ [Tb]. war ich bei Harden, der sich sofort erbot die SacheWedekinds Streitigkeiten mit seinem Verleger Bruno Cassirer, bei denen Maximilian Harden vermittelte. in Ordnung zu bringen. Heute NachmittagWedekind notierte am 4.4.1910: „Nachmittag bei Harden“ [Tb]. gehe ich wieder zu ihm und Dienstag AbendWedekind notierte am 5.4.1910: „Rathenaus Souper im Automobil Klub.“ [Tb] Wedekind hat sich für die Einladung bedankt und sein Kommen zugesagt [vgl. Wedekind an Walther Rathenau, 4.4.1910]. wollen wir mit Rathenau zusammen sein. Ich komme also vermutlich erst Donnerstagder 7.4.1910, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München.“ [Tb] früh nach München. Herzlichen Dank für Deine drei Briefezwei Briefe [vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1910; Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910] und ein Kartenbrief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910]., die mir alle eine Freude waren. Aber beruhige dich doch nun. Daß dir der Schreck in die Gliederausgelöst durch Frank Wedekinds grobes Telegramm aus Berlin [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.4.1910], das Tilly Wedekind früh morgens am 1.4.1910 in München zugestellt wurde und sie zu der „Hals über Kopf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 141] zu einer Aussprache mit ihrem Mann angetretenen Fahrt nach Berlin veranlasste, deren Rückreise nach München sie noch am 1.4.1910 spät abends antrat (siehe die vorangehende Korrespondenz seit dem 1.4.1910). gefahren ist, das verstehe ich natürlich. Aber es muß sich jetzt doch Sicherheit daraus ergeben. Sonst war ja alles umsonst. Pfleg Dich nur recht gut. Gestern Abend wollte ich arbeiten, traf aber in später Stunde noch meinen Vetter Alfrednicht identifiziert. Wedekind notierte am 3.4.1910: „Zuletzt mit Vetter Alfred und Pfarrer Trews (Lebt Jesus) gezecht.“ [Tb] Der Philosoph Arthur Drews, ein Schüler Eduard von Hartmanns, galt „als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Monismus [...]. Seine Schrift ‚Die Christusmythe‘ (1909), in der er die historische Existenz Jesu bestritt, hatte [...] öffentliches Aufsehen erregt und den Monistenbund zur Organisation des sog. Berliner Religionsgesprächs“ vom 31.1.1910 bis 1.2.1910 „über die Frage ‚Hat Jesus gelebt?‘ veranlasst. Die Reden wurden unter diesem Titel noch im selben Jahr vom Deutschen Monistenbund veröffentlicht.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 145] und einige Monisten„Vertreter einer philosophischen Position, die die Welt durch ein einheitliches Grundprinzip bestimmt sehen. Im Gegensatz zu dualistischen Positionen setzen sie die Einheit von Natur und Geist sowie die Allgegenwärtigkeit Gottes in den Naturerscheinungen voraus.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 145] Einer davon war Arthur Drews (siehe oben).. Küsse Annapamela. Dank ihr für ihre lieben Grüße.

Innigst küßt Dich
Dein Frank.


4.4.10

Frank Wedekind schrieb am 4. April 1910 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind muenchen
prinzregentenstrasse 50 |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


= ankomme donnerstagder 7.4.1910, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München.“ [Tb] frueh aber bitte nicht abholen. innigste gruesse = frank.

Frank Wedekind schrieb am 4. April 1910 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind prinzregentenstrasze 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


fuer drei briefezwei Briefe [vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1910; Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910] und ein Kartenbrief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910]. herzlichen dank nachricht unterwegs innigst = frank.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 5. April 1910 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin.
Habsburger Hof.
am Anhalter Bahnhof. |


Dienstagder 5.4.1910.. Vormittag.


Geliebtester Frank,

innigen Dank für Deine beiden Telegrammedie beiden am 4.4.1910 aufgegebenen Telegramme Wedekinds. und Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.4.1910 (Postkarte). von gestern. Ich war etwas enttäuscht, dass Du erst Donnerstagder 7.4.1910, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München.“ [Tb] kommst. Aber wenn Du in Berlin noch zu tun hast, geht das natürlich vor. Es freut mich, dass Du mit Harden und Rathenau zusammen bist. Hoffentlich kann Harden etwas tun. Gestern haben wir mit Jenny u. Hypolit einen sehr vergnügten Tag verbracht. Nachmittags waren wir alle bei Frau Albu eingeladen. Heute kommt vielleicht Frau Henckell. Den Text von „Stein der Weisen“ kann ich jetzt, ich wiederhole ihn jeden Tag mehrmals. Für die Costüme habe ich neue Ideen, die wir besprechen können, wenn Du hier bist. Du kommst Donnerstag wohl mit dem gleichen Zugder Nachtzug, den Tilly Wedekind auf ihrer Rückfahrt nach München am 1.4.1910 abends um 23 Uhr von ihrer morgens „Hals über Kopf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 141] zu einer Aussprache mit ihrem Mann angetretenen Reise nach Berlin genommen hat (siehe die vorangehende Korrespondenz seit dem 1.4.1910). mit dem ich kam?

Auf frohes Wiedersehn! Innigst
Deine Tilly


Ich freue mich, lieber Papa dass Du bald kommst.
Küsse, Anna Pamela.

Frank Wedekind schrieb am 4. Juni 1910 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

erhielt inliegendes Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Paul Jonas an Wedekind, 4.6.1910. – Wedekind notierte am 4.6.1910: „Telegramm von Jonas.“ [Tb] Justizrat Dr. Paul Jonas, Rechtsanwalt in Berlin, vertrat Wedekind juristisch in seiner Auseinandersetzung mit dem Berliner Verleger Bruno Cassirer, deren Ende sich abzeichnete [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 11.6.1910].. Gott sei dank! Ich fahre natürlich nichtnach Berlin (im oben angenommenen Zusammenhang).

Herzinnigst küßt Dich
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 21. Juni 1910 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Grüß’ Dich Gott, geliebter Frank! Ich wollte noch an’s Theater kommen, es wurde mir aber zu spät. Ich hoffe, dass es Dir so gut geht wie uns.

Innigst,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 5. Juli 1910 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

würdest Du bitte auf einen Zettel schreiben, ob Du Frühstück haben willst, u. den Zettel auf die Stiefel legen. Ich möchte Dich doch nicht wecken, wenn Du keine Probe hast.

Innigst,
Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 10. November 1910 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Donnerstagder 10.11.1910..


Mein lieber Frank,

wir waren heute den ganzen Tag mit Frau Albu zusammen. Haben sogar bei ihr gegessen. Ihren Mann sah ich nicht. Ich erwarte Dich also abendsam 11.11.1910, an dem Wedekind notierte: „Abfahrt von Berlin. [...] Ankunft in München, verfehle Tilly am Bahnhof.“ [Tb], wenn Du nicht telegraphierst. Hoffentlich hast Du Dich nicht | zu sehr angestrengt. Ich bin sehr gespannt, wie der VortragWedekinds „Vortrag von Aufklärungen Totentanz“ [Tb] am 10.11.1910 in Berlin fand um 21 Uhr als erste Veranstaltung der neu gegründeten Theatergesellschaft Pan, finanziert von Paul Cassirer, organisiert von Wilhelm Herzog [vgl. Müller-Feyen 1996, S. 26], im Salon Paul Cassirer (Victoriastraße 35) statt, wie angekündigt war: „Die Gesellschaft ‚Pan‘ veranstaltet am 10. November ihren ersten Vortragsabend im Salon Cassirer. Frank Wedekind liest aus eigenen Werken. Das Programm enthält ‚Aufklärungen‘, ‚Totentanz‘, ‚Prolog zur Büchse der Pandora‘. Die Vorlesung beginnt um 9 Uhr.“ [Wedekind-Vortrag. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 569, 8.11.1910, Abend-Ausgabe, S. (3)] Den genannten Prolog hat Wedekind nicht gelesen; während „Aufklärungen“ am 1.11.1910 im ersten Heft der parallel zur Pan-Gesellschaft gegründeten Zeitschrift „Pan“ (Herausgeber: Wilhelm Herzog und Paul Cassirer) erschienen ist, wurde der „Prolog in der Buchhandlung. Zur ‚Büchse der Pandora‘“ aber im zweiten Heft des „Pan“ am 15.11.1910 veröffentlicht. Die Presse urteilte: „Frank Wedekind eröffnete am Donnerstag im Salon Cassirer den ersten Abend der neu begründeten Gesellschaft ‚Pan‘ mit einer Vorlesung aus eigenen Werken. Zunächst erging er sich in einer Ansprache über die so aktuelle Frage der ‚Aufklärungen‘. [...] Auf dem Gebiet der Erotik und der Sexualität, so meint er, wuchert viel Aberglauben [...]. Durch ihre Erörterung würden auch Kulturerscheinungen, die außerhalb der Gesellschaftsordnung stehen wie die freue Liebe und die luxuriöse Prostitution, ihrer falschen und sagenhaften Romantik entkleidet werden: Wedekind als Moralist... [...] Danach las Wedekind seinen Einakter ‚Totentanz‘, eine wilde, schamlose Groteske, in der grausige Humore tollen. [...] Wedekind kann befremden, abstoßen und zum Widerstand herausfordern; aber er wird nicht langweilen. Er stellt zudem auch auf dem Podium seinen Mann; dieser seltsame Zeitgenosse zählt zu den guten Vorlesern, die schlechte Schauspieler sind.“ [Vossische Zeitung, Nr. 532, 11.11.1910, Abend-Ausgabe, S. (3)] war. Herzlichste Grüße von Anna Pamela, innigst, Deine Tilly


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin.
Habsburger Hof.

Tilly Wedekind schrieb am 22. April 1911 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mein lieber, geliebter Frank,

wenn Dir unsere Beziehungen noch ein Bischen wertvoll sind, so bitte ich Dich, tue etwas für Dich, für Deine gute Stimmung! Ich bitte Dich darum, auch aus Egoismus. Das Leben ist mir jetzt durch Dich, durch Anna Pamela u. durch das Kind das ich in mir fühleKadidja Wedekind, die zweite Tochter, wurde am 6.8.1911 geboren., so reich geworden, dass ich weit mehr darum zittere wie früher. Aber um mir | alles was mir lieb ist zu erhalten, brauche ich vor Allem Deine gute Stimmung. Wenn die fehlt, erscheint alles so anders! Wenn Dich eine Reise auf andere Gedanken bringt, so bin ich die Letzte Dir im Weg zu stehen. Was Dir Vergnügen macht, wird es auch mir eines sein. Gegen Deine GastspieleFrank Wedekinds nächstes Gastspiel ohne Tilly Wedekind war das mit dem Münchner Neuen Verein in „Die Büchse der Pandora“ im Hebbel-Theater in Berlin am 20.5.1911 (er spielte in der von der Gesellschaft Pan veranstalteten geschlossenen Vorstellung die Rolle des Jack). habe ich unüberlegter Weise Einwendungen gemacht. Aber nachdem wir darüber gesprochen hatten, glaubte ich mich so gut hinein | zu finden wie man nur kann!! Wenn Dir diese Einwendungen trotzdem immer noch ein Hinderniss sind, u. Dir Deine Freude an Deinem Gastspiel verderben, so bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Dich sobald wie möglich allein zu lassen. Denn wenn ich nicht hier bin, kann ich Dir doch auch nicht mehr im Wege stehen.

Ich fange jetzt anWedekind notierte am 22.4.1911: „Tilly sagt mir nach dem Abendessen, daß sie jetzt überhaupt erst anfange zu leben.“ [Tb], die richtige Freude am Leben zu haben, wenn Du aber dadurch um den Genuss | Deines Lebens kommst, dann wird diese Freude wohl von kurzer Dauer sein.

Vielleicht ist aber alles ganz anders, vielleicht hast Du wirklich genug von mir u. es wäre das Beste, ich würde meinen Mantel nehmen u. gehen. Falls es so ist, brauchst Du es mir nur etwas deutlicher zu zeigen u. ich glaube versprechen zu können, dass Du dann nicht allzu lang auf meinen Entschluss zu warten brauchst.

Von ganzem Herzen,
Deine Tilly.

Tilly Wedekind schrieb am 16. Mai 1911 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

es tut mir schrecklich leid, dass ich Dich mit Dingen belästige, die vorläufig doch nicht zu ändernwohl Anspielung entweder auf Tilly Wedekinds Schwangerschaft, die sie hinderte, als Schauspielerin Gastspielreisen zu unternehmen, oder auf die Erkältung der Tochter Pamela Wedekind, die Frank Wedekind am 16.5.1911 notierte: „Annapamela erkältet.“ [Tb] Er notierte an 17.5.1911 den Besuch des Hausarztes Dr. Johannes Hauschildt und seine Abreise zu einem Gastspiel: „Hauschildt kommt zu Anapamela die Husten und Fieber hat. [...] Abfahrt von München“ [Tb] sind. Verzeih!

Sobald ich allein binTilly Wedekind war ab dem 17.5.1911 allein, da Frank Wedekind an diesem Tag auf Gastspielreise nach Berlin ging (siehe oben)., komme ich zur Vernunft.

Sei mir bitte nicht böse.

Deine Tilly

Frank Wedekind, Dagobert Newes und Paul Cassirer schrieben am 18. Mai 1911 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte.


An
Frau Tilly Wedekind
in München
Prinzregentenstrasse 50 |


A. FREDERICH
Weingrosshandlung.
Inhaber seit 1891:
M. C. u. F. Krüger.


BERLIN W. 9, den ................................... 190
Potsdamerstrasse 12.
Tel.: Amt VI, 922.


Geliebte Tilly! Ich hatte eine sehr ruhige Fahrt, habe gut geschlafen. Heute frühWedekind ist dem Tagebuch zufolge am 17.5.1911 von München abgereist („Abfahrt von München“) und am 18.5.1911 morgens in Berlin eingetroffen („Ankunft in Berlin“) ‒ zu einem Gastspiel als Jack in „Die Büchse der Pandora“, ein Gastspiel des Münchner Neuen Vereins am Berliner Hebbel-Theater, als geschlossene Vorstellung am 20.5.1911 veranstaltet von dem „eigens von der Gesellschaft ‚Pan‘ für diese Aufführung gegründeten ‚Modernen Theaters‘“ [KSA 3/II, S. 1275]. Wedekind notierte am 18.5.1911 gleich nach der Ankunft: „Um 11 Uhr Probe.“ [Tb] um 11 Uhr Probe. NachmittagWedekind versuchte am 18.5.1911, Maximilian Harden telefonisch zu erreichen, um sich mit ihm zu verabreden: „Telephoniere vergeblich an Harden.“ [Tb] wollte ich zu Harden, der aber nicht zu sprechen war. Bertl war so lieb mich abzuholenWedekind notierte am 18.5.1911: „Bertl holt mich ab wir treffen bei Frederich mit Cassirer und Zawrel zusammen.“ [Tb] Paul Cassirer hat in der Weinstube A. Frederich (Potsdamerstraße 12) einen Gruß auf die vorliegende Postkarte geschrieben (nicht aber František Zavřel), Dagobert Newes (Tilly Wedekinds Bruder) ‒ er „hielt sich über einen längeren Zeitraum, 1911-1912, in Berlin auf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 147] ‒ eine Mitteilung an seine Schwester.. MorgenWedekind notierte am 19.5.1911: „Um 11 Uhr Probe der Kassirer beiwohnt.“ [Tb] Das dürfte spätestens am 18.5.1911 in der Weinstube mit Paul Cassirer verabredet worden, der die Theatergesellschaft Pan gegründet hat. um 11 Uhr wieder Probe. Hoffentlich geht es euch Beiden gut. Dir und Annapamela sende ich herzlichste Grüße. Auf baldiges Wiedersehn Dein
Frank.


Meine liebe Tilly,

statt einer schriftlichen Nachricht, die ich erwartete, überraschte mich heute Frank durch seinen BesuchWedekind hat seinen Schwager am 18.5.1911 nachmittags aufgesucht: „In Bertls Wohnung Albrechtstraße 11“ [Tb]; in diesem Haus gab es vier Pensionen und eine private Zimmervermietung [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil II, S. 12]. Wedekind unternahm nach dem Besuch einen Spaziergang. Dagobert Newes hat ihn dann abends abgeholt, um gemeinsam in die Weinstube A. Frederich zu gehen. u. forderte mich sehr lieb auf, mit ihm den Abend zu verbringen. Ich freue mich ungemein, so Guteswohl Anspielung auf Tilly Wedekinds Schwangerschaft. von Dir zu hören u. grüße Dich u. Annapamela aufs herzlichste!

Innigst Dein
Bertl.


Beste Empfehlung und Gruss Paul Cassirer

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 18. Mai 1911 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstagder 18.5.1911..


Mein lieber Frank,

hoffentlich bist Du gut angekommenWedekind ist dem Tagebuch zufolge am 17.5.1911 von München abgereist („Abfahrt von München“) und am 18.5.1911 morgens in Berlin eingetroffen („Ankunft in Berlin“) ‒ zu einem Gastspiel des Münchner Neuen Vereins am Berliner Hebbel-Theater als Jack in „Die Büchse der Pandora“, am 20.5.1911 als geschlossene Vorstellung veranstaltet von dem „eigens von der Gesellschaft ‚Pan‘ für diese Aufführung gegründeten ‚Modernen Theaters‘“ [KSA 3/II, S. 1275]; die Theatergesellschaft Pan ist von Paul Cassirer gegründet worden.; von uns ist nicht viel Neues zu berichten. Anna Pamela ist etwas munterer wie gesternPamela Wedekind war erkältet – am 17.5.1911 untersuchte sie der Hausarzt Dr. Johannes Hauschildt (Nikolaistraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 226], wie ihr Vater notierte: „Hauschildt kommt zu Anapamela die Husten und Fieber hat.“ [Tb]. Dr. Hausschild war jetzt Nachmittag hier u. sagte man muss noch abwarten. Masern kämen erst nach 8 Tagen heraus. Mittags ass ich mit ihr in ihrem Zimmer, u. theilte ihr bei der Gelegenheit schonend mit, dass Du fort bist. Sie weinte ein Bischen u. behauptete | das sei des Hustens wegen. „Richte einen schönen Gruß von mir aus“, trug sie mir jetzt auf, als sie hörte, dass ich an Dich schreibe. Zum Trost ließ ich von AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] ein Ei holen in dem ein Dutzend andere stecken von dem jedes eine andere Farbe hat. Sie wünschte sich schon länger eines. Infolge dessen sind wir jetzt recht vergnügt u. hoffen von Dir das Gleiche. Grüß’ BertlTilly Wedekinds Bruder Dagobert Newes „hielt sich über einen längeren Zeitraum, 1911-1912, in Berlin auf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 147]; Wedekind traf sich mit ihm., die Durieux u. CassirerTilla Durieux und Paul Cassirer waren ein Ehepaar (Heirat am 24.6.1910). von uns Beiden.

Innigst küssen Dich, Deine Getreuen.
Tilly u. Anna Pamela.

Tilly Wedekind schrieb am 19. Mai 1911 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin.
Habsburger Hof.
Am Potsdamer BahnhofVerwechslung; das Hotel Habsburger Hof lag am Anhalter Bahnhof.. |


Abs: Tilly Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III. |


Freitagder 19.5.1911.. Vormittag.


Mein lieber Frank,

heute geht es bedeutend besser; Anna Pamela ist fieberfrei u. sehr vergnügt. Vielleicht darf sie morgen aufstehen. Heute bekommen wir vielleicht Besuch von der Sandel. | Mieze schrieb mir gestern eine sehr liebe KarteErika Wedekinds Postkarte an Tilly Wedekind ist nicht überliefert.. Hast Du Bertl schon gesehen? Wie ist die Maria Meyer als Gräfin GeschwitzMaria Mayer, Schauspielerin am Neuen Schauspielhaus in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 307], spielte am 20.5.1911 im Gastspiel des Münchner Neuen Vereins im Berliner Hebbel-Theater in „Die Büchse der Pandora“, eine „geschlossene Vorstellung der Gesellschaft ‚Pan‘“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 235, 20.5.1911, Morgen-Ausgabe, S. 8], die Rolle der Gräfin Geschwitz. Ihre Darstellung wurde „als schauspielerischer Höhepunkt des Abends gewertet“ [Seehaus 1973, S. 431]. Die Presse lobte sie: „Die Aufführung kam nicht ohne Berliner Hilfe durch. Weitaus die ehrlichste und strengste künstlerische Arbeit gab Fräulein Marie Mayer in der äußerst schwierigen und gefährlichen Rolle eines zwitterhaften Mannweibes; es war bewunderungswürdig, mit wie feinen und vorsichtigen, rein künstlerischen Mitteln sie diese Figur am Leben erhielt, ihr auch erst Leben gab.“ [P.S.: Münchener Gäste. In: Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 357, 21.5.1911, Morgen-Ausgabe, S. (3)] „Sehr gut war auch Maria Mayer in der schweren Rolle der Geschwitz“ [Vorwärts, Jg. 28, Nr. 119, 23.5.1911, 1. Beilage, S. (1)]. „Maria Mayer wurde der undankbaren Rolle der Gräfin Geschwitz [...] gerecht.“ [Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Jg. 50, Nr. 120, 23.5.1911, Unterhaltungs-Beilage, S. (2)] Wedekind war mit ihr bekannt – er hat mit ihr, Erich Freund und Werner Sombart am 20.11.1905 in Breslau einen Abend in Riegner’s Hotel verbracht: „Abends mit Marie Meier Dr. Freund Prof Sombart e.ct. bei Riegners“ [Tb].? Hoffentlich bist Du bei recht guter Stimmung u. bekomme ich bald Nachricht von Dir. Innigst, Deine Tilly u. Anna Pamela

Tilly Wedekind schrieb am 19. Mai 1911 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Freitagder 19.5.1911. abends. Mein lieber Frank, bis jetzt haben wir keine Nachricht von Dir. Hoffentlich kommt morgen etwas. Ich schrieb Donnerstag Nachmittag einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.5.1911., heute Vormittag einen Kartenbriefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.5.1911.. Hoffentlich hast Du alles richtig erhalten. Auch habe ich Dir einige Briefe nachgeschicktnicht ermittelt.. Von Jaffé ist ein Buch gekommennicht ermittelt. Das Buch wurde von der Münchner Sortimentsbuchhandlung von Heinrich Jaffe (auch: Jaffé) geliefert, der „Buchhandlung“ in der Briennerstraße 54 „gegenüber d. Café Luitpold“ [Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 277].. Soll ich es schicken? Anna Pamela war heute recht munter, wenn’s morgen ebenso ist, versuche ich sie aufstehen zu lassen. Hauschildder Hausarzt Dr. Johannes Hauschildt, der die erkältete Pamela Wedekind behandelte. war heute | recht zufrieden mit ihr, u. kommt morgen wahrscheinlich nicht. Aus war ich nicht. Fr. WeberAnna Weber (geb. Koebke), Tochter des Theaterdirektors Benno Koebke [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912], in erster Ehe mit Otto Weber in Leipzig verheiratet [vgl. Verlobte. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 255, 9.11.1907, Morgenblatt, S. 3], unter dem Pseudonym Sybil Vane Schauspielerin am Leipziger Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 516], eine „Freundin“ [Wedekind 1969, S. 209, 230] Tilly Wedekinds. war heute einen Moment hier u. die Sandel. Sonst hab’ ich niemanden gesehen. Hoffentlich ist alles in Ordnung u. giebts keine Unannehmlichkeiten.

Herzlichst, Deine Tilly


Abs: Tilly Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin. Habsburger-Hof.
Am Potsdammer BahnhofVerwechslung; das Hotel Habsburger Hof lag am Anhalter Bahnhof, nicht am Potsdamer Bahnhof..

Frank Wedekind schrieb am 20. Mai 1911 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte.


An
Frau Tilly Wedekind
in München
Prinzregentenstrasse 50 |


A. FREDERICH
Weingrosshandlung.
Inhaber seit 1891:
M. C. u. F. Krüger.


BERLIN W. 9, den 20. Mai 19011

Potsdamerstrasse 12.
Tel.: Amt VI, 922.


Geliebteste Tilly! HerlichenSchreibversehen, statt: Herzlichen. Dank für Deine lieben ZeilenBrief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.5.1911] und Kartenbrief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.5.1911].. Ich freue mich sehr, daß es euch etwas besser geht. Gestern MittagWedekind notierte am 19.5.1911 die Szenenprobe für die geschlossene Vorstellung der „Büchse der Pandora“ am 20.5.1911 im Hebbel-Theater in Berlin, veranstaltet von der Gesellschaft Pan, für die Paul Cassirer die Probe besuchte: „Um 11 Uhr Probe der Kassirer beiwohnt.“ [Tb] war Scenen Probe. Nachmittag ging ich spazieren, aß zu Abend mit Bertlim Hotel Habsburger Hof. Wedekind notierte am 19.5.1911, dass sein Schwager Dagobert Newes ihn dort aufsuchte: „Bertel holt mich zum Abendessen.“ [Tb] im Hotel um halb zwölf Uhrum 23.30 Uhr. Wedekind notierte am 19.5.1911: „Nachtprobe bis 4 Uhr.“ [Tb] war Nachtprobe. Jetzt soll die erste vollständige Probedie Generalprobe um 11 Uhr vormittags für die geschlossene Vorstellung der „Büchse der Pandora“ abends im Hebbel-Theater, wie Wedekind am 20.5.1911 notierte: „Um 11 Uhr Generalprobe.“ [Tb] sein. Marie Meier ist sehr gutin der Rolle der Gräfin Geschwitz in der „Büchse der Pandora“, die Maria Mayer, Schauspielerin am Berliner Neuen Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 307], im Hebbel-Theater in Berlin mit großem Erfolg spielte; die Presse lobte ihre Darstellung: „Weitaus die ehrlichste und strengste künstlerische Arbeit gab Fräulein Marie Mayer in der äußerst schwierigen und gefährlichen Rolle eines zwitterhaften Mannweibes; es war bewunderungswürdig, mit wie feinen und vorsichtigen, rein künstlerischen Mitteln sie diese Figur am Leben erhielt, ihr auch erst Leben gab.“ [P.S.: Münchener Gäste. In: Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 357, 21.5.1911, Morgen-Ausgabe, S. (3)] „Sehr gut war auch Maria Mayer in der schweren Rolle der Geschwitz“ [Vorwärts, Jg. 28, Nr. 119, 23.5.1911, 1. Beilage, S. (1)]. „Maria Mayer wurde der undankbaren Rolle der Gräfin Geschwitz [...] gerecht.“ [Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Jg. 50, Nr. 120, 23.5.1911, Unterhaltungs-Beilage, S. (2)]. Ich denke morgen AbendWedekind notierte am 21.5.1911: „Abfahrt nach München.“ [Tb] zu fahren, so daß ich Montag frühWedekind notierte am 22.5.1911: „Ankunft in München.“ [Tb] in München wäre. Küsse Anapamela von mir. Ich lasse ihr recht gute Besserung wünschen.

Innigst umarmt Dich
Dein Frank.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 20. Mai 1911 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstag, 20.V.11.


Geliebter Frank,

innigsten Dank für Deine liebe Kartedie am Mittwoch geschriebene, am Donnerstag erhaltene Postkarte [vgl. Frank Wedekind, Dagobert Newes, Paul Cassirer an Tilly Wedekind, 18.5.1911]. vom Donnerstag! Anna Pamela, das liebe Kind, ist heute aufgestanden. Ich bin so froh, dass sie wieder munter ist! Wenn schönes Wetter ist, können wir vielleicht in ein paar Tagen ausgehen.

Ich freue mich, dass Du eine gute Fahrt gehabt hast. Hoffentlich ist im Theater auch alles in Ord|nung. Nun sind wohl alle Münchner SchauspielerDie von der Gesellschaft Pan veranstaltete Vorstellung der „Büchse der Pandora“ am 20.5.1911 im Berliner Hebbel-Theater war ein Gastspiel des Münchner Neuen Vereins, der am 8.11.1910 eine geschlossene Vorstellung der Tragödie im Münchner Künstlertheater veranstaltet hatte. Es spielten seinerzeit in München Johanna Terwin (Lulu), Bernhard von Jacobi (Alwa Schön), Albert Steinrück (Schigolch), Frank Wedekind (Jack) und Luise Hohorst (Gräfin Geschwitz) – die Rolle der Gräfin Geschwitz wurde in Berlin von Maria Mayer gespielt. schon da u. werdet Ihr jetzt gerade ProbeWedekind hatte dem Tagebuch zufolge gleich nach seiner Ankunft in Berlin am 18.5.1911 um 11 Uhr vormittags die erste Probe („Um 11 Uhr Probe“), am 19.5.1911 im Beisein des Veranstalters Paul Cassirer (für die Gesellschaft Pan) vormittags eine zweite Probe („Um 11 Uhr Probe der Kassirer beiwohnt“) sowie nachts eine dritte („Nachtprobe bis 4 Uhr“) und am 20.5.1911 die Generalprobe („Um 11 Uhr Generalprobe“) – abends fand dann die geschlossene Vorstellung der „Büchse der Pandora“ im Hebbel-Theater statt (siehe unten). haben. Heute abendDie von der Gesellschaft Pan veranstaltete geschlossene Vorstellung der Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (Regie: Albert Steinrück) im Hebbel-Theater begann um 20 Uhr [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 235, 20.5.1911, Morgen-Ausgabe, S. 8]. Wedekind notierte am 20.5.1911: „Vorstellung der Büchse der Pandora. Ich spiele Jack zum 4 mal.“ [Tb] werde ich in Gedanken bei Dir sein!

Hoffentlich seid Ihr nachher vergnügt beisammenWedekind notierte am 20.5.1911 nach der Vorstellung: „Nachher entsetzliches Zusammensein im Esplanade Hotel.“ [Tb], u. macht Cassirer Dich nicht zu nervös! Vielmals dank’ ich Dir für Deine Freundlichkeit gegen Bertl. Er schrieb mir heuteDer Brief von Dagobert Newes an seine Schwester Tilly Wedekind ist nicht überliefert. Frank Wedekind hatte ihn eingeladen, am 18.5.1911 den Abend mit ihm zu verbringen [vgl. Wedekind an Dagobert Newes, 18.5.1911]; sein Schwager holte ihn am Hotel ab und sie besuchten gemeinsam die Weinstube A. Frederich, wo sie Paul Cassirer und František Zavřel trafen: „Bertl holt mich ab wir treffen bei Frederich mit Cassirer und Zawrel zusammen.“ [Tb] einen Brief; er ist Dir sehr dankbar, dass Du ihm/n/ mitnahmst. |

Briefe sind heute keine gekommen. Vielleicht triffst Du Harden morgen Sonntagder 21.5.1911, an dem Wedekind den Publizisten Maximilian Harden nicht traf und ihn also während seines Aufenthalts vom 18. bis 21.5.1911 in Berlin nicht getroffen hat.. Wie froh wir sind, wenn Du wieder bei uns istSchreibversehen, statt: bist., weißt Du. Wenn Du aber noch in Berlin bleiben willst, oder sonst wohin fahren willst Frank, so stehe ich Dir nicht im Wege.

Unser Kind lässt ihren lieben Papa vielmals grüßen! Sie näht eben Knöpfe an.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly u. Anna Pamela.

Tilly Wedekind schrieb am 21. Mai 1911 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

rp = herrn frank wedekind berlin w hotel habsburger hof am anhalter bahnhof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus muenchen [...]


geliebter frank wie war es gesterndie geschlossene Vorstellung der „Büchse der Pandora“ im Hebbel-Theater in Berlin (siehe die vorangehende Korrespondenz). hoffentlich habe ich dich durch keine aeusserung verstimmt frohes wiedersehen innigst = tilly und annapamela

Frank Wedekind schrieb am 21. Mai 1911 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind prinzregentenstrasse 50
muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


ankomme morgen frueh acht uhr bitte nicht abholen herzlichst = frank.

Frank Wedekind schrieb am 21. Mai 1911 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

frau tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


geliebte tilly, sandte zwei karteneine am Ankunftstag in Berlin geschriebene Postkarte [vgl. Frank Wedekind, Dagobert Newes, Paul Cassirer an Tilly Wedekind, 18.5.1911] und eine am Tage vor der Abreise geschriebene Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.5.1911]. ein telegrammvom selben Tag [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.5.1911 (erstes Telegramm)].. vorstellung brillantdie von der Gesellschaft Pan (mitbegründet von Paul Cassirer) veranstaltete geschlossene Vorstellung der „Büchse der Pandora“ (Regie: Albert Steinrück) am 20.5.1911 im Hebbel-Theater in Berlin (ein Gastspiel Wedekinds, der die Rolle des Jack spielte, mit dem Münchner Neuen Verein). erfolg gut kritik schlechtWedekind notierte über die Presseresonanz auf die Vorstellung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) am 21.5.1911, die er möglicherweise mit Paul Cassirer sichtete: „Nach Tisch bei Cassirer zum Thee. Miserable Presse.“ [Tb] Die Presse stand der Tragödie und ihrer Aufführung äußerst kritisch gegenüber [vgl. KSA 3/II, S. 1187-1189, 1274-1276].. komme morgen frueh nicht abholen =
herzlichst frank.

Tilly Wedekind schrieb am 23. Juni 1911 in Starnberg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Freitagder 23.6.1911, an dem Wedekind notierte: „Tilly fährt mit Anna Pamela auf zwei Tage nach Starnberg.“ [Tb] abends. Geliebter Frank, wirTilly Wedekind, ihre Tochter Pamela und ihre Eltern Mathilde und Eduard Newes aus Graz, die seit dem 14.6.1911 in München zu Besuch waren – „Tillys Eltern kommen“ [Tb] – und nun mit der Tochter die Sommerwohnung in Starnberg (siehe unten) nutzten. sind glücklich heraus gekommen, es ist herrlich schön hierin der Villa Theresienhöhe (siehe unten) „in Starnberg, wo ich eine Sommerwohnung für sie gemietet hatte“ [Wedekind 1969, S. 138], für ihre Eltern, wie Tilly Wedekind sich erinnerte.! Ich hoffe Dich so vergnügt, wie Anna Pamela u. ich sind. Wenn Du kommen willstFrank Wedekind fuhr am 24.6.1911 nach Starnberg und machte mit Tilly und Pamela Wedekind sowie mit der Tochter von Josef und Maria Humar (siehe unten) einen Spaziergang (abends war er wieder in München): „Fahrt nach Starnberg und zur Theresienhöhe. Wunderschöner Spaziergang mit Tilly, Anapamela und der kl. Minna Humar.“ [Tb], freuen wir uns alle sehr, aber nur wie es Dir angenehm ist. Sonntagder 25.6.1911, an dem Wedekind notierte: „Tilly kommt von Starnberg zurück mit Annapamela.“ [Tb] um ½ 8 Uhrum 19.30 Uhr. kommen wir zurück. | Viele Grüße von Anna Pamela u. meinen Eltern. Innigst,
Deine Tilly


Starnberg, Ludwigshöhe.
Villa Theresienhöhe. Ottostr.Die Sommerwohnung war im Spätsommer wieder annonciert: „Möbl. Sommer- auch Jahreswohnung licht und trocken in Starnberg / Villa Theresienhöhe / Ottostrasse [...] / 3 Zimmer, Dienerzimmer, Küche mit Wasserleitung sofort zu vermieten.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 408, 1.9.1911, Generalanzeiger, S. 2] p.t. Fr. HumarMaria Humar (geb. Woschner), seit 1891 die Gattin von Josef Humar zuerst in München, inzwischen in Starnberg (Ludwigshöhe 219) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Vorortsadreßbuch, S. 256], seit 1906 Vorsitzender des Grund- und Hausbesitzer-Vereins München e.V. [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 134, 14.3.1912, Generalanzeiger, S. 13], „Eigentümer der Villa Theresienhöhe“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 150]..


MÜNCHEN
Rathaus

Tilly Wedekind, Mathilde Newes und Eduard Newes schrieben am 15. Juli 1911 in Tutzing folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Geliebter Frank,

wir sind gut hier angelangtam 14.7.1911 in Starnberg, wie Wedekind notierte: „Tilly fährt nach Starnberg“ [Tb], wo seine Frau ihren Eltern Eduard und Mathilde Newes aus Graz eine Sommerwohnung gemietet hat [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.6.1911]. u. sind sehr vergnügt, trotz schlechten Wetters! Ich hoffe von Herzen, dass es Dir gut geht u. Du alles in Ordnung hast. Morgen abend fahren wir hinein. Innigst, Deine Tilly u. Anna Pamela.


[am linken Rand des Textfelds um 90 Grad gedreht:]

Herzlichste Grüße
Papa
Mama |


SCHLOSS STARNBERG.

Tilly Wedekind schrieb am 17. Juli 1911 in München
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich gehe mit Martha u. Anna Pamela fort, möchte Dich nicht zu früh wecken.

Herzlichst, Tilly |


TILLY WEDEKIND

Tilly Wedekind schrieb am 25. Juli 1911 in Starnberg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Dienstagder 25.7.1911, an dem Wedekind notierte: „Tilly fährt nach Starnberg mit Annapamela.“ [Tb] Nachmittag.


Geliebter Frank, wir sind sehr gut mit Jenny u. Hypolit herausgekommen u. haben hier einen herrlichen Tag! Wir sitzen den ganzen Tag im Gartender Villa Theresienhöhe [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.6.1911]..

Ich hoffe sehr, dass es Dir gut | geht u. alles in Ordnung ist! Morgen komm’ ich früher herein, lass Dich aber ja nicht stören, wir sehen uns dann nach dem TheaterIm Rahmen des Wedekind-Zyklus am Münchner Schauspielhaus vom 8. bis 31.7.1911 (die sonst an der Seite ihres Mannes spielende hochschwangere Tilly Wedekind wurde von Jenny Vallière vertreten) wurden am 26.7.1911 die Einakter „Die Zensur“ (Wedekind als Walter Buridan, Vallière als Kadidja) und „Der Kammersänger“ (Wedekind als Gerardo, Vallière als Frau Helene Marowa) gegeben, Ende der Vorstellung gegen 22 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 346, 26.7.1911, Generalanzeiger, S. 2]. Wedekind traf sich nach der Vorstellung mit seiner Frau sowie mit Gustav Werner Peters und dessen Frau in der Torggelstube, wie er am 26.7.1911 notierte: „Vorstellung Einakter. Nachher mit Tilly Peters und Frau T.St.“ [Tb]. Innigst,
Deine Tilly


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.

Tilly Wedekind schrieb am 6. August 1911 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

es war wirklich sehr schöndie Vorstellung der Oper „Siegfried“ im Rahmen der „Richard-Wagner-Festspiele“ am 5.8.1911 von 16 bis gegen 21.30 Uhr („Ende gegen 9 ½ Uhr“) unter der musikalischen Leitung von Otto Lohse (Köln) im Münchner Prinzregententheater: „Der Ring des Nibelungen, ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend. Zweiter Tag: Siegfried. In drei Aufzügen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 364, 5.8.1911, Generalanzeiger, S. 2] Wedekind notierte am 5.8.1911: „Tilly geht um 4 Uhr in den Siegfried.“ [Tb]! Es tut mir so leid, dass ich es Dir nicht dringender angeboten habe! Es hätte Dir vielleicht doch Vergnügen gemacht.

Gesehen habe ich fast keinen Bekannten u. habe auch mit niemandem gesprochen.

Hoffentlich hast Du einen angenehmen AbendWedekind arbeitete am 5.8.1911 abends am 4. Akt von „Franziska“ [vgl. KSA 7/II, S. 957, 982] – im Hoftheater-Restaurant und im Weinlokal Zur Torggelstube [vgl. Tb]. verbracht.

Innigst,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. September 1911 in Starnberg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Starnberg, Schloß

Tilly Wedekind schrieb am 20. September 1911 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Vielleicht verdiente ich es, dass Dir endlich die Geduld reißt u. Du mir den Rücken kehrtest. Vielleicht verdiente ich es, dass ich an meinen Kindern gestraft würde. Ich weiß es nicht. Ich werde in einem Strom von Empfindungen herum geworfen u. finde keinen Ausweg. Manchmal möchte ich laut schreien: Hilf mir! Wer öffnet mir die Augen über mich?!

Bin ich nicht normal, dass ich empfinde, wie | ich empfinde? Hattest Du, als Du gestern abends an mich dachtest, nicht Verständniss für all das, was mich quält?

Du warst heut Früh so lieb zu mir!

Als Du mich jetzt nach dem TheaterFrank und Tilly Wedekind haben am 20.9.1911 im Münchner Residenztheater eine Komödie besucht (in den Hauptrollen Albert Steinrück und Johanna Terwin), die Vorstellung dauerte von 19.30 bis 22 Uhr: „Cäsar und Cleopatra. Eine historische Komödie in fünf Akten von Bernard Shaw.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 440, 20.9.1911, Generalanzeiger, S. 2] Wedekind notierte am 20.9.1911: „Mit Tilly in Cäsar und Kleopatra.“ [Tb] Seine Frau ging nach dem Theater wohl nach Hause und schrieb den vorliegenden Zettel (den Wedekind wohl am 21.9.1911 vorfand), er selbst ging zum Arbeiten zunächst in das Hoftheater-Restaurant und traf sich anschließend in der Torggelstube „mit Steinrück und Mühsam“ [Tb]. Erich Mühsam notierte dazu: „Gestern war ich seit langem mal wieder mit Wedekind beisammen. Ich floh vom Stammtisch der Torggelstube [...] ins Nebenlokal, wo Steinrück und Wedekind saßen. Steinrück ging bald, und ich unterhielt mich mit Wedekind angelegentlich über öffentliche Angelegenheiten.“ [Tb Mühsam, 21.9.1911] fragtest, was hast Du?, da hätte ich meiner ersten Empfindung nachgeben u. sagen sollen: Jetzt nichts mehr, nachdem Du so lieb fragst. Ich kann nicht mit mir allein fertig werden, u. suche immer wieder Hilfe bei Dir. Das ist Egoismus. Kannst Du denn aber noch Geduld mit mir haben?

Tilly Wedekind schrieb am 28. Oktober 1911 in München
an Frank Wedekind

Samstagder 28.10.1911. Morgen.


Geliebter Frank,

ich sende Dir anbei einen Brief von Gutmannnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emil Gutmann an Wedekind, 27.10.1911. ‒ Da Wedekind am 27.10.1911 in München eine „Unterredung mit Gutmann wegen Zeitungsnotiz“ [Tb] hatte, könnte es in dem verschollenen Brief um diese gegangen sein. Möglicherweise handelte es sich dabei um die Zeitungsnotiz, die in der Morgen-Ausgabe der „Berliner Börsen-Zeitung“ vom 27.10.1911 erschienen ist [vgl. Wedekind an Berliner Börsen-Zeitung, 25.10.1911].. Ausserdem die Kore/re/kturenKorrekturbögen von „Franziska“ [vgl. KSA 7/II, S. 976], die der Georg Müller Verlag geschickt hatte, wo die Buchausgabe bald darauf erschien. ‒ Hinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller Verlag an Wedekind, 27.10.1911. u. einen Brief der aus Berlin kommtnicht sicher ermittelt.. Wie war die FahrtWedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 27.10.1911 von München ab („Tilly begleitet mich zum Bahnhof. Souper Fahrt nach Berlin“), traf am 28.10.1911 morgens in Berlin ein und logierte im Hotel Habsburger Hof („Ankunft in Berlin Habsburgerhof“) – er war zu einem Vortragsabend in Berlin (siehe unten).? | MarthaTilly Wedekinds jüngere Schwester Martha Newes machte an der Schauspielschule Otto König in München eine Ausbildung zur Schauspielerin. geht heute abend mit Armin Frank Wedekinds Neffe Armin Wedekind (der Sohn seines Bruders Armin Wedekind in Zürich) studierte in München Medizin.in’s Konzert. Sie hat ihm die KarteEintrittskarte für das Konzert. geschickt.

Morgen abendWedekinds Vortragsabend am 29.10.1911 im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin begann um 20 Uhr und hatte den Titel „‚Gedanken‘. Ethische und ästhetische Probleme“ [Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 552, 29.10.1911, Morgen-Ausgabe, 10. Beiblatt, S. (3)]. werde ich in Gedanken bei Dir sein.

Innigste Grüße auch von den Kindern,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 29. Oktober 1911 in München
an Frank Wedekind

Sonntagder 29.10.1911..


Mein lieber Frank,

gestern war also große KaffeegesellschaftBei Tilly Wedekind waren am 28.10.1911 zu Gast: Anny Henckell, Gattin des mit Wedekind befreundeten Schriftstellers Karl Henckell, und ihre Schwägerin Thea Hirzel (geb. Henckell), zu denen Wedekind am 20.10.1911 in München notiert hat: „Frau Henckell und Frau Dr. Hirzel kommen“ [Tb], eine Frau Hauth (nicht identifiziert), möglicherweise die Gattin des Buchbinders Max Hauth [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 227], Mary Martens, die Gattin des mit Wedekind befreundeten Schriftstellers Kurt Martens, wahrscheinlich Elsa Gutmann, die Gattin von Emil Gutmann, dessen Konzertagentur Wedekinds Lesungen organisierte, und eine Frau Stein (nicht identifiziert).. Frau Henckell, Fr. Hirzel, Fr. Hauth, Frau Martens, Fr. Guttmann, Fr. Stein.

Es war sehr nett, wir sangen auch | paar Lieder zur Guitarre. Aber der Kaffee war glaub’ ich besser als der Gesang. Deinen beiden Kindern gehts sehr gut. Sie grüßen Dich vielmals!

Also heute abendAnspielung auf Wedekinds Vortragabend am 29.10.1911 im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin, der um 20 Uhr begann und den Titel hatte: „‚Gedanken‘. Ethische und ästhetische Probleme“ [Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 552, 29.10.1911, Morgen-Ausgabe, 10. Beiblatt, S. (3)].!

Innigst, Deine Tilly


Alle Damen lassen Dich grüßen.

Frank Wedekind schrieb am 29. Oktober 1911 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL HABSBURGER HOF
FRITZ OTTO, Hoflieferant.

Fernsprech-Anschlüsse:
Amt 6, 1663 Hotel
             4077
             5442 Restaur.

Personen-Fahrstuhl
Tag und Nacht im Betrieb


Berlin S.W. 11, den 29. Oktober 1911.

Askanischer Platz 1.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine lieben Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.10.1911.. Die Correktur habe ich erhaltenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu Korrekturbögen von „Franziska“; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller Verlag an Wedekind, 27.10.1911.. Ebenso den andern Briefnicht ermittelt; aus Berlin nach München geschickt und Wedekind nach Berlin nachgesendet [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.10.1911].. Gestern morgenWedekind notierte am 28.10.1911: „Kaiser Friedrich Museum.“ [Tb] Das 1904 eröffnete Kaiser Friedrich-Museum gehörte zu den Königlichen Museen (Generaldirektion: Dr. phil. Wilhelm Bode) [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil II, S. 43] (seit 1954: Bode-Museum). war ich zwei Stunden im Kaiserfriedrich-Museum. Um 5 Uhr17 Uhr. Wedekind notierte am 28.10.1911: „Besuch bei Cassirer“ [Tb]; er war bei Paul Cassirer [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil I, S. 406]. ging ich zu Cassirer und telephonierte an Bertl. Abend zehn Uhr22 Uhr. Wedekind notierte am 28.10.1911 sein Beisammensein mit Tilla Durieux, Paul Cassirer, dem Schwager Dagobert Newes und Wilhelm Herzog im Weinlokal A. Frederich (Potsdamerstraße 12): „Frederich mit Durieux Cassirer Bertl Herzog“ [Tb]. trafen wir uns bei Frederich. Die Durieux kam aus dem TheaterTilla Durieux kam aus dem Theater in der Königgrätzer Straße (Königgrätzer Straße 57/58), aus der Vorstellung von Max Dauthendeys Stück „Die Spielereien einer Kaiserin“ (Premiere: 30.9.1911) am 28.10.1911 [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 550, 28.10.1911, Morgen-Ausgabe, 3. Beiblatt, S. (3)], in dem sie die Hauptrolle der Katharina spielte.. Mi An ein Spielen bei Reinhardtam Deutschen Theater zu Berlin oder an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt). ist vorderhand nicht zu denken. Mit Meinhardt BernauerCarl Meinhard und Rudolf Bernauer hatten von Eugen Robert das Hebbel-Theater übernommen, unter ihrer Direktion mit der Eröffnung der neuen Spielzeit am 30.9.1911 das Theater in der Königgrätzer Straße, wo Tilla Durieux spielte (siehe oben). scheint das Einvernehmen auch kein besonders gutes. Eben vor TischWedekind notierte am 29.10.1911: „Mittag Lindenrestaurant.“ [Tb] Davor traf er Erich Sachs, Inhaber der „Concert-Direction Jules Sachs“ [Berliner Adreßbuch 1912, Teil I, S. 428] in Berlin. traf ich Erich Sachs, der mir bestätigt, daß von der heutigen VorlesungWedekind notierte am 29.10.1911: „Vortrag in Klintwortsaal“ [Tb], seinen Vortragsabend am 29.10.1911 im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin, der um 20 Uhr begann und den Titel hatte: „‚Gedanken‘. Ethische und ästhetische Probleme“ [Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 552, 29.10.1911, Morgen-Ausgabe, 10. Beiblatt, S. (3)]. Wedekind hielt dort erstmals seine Rede „Heinrich von Kleist“, las aber noch andere Texte, darunter den Prolog zu „König Nicolo“, vor allem aber aus dem neuen Stück „Franziska“ den 3. Akt [vgl. KSA 7/II, S. 1159-1161]. viel abhängen wird. Um SechsSchreibversehen, statt: sechs (für 18 Uhr). Uhr kommt Bertl | um seine SachenKleidungsstücke [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.10.1911]. zu holen. Jetzt werde ich auf mein Zimmer gehen und mein Material noch einmal durchnehmen. Sei herzlichst geküßt, geliebte Tilly, und küsse die Kinder von mir. Morgenden 30.10.1911, an dem Wedekinds Schwager Dagobert Newes um 8 Uhr früh [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.10.1911] in das Hotel kam, um ihn für die Reise von Berlin nach Königsberg um 9.30 Uhr morgens zu wecken: „Bertl weckt mich, begleitet mich Bahnhof Friedrichstraße. Fahrt nach Königsberg“ [Tb]. um halb zehn Uhr geht der Zug nach Königsberg.

Auf baldiges frohes Wiedersehn!

Dein
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 30. Oktober 1911 in München
an Frank Wedekind

Montagder 30.10.1911. abends.


Innigst geliebter Frank, herzlichsten Dank für Deine lieben Zeilenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.10.1911.! Ich bin nun sehr gespannt wie der gestrige AbendWedekinds Vortragabend am 29.10.1911 im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin unter dem Titel „‚Gedanken‘. Ethische und ästhetische Probleme“ [Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 552, 29.10.1911, Morgen-Ausgabe, 10. Beiblatt, S. (3)]. Wedekind las außer seiner Rede „Heinrich von Kleist“ und dem Prolog zu „König Nicolo“ vor allem aus dem neuen Stück „Franziska“ den 3. Akt [vgl. KSA 7/II, S. 1159-1161]. verlaufen ist! Warst Du nachher wieder mit Cassierer u. Durieux zusammen? Bertl wird sich über die SachenKleidungsstücke [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.10.1911]. gefreut haben! Hast Du aus Franziska vorgelesen u. wie wurde es aufgenommen? Morgen schau ich gleich die Zeitung nach. | Ich war gestern Nachmittag mit Anna Pamela bei Jenny draußen, da sie nicht wohl war. Sie freute sich sehr, u. die Kinder spielten sehr nett zusammen. Die Kleine, Fanny Kadidja, konnte nicht heraus, da es regnete. Heute war ich mit beiden Kindern spazieren. Eben hat Anna Pamela gebadet. Ich bin schon sehr neugierig wie’s in Königsberg sein wird. Ich freu mich schon so, bis ich wieder mit Dir kannwieder mit ihrem Mann Gastspielreisen zu unternehmen (nach der Unterbrechung durch die Schwangerschaft und die Geburt ihrer zweiten Tochter am 6.8.1911).! Wie ist es mit Tilsit„In Tilsit fand weder ein Vortrag noch ein Gastspiel 1911/1912 statt.“ [Vinçon 2018, Bd. 1, S. 154]? Hast Du meinen Brief von Sonntagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.10.1911., u. den 2. nachgesandten Briefder nicht ermittelte Brief aus Berlin [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.10.1911]. erhalten? |

Von hier ist sonst nichts Neues zu berichten. Hoffentlich hast Du so schönes Wetter wie wir heute, damit Du Dir auch die Stadt ansehen kannst.

Ich habe jeden Tag „Totentanz“ gelernt„Seit September 1911 studierten Tilly und Frank intensiv den Einakter ein.“ [Vinçon 2018, Bd. 1, S. 154] u. kann es schon sehr gut. |

Die Kinder senden Dir innigste Küsse, besonders Anna Pamela!

Es umarmt Dich Geliebter,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 31. Oktober 1911 in München
an Frank Wedekind

Dienstagder 31.10.1911. abends.


Geliebter Frank,

nun, wie hast Du es in Königsberg gefunden? Bertl schrieb mir einen sehr lieben BriefDer Brief von Tilly Wedekinds Bruder Dagobert Newes an sie ist nicht überliefert.. Er hatte Dich noch rechtzeitig geweckt zur AbreiseWedekind notierte am 30.10.1911 in Berlin zu seinem Schwager Dagobert Newes: „Bertl weckt mich, begleitet mich Bahnhof Friedrichstraße. Fahrt nach Königsberg“ [Tb].. Er ist sehr erfreut über die Kleider, u. möchte am liebsten ein Plakat | damit herumtragen, dass Du sie getragen hast. Ich vergaß zu erwähnen, dass Martha mit Armin im Conzertvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.10.1911. war.

Es geht uns allen sehr gut u. hoffen wir von Herzen, dass es Dir auch so gut geht. Nachmittags war ich wieder mit beiden Kindern aus, abends geh ich zu Fr. Albu. Ihr Mann ist nicht zu Hause. In innigster Liebe, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 31. Oktober 1911 in Königsberg folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Grd. Hôtel Deutsches Haus
Otto Kahl
Vornehmstes und grösstes Hôtel am Platz
Ruhige Lage im Mittelpunkt der Stadt
Festsäle, Konferenz- und Ausstellungszimmer
: Appartements mit Bad : Automobil :
Restaurant Weingrosshandlung
Telephone: Nr. 14, 3339, 3211


Königsberg i.Pr., 31.10.11.


Geliebteste Tilly!

Herzlichen Dank für Deine liebe Karteeine Briefkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.10.1911].. Es freut mich, daß Ihr alle Drei gesund und wohl seid. Ich fahre also zu berichten fort wo ich aufhörtevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.10.1911.. Bertl kam um 6 Uhrum 18 Uhr in das Hotel Habsburger Hof in Berlin, am 29.10.1911. und holte seine SachenKleidungsstücke [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.10.1911]. um 8 Uhrum 20 Uhr, Beginn des Wedekind-Abends „‚Gedanken‘. Ethische und ästhetische Probleme“ [Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 552, 29.10.1911, Morgen-Ausgabe, 10. Beiblatt, S. (3)] am 29.10.1911 im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin, an dem Wedekind außer seiner Rede „Heinrich von Kleist“ und den Prolog zu „König Nicolo“ vor allem den 3. Akt aus dem neuen Stück „Franziska“ las [vgl. KSA 7/II, S. 1159-1161]. fuhr ich zum Vortrag. Der Saal war leidlich besetzt und das Publikum ging sehr liebenswürdig mit. Der dritte Akt Franziska wirkte so wie ich ihn berechnet habe. NachherWedekind notierte am 29.10.1911 nach seinem Berliner Vortragsabend den Besuch im Weinlokal A. Frederich (Potsdamerstraße 12) mit seinem Schwager Dagobert Newes sowie mit dem Konzertagenten Erich Sachs und dessen Frau: „Frederich mit Bertl Sachs und Frau“ [Tb]. gingen Bertl, Erich Sachs, seine Frau und ich zu Frederich. Wilhelm Herzog wollte auch kommen aber erschien nichtvgl. Wedekind an Wilhelm Herzog, 1.11.1911.. Cassirer war nicht im Vortrag gewesen obschon er die Absicht geäußert hatte hinzugehen, und kam auch nicht zu Frederich. So saßen wir zu vieren bis eins 1 oder 2 zusammen. Darauf legte ich mich schlafen. Am nächsten Morgen um 8 kam BertlDagobert Newes kam am 30.10.1911 in Berlin um 8 Uhr morgens in das Hotel Habsburger Hof, um seinen Schwager zu wecken, damit dieser den Zug um 9.30 Uhr nach Königsberg [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.10.1911] erreichte: „Bertl weckt mich, begleitet mich Bahnhof Friedrichstraße. Fahrt nach Königsberg“ [Tb]., und wir fuhren zusammen zum Bahnhof Friedrichstraße. Er begleitete mich bis ins Coupéabgeschlossenes Eisenbahnabteil (im Unterschied zum Großraumabteil).. Die Fahrt durch die unsagbar langweilige Gegend war mir eine große Erholung. Gestern Abend ging ich schon um 11um 23 Uhr. Wedekind notierte dagegen am 30.10.1911 im Tagebuch 22 Uhr: „Gehe um 10 Uhr schlafen.“ zu Bett und wachte heute um 5 Uhr auf. Die GeneralprobeWedekind notierte am 31.10.1911: „Generalprobe mit Kostüm.“ [Tb] Premiere seines Gastspiels am Neuen Schauspielhaus in Königsberg (Direktion: Josef Geißel) in „König Nicolo“ (er spielte die Titelrolle) war am 1.11.1911. Das Gastspiel hatte die Münchner Konzertagentur Emil Gutmann organisiert, mit Wedekind vereinbart am 12.10.1911: „Mit Gutmann Königsberg abgeschlossen.“ [Tb] heute war das schwächste, was ich bis jetzt von dem Stück gesehen habe. Die Herren haben keine Ahnung von irgend welchen Wirkungen. Die AlmaFigur aus „König Nicolo oder So ist das Leben“, wohl gespielt von Mary Rau, eigentlich am Stadttheater in Brandenburg an der Havel engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 325], die am Neuen Schauspielhaus in Königsberg in Preußen ein Gastspiel gegeben haben dürfte., eine Fräulein Rau, ist spießbürgerlich, vor allem im Kostüm. Heute Nachmittag ging ich drei Stunden spazieren | und komme eben von der RedaktionWedekind notierte am 31.10.1911 seinen Besuch auf der Redaktion der „Königsberger Hartungschen Zeitung“ (am 2.11.1911 erschien dort eine wohlwollende Besprechung über ihn und sein Gastspiel in Königsberg von Ludwig Goldstein) mit dem Namen des Redakteurs Georg Müller: „Redaktion der Hartungschen Redakteur Müller“ [Tb]. der Hartungschen ZeitenSchreibversehen, statt: Zeitung.Schreibversehen, statt: Zeitung.. Heute werde ich wol auch keine großen SprüngSchreibversehen, statt: Sprünge. mehr machen. Da morgen um 10 noch eine Probe ohne KostümWedekind notierte am 1.11.1911 wiederum „Generalprobe“ sowie abends „Vorstellung“ [Tb] – die Premiere seines Gastspiels in „König Nicolo“ (siehe oben). ist.

Gleich bei unserer ersten BegegnungWedekind begegnete Josef Geißel, Direktor und künstlerischer Leiter am Neuen Schauspielhaus in Königsberg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 502], am 30.10.1911 bei seinem „Besuch im Theater“ [Tb] gleich nach seiner Ankunft in Königsberg. am gestern Abend fragte mich der Direktor, übrigens ein äußerst liebenswürdiger Mensch, ob ich eventuel noch am Sonntagam 5.11.1911, an dem Wedekind die dritte und letzte Vorstellung von „König Nicolo“ im Rahmen seines Gastspiels am Neuen Schauspielhaus in Königsberg notierte: „Nicolo 3. Vorstellung.“ [Tb] Abend spielen würde. Ich sagte, wir wollten erst den Ausgang des morgigen Abends abwarten.

So, geliebte Tilly, jetzt kennst Du all meine Erlebnisse.

Küsse die Kinder herzlich von mir und sei selber innigst geküßt von Deinem
Frank.


Auf der Fahrt hierher begegnete ich im Wagen Frau Lou Andreas Salomé, die mit einer Damenicht identifiziert. nach Rußland fuhr mit der sie im FrauenkoupéEisenbahncoupé für weibliche Fahrgäste, Damenabteil. saß. Wir sprachen zehn Minuten miteinander. Sie erkundigte sichFrank und Tilly Wedekind hatten 1906/07 in Berlin dem Tagebuch zufolge mit Lou Andreas-Salomé gelegentlichen Kontakt, so am 7.12.1906 („Mit Lou Andreas Salomee nach Hause gefahren“), am 14.12.1906 („Adele Sandrock und Lou Andreas Salomé besuchen Tilly“) und am 27.2.1907 („Lou Andreas kommt zu uns“). Frank Wedekind notierte die Begegnung im Zug mit der Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé am 30.10.1911: „Fahrt nach Königsberg Lou Andreas Salomé“ [Tb]. Er hatte sie 1894 in Paris kennengelernt und sich dort mit ihr angefreundet [vgl. Regnier 2008, S. 148f.], wie sie sich erinnerte: „Fast am meisten bin ich in Paris mit Frank Wedekind zusammen gewesen.“ [Pfeiffer 1979, S. 100] sehr angelegentlich nach Dir und bat mich, Dich herzlich zu grüßen.

Das Geld200 Mark und 100 Mark, jeweils per Postanweisung übermittelt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.11.1911 und 3.11.1911]. werde ich wohl nicht vor übermorgen, Mittwoch Donnerstag, Mittag, abschicken können.

Frank Wedekind schrieb am 1. November 1911 in Königsberg folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind prinzregentenstr 50 muenchen |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Königsbergpreußen [...]


= geliebte herzlichen dank fuer alles brief unterwegsvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.10.1911. = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 1. November 1911 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

herrn frank wedekind hotel deutsches haus koenigsbergpr=


Telegraphie des Deutschen Reichs. Amt. Königsberg (Preußen).

Telegramm aus muenchen [...]


= habe taeglich geschrieben bis jetzt aber nur lieben brief von sontagvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.10.1911. erhalten herzl tilly.

Tilly Wedekind schrieb am 1. November 1911 in München
an Frank Wedekind

Mittwochder 1.11.1911. abends.


Geliebter Frank,

vielen Dank für Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.11.1911.! Ich war schon in Sorge, da ich heute Früh doch Nachricht erwartete. Gestern abends war ich bei Fr. Albu, wo’s sehr nett war. Heute Vormittag habe ich bei Fr. Justizr. Bernstein u. Fr. Porges Besuch gemacht. | Erstere war nicht zu Hause, Frl. Gabriele auch nicht, aber Fr. Porges war sehr lieb u. lässt Dich grüßen. Martha, die gestern mit einem Bekannten im Theater war, traf Armin der sie frug, ob er heute zu Tisch kommen dürfe. Sie sagte ja. Ich hatte eigentlich die Absicht ihn für Nachmittags einzuladen. Nach Tisch giengen wir mit ihm u. den Kindern spazieren; nach dem Kaffee gieng er mit | Martha weg. Sie sind in die „Ahnfrau“ gegangenTilly Wedekinds Schwester Martha Newes und Frank Wedekinds Neffe Armin Wedekind besuchten eine Vorstellung von Franz Grillparzers Tragödie „Die Ahnfrau“ im Hoftheater, die am 1.11.1911 (nicht aber die Tage davor) auf dem Spielplan stand [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 512, 2.11.1911, Generalanzeiger, S. 2].. Ich bin allein, u. fühle mich sehr wohl. Armin spielte auch Clavier. Anna Pamela sprach ich die Theaterscenedie als „Königsposse“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 157] angelegte Spiel-im-Spiel-Szene im 3. Aufzug (8. Bild) von „König Nicolo oder So ist das Leben“ mit König Nicolo und Alma [vgl. KSA 4, S. 280-283]. aus „So ist das Leben“ vor, während ich sie zu Bett brachte. Jetzt werdet Ihr gerade so weit seinAnspielung auf die Inszenierung von „König Nicolo“ am Neuen Schauspielhaus in Königsberg, die am 1.11.1911 mit Wedekind in der Titelrolle Premiere hatte.. –

Das Kleine ist sehr lieb. Ich gebe ihr nur noch Früh u. abends, tags|über Fläschchen. In paar Tagen hör’ ich ganz auf.

Die KritikPressestimmen zu Wedekinds Vortragsabend „‚Gedanken‘. Ethische und ästhetische Probleme“ am 29.10.1911 im Klindworth-Scharwenka-Saal in Berlin, bei dem er unter anderem den Prolog zu „König Nicolo“ und den 3. Akt aus dem neuen Stück „Franziska“ las, wohl insbesondere die vernichtende Kritik im „Berliner Tageblatt“, dessen Rezensent meinte: „Gedanken sind etwas anderes. [...] Was Wedekind Gedanken nennt, das sind bestenfalls Raketen. [...] was übrig bleibt, ist bestenfalls Rauch.“ [Th.T.: Wedekind und sein neues Drama. In: Berliner Tageblatt, Jg. 40, Nr. 555, 31.10.1911, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (2)] ist unerhört! Bertl schrieb mirDer Brief von Dagobert Newes an seine Schwester Tilly Wedekind ist nicht überliefert. von Deinem großen Erfolg!

Wie ist’s in Königsberg? Und was ist mit Tilsit„In Tilsit fand weder ein Vortrag noch ein Gastspiel 1911/1912 statt.“ [Vinçon 2018, Bd. 1, S. 154]? Aber das wird wohl alles in Deinem Brief stehen, auf den ich mich sehr freue!

Viele Küsse von den Kindern
u. Deiner Tilly

Frank Wedekind schrieb am 2. November 1911 in Königsberg
an Tilly Wedekind

eingezahlt am 2.11.11.


200 MarkPf.

von Wedekind

Frank Wedekind schrieb am 3. November 1911 in Königsberg
an Tilly Wedekind

eingezahlt am 3.11.11.

100 MarkPf.

von Wedekind


Geliebteste Tilly! Ich schicke hier auf alle Fälle noch 100 M. Herzlichen Dank für Deine KartenBriefkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.10.1911 und 1.11.1911]., die ich eben erhielt. Ich denke Dienstag Abend zu Hause zu sein. Brief folgt.

Innigst Dein Frank.

Frank Wedekind schrieb am 3. November 1911 in Königsberg folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Tuck’s Postkarte
POSTCARD. CARTE POSTALE


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


Central-HôtelWedekind notierte am 3.11.1911 ein Treffen mit Georg Müller, Redakteur der „Königsberger Hartungschen Zeitung“, und dessen Frau im Central-Hotel in Königsberg: „Abends mit Redakteur Müller und Frau im Zentralhotel“ [Tb], bei dem er die vorliegende Bildpostkarte schrieb – aber nicht zu Ende schrieb, wie er seiner Frau gleich darauf auf einer Postkarte mitteilte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.11.1911]., Königsberg i. Pr.


Geliebteste Tilly. Zwei Vorstellungendie Premiere von „König Nicolo“ am 1.11.1911 im Neuen Schauspielhaus in Königsberg und am 2.11.1911 die „2. Vorstellung Nicolo“ [Tb]. sind glücklich vorüber. AlmaFigur aus „König Nicolo oder So ist das Leben“, in Königsberg wohl gespielt von Mary Rau [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.11.1911]. sah sehr kümmerlich ausHier bricht der Mittteilungstext der Bildpostkarte ab – Wedekind setzte ihn in einem Brief fort [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.11.1911]. |


Alt-Königsberg. Fischmarkt

Tilly Wedekind schrieb am 3. November 1911 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Freitagder 3.11.1911. abends.


Geliebter Frank,

herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.10.1911.! Cassirer u. Durieux sind wirklich gute Freunde! Dass die Vorstellung in Königsberg nicht gut ist, tut mir sehr leid, aber vielleicht war es am Abend besser als Du de/a/chtest. Bleibst Du noch Sonntag? Ist es mit Tilsit nichts? Die Briefe von Königsberg hierher u. wohl auch umgekehrt, scheinen schrecklich lang zu brauchen. | Ich erwartete auf den Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.11.1911. von Mittwoch bestimmt gestern Nachricht, u. erhielt den Brief erst heute Freitag u. er ist doch schon Dienstag abgeschickt. Ich schrieb Dir ausser gestern jeden Tag u. hoffe, dass Du’s auch erhalten hast. Gestern gieng ich wieder mit den Kindern; wir trafen die Albu Kinder u. Anna Pamela gieng noch mit ihnen nach Hause. Dann brachte ich das Kleine nach Hause u. gieng zum Friseur, von wo aus ich dann | Anna Pamela abholte. Heute hab’ ich nochmals mein Kleid probiert u. war Nachmittags mit Anna Pamela in der Stadt um für sie Einiges zu kaufen, das sie notwendig brauchte. Fanny Kadidja wird jeden Tag hübscher, ihre Augenbrauen u. Wimpern wachsen u. auch ihr Haar. Sie lacht seelenvergnügt in die Welt. Früh sind wir immer zu Dritt im Bett, das Kleine zwischen mir u. Anna Pamela. Deiner Mutter hab’ ich noch ein paar Zeilen geschriebenTilly Wedekinds Schreiben an ihre Schwiegermutter Emilie Wedekind ist nicht überliefert. , dass ich sie am 10.Ein Besuch Emilie Wedekinds in München am 10.11.1911 wurde erwartet, aber nicht realisiert, vermutlich weil die erkrankte Pamela Wedekind am 8.11.1911 in die Klinik eingeliefert und operiert wurde [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.11.1911]. erwarte. |

Wenn Du Sonntag noch spielst, wirst Du ja kaum vor Dienstag, Mittwoch hier sein!? Ich wollte, Du wärst schon da, gil/e/liebter Frank, es ist nicht das Richtige, wenn Du nicht zu Hause bist. Es fehlt mir immer etwas!

Martha war gestern wieder im Concert, ich war ausser bei Frau Albu immer zu Hause. Nun kennst Du auch alle meine Erlebnisse. Paar Couvert mit Zeitungsausschnitten„Wedekind ließ sich von Konzert- und Theateragenturen Zeitungsausschnitte mit Kritiken über Aufführungen und Vorträge seiner Werke schicken.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 158] sind gekommen, ich glaube Du wirst nichts dagegen haben, wenn ich sie lese.

Sei innigst umarmt, auch von den Kindern, u. komm bald!
Deine treue Tilly


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Für das Geld200 Mark und 100 Mark, jeweils per Postanweisung übermittelt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.11.1911 und 3.11.1911]. im Voraus herzlichsten Dank!

Frank Wedekind schrieb am 3. November 1911 in Königsberg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


Liebe Tilly, ich habe eben eine Cartedie nicht fertig geschriebene Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.11.1911]. eingeworfen die ich nicht fertig geschrieben habe. Es waren andere Kartendarunter eine gemeinsam mit Georg Müller verfasste Postkarte oder Bildpostkarte an Georg Schaumberg [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.11.1911]. dabei. Ich sitztesaß. mit einem ZeitungsredakteurGeorg Müller, Redakteur der „Königsberger Hartungschen Zeitung“, mit dem Wedekind am 3.11.1911 zusammensaß: „Abends mit Redakteur Müller und Frau im Zentralhotel“ [Tb]. zusammen. Morgenam 4.11.1911, an dem Wedekind seine Lesung im Grand Hotel Deutsches Haus in Königsberg notierte: „Vortrag im Deutschen Haus.“ [Tb] habe ich den Vortrag und am Sonntagder 5.11.1911, an dem Wedekind die dritte und letzte Vorstellung seines Gastspiels in „König Nicolo“ im Neuen Schauspielhaus in Königsberg notierte: „Nicolo 3. Vorstellung.“ [Tb] noch | einmal Nicolo. Ich denke Dienstagder 7.11.1911, an dem Wedekind abends zurück in München war [vgl. Tb]. Abend etwa 8 Uhr in München zu sein. Die Kritiken in KönigsbergLudwig Goldstein veröffentlichte am 2.11.1911 in der „Königsberger Hartungschen Zeitung“ [vgl. KSA 4, S. 630, 643], deren Feuilletonchef er war, eine dieser Kritiken über Wedekinds Gastspiel im Neuen Schauspielhaus in Königsberg (siehe oben); er würdigte dabei Wedekind als „eine höchst auffällige schöpferische Begabung, von der ein starkes geistiges Fluidum ausstrahlt.“ [E. Kurt Fischer: Königsberger Hartungsche Dramaturgie. 150 Jahre Theaterleben im Spiegel der Kritik. Königsberg 1932, S. 686] waren besser als in Berlin. Ich freue mich sehr wieder bei euch zu sein.

Herzlichst küßt Dich und die Kinder
Dein
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 4. November 1911 in Königsberg folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Grd. Hôtel Deutsches Haus
Otto Kahl
Vornehmstes und grösstes Hôtel am Platz
Ruhige Lage im Mittelpunkt der Stadt
Festsäle, Konferenz- und Ausstellungszimmer
: Appartements mit Bad : Automobil :
Restaurant Weingrosshandlung
Telephone: Nr. 14, 3339, 3211


Königsberg i.Pr., 4. November 1911.


Geliebte Tilly!

Obschon ich heute keinerlei Nachricht von Dir erhielt schreibe ich Dir noch kurz vor dem Vortrag. Es ist sechs Uhr, um 8 Uhrum 20 Uhr, dem Beginn von Wedekinds Lesung im Grand Hotel Deutsches Haus in Königsberg (wo er auch logierte). beginnt er. Morgenam 5.11.1911, an dem die dritte und letzte Vorstellung seines Gastspiels in „König Nicolo“ im Neuen Schauspielhaus (siehe unten) in Königsberg stattfand, wie Wedekind notierte: „Nicolo 3. Vorstellung.“ [Tb] bin ich vielleicht zu abgespannt zu einem Brief, zumal ich nachher mit dem JurnalistenSchreibversehen, statt: Journalisten. – Gemeint ist Ludwig Goldstein, Feuilletonchef der „Königsberger Hartungschen Zeitung“, mit dem Wedekind nach der letzten Vorstellung seines Gastspiels in „König Nicolo“ im Neuen Schauspielhaus in Königsberg am 5.11.1911 zusammen war (außerdem mit Josef Geißel, Direktor des Neuen Schauspielhauses, und dessen Frau): „Nachher mit Goldstein Geißel und Frau im Deutschen Haus und Kaiser Friedrich Café.“ [Tb] Wedekind hat ihn am 1.1.1911 bei seinem Besuch der Redaktion der „Königsberger Hartungschen Zeitung“ kennengelernt: „Redaktion der Hartungschen Dr. Goldstein.“ [Tb] und Schriftstellern zusammen sein soll. Gestern Abend hatte ich eben eine Carte an Dich begonneneine Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.11.1911]. als mich ein Redakteur Georg Müller (unten im Brief namentlich genannt), Redakteur für Lokales und Allgemeines bei der „Königsberger Hartungschen Zeitung“ (zeitweise stellvertretender Chefredakteur). Wedekind notierte am 3.11.1911 sein Treffen mit ihm: „Abends mit Redakteur Müller und Frau im Zentralhotel und Café Bauer.“ [Tb] Er hat ihn am 31.10.1911 bei seinem Besuch der Redaktion der „Königsberger Hartungschen Zeitung“ kennengelernt: „Redaktion der Hartungschen Redakteur Müller.“ [Tb] Wedekind bedankte sich nach seiner Rückkehr von der Gastspielreise für die angenehmen mit ihm verbrachten Stunden [vgl. Wedekind an Georg Müller, 11.11.1911].überraschte. Wir schriebenHinweis auf eine nicht überlieferte Postkarte oder Bildpostkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind und Georg Müller an Georg Schaumberg, 3.11.1911. dann noch an Georg SchaumbergerSchreibversehen, statt: Schaumberg. – Georg Schaumberg war 1890 in München Gründungsmitglied der Gesellschaft für modernes Leben und Mitherausgeber der Anthologie „Modernes Leben. Ein Sammelbuch der Münchner Modernen“ (1891), in der eine Reihe von Gedichten Wedekinds erschienen sind [vgl. KSA 1/I, S. 920f., 964f., 1039f., 1108, 1113, KSA 1/II, S. 1631, 1775f.]. Der Schriftsteller Georg Schaumberg (Hofmann-Schaumberg) lebte nach wie vor in München (Leopoldstraße 67) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 260, 544]. und ich vergaß daß deine Carte noch nicht fertig war und warf sie auf dem Weg zum Café in den Kasten. Im Café schrieb ich dann noch einmaleine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.11.1911].. Ich hoffe Du hast beide erhalten. Morgen ist also noch einmal König Nicolo. Über die Vorstellung schrieb ich dir einiges. Die AlmaFigur aus „König Nicolo“, in Königsberg wohl gespielt von Mary Rau [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.11.1911]. sah kümmerlich aus, sprach aber nicht schlecht, wenigstens besser als alle übrigen. Nach der ersten VorstellungNach der Premierenvorstellung seines Gastspiels in „König Nicolo“ im Neuen Schauspielhaus in Königsberg am 1.11.1911 notierte Wedekind sein Beisammensein mit Josef Geißel und dessen Frau im Central-Hotel und einem Café: „Mit Direktor und Frau im Central und Café.“ [Tb] Mit dabei war dem vorliegenden Brief zufolge auch der Schauspieler Bernard Aldor (siehe unten). war ich mit dem Direktor, dem Darsteller des VertheidigersDer Verteidiger ist eine Figur aus „König Nicolo“ [vgl. KSA 4, S. 232], in der Königsberger Inszenierung dargestellt von Bernard Aldor [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 159], Schauspieler am Neuen Schauspielhaus in Königsberg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 502]. und ihren Frauen im Restaurant. Alma war nicht dabei. Nach der zweiten AufführungNach der zweiten Vorstellung seines Gastspiels in „König Nicolo“ im Neuen Schauspielhaus in Königsberg am 2.11.1911 war Wedekind zusammen mit dem Schauspieler Bernard Aldor und dessen Frau zu Gast bei Josef Geißel: „2. Vorstellung Nicolo Mit Aldor und Frau beim Direktor Geissel zu Gast.“ [Tb] war ich mit diesem Schauspieler einem RumänenBernard Aldor (siehe oben) ist in Konstantinopel geboren, in der Türkei. namens Fedor„irrtümliche Namenserinnerung Wedekinds“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 159], statt: Aldor. Im Tagebuch hat Wedekind am 2.11.1911 richtig „Aldor“ notiert. beim Direktor zu Gast. Und gestern AbendWedekind notierte am 3.11.1911 sein Beisammensein mit Georg Müller (und dessen Frau): „Abends mit Redakteur Müller und Frau im Zentralhotel und Café Bauer.“ [Tb] hatte ich mich mit Redakteur Müller, einem Bekannten von Georg Schaumberg verabredet. Tags über bummelte ich herum habe nun aber auch alle Sehenswürdigkeiten von Königsberg schon zweimal gesehen. Heute besorgte ich mir SchlafcoupéSchlafwagenabteil. für Montagder 6.11.1910, an dem Wedekind abends von Königsberg abreiste, morgens am 7.11.1911 in Berlin war und abends in München [vgl. Tb], um 20.34 Uhr, wie Wedekind im vorliegenden Brief angibt. abend. Ich wäre dann also Dienstagder 7.11.1910, an dem Wedekind notierte: „Fahrt nach München. T.St. mit Steinrück Reßner und Weigert.“ [Tb] Er war also nicht mit seiner Frau im Ratskeller, sondern mit Albert Steinrück, Carl Rößler und August Weigert in der Torggelstube. Abend um 8 Uhr 34 in München. Wenn es Dir recht ist bringen wir dann mein Gepäck nach Haus und | gehen dann vielleicht in den Ratskeller, um gemütlich zu plaudern. Ich freue mich sehr daß es Dir und den Kindern gut geht und hoffe daß es so geblieben ist. Also auf Wiedersehn auf am Dienstag Abend.

Mit innigem Kuß
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 4. November 1911 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstag abends.

4.11.1911.


Geliebter Frank,

ich danke Dir vielmals für die Sendung der 200 Mper Postanweisung übermittelt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.11.1911].. Ich habe Dir heute Vormittag noch eine Korrektur Sendung von Müllervom Georg Müller Verlag geschickte Korrekturbögen von „Franziska“ [vgl. KSA 7/II, S. 976] mit Begleitbrief, nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller Verlag an Wedekind, 3.11.1911. nachgeschickt. Sie kam heute Früh. Auf der Sanct Anna Postdas Münchner Postamt 22 (St. Annaplatz 1) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil II, S. 34]. sagte man mir, wenn ich zum Bahnhof fahre geht sie vielleicht noch Vormittag mit. Ich habe ihn den Brief per Eilpost geschickt. Ich dachte | Du wartest vielleicht schon sehr darauf. Hoffentlich erhältst Du die Sendung morgen Früh schon. Ich möchte nun schon sehr gern wissen, ob Du morgen noch bleibst oder nicht u. wann Du nach Hause kommst. Aber vielleicht erfahre ich das morgen.

Bist Du mit meinen Nachrichten unzufrieden? Wenn ich auch fast nur KartenBriefkarten. schrieb, so hab’ ich Dir doch alles erzählt, was vorgegangen war, mehr konnte | ich mit dem besten Willen nicht berichten.

Aber vielleicht mache ich mir nur unnützer Weise Gedanken u. wir sehen uns in paar Tagen vergnügt u. zufrieden wieder. Ich glaube ich hätte doch einige Anlage zum V/v/ergnügt sein, wenn ich nicht immer in Angst wäre, ich könnte etwas unrichtig gemacht haben.

Aber vielleicht geht es Dir ähnlich. Anna Pamela u. Fanny Kadidja | sind wohl u. munter; ich war Nachmittags wieder mit ihnen spazieren. Morgen fahre ich vielleicht mit Anna Pamela zu Jenny. Jetzt ist Dein VortragWedekinds Lesung am 4.11.1911 im Grand Hotel Deutsches Haus in Königsberg. in Königsberg!

Nun lebwohl, Geliebter,
u. hoffentlich auf baldiges,
frohes Wiedersehen!
Innigst,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 5. November 1911 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

herrn frank wedekind
Königsberg (Preußen).
hotel deutsches haus


Telegraphie des Deutschen Reichs. Amt. Königsberg (Preußen).

Telegramm aus münchen [...]


vielen dankfür die Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.11.1911], die Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.11.1911] und den Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.11.1911]. für alles frohes wiedersehen geliebter innigst deine tilly

Frank Wedekind schrieb am 7. November 1911 in Leipzig folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilliy wadekint prinzregentenstrasze 50
muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Leipzig Bayr Bf„Der Bayerische Bahnhof war bis 1912, bevor der Leipziger Hauptbahnhof eröffnet wurde, der Eisenbahnknotenpunkt für Reisende in den Süden. Wedekind stieg hier um und gab daher von dort das Telegramm auf.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 160] [...]


ankomme 9.4321.43 Uhr, am 7.11.1911, an dem Wedekind, der mit dem Nachtzug von Königsberg kam, notierte: „Ankunft in Berlin. [...] Fahrt nach München“ [Tb], wo er abends eintraf. herzlichst = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 9. November 1911 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Geliebter Frank,

ich habe mit Martha telephoniert. Anna Pamela hat gut geschlafen, hat kein Fiebernach der „Blinddarmoperation“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 160] am 8.11.1911 (das Kind war in die Klinik eingeliefert worden), die Wedekind notierte: „Annapamela hat erneute Attacke. Operation.“ [Tb] u. ist guter Stimmung. Sie erwartet mich heuteWedekind notierte am 9.11.1911: „Tilly sieht Annapamela“ [Tb].. Doch geh’ ich nur hinein, wenn der Herr Doctor es für gut hält. Mittags bin ich zu Hause.

Herzlichst, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 18. November 1911 in München
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich wollte Dich nur noch bitten, falls alles ruhig ist, lieber nicht mehr herüber zu kommen, damit Anna Pamela nicht im Schlaf gestört wirdPamela Wedekind war operiert worden und kam am 18.11.1911 nach Hause, wie ihr Vater notierte: „Wir holen Annapamela aus der Klinik.“ [Tb]. Bis jetzt schläft sie ganz ruhig. Hoffentlich ist sie morgenDr. med. Otto Rommel, „Spezialarzt“ für Kinderkrankheiten und „leitender Arzt des Säuglingheims München“ [Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 521], kam am 19.11.1911 (Sonntag), wie Wedekind notierte: „Dr. Rommel kommt.“ [Tb] Weitere Besuche des seine Tochter behandelnden Kinderarztes notierte Wedekind am 20. und 22.11.1911 [vgl. Tb]. munter! Hr. Dr. Rommel wollte für alle Fälle | morgen zwischen 9 – 10 Uhr kommen. Falls ich Dich dann wecken soll, legst Du vielleicht einen Zettel heraus. Aber vielleicht ist es besser Du schläfst Dich aus. Hoffentlich wirst Du nicht gestört.

Innigst
Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 24. November 1911 in München
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich möchte Dich nicht wecken, weil ich nicht weiß, ob Du spät zu Bett bist. Jenny hat telephoniert, wir treffen uns in der Stadt um zusammen Besorgungen zu machen. |

Innigst, Deine Tilly

TILLY WEDEKIND

Frank Wedekind schrieb am 3. Dezember 1911 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebte Tilly!

Ich habe keine Probe. Bitte mich nicht wecken zu lassen.

Besten Dank
Frank

Frank Wedekind schrieb am 20. Dezember 1911 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebte Tilly! Ich habe Deine Köllner WasserEau de Cologne (Kölnisch Wasser), verbreitetes Duftwasser mit langer Tradition. mitgenommen, da ich heute Bart trageWedekind spielte in der Uraufführung von „Oaha“ durch den Neuen Verein im Münchner Lustspielhaus am 20.12.1911 die Rolle des Verlagsbuchhändlers Georg Sterner, der „Bart“ [KSA 8, S. 78] trägt. Wedekind, der sich bei Albert Steinrück informiert hat, notierte am 15.12.1911: „Suche Steinrück wegen Maske auf. Beim Hoftheaterfriseur Bart bestellt“ [Tb]. Er notierte am 20.12.1911: „Durchsprechprobe. Vorstellung.“ [Tb] und keines mehr habe. Zwei Hemden hat das Mädchen ins Theater gebracht,

Herzlichst
Dein Frank

Frank Wedekind und Dagobert Newes schrieben am 11. Januar 1912 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


Geliebteste Tilly! Es scheint nicht schlecht zu gehen. Kleines und Deutsches TheaterWedekind, der am 10.1.1912 mit dem Nachtzug nach Berlin gefahren ist, um dort eine Inszenierung seines neuen Stücks „Franziska“ in die Wege zu leiten, notierte am 11.1.1912: „Ankunft in Berlin. Besuch im kleinen Theater Besuch im Deutschen Theater“ [Tb]. Im Kleinen Theater sprach er mit dem Direktor Victor Barnowsky, im Deutschen Theater mit dem Dramaturgen Arthur Kahane, dem engen Mitarbeiter Max Reinhardts. Eine Aufführung von „Franziska“ am Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowsky) kam nicht zustande, ein Gastspiel mit „Franziska“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) erst im Jahr darauf (vom 5. bis 29.9.1913). wollen Franziska. Ich werde sie nur gegen vorhergehendes Gastspiel geben. Harden werde ich morgen NachmittagWedekind notierte am 12.1.1912: „Besuch bei Harden.“ [Tb] sprechen. Eben waren Bertl und ichWedekind und sein Schwager Dagobert Newes besuchten am 11.1.1912 um 20 Uhr eine Vorstellung von George Bernard Shaws erfolgreicher Komödie „Der Arzt am Scheidewege“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 16, 11.1.1912, Morgen-Ausgabe, S. 14] und waren anschließend im Weinlokal A. Frederich (Potsdamerstraße 12), wie Wedekind notierte: „Mit Bertl bei Frederich.“ [Tb] Dort schrieben sie die vorliegende Postkarte. in Arzt am Scheidewege. Jetzt sitzen wir bei Frederich. Ich hoffe, daß es Euch allen gut geht. Von Bekannten sah ich niemand als | Barnowsky und Kahane. Morgen vormittag ist GeneralprobeWedekind notierte am 12.1.1912: „Generalprobe Zorn des Achill“ [Tb]; er hat Maximilian Harden ausführlich über den Besuch der Generalprobe berichtet [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 12.1.1912]. Die Tragödie „Der Zorn des Achilles“ von Wilhelm Schmidtbonn wurde unter der Regie von Felix Hollaender am Deutschen Theater in Berlin inszeniert und hatte am 13.1.1912 Premiere, die Wedekind ebenfalls besuchte: „Premiere von Der Zorn des Achilles“ [Tb]. von „Zorn des Achilleus“. Reinhart wird von London zurückerwartetWedekind hatte von Arthur Kahane erfahren, dass Max Reinhardts Rückkehr aus London am 16.1.1912 erwartet wurde [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 12.1.1912].. Innigste Grüße und Küsse von Deinem Frank.


Liebe gute Tilly, ich wollte heute einen Brief an DichDer Brief von Dagobert Newes an seine Schwester Tilly Wedekind ist nicht überliefert. fortsetzen, den ich gestern vor dem Schlafengehen angefangen; statt dessen überraschte mich Frank, nahm mich lieb wie immer gleich in die Kammerspiele u. hieherin das Weinlokal A. Frederich (siehe oben). mit u. erzählte mir zu meiner großen Freude, daß Du Dich wohl befindest. Morgen schreibe ich also weiter! Herzlichst grüßt und küßt Dich, Martha u. Deine zwei Mauserln(österr.) Mäuse; hier: die Kinder Pamela und Kadidja Wedekind. Euer Bertl.

Tilly Wedekind schrieb am 11. Januar 1912 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 11.I.12.


Geliebter Frank,

hoffentlich bist Du gut angekommenWedekind ist dem Tagebuch zufolge am 10.1.1912 abends mit dem Nachtzug von München abgereist („Fahrt nach Berlin“) und am 11.1.1912 morgens in Berlin eingetroffen („Ankunft in Berlin“). u. fühlst Dich wohl! Ich war heute den ganzen Tag zu Hause, bin aber für abends zu Fr. Albu eingeladen, die ich gestern noch in der BahnStraßenbahn (Trambahn). traf. Die Kinder waren zweimal mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] spazieren. Es geht uns allen gut, hoffentlich geht es Dir auch so. 2 Drucksachen vom „Pannicht überliefert (wohl mit Begleitschreiben); erschlossenes Korrespondenzstück: Pan an Wedekind, 10.1.1912 (und eine weitere Sendung). Es dürfte sich bei den Sendungen der Zeitschrift „Pan“ (herausgegeben von Wilhelm Herzog und Paul Cassirer) um Wedekinds Antwort auf die Umfrage „Politik“ [KSA 5/II, S. 428-430] gehandelt haben, vermutlich um Belegexemplare des Heftes, das Wedekinds Äußerung enthält [vgl. Pan, Jg. 2, Heft 8, 11.1.1912, S. 240]. kamen, ein großes Couvert, offenbar mit | einem Buch von „MeyerWilmersdorfnicht überliefert (nicht ermittelte Buchsendung mit Begleitschreiben); erschlossenes Korrespondenzstück: Alfred Richard Meyer an Wedekind, 10.1.1912. Die Adresse des Schriftstellers und Verlegers Alfred Richard Meyer in Berlin-Wilmersdorf war Kaiserplatz 16 (2. Hinterhaus, 4. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil I, S. 1990], nicht Kaiserplatz 10, wie es im vorliegenden Brief irrtümlich heißt., Kaiserpl. 10, ein Brief von der Deutschen Banknicht überliefert; Deutsche Bank Filiale München an Wedekind, 10.1.1912. Die Deutsche Bank Filiale München hatte ihren Sitz am Lenbachplatz 2 [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 98]., einer von der „modernen Galerienicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Moderne Galerie an Wedekind, 10.1.1912. Die Moderne Galerie von Heinrich Thannhauser im Arcopalais (Theatinerstraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 414] dürfte Wedekind für den 16.1.1912 um 10 Uhr eingeladen haben zur „Eröffnung der grossen Ausstellung RENOIR“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 22, 14.1.1912, Morgenblatt, S. 5]. Theatinerstr.“ einer von der „Badischen Landes Zeitungnicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Gustav Werner Peters an Wedekind, 10.1.1912. Den Brief dürfte Gustav Werner Peters, inzwischen Feuilletonredakteur der „Badischen Landeszeitung“ in Mannheim, geschrieben und in einem Kuvert mit der Redaktionsadresse verschickt haben. Wedekind hat ihn am 9.3.1907 in Berlin kennengelernt [vgl. Tb], sich im Vorjahr in München mit ihm angefreundet und am 14.11.1911 notiert: „Peters kommt zum Thee und erzählt daß er zur Neuen Bad. Landeszeitung geht.“ [Tb] einer aus München Karlstr. 21/Inicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Drei Masken Verlag an Wedekind, 10.1.1912. Der Drei Masken Verlag in München (später dann in Berlin), der noch im Sommer 1912 den Bühnenvertrieb von Wedekinds Stücken übernehmen sollte, hatte seinen Sitz in der Karlstraße 21 (1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 109].. Die K. Polizeid. schreibtvgl. Polizeidirektion München an Wedekind, 10.1.1912., dass sie das Verbot von „Oaha“ aufrecht erhält, Du möchtest Dich an die k. Reg. von Oberb. wenden. Das Lustspielhaus schickt 2 Kartennicht überliefert (Sendung von zwei Premierenkarten für die Posse „Einen Jux will er sich machen“ mit Begleitschreiben); erschlossenes Korrespondenzstück: Lustspielhaus München an Wedekind, 10.1.1912. Johann Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“ hatte am 12.1.1912 am Münchner Lustspielhaus (Direktion: Eugen Robert) Premiere, Beginn: 19.30 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 18, 12.1.1912, Generalanzeiger, S. 2]. Im Lustspielhaus war am 20.12.1911 Wedekinds „Oaha“ in geschlossener Vorstellung uraufgeführt worden. Wedekind war aktuell darum bemüht, bei der Polizeidirektion eine öffentliche Aufführung des Stücks im Münchner Lustspielhaus genehmigt zu bekommen [vgl. Wedekind an Polizeidirektion München, 27.12.1911], ohne Erfolg [vgl. Polizeidirektion München an Wedekind, 10.1.1912]. für „Einen Jux will er sich machen“ din/e/ Martha u. ich, wenns Dir recht ist benützen werden.

2 Sachennicht ermittelt. hab’ ich weg geschickt | an Dich, da ich nicht weiß, ob sie wichtig sind.

Falls ich etwas von den aufgezählten Sachen schicken soll, schreibe es mir bitte.

Ich bin sehr neugierigdarauf, ob Wedekind in Berlin eine Inszenierung seines neuen Stücks „Franziska“ in die Wege leiten kann., was sich in Berlin machen lässt.

Innigst
Deine
treue Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Januar 1912 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Innigst Geliebter

bist Du mir böse? Ich habe noch keine Nachricht von Dir!

Und ich hatte das Gefühl, dass wir uns verständigt hatten.

Hoffentlich sind dies grundlose Befürchtungen, u. ich bekomme morgen Nachricht.

Heute habe ich Dir 5 Briefe nachgeschicktvermutlich die im vorangehenden Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1912] aufgezählten 5 Briefe an Wedekind, die nicht überlieferten Briefe der Deutschen Bank Filiale München, der Modernen Galerie, des Drei Masken Verlags und der „Badischen Landeszeitung“ (von Gustav Werner Peters) sowie ein Brief der Münchner Zensurbehörde [vgl. Polizeidirektion München an Wedekind, 10.1.1912].. Guttmann’s Briefenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emil Gutmann an Wedekind, 11.1.1912 (und mindestens ein weiterer nicht überlieferter Brief). lege ich bei. Hr. Dr. Pohl Klaus Pohl, als Schauspieler und Sekretär am Stadttheater in Landshut tätig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 500], dann wohl freischaffend in München [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 859], dürfte eine Wedekind-Inszenierung geplant haben, die nicht realisiert wurde.ließ ich sagen, dass Du meistens | keine besonders eingerichteten BücherRegiebücher. hast u. dasSchreibversehen, statt: dass. die Besetzung richtig ist.

Wann kommst Du? Wens hast Du alles gesprochen u. was lässt sich machen?

GesternTilly Wedekind war am 11.1.1912 abends bei Jenny Albu eingeladen, was sich dem vorliegenden Brief zufolge kurzfristig zerschlug. war ich nicht fort. Frau Albu sagte mir in letzter Stunde ab, da sie ihre Köchinnicht identifiziert. hinausgeworfen hatte.

Heute Vormittag war ich bei Ceconibei dem Zahnarzt Dr. med. Ermanno Ceconi (Praxis: Amalienstraße 3) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 85], seit 1900 in München ansässig; er war der erste Ehemann der Schriftstellerin Ricarda Huch (mit ihr verheiratet 1898 bis 1906), der Wedekind 1887 in Zürich wohl begegnet ist und in der Figur der Ricarda Russ in „Kinder und Narren“ (1891) auf sie anspielte [vgl. KSA 2, S. 714f.]. Wedekind war nachweislich seit dem 1.8.1910 bei Ermanno Ceconi in Behandlung [vgl. Tb]. der mir erzählte, dass | Wolfskehl den ganzen Tag mit „Franziska“ herumlaufemit der Erstausgabe von „Franziska. Ein modernes Mysterium in fünf Akten“ (1912) im Georg Müller Verlag – sie „lag bereits im November 1911 gedruckt vor.“ [KSA 7/II, S. 994] Karl Wolfskehl, der in enger Beziehung zu Franziska von Reventlow stand, dürfte die biografischen Anspielungen auf sie in Wedekinds Stück erkannt haben. u. allen Leuten sage, sie müssen sich’s kaufen. Nachmittag kam Jenny worüber ich mich riesig freute! Erst war ich mit Anna Pamela u. Jenny spazieren.

Den Kindern gehts Gottlob u. unberufen gut, ebenso mir. Hoffentlich gehts Dir gut, bist Du guter Stimmung, u. bist nicht ganz böse auf mich. |

Gewiss, ich kann durch den kleinsten Anlass traurig sein, aber ich glaube, dass mich auch der kleinste Anlass glücklich u. froh machen kann. Wenigstens hab’ ich das in den 5 Jahrenseit der Ehekrise 1907. schon gelernt, wenn ich es früher vielleicht nicht konnte.

In innigster Liebe
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Januar 1912 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Freitagder 12.1.1912..


Innigst geliebter Frank,

ich habe Dir gestern Abendvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1912. u. heute Abend geschriebenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.1.1912 (erster Brief).! Ich bin schon in tausend Ängsten was mit Dir ist! Wenn morgen keine Nachricht kommt, weiß ich nicht, was ich tun soll.

Doch Frank, ich hätte das Zeug froh u. glücklich zu sein mit Dir, dass es | mir so schwer fällt ist nicht allein meine Schuld.

Im Lustspielhaus war’s sehr lustigTilly Wedekind, die zwei Premierenkarten hatte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1912], besuchte am 12.1.1912 gemeinsam mit ihrer Schwester Martha Newes die Premiere von Johann Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“ am Münchner Lustspielhaus (Direktion: Eugen Robert); die Vorstellung begann um 19.30 Uhr und dauerte bis etwa 22 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 18, 12.1.1912, Generalanzeiger, S. 2]. Die Presse sprach von „ausgelassenen Szenen“ und fasste zusammen: „Alles in allem ein lustiger Abend, wie er einer ernsthaften Bühne im Karneval wohl ansteht, und für dessen Gelingen sich das zahlreiche Publikum dadurch bedankte, daß es die Darsteller und Direktor Robert am Schlusse viele Male an die Rampe rief.“ [Lustspielhaus. Zum ersten Male: Einen Jux will er sich machen. Posse von Nestroy. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 21, 14.1.1912, Vorabendblatt, S. 2], ich glaube Robert ist heute abend zum Reinhardt von MünchenMax Reinhardt in Berlin hatte durch seine erfolgreichen modernen Inszenierungen am Deutschen Theater und an den Kammerspielen des Deutschen Theaters einen außerordentlich Ruf, der hier prognostiziert wird für Eugen Robert, seit 1911 in München Direktor des Lustspielhauses (es hieß zunächst kurzfristig Theater zum großen Wurstel, dann ab Herbst 1912 Kammerspiele), der zuvor in Berlin Direktor des Hebbel-Theaters war. Seinen Erfolg hat die Presse regelmäßig registriert, so bereits im Vorjahr: „Das Münchener Lustspielhaus, das unter der Direktion Dr. Eugen Robert erfreulich in die Höhe strebt, ist mit den Vorbereitungen für die Winterspielzeit, in der die Direktion ihre künstlerischen Absichten auf einer breiteren Basis zu verwirklichen gedenkt, vollauf beschäftigt. Es wurden u. a. folgende Bühnenwerke erworben: [...] Frank Wedekind: Oaha“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 413, 5.9.1911, Vorabendblatt, S. 3] geworden. Ich war mit Martha. Ich habe mich so tadellos benommen, dass ich nur wünsche Du hättest mich gesehen. Du hättest Deine Freude an mir gehabt.

Aber wer weiß, ob Du überhaupt noch Freude an mir hast. |

Schicke Dir gleichzeitig noch einen Briefnicht ermittelt. nach.

In innigster Liebe
Deine Tilly


Wann kommst Du?

Frank Wedekind schrieb am 13. Januar 1912 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

= tilly wedekind prinzregentenstrasse
muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


geliebteste tilly innigsten dank fuer alles. ankomme morgen sonntag abend 8 uhr 34um 20.34 Uhr am 14.1.1912, an dem Wedekind notierte: „Fahrt nach München. [...] Abend mit Tilly“ [Tb]. herzlichst frank.

Tilly Wedekind schrieb am 13. Januar 1912 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Samstag. 13.I.12. Geliebtester Frank,

falls die Karte Dich noch erreichtDie Postkarte hat Wedekind in Berlin nicht mehr erreicht, der am 14.1.1912 morgens notierte: „Fahrt nach München.“ [Tb], theile ich Dir noch mit, dass heute eine Correctur Sendungnicht überlieferte Korrekturbögen, wohl mit Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Mänicke & Jahn an Wedekind, 12.1.1912. Die Buchdruckerei Mänicke & Jahn (Inhaber: Hugo Werth) in Rudolstadt (Stiftstraße 17) war für den Georg Müller Verlag in München tätig, der Wedekinds Werke betreute. Um welche Korrekturen es sich handelte, wohl entweder zum Schauspiel „Schloß Wetterstein“ oder zu „Franziska“ [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 166], ist unklar. von Mänicke u. Jahn kam, ein Brief vom Fremden Blattnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Siegfried Geyer an Wedekind, 12.1.1912. Den Brief dürfte Siegfried Geyer, Redakteur der österreichischen Tageszeitung „Fremden-Blatt“, geschrieben und in einem Kuvert mit der Redaktionsadresse – Wien I, Schulerstraße 14 [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien, Bd. 1, Teil V, S. 1665] – verschickt haben. Er hat einem Schreiben der Polizeidirektion Wien vom 26.1.1912 zufolge die Genehmigung einer geschlossenen Vorstellung von Wedekinds aus drei Einaktern zusammengefügtem Schauspiel „Schloß Wetterstein“ an der Neuen Wiener Bühne (Direktion: Emil Geyer) bei der Behörde beantragt: „Siegfried Geyer, Schriftsteller und Redakteur des ‚Fremdenblattes‘ bittet mit zuliegender Eingabe die einaktigen Dramen ‚In allen Sätteln gerecht‘, ‚Mit allen Hunden gehetzt‘ und ‚In allen Wassern gewaschen‘ von Frank Wedekind unter dem Gesamttitel ‚Schloß Wetterstein‘ als einmalige Vorstellung der ‚Neuen Wiener Bühne‘ vor geladenem Publikum zur Aufführung bringen zu dürfen.“ [KSA 7/II, S. 903] Ob Siegfried Geyer, der Redakteur des „Fremden-Blatts“, oder Emil Geyer, der Direktor der Neuen Wiener Bühne [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 673], am 14.1.1913 abends in München war, wie Wedekind, soeben aus Berlin zurück, notierte, ist unklar: „Geyer aus Wien große Gesellschaft“ [Tb]. Wien, u. eine Karte vom Coblenzer Stadttheaternicht überlieferte Postkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Stadttheater Koblenz an Wedekind, 12.1.1912. Wedekind gastierte am 20.1.1912 mit „König Nicolo“ am Stadttheater Koblenz (Direktion: Ludwig Meinecke) [vgl. Tb]. Ein Nachdruck von Wedekinds Essay „Aufklärungen“ [KSA 5/II, S. 389-393], zuerst erschienen in der von Wilhelm Herzog und Paul Cassirer in Berlin herausgegebenen Zeitschrift „Pan“ [Jg. 1, Heft 1, 1.11.1910, S. 11-16], durch das Stadttheater Koblenz ist nicht nachweisbar. die „Aufklärungen“ nachdrucken wollen u. Dich um Zusendung de/n/s Aufsatzes bitten. Das Landestheater Prag fragt telegraphisch anTelegramm nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Deutsches Landestheater Prag an Wedekind, 12.1.1912. Frank und Tilly Wedekind gaben am 1. und 4.2.1912 in Prag ein Gastspiel am Neuen Deutschen Theater und am Königlichen Deutschen Landestheater – Direktion der beiden zusammengehörenden Bühnen: Heinrich Teweles [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 589]; das Gastspiel wurde am 1.2.1912 mit einer „Erdgeist“-Vorstellung im Neuen Deutschen Theater eröffnet (am 4.2.1912 wurde dann im Landestheater „Der Liebestrank“ gespielt) [vgl. Gastspiel Frank und Tilly Wedekind. In: Prager Tagblatt, Jg. 37, Nr. 31, 1.2.1912, Morgen-Ausgabe, S. 5]., ob Du Schön | oder SchigolchFiguren aus Wedekinds „Erdgeist“, der am 1.2.1912 in Prag mit ihm in der Rolle des Dr. Schön gespielt wurde (siehe oben). spielst, ich telegr. Schön. Das ist alles.

Innigsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind, Dagobert Newes an Tilly Wedekind, 11.1.1912. u. Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.1.1912., ich freu’ mich so, dass Du mir nicht böse bist! Auf frohes Wiedersehn,
innigst
Deine Tilly


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin.
Habsburger Hof.

Tilly Wedekind schrieb am 13. Januar 1912 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

herrn frank wedekind berlin
habsburger hof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus münchen [...]


geliebtester franz tausend dank frohes wiedersehen =
innigst tilly

Frank Wedekind schrieb am 31. März 1912 in Salzburg folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

= tilly wedekind prinzregentenstrasse 50
muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Salzburg [...]


= ankome heute nach 7 uhr19 Uhr, am 31.3.1912, an dem Wedekind notierte: „Prachtvolle Rückfahrt nach München, treffe alles wohl an.“ [Tb] Er war am 29.3.1912 von München nach Wien gereist, um am 30.3.1912 im Deutschen Volkstheater erneut – nach einer ersten Lesung in der Wiener Kleinen Bühne am 29.2.1912 – „Franziska“ vorzutragen [vgl. KSA 7/II, S. 1167-1169]. herzlichst frank

Tilly Wedekind schrieb am 29. April 1912 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind stuttgart hoftheater

Stuttgart


Telegramm
Amt Stuttgart


Telegramm aus lenzburg [...]


= gluecklich in lenzburg angekomen = inigst tilly.

Frank Wedekind schrieb am 29. April 1912 in Ulm folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Ulm a. D.


Geliebteste Tilly! Hoffentlich habt ihr gute und schöne Tage. Ich denke sehr viel an euch. Jetztam 29.4.1912, an dem Wedekind in Ulm notierte: „Tilly fährt mit den Kindern nach Lenzburg Ich steige auf den Ulmer Münster. Spaziergang auf den Wällen um die Stadt. Fahrt nach Stuttgart.“ [Tb] Er hatte am 28.4.1912 notiert: „Fahrt von München nach Ulm.“ [Tb] Wedekind fuhr am 28.4.1912 nach Ulm, während seine Frau mit den Kindern zu seiner Mutter nach Lenzburg reiste; er fuhr am 29.4.1912 von Ulm weiter zu einem Gastspiel nach Stuttgart. werdet ihr in Zürich sein. Gestern Abend saß ich in 2 Kneipen und schrieb. Heute Vormittag war ich oben auf dem Münsterthurm. Jetzt gehe ich auf den alten Wällen spazieren, trinke KaffeSchreibversehen, statt: Kaffee. am Donauufer. Grüße und küsse die Kinder von mir und grüße Mama aufs herzlichste. In treuer Liebe
Dein Frank.


Hoffentlich kannst du dich schonen und dich ausruhen.

Frank Wedekind schrieb am 30. April 1912 in Stuttgart folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HÔTEL MARQUARDT
STUTTGART.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Dein liebes Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.4.1912.. Meine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.4.1912. aus Ulm wirst Du jetzt auch erhalten haben. Nach meiner Ankunft gestern Abendam 29.4.1912 in Stuttgart, an dem Wedekind notierte: „Fahrt nach Stuttgart. Meery [...]. Im Café Gerhäuser Schillings und Frau.“ [Tb] Er sprach im Königlichen Hoftheater (Intendant: Joachim Gans Edler zu Putlitz) mit dem Oberregisseur Hans Meery [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 634] und traf sich dann um 23 Uhr mit seinem alten Freund Emil Gerhäuser – dazu kamen Max von Schillings, General-Musikdirektor am Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 634], und dessen Gattin Caroline Josefa von Schillings (geb. Peill) sowie Victor Stephany, Intendanzrat am Stuttgarter Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 633]. ging ich sofort ins Theater und sprach mit Meery. Dann traf ich mich um 11 Uhr mit Gerhäuser. Gleich darauf kamen Schillings mit Frau und Stephany dazu. Um zwei Uhr ging ich zu Bett und war heute frühWedekind notierte am 30.4.1912 „Erdgeistprobe“ [Tb] – zu dem Gastspiel vom 6. bis 11.5.1912, das er gemeinsam mit seiner Frau am Königlichen Hoftheater Stuttgart gab (gespielt wurde „Erdgeist“ und „Marquis von Keith“). um 10 Uhr auf der Probe, die sehr gut verlief. Jetzt bin ich zwei Stunden spazieren gegangen. Für die Vorstellungen wäre es gut, wenn Du sobald als möglich kämst. Außer Sonntag ist täglich Vormittag Probe. Die Leute sind sehr nett und alles scheint in bester Ordnung zu gehen.

Ich hoffe, geliebte Tilly, daß es Dir und den Kindern gut geht, ebenso Mama. Am Tag Deiner Abreise telegraphiere bitte früh | ins Hoftheater, damit ich das Telegramm nach der Probe finde. Einstweilen wohne ich noch im Marquart, werde aber wohl ein anderes HotelEin Wechsel vom Hotel Marquardt (Schloßstraße 4 und 6) in das Hotel Continental (Königstraße 84) [vgl. Adreß- und Geschäfts-Handbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart 1912, Teil II, S. 1167] ist nicht belegt. aufsuchen, da hier nur die theuersten Zimmer frei waren. Das Continental, das ich heute erst entdeckte liegt auch sehr bequem.

Inliegend zwei Briefenicht ermittelt.. Von Berlin habe ich noch nichts gehörtvom Deutschen Theater zu Berlin (Direktion: Max Reinhardt) über das geplante Gastspiel – der erste Wedekind-Zyklus in Berlin (1. bis 15.6.1912)., überhaupt noch keine weitere Post empfangen. Wenn ich do in ein anderes Hotel ziehe werde ich Dich sofort benachrichtigen.

Herzlichste Grüße Dir, den Kindern und Mama
In treuer Liebe
Dein
Frank


30.4.12.

Tilly Wedekind schrieb am 1. Mai 1912 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

= frank wedekind
hoftheater stuttgart =

Stuttgart


Telegramm
Amt Stuttgart


Telegramm aus lenzburg [...]


ankomme morgen donnerstag 9.05um 21.05 Uhr am 2.5.1912, an dem Wedekind in Stuttgart notierte: „Tilly kommt von Lenzburg.“ [Tb] abends frohes wiedersehen innigst = till

Tilly Wedekind schrieb am 1. Mai 1912 in Lenzburg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Carte postale.


Adresse des Empfängers
Adresse du Destinataire


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Stuttgart
Hoftheater.


Reserviert für die Korrespondenz
Partie réservée à la Correspondence


Geliebter Frank,

innigsten Dank für Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.4.1912. u. Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.5.1912.! Ich habe gleich telegraphiertvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 1.5.1912 (Telegramm)., damit Du früh genug Antwort hast. Ich muss doch über Zürich, u. fahre um 12.40 hier weg, bin um 9.05um 21.05 Uhr am 2.5.1912, an dem Wedekind notierte: „Tilly kommt von Lenzburg.“ [Tb] in Stuttgart. Alles Andere mündlich. Herzlichste Grüße von Mama u. den Kindern.

Innigst umarmt Dich,

Deine Tilly |

Schloss Lenzburg


Verzeih’ dass ich Dir auf Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.4.1912. nicht ausführlicher antworte, aber ich bin noch etwas müde

Frank Wedekind schrieb am 1. Mai 1912 in Stuttgart folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Schweiz. Telegraphen- und Telephonverwaltung. – Administration des télégraphes et des téléphones suisses. – Amministrazione dei telegrafi e dei telefoni svizzeri.


Telegramm – Télégramme – Telegramma
von – de – da Stuttgart [...]


Tilly Wedekind
Lenzburg aarg.


Bitte wenn möglich morgen fahrenWedekind notierte am 2.5.1912: „Tilly kommt von Lenzburg.“ [Tb] erwarte Telegramm innigst
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 18. Juni 1912 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 18.VI.12.


Innigst geliebter Frank,

ich hatte eine ganz angenehme Fahrtvon Berlin nach München am 17.6.1912, da sie sich nach dem anstrengenden Gastspiel vom 1. bis 15.6.1912 am Deutschen Theater zu Berlin „krank“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 170] fühlte.; die jüngere der beiden Damen teilte mir/t/ mir das CoupeeCoupé, abgeschlossenes Eisenbahnabteil, hier: Schlafwagenabteil., u. es war gar nicht so unangenehm wie ich gefürchtet hatten. Sie war sehr rücksichtsvoll, fragte ob sie das Licht auslöschen soll u. wünschte mir sogar eine gute Nacht.

Ich frühstückte im Speisewagen | fuhr dann nach Hause, wusch u. friesierteSchreibversehen, statt: frisierte. mich, so vergieng der Vormittag. Mittags aß ich bei Frau Albubei der befreundeten Jenny Albu, der Gattin des Schriftstellers Eugen Albu (Kufsteinerstraße 2, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 6]. die mich dann zu Dr. Hauschildzu dem Hausarzt Dr. med. Johannes Hauschildt (Nikolaistraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 233]. begleitete. Ich wollte das Urteil eines Arztes hören. Gott sei Dank hab’ ich nichts auf der Lunge, aber ich bin sehr herunter sagt Hauschild u. gründliche Erholung sei nötig. Ein paar Wochen in Lenzburg genügen nicht. |

Ich werde also vorläufig keine Mädchen aufnehmen, werde mich morgen mit Hilfe der Hausmeisterindie als „Hausmeisterin“ [Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 604] ausgewiesene Christine Schreier, die entweder schon in der Dachauerstraße 135 [vgl. ebd.] oder noch in der Heßstraße 80 [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil I, S. 585] wohnte – zuständig für das Haus Prinzregentenstraße 50 und wohl eine Verwandte des Tischlers Joseph Schreier (Prinzregentenstraße 50, 4. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 604], der im selben Haus wie Wedekind wohnte. reisefertig machen u. Donnerstagder 20.6.1912, an dem Tilly Wedekind mit den Kindern nach Lenzburg zu ihrer Schwiegermutter fuhr, um sich dort zu erholen. nach Lenzburg fahren, immer vorausgesetzt dass es Dir recht ist. Wenn ich mal mit Mama gesprochen habe, kann man weitere Beschlüsse fassen. Ich werde ja sehen wie lange sie uns behalten will, u. wvielleicht hast Du Dir dann | auch überlegt, wie wir es machen wollen. Ich glaube, wenn wir den ganzen Juli für Erholung rechnen, ist es nicht zu viel. Jedenfalls bleibe ich, wenn’s Dir recht ist, solange Mama mich behält in Lenzburg.

Heute ist der große TagDas Bankett zu Ehren Wedekinds am 18.6.1912 im Hotel Esplanade (Bellevuestraße 16-18a) in Berlin – er notierte: „Festessen im Esplanade Hotel.“ [Tb]! Ich denke viel an Dich Geliebter! Hoffentlich wird es eine recht schöne Feier! Ich hoffe, Dir nicht Angst zu machen, mir fehlt nichts, nur Kräfte. Besonders wenn wir im Winter wieder etwas unternehmen wollen.

Wie fühlst Du Dich?

[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Grüße Bertl u. sei Du innigst geküsst Geliebter
von Deiner treuen Tilly

Frank Wedekind schrieb am 18. Juni 1912 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Elite-Hotel


Berlin N.W.
Am Bahnhof Friedrichstr.


Geliebteste Tilly!

Hier eine Karte von meiner Mutternicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 17.6.1912.. Hoffentlich bist Du gut in München angekommenTilly Wedekind fuhr am Abend zuvor nach dem Gastspiel mit Frank Wedekind am Deutschen Theater zu Berlin vom 1. bis 15.6.1912 zurück nach München, wie ihr Mann am 17.6.1912 notierte: „Tilly packt Koffer Abendessen im Habsburger Hof. [...] Tilly fährt nach München“ [Tb]. Sie reiste dann von München am 20.6.1912 mit den Kindern zur Erholung für einige Wochen zu ihrer Schwiegermutter nach Lenzburg.. Ich saß gestern AbendWedekind notierte für den Abend des 17.6.1912 das Hotel Habsburger Hof (Askanischer Platz 1) und das in der Nähe am Potsdamer Platz gelegene Café Josty (Bellevuestraße 21/22) [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil I, S. 1314]: „Allein Habsburg. Hof Josti.“ [Tb] allein im Habsburger Hof im Café | Josti. Auf heute Abend bin ich sehr gespanntauf das große Bankett zu seinen Ehren – veranstaltete im Anschluss an den Wedekind-Zyklus vom 1. bis 15.6.1912 am Deutschen Theater zu Berlin – im Hotel Esplanade in Berlin am 18.6.1912, zu dem Wedekind notierte: „Festessen im Esplanade Hotel.“ [Tb] Emil Gutmann, mit seiner Konzertdirektion von München nach Berlin umgezogen, hat ihn telefonisch darüber informiert, Alfred Kerr, ein scharfer Gegner des Publizisten Maximilian Harden [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 26.4.1912], werde die Eröffnungsrede auf dem Bankett halten – sie ist unter dem Titel „Bankettrede“ 1914 im „Wedekindbuch“ abgedruckt [vgl. Friedenthal 1914, S. 189-191]. Die Veranstaltung war in der Presse angekündigt: „Zu Ehren des Dichters Frank Wedekind wird morgen (Dienstag) abend im Hotel Esplanade ein Bankett stattfinden. Die Einladungen tragen die Unterschriften: Paul Cassirer ‒ Richard Dehmel ‒ August Gaul ‒ Gerhart Hauptmann ‒ Max Liebermann ‒ Max Reinhardt ‒ Ludwig Tuaillon ‒ Theodor Wolff.“ [Ein Wedekind-Bankett. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 304, 17.6.1912, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Eben telephoniert Gutmann, daß Kerr zuerst sprechen wird. Ich werde ihm dafür danken, indem ich für Harden eintrete. Grüße in Lenzburg Alle und sei herzlichst geküßt
Von
Deinem
Frank


18.6.12.

Tilly Wedekind schrieb am 18. Juni 1912 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind berlin
elitehotel bahnhof friedrichstr =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus münchen [...]


gut angekommenmit dem Nachtzug aus Berlin in München. innigste gruess = deine tilly

Tilly Wedekind schrieb am 19. Juni 1912 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Mittwochder 19.6.1912. abends. Geliebter Frank, eben erhielt ich Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1912 (Telegramm)., für das ich Dir innigst danke! Auch Deine/den/ Eilbriefirrtümlich, statt: Telegramm (so Frank Wedekind an Tilly Wedekind am 19.6.1912 sowohl in seinem Telegramm als auch in seinem Brief); von Paul Cassirer aufgegeben, eine von diversen Personen unterzeichnete Grußbotschaft von dem Bankett zu Ehren Wedekinds im Hotel Esplanade in Berlin am 18.6.1912 (nicht überliefert). Die Presse berichtete, es wurden „noch die Unterschriften für ein Ergebenheitstelegramm an Frau Tilly Wedekind, die Gattin und Helferin des Dichters gesammelt.“ [Walter Turszinsky: Wedekind-Bankett. In: Prager Tagblatt, Jg. 37, Nr. 170, 22.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. 1] mit alll/e/n Unterschriften von Cassirer. Ich fahre also morgenTilly Wedekind reiste am 20.6.1912 von München nach Lenzburg und kehrte am 15.7.1912 nach München zurück [vgl. Tb]. Früh nach Lenzburg.

Hatte schon einen Brief an Dichvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1912. geschrieben u. konnte mir nicht erklären, warum ich gar nichts von | Dir höre. Nun bin ich sehr froh! Esse jetzt u. geh’ dann gleich schlafen, dass ich morgen nicht so müde bin. Innigst umarmt Dich in treuer Liebe, Deine Tilly


Abs: Wedekind
München Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin. N.W.
Elite Hotel. Bahnhof Friedrichstr.

Frank Wedekind schrieb am 19. Juni 1912 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind , Christine Schreier

Telegramm.

[...]

frau schreieran die Hausmeisterin Christine Schreier adressiert, da die an Frank und Tilly Wedekind in der Münchner Wohnung adressierte Post des vorangegangenen Berliner Gastspiels wegen automatisch nach Berlin nachgesandt wurde. prinzregentenstrasse 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München


Aufgegeben in Berlin [...]


innigstgeliebte tilly! herzlichen dank fuer briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1912 (Brief). und beide telegrammevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1912 (Telegramm); Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.6.1912 (Telegramm).. mit abreise nach lenzburgTilly Wedekind reiste am 20.6.1912 von München nach Lenzburg und kehrte am 15.7.1912 nach München zurück [vgl. Tb]. sehr einverstanden ich sandte dir briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.6.1912. cassirer schickte gestern abend telegramm an dichDas von Paul Cassirer am 18.6.1912 an Tilly Wedekind aufgegebene Telegramm – eine von diversen Personen unterzeichnete Grußbotschaft vom Bankett zu Ehren Frank Wedekinds im Hotel Esplanade in Berlin am 18.6.1912 – ist nicht überliefert. Die Presse berichtete, am Ende der Veranstaltung „werden noch die Unterschriften für ein Ergebenheitstelegramm an Frau Tilly Wedekind, die Gattin und Helferin des Dichters gesammelt.“ [Walter Turszinsky: Wedekind-Bankett. In: Prager Tagblatt, Jg. 37, Nr. 170, 22.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. 1]. durch die post wahrscheinlich nicht bestellt sondern zurueckgeschickt. ich fahre morgenWedekind fuhr am 20.6.1912 von Berlin nach Dresden und blieb dort bis zum 30.6.1912 [vgl. Tb]. nach dresden webers hotel und schreibe dir heute abend nach lenzburg innigste gruesse = frank

Tilly Wedekind schrieb am 19. Juni 1912 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

= wedekind berlin elite hotel bahnhof friedrichstr


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus münchen [...]


= geliebter frank bitte nachricht an frau schreieran die für die Prinzregentenstraße 50 tätige Hausmeisterin Christine Schreier adressiert [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1912 (Brief), da die an Frank und Tilly Wedekind in der Münchner Wohnung adressierte Post des vorangegangenen Berliner Gastspiels wegen automatisch nach Berlin nachgesandt wurde. ob du einverstanden dass ich morgen lenzburg fahre. unsre post wird alle weitergeschickt daher ganz ohne nachricht = inigst tilly.

Frank Wedekind schrieb am 19. Juni 1912 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Elite-Hotel


Berlin N.W.
Am Bahnhof Friedrichstr.


Mittwoch 19.6.12.


Innigstgeliebte Tilly!

Dein lieber Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1912 (Brief)., den ich heute erhielt hat mich stark beunruhigt. Ich frage mich natürlich ob nicht doch vielleicht etwa ernstes vorliegt. Auf jedenfall bitte ich Dich auch in Lenzburg zum Arzt zu gehen und mir zu schreiben was er sagt. Eben erhielt ich dein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.6.1912 (Telegramm). und telegraphierte Dirvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1912 (Telegramm). darauf. Daß die Briefe in München nicht an Dich gelangen ist ja begreiflich.

Nun zu gestern AbendWedekind notierte zu dem Bankett zu seinen Ehren im Hotel Esplanade (Bellevuestraße 16-18a) in Berlin am 18.6.1912 sowie anschließenden Besuchen im 1910 eröffneten Palais de Danse oder Metropol-Palast (Behrenstraße 53/54) und der Künstlerklause Carl Stallmann (Jägerstraße 14) bis in den frühen Morgen: „Festessen im Esplanade Hotel. Palais de Danse Stallmann. Um 5 Uhr nach Hause.“ [Tb] Das Bankett war in der Presse angekündigt: „Zu Ehren des Dichters Frank Wedekind wird morgen (Dienstag) abend im Hotel Esplanade ein Bankett stattfinden. Die Einladungen tragen die Unterschriften: Paul Cassirer ‒ Richard Dehmel ‒ August Gaul ‒ Gerhart Hauptmann ‒ Max Liebermann ‒ Max Reinhardt ‒ Ludwig Tuaillon ‒ Theodor Wolff.“ [Ein Wedekind-Bankett. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 304, 17.6.1912, Abend-Ausgabe, S. (3)] Sie enthielten den Hinweis: „Nur für Herren“ (siehe unten). Das „Berliner Tageblatt“ veröffentlichte am nächsten Morgen einen ausführlichen Bericht [vgl. Das Wedekind-Bankett. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 307, 19.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)].. Hauptmann Dehmel waren fern gebliebenTelegramme von Gerhart Hauptmann und Richard Dehmel, die ihr Fernbleiben vom Bankett zu Wedekinds Ehren, zu dessen Veranstaltern sie der Notiz im „Berliner Tageblatt“ vom 17.6.1912 zufolge (siehe oben) gehörten, entschuldigten, erwähnte Wedekind im Unterschied zum Telegramm Max Liebermanns nicht; es gab sie aber, wie das „Berliner Tageblatt“ in der Morgen-Ausgabe vom 19.6.1912 berichtete (siehe oben): „Zwar waren Gerhart Hauptmann, Max Liebermann und Richard Dehmel, die mit anderen namhaften Männern zu dem Feste geladen hatten, durch mißliche Zufälle am Erscheinen verhindert, aber sie hatten ihre Teilnahme an allem Guten, was Wedekind gesagt und gewünscht wurde, durch herzliche Telegramme ausgedrückt.“ In der Abend-Ausgabe wurde zu Max Liebermann ergänzt, er habe sein Ehrenamt bei der „städtischen Kunstdeputation“ nach einem Streit mit dem „Bürgermeister Dr. Reicke“ über die Berliner Secession niedergelegt: „Diese Auseinandersetzung waren die ‚mißlichen Zufälle‘, die seine Teilnahme am Wedekindbankett unmöglich machten und auf die wir im Bericht der Morgennummer bereits hindeuteten.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 308, 19.6.1912, Abend-Ausgabe, S. (2)]. Liebermann war krank schickte aber ein sehr liebes Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Max Liebermann an Wedekind, 18.6.1912. ebenso KorinthHinweis auf ein ebenfalls nicht überliefertes Telegramm; erschlossenes Korrespondenzstück: Lovis Corinth an Wedekind, 18.6.1912.. Es waren etwa 70 Personen„Es mochten etwa siebzig Personen sein, die sich an diesem Abend zu Wedekind bekannten“ – so dem Bericht der Morgen-Ausgabe des „Berliner Tageblatts“ vom 19.6.1912 zufolge (siehe oben), das über die im vorliegenden Brief genannten Namen hinaus noch folgende Personen nannte, die an dem Bankett zu Wedekinds Ehren teilgenommen haben: der Bildhauer August Gaul und der Maler Louis Tuallion, beide der Notiz im „Berliner Tageblatt“ vom 17.6.1912 zufolge (siehe oben) Mitveranstalter des Banketts, der Maler Arthur Kampf, die Schriftsteller Wilhelm Bölsche, Herman Heijermans, Arthur Holitscher, der Journalist Hans Ostwald, „die Professoren“ Max Dessoir und Georg Wegener sowie der frühere Direktor des Berliner Residenztheaters Siegmund Lautenburg. Ein Nachtrag nennt weitere Namen: „Unter den Teilnehmern am Wedekindbankett sind noch drei Männer zu nennen, die im Bericht des Morgenblattes vergessen wurden: Der Reichstagsabgeordnete Dr. Südekum, der Komponist Oskar Fried und der künftige Direktor des Lessingtheaters Viktor Barnowsky.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 308, 19.6.1912, Abend-Ausgabe, S. (3)] und eine DameHelene Stöcker, Journalistin und Frauenaktivistin, war die einzige Frau auf dem Bankett zu Ehren Wedekinds, bei dem sonst nur Männer zugegen waren – so auch dem Bericht im „Berliner Tageblatt“ vom 19.6.1912 zufolge (siehe oben): „Und unter den Erschienenen sah man [...] ‒ avis rarissima ‒ eine einzige Dame, Fräulein Dr. Helene Stöcker.“ Ein Referent zeigte sich verwundert, „Warum man für das [...] von Paul Cassirer, Gerhart Hauptmann, Max Liebermann, Richard Dehmel, Theodor Wolff, Ludwig Tuaillon und anderen Kunsthonoratioren veranstaltete ‚Frank Wedekind-Bankett‘ [...] gerade das Motto: ‚Nur für Herren‘ wählte, vermag ich nicht einzusehen.“ [Walter Turszinsky: Wedekind-Bankett. In: Prager Tagblatt, Jg. 37, Nr. 170, 22.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. 1], die sich nicht hatte abhalten lassen, Helene Stöcker. | Ich saß zwischen Kerr und Sombart. Zuerst sprach KerrAlfred Kerrs Rede – 1914 unter dem Titel „Bankettrede“ dann vollständig im „Wedekindbuch“ abgedruckt [vgl. Friedenthal 1914, S. 189-191] – ist mit leicht abweichendem Wortlaut in Auszügen im Bericht in der Morgen-Ausgabe des „Berliner Tageblatts“ vom 19.6.1912 (siehe oben) zitiert: „‚Du bist deutscher Besitz, und wir wissen es‘, sagte Alfred Kerr in seiner Festrede, die viel ernster und inniger war, als manche erwartet hatten, und diese Worte wird jeder unterschreiben, der an diesem Abend die native Freude gesehen hat, mit der Frank Wedekind [...] die ihm gebotene Ehrung entgegennahm. [...] Als Erster sprach Alfred Kerr: gedankenvolle, ehrlich empfundene Worte, von denen manches notiert zu werden verdient. ‚Wir sind versammelt im starken Bewußtsein vom starken Wert eines Menschen, der mit uns da ist, atmet, schafft, der neue Dichtungswerte in die Welt sandte, eines Menschen, der nicht alle Poetengeschlechter lang: der kaum in großen Zeiträumen einmal zu finden ist und dem Welt noch nicht alles gab, was er zu fordern das Recht hat.‘“ Referate mit Zitatversatzstücken der Rede finden sich auch in anderen Presseberichten. dann SombartWerner Sombart, seit 1906 Professor für Staatswissenschaften in Berlin, den Wedekind 1905 in Breslau kennengelernt hatte, sprach dem Bericht im „Berliner Tageblatt“ vom 19.6.1912 zufolge (siehe oben) zuletzt: „Als dritter Redner sprach Professor Sombart, und ein hübsches Erlebnis des Tages, das er erzählte, mag als das Charakteristikum für die Zukunft diesen Bericht schließen. Sombart kam direkt aus einer Vorlesung zum Wedekindmahl und seine Studenten, die ihn im Frack sahen und ahnten, wohin er sich begeben wollte, zeigten ihm durch lautes Trampeln an, daß sie den Professor in der Gesinnung zu dem Dichter begleiteten. ‚Das ist ein Urteil der Jugend‘ sagte Sombart, ‚und die Jugend zeigt uns den Weg.‘“ Einleitend heißt es im Bericht: „Frank Wedekind, noch vor wenigen Jahren von der Zensur verfolgt, von Philistern gesteinigt und selbst von Klugen mißverstanden, sitzt im Hotel Esplanade an einer zu seinen Ehren gedeckten Tafel und wird von einem deutschen Professor in ernsthafter Würdigung mit respektvollem Scherz als ‚Jubilar‘ gefeiert!“ Referate mit Zitatversatzstücken der Rede finden sich auch in anderen Presseberichten. dann ichWedekinds Rede ist nicht überliefert; sie ist im Bericht des „Berliner Tageblatts“ vom 19.6.1912 (siehe oben) so referiert: „Wedekind würde nicht Wedekind sein, wenn er nicht [...] bei seinem Dank an alle Freunde ‒ die erschienenen und die ferngebliebenen ‒ seinen derzeitigen Hausherrn Max Reinhardt einige absonderlich klingende Liebenswürdigkeiten gesagt hätte. Wer kann ihm deshalb zürnen, wenn Max Reinhardt selbst in gutem Künstlerhumor die Charakteristik lächelnd anerkannte, die in ihrer ehrlichen Verbitterung respektvoller war als manche gedankenlose Schmeichelei? Klang doch der Schluß in ein Hoch auf das Deutsche Theater unter Max Reinhardt aus, und dieser Schluß, wie ihn Wedekind in seiner spontanen Art stoßweise herausbrachte, zwang jedem den Eindruck der Wahrhaftigkeit auf.“ Wedekinds Rede – er sprach über den Wedekind-Zyklus vom 1. bis 16.6.1912 am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) – ist im „Prager Tagblatt“ mit Zitatversatzstücken referiert worden, charakterisiert als „ein Bouquet, geflochten aus liebenswürdiger Bescheidenheit, kecken Gedankensprüngen [...] und ungenierten Paradoxen [...]. Er sieht in den Ereignissen dieses Abends keine Huldigungsadresse an seine Person. ‚Künstlerische Kameradschaftlichkeit‘ ist der Sinn des heutigen Festes: der gemeinsame Gegner ist die Stumpfheit, die Amerikanisierung des Publikums. Oeffentlich wird festgestellt, der ‚Parforceritt‘ dieses Berliner Gastspiels, das in vierzehntägiger Dauer sechs Premieren herausbrachte, im Wesentlichen darum gehandelt habe, zu zeigen, daß sich die Dramen Wedekinds durch innere Kräfte auch gegen die Mängel einer ungenügenden Vorbereitung und Besetzung durchzusetzen vermöchten. Oeffentlich wird dann der Dank des Dichters den drei Berlinern übermittelt, denen er ihn am meisten schuldig zu sein glaubt: dem Professor Max Liebermann, dem Freunde Maximilian Harden, dem Theaterdirektor Max Reinhardt. Und nun gab es ein allgemeines Schmunzeln der Auguren, als diese Lobpreisung auf seine beiden stärksten künstlerischen Antipoden Alfred Kerr abermals auf die Rednerbühne rief und ihn zu einem spöttischen Epilog veranlaßte, der zwar über Wedekinds [...] Schädel die dreifache Treufe eines donnernden ‚hoch‘ niedergehen ließ, aber die Warnung: ‚Bilde Künstler, rede nicht‘ verständnisvoll lächelnd voranschickte.“ [Walter Turszinsky: Wedekind-Bankett. In: Prager Tagblatt, Jg. 37, Nr. 170, 22.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. 1]. Mein Dank an Harden erweckte ungeheure Vergnügtheit, sodaß von da an die munterste Stimmung herrschte. Kerr hätte hätte fast noch einen Toast auf dich ausgebracht. Als er unterblieb, expedierte Cassirer dann das TelegrammPaul Cassirer, der neben Wedekinds Schwager Dagobert Newes saß, gehörte der Notiz im „Berliner Tageblatt“ vom 17.6.1912 zufolge (siehe oben) zu den Veranstaltern des Banketts zu Ehren Wedekinds. Über das nicht überlieferte Telegramm an Tilly Wedekind [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1912 (Telegramm)], im Hotel Esplanade gegen Ende der Veranstaltung aufgegeben von Paul Cassirer mit Grußadressen anderer Personen, die an dem Bankett zu Ehren Wedekinds abends am 18.6.1912 teilnahmen, hat die Presse berichtet: „Während kalter Sekt und kalte Schnäpse warm machen, werden noch die Unterschriften für ein Ergebenheitstelegramm an Frau Tilly Wedekind, die Gattin und Helferin des Dichters gesammelt.“ [Walter Turszinsky: Wedekind-Bankett. In: Prager Tagblatt, Jg. 37, Nr. 170, 22.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. 1]. Sonstige Reden wurden nicht gehalten. Vom B. T. war Theodor WolffTheodor Wolff, Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“, in Begleitung seiner Feuilletonredakteure Paul Block und Fritz Engel, gehörte der Notiz im „Berliner Tageblatt“ vom 17.6.1912 zufolge (siehe oben) zu den Veranstaltern des Banketts zu Ehren Wedekinds. Paul Block und Fritz Engel erschienen. ReinhardtMax Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters zu Berlin, in Begleitung seiner Dramaturgen Felix Hollaender und Arthur Kahane und sowie seines Regisseurs Carl Freiherr von Gersdorff [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 290], gehörte der Notiz im „Berliner Tageblatt“ vom 17.6.1912 zufolge (siehe oben) zu den Veranstaltern des Banketts zu Ehren Wedekinds. kam mit Felix Holländer Kahane und Gersdorff. Bertl saß neben Cassirer. Zum Schluß ging die ganze Gesellschaft, noch etwa 20 Mann ins Palais de Danse. Es war sehr unbehaglich in dem sehr eleganten Saale mit zwei vollständig betrunkenen Menschen, dem Reichstagsabgeordneten SüdekumWedekind kannte Albert Südekum, Journalist und Reichstagsabgeordneter für die SPD, seit einigen Jahren – so notierte er am 10.5.1906 in Berlin: „In der Wilhelmstraße ruft mich Dr. Südekum an und führt mich zu Carl Heine.“ [Tb] und einem mir unbekannten Malernicht identifiziert. zu erscheinen. | Das Palais de Danse hat vollständig den Charakter des Odeon-CasinosDas Odeon-Casino, ein Abendlokal im Pössenbacherhaus am Wittelsbacherplatz in München (Briennerstraße 55), hatte am 11.11.1911 eröffnet [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 528, 11.11.1911, Morgenblatt, S. 10]. Wedekind hat das „Odeon Casino“ [Tb] am 30.11.1911 besucht. nur viermal größer. Um zwei Uhr ging die ganze Horde von dort zu Stallmann zum Pilsner. Gegen fünf Uhr verabschiedeten sich Cassirer Bertl und ich und ich fuhr ins Hotel.

Heute wachte ich gegen ein Uhr auf und gab am NachmittagWedekind notierte am 19.6.1912 nachmittags seine Besuche bei dem mit Maximilian Harden und Walther Rathenau befreundeten Direktor der AEG Felix Deutsch (Charlottenburg, Carmerstraße 3), dem Maler Max Liebermann (Pariser Platz 7) und dem Dramaturgen des Königlichen Schauspielhauses Paul Lindau (Charlottenburg, Kantstraße 123), wo er Visitenkarten abgab (siehe unten), den Besuch bei Emil Gutmann der mit seinem Konzertbüro inzwischen von München nach Berlin umgezogen war (Privatadresse und Sitz des Konzertbüros Emil Gutmann in Berlin: Karlsbad 33), und Kofferpacken: „Carten abgegeben bei Deutsch Liebermann Lindau. Unterredung mit Gutmann. Koffer gepackt“ [Tb]. Deine und meine Karten bei Liebermannnicht überlieferte Visitenkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Max Liebermann, 19.6.1912. Der Maler gehörte der Notiz im „Berliner Tageblatt“ vom 17.6.1912 zufolge (siehe oben) zu den Veranstaltern des Banketts zu Ehren Wedekinds., Deutschnicht überlieferte Visitenkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Felix Deutsch, 19.6.1912., und Paul Lindaunicht überlieferte Visitenkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Paul Lindau, 19.6.1912. ab. Gesprochen hab ich nur den Geheimrat Deutsch. Dann fuhr ich zu Gutmann und verhandelte Geschäfte. Jetzt werde ich meinen Koffer packen. Am AbendWedekind traf am 19.6.1912 abends im Restaurant und Weinlokal A. Frederich (Potsdamer Straße 12) wie erhofft Paul Cassirer und Tilla Durieux [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.6.1912 (Brief)], die zuvor bei dem Theaterdirektor Willy Grunwald in Wilmersdorf (Duisburger Straße 3) zu Gast waren. gehe ich zu Frederich um eventuell noch Cassirer zu treffen der mit der Durieux bei Grunwald eingeladen ist.

Also bitte, liebe Tilly, schone Dich jetzt. | Grüße Mama und danke ihr und küsse Die Kinder von mir. MorenenSchreibversehen, statt: Morgen. Wedekind reiste am 20.6.1912 nach Dresden. Mittag fahre ich nach Dresden Webers Hotel und erwarte dorthin die nächste Nachricht von Dir.

In inniger Liebe
Dein
Frank.


Inliegend zwei Briefenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 17.6.1912 (und ein weiterer verschollener Brief). und eine Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1912. von Mama.

Frank Wedekind schrieb am 20. Juni 1912 in Dresden folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Schweiz. Telegraphen- und Telephonverwaltung. – Administration des télégraphes et des téléphones suisses. – Amministrazione dei telegrafi e dei telefoni svizzeri.


Telegramm – Télégramme – Telegramma
von – de – da Dresden [...]


Tilly Wedekind Steinbrüchli
Lenzburg aarg.


Wohne bei MiezeErika Wedekind in Dresden wohnte Elisenstraße 3b [vgl. Adreßbuch für Dresden 1913, S. Teil I, S. 1047]. bitte dorthin Nachricht ob gut angekommen innigste Grüsse.
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 20. Juni 1912 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Elite-Hotel

Berlin N.W.
Am Bahnhof Friedrichstr.


Geliebteste Tilly!

Nachdem ich Dir gestern Abend geschriebenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1912. fuhr ich etwas im Thiergarten spazieren und ging dann zum Abendessen zu FrederichWedekind traf am 19.6.1912 im Restaurant und Weinlokal A. Frederich (Potsdamer Straße 12) wie erhofft [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1912] Paul Cassirer und Tilly Durieux, außerdem Paul Wegener, Schauspieler am Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 291], sowie den Theaterdirektor Willy Grunwald (seinerzeit freischaffend in Berlin) und dessen Frau; gemeinsam ging es dann in das Café Austria (Potsdamer Straße 28).. Dorthin kamen Cassirer Durieux Paul Wegner und Grunwald und Frau. Wir gingen noch | ins Café Austria. Dann ging ich nach Hause, wo ich einen Zettel von Walter Oschwaldnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 19.6.1912. fand auf dem er mich benachrichtigt daß er heute hier eine Conferenz hat und am Abend nach Dresden zurückfährt. Vielleicht fahren wir also zusammen. Eben habe ich meinen Koffer gepackt. Ich hoffe daß Dich und die Kinder und Mama diese Zeilen gesund in Lenzburg antreffen. Inliegend eine | Karte und einen Briefnicht ermittelt.. An die Post in Münchennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Postamt München, 20.6.1912. „Wedekind hatte veranlasst, dass die Post an seine Münchner Adresse während seines Aufenthalts in Berlin nach dort umgeleitet wurde. Nun sollte die Post nach Dresden, seinen neuen Aufenthaltsort, umadressiert werden.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 175] schreibe ich zu gleicher Zeit. Nun leb wohl geliebte Tilly

Herzlichste Grüße an Alle. Auf baldiges Wiedersehn in Lenzburg oder München.

Innigst küßt Dich
Dein
Frank


20.6.12.

Tilly Wedekind schrieb am 21. Juni 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 21.VI.12.


Mein lieber Frank,

vielen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.6.1912 (Brief aus Berlin). u. Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.6.1912 (Telegramm aus Dresden).. Ich wollte nicht mehr abends telegraphieren, damit man bei Mieze nicht nachts aufgestört wird. Ich bin sehr überrascht, dass Du bei Ihr wohnst, Du hast es doch früher nicht getan. Ich freue mich, dass Dein Festabend so schön verlaufen ist, Bertl hat mir schon alle Zeitungsaus|schnittePresseberichte über das Bankett zu Ehren Frank Wedekinds am 18.6.1912 im Hotel Esplanade in Berlin, darunter wohl der ausführliche Bericht des „Berliner Tageblatts“ [vgl. Das Wedekind-Bankett. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 307, 19.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)], übersandt von Tilly Wedekinds Bruder Dagobert Newes. über das Bankett geschickt. Meine Fahrtvon München nach Lenzburg. gestern war sehr angenehm, die schöne Sonne am Bodensee tat mir sehr wohl. Die letzte Stunde sah ich alle 5 Minuten auf die Uhr. Am Bahnhof standen Anna Pamela mit einem Rosenstrauß, Mama und AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. Das Kleine schlief schon zu Hause. Beide Kinder sehen unberufen sehr gut aus, u. sind sehr vergnügt. Mama ist sehr lieb u. ich bin ihr unendlich dankbar! | Meiner Gesundheit wegen brauchst Du Dir wirklich keine Sorgen zu machen. Die Durieux, Grew/v/es u. Bertl haben mir mit ihrer BesorgnissSchreibversehen, statt: Besorgnis. Die Berliner Freunde Tilla Durieux und das Ehepaar Greves (sowie der Bruder Dagobert Newes) waren in Sorge um Tilly Wedekinds Gesundheit, weshalb sie gleich nach dem Berliner Gastspiel nach München reiste – und dann nach Lenzburg. Angst gemacht u. ich fühlte mich ganz elend u. krank. Die paar Tage Ruhe haben mir schon so gut getan, ich sehe gar nicht mehr angegriffen aus. Auch Mama findet mich gut aussehend. Paar Wochen gute Luft werden mir sehr gut tun.

Wie lange wir hier bleiben können | weiß ich noch nicht. Ich muss erst mit Mama alles in Ruhe besprechen. Ich schreibe Dir dann darüber. ÄnnchenAnna Wedekind, am 14.4.1890 in Johannesburg geboren, die Tochter von Frank Wedekinds Bruder William (Willy) Wedekind und seiner Frau Anna (geb. Kammerer) in Südafrika, lebte seit 1902 bei der Großmutter in Lenzburg [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 215]. kommt in den ersten Tagen Juli. Mieze u. EvaErika Wedekind, Kammersängerin und Gesangslehrerin in Dresden und ihre Tochter Eva Oschwald – Schwägerin und Nichte Tilly Wedekinds. kommen glaub ich am 6. Geht Mieze dann nach Bayreuthzu den Richard-Wagner-Festspielen nach Bayreuth (Leitung: Siegfried Wagner), die am 22.7.1912 begannen. oder bleibt sie länger hier? Ihr werdet ja das alles auch besprechen. Mama meinte man könne schon noch 1 – 2 Betten aus der Kroneaus dem Gasthaus Krone in Lenzburg (Kronenplatz 20). holen. Nun darüber morgen mehr.

Ich wünsche Dir gute Unterhaltung und umarme Dich innigst,
Deine Tilly


Viele Grüße von Mama u. Küsse von den Kindern.

[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Walther, Mieze u. Eva senden wir alle viele Grüße!

Tilly Wedekind schrieb am 21. Juni 1912 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind elisenstr 3 b dresden


Telegraphie des Deutschen Reiches.
Dresden-Altstadt (Postplatz).


Telegramm aus lenzburg [...]


= gut angekommen alles in bester ordnung brief folgt innigste gruesse = tilly

Tilly Wedekind schrieb am 22. Juni 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 22.VI.12.


Geliebter Frank,

es ist herrlich hier; Sonne, blauer Himmel! Die Kinder sind so lieb, es ist eine Freude!

Nach dem Abendessen, schon um 7 Uhr, geh’ ich mit Anna Pamela noch ein halbe Stunde spazieren u. denke an unsre Abend Spaziergänge.

Den ganzen Tag sitzen wir unter den Linden u. tun mehr oder weniger gar nichts.

Am Mittwoch in München aß ich | im Victoria GartenTilly Wedekind traf am 19.6.1912 in München im Garten des Victoria – Café und Restaurant (Maximilianstraße 17) den aus Frankfurt am Main stammenden Schriftsteller und langjährigen „Redakteur der ‚Jugend‘“ [Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 140] Karl Ettlinger und dessen Frau Johanna Ettlinger (geb. Kretschmann). Das waren Bekannte, mit denen Frank Wedekind dem Tagebuch zufolge im Vorjahr mehrfach in der Torggelstube zusammen war – am 4.3.1911 („T.St. Mit Etlinger“), am 16.7.1911 („T.St. mit [...] Ettlinger und Frau“), am 31.7.1911 („T.St. mit Ettlinger und Frau dann mit Tilly allein“), am 4.8.1911 („Abends mit Tilly [...] Ettlinger und Frau in der T.St.“) – und am 14.10.1911 auch die Premiere von Karl Ettlingers Lustspiel „Die Hydra“ besucht hatte („Hydrapremiere von Etlinger“)., da kamen Herr u. Frau Etlinger. Sie lassen Dich grüßen. Sein Vater war gerade gestorben u. sie jammerte, dass sie einen Ausflug nicht mitmachen konnten.

Nachmittags als ich durch den Hofgarten gieng saßen daTilly Wedekind traf am 19.6.1912 im Münchner Hofgarten mit Gattin Anna Koebke (geb. Rankl) und der Tochter Anna Weber (geb. Koebke), unter dem Pseudonym Sybil Vane Schauspielerin am Leipziger Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 515] und in erster Ehe mit Otto Weber verheiratet [vgl. Verlobte. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 255, 9.11.1907, Morgenblatt, S. 3], den Kammersänger Benno Koebke, bis 1.5.1907 Direktor des Münchner Lustspielhauses, seit 1908 Direktor des Stadttheaters in Bern, wo „Hofrat Benno Koebke“ [Neuer Theater-Almanach 1913, S. 323] auch die Oberregie führte. Wedekind hatte ihn und seine Frau im Zusammenhang seines Gastspielaufenthalts vom 5. bis 9.4.1912 in Bern („Erdgeist“-Gastspiel am 8.4.1912 im Stadttheater) dem Tagebuch zufolge mehrfach getroffen – so am 5.4.1912 („Fahrt München Bern mit Frau Hofrat Köbke. [...] Mit Köbkes [...] im Casino in Bern“), am 6.4.1912 („Mit Köpkes Mittagessen im Hotel. Mit Köbkes im Casino“) und am 8.4.1912 („mit [...] Köbke [...] im Casino“). Benno Koebke hat ihn im „Wedekindbuch“ gewürdigt [vgl. Friedenthal 1914, S. 274-276]. Tilly Wedekind traf im Münchner Hofgarten außerdem Otto Beck, Direktor des Stadttheaters in Bonn, wo „Hofrat Otto Beck“ [Neuer Theater-Almanach 1913, S. 332] auch die Oberregie führte. Wedekind hatte ihn dem Tagebuch zufolge am 17.6.1911 in der Münchner Torggelstube getroffen („T.St. mit [...] Hofrat Beck“) und dann im Zusammenhang seines Gastspielaufenthalts vom 18. bis 22.3.1912 in Bonn („Hidalla“-Gastspiel am 21.3.1912 im Stadttheater) am 19.3.1912 („Im Hotel mit Beck und Frau“) und 21.3.1912 („Beck und Frau“). Herr u. Frau Hofrat Koebke mit ihrer Tochter Frau Weber u. Hofrat Beck. Hofrat Koebke fragte ob man sich schon sehr beeilen müsse, um für den Winter abzuschließenGastspielverträge für die Winterspielzeit 1912/13.. | Frau Weber begleitete mich bis nach Hause u. war auch Donnerstag Früh am Bahnhof.

Ich denke bis Mitte JuliTilly Wedekind kehrte am 15.7.1912 mit den Kindern aus Lenzburg nach München zurück. bleiben wir hier. Ich hoffe, Mama behält uns solange. Ich glaube bis dahin habe ich mich genügend erholt, ich kann mich ja in München weiter erholen. Ich sehe fast schon wieder „blühend“ aus. Es ist wirklich nicht nötig, dass ich noch zu einem Arzt gehe, es fehlt mir gewiss nichts. | Ich hoffe also, dass Du Dich meinetwegen nicht mehr ängstigst u. erwarte Deine Nachricht, ob es Dir recht ist, dass wir Mitte Juli nach München gehen. Ich könnte dann an die Köchin Isabella schreiben, mit der ich in München gesprochen habe.

Wie geht es Dir? Was habt Ihr in Dresden schon alles unternommen? Grüße alle herzlichst von uns! In inniger Liebe, Tilly


Viele Grüße an Dich von Mama u. den Kindern.

Schönen Gruß Anna Pamela

Frank Wedekind und Walther Oschwald schrieben am 22. Juni 1912 in Pillnitz folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Geliebteste Tilly! Walter und ich sind hier hinausgepilgertvon Dresden nach Pillnitz. Wedekind notiert am 22.6.1912: „Am Nachmittag mit Walter im Schloß Pillnitz und im Friedrichsgrund. Abends gemeinsamer Spaziergang in die Stadt.“ [Tb]. Seit dem Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.6.1912 (Telegramm). habe ich noch keine Nachricht von Dir, will Dich aber nicht drängen da Du sichSchreibversehen, statt: sicher. genug zu thun hast.

Innigste Grüße Frank


Wir freuen uns Frank hier zu haben; ich habe ihn in Berlin im Zuge atrappirt(frz.) attraper = fangen, fassen, erwischen, ergreifen..

Schönste Grüsse Walther |


PillnitzKgl. Schlossgarten mit Bergpalais

Tilly Wedekind schrieb am 23. Juni 1912 in Lenzburg
an Frank Wedekind

Sonntag. 23.VI.12.


Geliebter Frank, gestern u. heute habe ich keine Nachricht von Dir. Hoffentlich hat das nichts Schlimmes zu bedeuten. Ich habe Dir täglich geschrieben mit Ausnahme Donnerstag. Deine Briefe habe ich auch alle erhalten auch den von Dienstagvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.6.1912. nachträglich. | Hoffentlich geht es Dir recht gut, so wie uns. Ich bin hier mit meinen beiden Lieblingen so glücklich, eine bessere Erholung giebt es wohl nicht! Nun hoffentlich höre ich morgen von Dir etwas. Sei inzwischen in innigster Liebe umarmt u. geküsst von
Deiner Tilly


Herzliche Grüße an alle von uns allen. |


P.S. Ich vergaß wegen der Wäsche zu fragenWedekind antwortete am 25.6.1912 auf die Frage nach „der Wäsche“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.-26.6.1912].. In München wurde ziemlich viel Wäsche von Dir gewaschen. Wohin soll ich sie Dir schicken lassen? In unsrer Wohnung ist schon vieles gerichtet, auch die beiden Möbel der beiden Zimmer sind ge|wechselt. Nur weiß ich nicht, ob Dir jetzt die Tapeten dazu gefallen werden. Aber das hat ja Zeit bis wir zurückkommen.

Herzlichen Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 24. Juni 1912 in Dresden folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Innigst geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.6.1912 und 22.6.1912.. Warum ich bei Mieze wohne. Sie bot mir gleich den Hausschlüssel an und erlaubte mir morgens bis 12 zu schlafen. Da sagte ich mir, warum ich die Hotelrechnung nicht sparen soll. Sie ist sehr lieb und will mich offenbar für die Berliner Strapatzenveraltete Schreibweise, für: Strapazen. Gemeint sind der Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater zu Berlin vom 1. bis 16.6.1912 und das anschließende Bankett zu Ehren Wedekinds im Hotel Esplanade am 18.6.1912 in Berlin. entschädigen. Hoffentlich | kannst Du Dich auch erholen. Mit Deinen Dispositionen bin ich sehr einverstanden Wenn Du Geld brauchst, dann schreib es mir bitte rechtzeitig, da ich die Bank in München beauftragen muß, es Dir zu schicken. GesternFrank Wedekind, der in Dresden bei seiner Schwester wohnte, notierte am 23.6.1912 den Besuch von Aglaja Orgeni, Opernsängerin und Gesangspädagogin am Dresdner Konservatorium, deren Schülerin Erika Wedekind war: „Agleya Orgeniy kommt mit ihrer Nichte zu Tisch.“ [Tb] Mittag war die Orgey/n/y bei uns zu Tisch, den Abend war ich mit Walter zusammen. HeuteWedekind notierte am 24.6.1912 nachmittags den Besuch der nach modernen ästhetischen und sozialen Kriterien seit 1909 errichteten Gartenstadt Hellerau nördlich von Dresden: „Nachmittag in Hellerau. Dr. Wolff Dorn. Salzmann Jacques Dalcroce Oskar Fried.“ [Tb] Seiner Frau schrieb er von seiner Begegnung dort mit Wolf Dohrn (siehe unten), nicht aber von der mit dem russischen Maler und Bühnengestalter Alexander von Salzmann, dem Schweizer Musik- und Rhythmuspädagogen Emile Jaques-Dalcroze und dem Komponisten Oskar Fried an der Bildungsanstalt für Musik und Rhythmik im Festspielhaus Hellerau. Wedekind hat Erich Mühsam später angeregt über seine Eindrücke von Hellerau berichtet, wie dieser notierte: „Wedekind erzählte viel von Hellerau bei Dresden, wo er sich die Gartenstadt-Veranstaltungen des Jacques Dalcroze angesehn hat: Rhytmische Tanzübungen in Nacktkultur, sehr ähnlich seinen in Mine-Haha niedergelegten Erziehungstendenzen.“ [Tb Mühsam, 2.7.1912] war ich zum ersten Mal in Hellerau. Eine Stadtgründung wie die von Osthaus in HagenKarl Ernst Osthaus, Kunstmäzen, Kunstsammler und Mitbegründer der Vereinigung Deutscher Werkbund e.V. (gegründet 1907), hatte 1902 das Folkwang-Museum für moderne Kunst in seiner Heimatstadt Hagen eröffnet und stiftete 1909 die als Künstlerkolonie konzipierte Gartenstadt Hohenhagen in Hagen.. Der Gründer Dr. Dorn ist ein alter BekannterWolf Dohrn hatte in München studiert und war dort 1904 Redakteur der Wochenschrift „Freistatt“, in der Wedekind 1902 seinen Essay „Schriftsteller Ibsen und ‚Baumeister Solneß‘“ publiziert hat [vgl. KSA 5/III, S. 754] und in der zahlreiche Beiträge über ihn erschienen sind. von mir aus München und Bekannter von Mieze. FreitagWedekind notierte am 28.6.1912: „Abend mit Mieze und Walter nach Hellerau.“ [Tb] gehen Mieze Walter und ich zusammen hin. Ich habe meine angefangene ArbeitKonzeptentwürfe seines Projekts „Taugenichts“ [KSA 7/I, S. 584-589; vgl. KSA 7/II, S. 1466f.], zu dem Wedekind am 26. und 27.6.1912 sowie am 29.6.1912 notierte: „an Taugenichts gearbeitet.“ [Tb] wieder aufgenommen. Aber es geht noch nicht recht vorwärts. Die größte Freude war mir, was Du über Deine Gesundheit schreibst. Hoffentlich geht es so vorwärts. Grüße Mama und küsse die Kinder von mir. In innigster Liebe
Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 24. Juni 1912 in Lenzburg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Dresden A.
Elisenstr. 3b.


24.VI.12. Geliebter Frank, herzlichsten Dank für Deine liebe Karteeine Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind, Walther Oschwald an Tilly Wedekind, 22.6.1912]. aus Pillnitz! Uns geht es allen sehr gut. Heute Nacht war ein Gewitter, heute regnete es. Anna Pamela u. ich besorgten Verschiedenes in der Stadt. Vielen Dank für Walthers liebe Grüße, die ich bestens erwiedere. Mieze u. Eva auch viele Grüße von uns allen. Innigst, Tilly

Frank Wedekind schrieb am 25. Juni 1912 - 26. Juni 1912 in Dresden folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
in Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Dienstagder 25.6.1912.

Geliebteste Tilly! Heute vormittag erhielt ich Deinen Kartenbriefeine Briefkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.6.1912]., heute Mittag Deine Karte aus Münchenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.6.1912 (Postkarte). nach Berlin und heute Abend Deine Ansichtskartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.6.1912 (Bildpostkarte). mit dem Steinbrüchli. Herzlichsten Dank für alles. Wegen meiner Wäsche brauchst Du Dich nicht zu sorgen. Ich ließ hier sofort | waschen und habe auch sonst noch genug. Laß mir also vorläufig keine schicken. Als ich soweit geschrieben hatte, holte mich Ferdinand WollfWedekind notierte am 25.6.1912 den mit Julius Ferdinand Wollf, Chefredakteur der „Dresdner Neuesten Nachrichten“, in drei Dresdner Lokalen verbrachten Abend: „Mit Ferdinand Wollf im Kuhstall Ratskeller und Kafé König“ [Tb]. ab. Jetzt ist es schon Mittwochder 26.6.1912.. Ich trage mich mit der Absicht am Montagder 1.7.1912. Wedekind reiste bereits am 30.6.1912 (Sonntag) zurück nach München. nach München zu fahren. Du darfst Dich aber in Lenzburg in keiner Weise dadurch stören lassen. Die Hausmeisterindas war Christine Schreier, die als Hausmeisterin das Haus Prinzregentenstraße 50 mit Wedekinds Münchner Wohnung betreute [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1912 (Brief) und 19.6.1912 (Telegramm)]. wird mir das Zimmer machen können. Weiter brauche ich ja nichts. Ich bin sehr froh darüber, daß Du Dich in Lenzburg so wohl fühlst. Hoffentlich ist das Wetter nicht zu schlecht. Hier regnet es alle halbe Stunde. Sage Mama meinen Dank und Gruß und küsse die Kinder von mir. In innigster Liebe
Dein
Frank.


Mieze Walter und Eva lassen Dich herzlich grüßen

Tilly Wedekind schrieb am 26. Juni 1912 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte

Carte postale. Cartolina postale


Herrn
Frank Wedekind

p.t.
Oschwald

Dresden
p.t.

Elisenstr. 3b.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo
del mittente. – Testo.


Mittwoch. 26.VI.12. Geliebter Frank, herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1912.! Gestern war ein herrlicher Tag! Ich machte Vormittags einen längeren Spaziergang mit Anna Pamela hinterm Zuchthausdie 1864 gegründete, „am südlichen Stadtrand von Lenzburg gelegene Strafanstalt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 180]. in der Richtung nach HalwilSchreibversehen, statt: Hallwil (etwa 7 Kilometer südlich von Lenzburg gelegen).. Nachmittags giengen wir mit Fanny Kadidja u. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] nach | dem Römersteineiner der sagenumwobenen „Granit-Findlinge“ im Wald „zwischen Lenzburg und Othmarsingen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 180] u. noch weiter in den Wald, nach dem Abendessen giengen wir noch über den Schloßberg. Gegen 9 Uhr kamen Herr u. Frau Henckelldas befreundete Ehepaar Gustav und Emilie Henckell in Lenzburg. mit denen wir noch eine gemüthliche Stunde verplauderten. Am Sonntag ist Rennen in Aarau„ein Reitturnier mit verschiedenen Wettbewerben“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 180]., ihr SohnGustav Ferdinand Zeiler, der Stiefsohn von Gustav Henckell und Sohn aus erster Ehe von Emilie Henckell mit Gustav Zeiler, „dem verstorbenen Schulfreund und Kompagnon von Gustav Henckell.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 180] reitet mit. Sie hat große Angst, während seine BrautMargot Münch (Tochter von Dr. med. Alfred Wilhelm Münch aus Basel, bis 1908 als Kurarzt in der Wasserheilanstalt Brestenberg bei Seengen, seither in Baden bei Zürich als Arzt tätig, im Schuljahr 1870/71 ein Schüler Friedrich Nietzsches), 1912 Heirat mit Gustav Ferdinand Zeiler. nicht so ängstlich sein soll. Sie forderte mich auf mit ihnen hinüber zu fahren. Also FreitagWedekind hat seiner Frau geschrieben, er werde am 28.6.1912 (Freitag) mit Schwager und Schwester nochmals nach Hellerau fahren [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1912]; den Presseankündigungen zufolge war klar, dass es sich um einen Besuch der ersten Vorstellung im Rahmen der lebensreformerisch ambitionierten Schulfeste vom 28.6.1912 bis 11.7.1912 im Festspielhaus der Gartenstadt Hellerau handelte. ist die Veranstaltung in Hellerau. Das wird ja sehr interressantSchreibversehen, statt: interessant. sein! Ich bin sehr neugierig wie es Dir gefällt. Bertl schrieb mirDer Brief von Tilly Wedekinds Bruder Dagobert Newes aus Berlin an sie ist nicht überliefert. Er hat seinen Schwager, als dieser in Berlin war, oft gesehen [vgl. Tb] und nahm auch an dem Bankett zu Ehren Frank Wedekinds am 18.6.1912 im Hotel Esplanade teil., dass er nicht mehr zu Dir kam. Du wirst es hoffentlich nicht als Unart auffassen, Du hattest ihn nicht aufgefordert u. er wollte nicht aufdringlich sein. Innigst küsst Dich
Deine Tilly


[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Viele Grüße allen von uns allen.

Tilly Wedekind schrieb am 27. Juni 1912 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 29.6.1912 aus Lenzburg:]


Meinen [...] Eilbrief mit Telegramm hast Du wohl erhalten.

Tilly Wedekind schrieb am 27. Juni 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 27.VI.12.


Innigst geliebter Frank,

es geht uns so gut, wie es uns nur gehen kann u. hoffen wir von Dir das Gleiche. Heute Vormittag machte ich mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] u. den beiden Kindern einen Besuch bei Frau Henckell. Sie gab mir Modejournale u. Zeitungsausschnitte mit. Bertl schickte mir die Zukunft mit dem Artikel über DichMaximilian Hardens wortreiche Ausführungen unter der Überschrift „Wedekind-Spiel“ [vgl. Martin 1996, S. 211-219] in seiner Wochenschrift „Die Zukunft“ vom 22.6.1912 sind ein selbständiger Abschnitt aus dem größeren Artikel „Kinetoskop“ [vgl. Die Zukunft, Jg. 20, Nr. 38, 22.6.1912, S. 281-303], „bis auf kleinere Abweichungen ein komplettes Zitat von Hardens Wedekind-Essay vom 13.1.1906 [...]. Gekürzt und aktualisiert wurden einige Sätze zu Beginn, neu ist lediglich der letzte Absatz.“ [Martin 1996, S. 220] Darin wird in Anspielung auf den Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater in Berlin vom 1. bis 16.6.1912 die Wirkung des Dramatikers auf „berliner Geschmäckler“ erörtert, mit dem abschließenden Hinweis, es werde „über die Cirkusphilosophie und über die Theaterweltanschauung des Aristophanes aus Hannover noch Manches zu sagen sein.“ [Die Zukunft, Jg. 20, Nr. 38, 22.6.1912, S. 202f.] u. andere Zeitungsausschnitte so war ich für Nachmittags versorgt. | Jetzt werde ich dann noch mit beiden Kindern ein Bischen spazieren gehen.

Viel kann ich Dir nicht erzählen, da wir ja nichts erleben. Unsre ganze Freude sind die Kinder. Anna Pamela ist sehr übermütig, das Kleine so herzig, es muss einem das Herz aufgehen! Abends verplaudere ich oft mit Mama eine gemüthliche Stunde.

Ich lese Schnitzler dessen 3 Bände1912 erschien von Arthur Schnitzler die siebenbändige Ausgabe „Gesammelte Werke in zwei Abteilungen“ (Abteilung I: „Die Erzählenden Schriften“ in 3 Bänden, Abteilung II: „Die Theaterstücke“ in 4 Bänden) im Verlag S. Fischer in Berlin, die geschlossen allerdings erst im Herbst als Neuerscheinung angezeigt war [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 79, Nr. 235, 8.10.1912, S. 12031]; insofern bleibt ungeklärt, welche 3 Bände mit Werken Schnitzlers Tilly Wedekind las. ich mitgenommen habe. Geld brauche ich vorläufig keines, | ich danke Dir vielmals! Ich habe Mama noch 125 FransSchreibversehen, statt: Francs (für: Franken). für die laufenden Wirtschafts Auslagen gegeben. Für Reise, HausmeisterinChristine Schreier (siehe die vorangehende Korrespondenz Tilly Wedekinds mit ihrem Mann seit dem 18.6.1912)., Wäsche etz. habe ich auch cirka 100 M. ausgegeben. 50 Frans habe ich von hier aus für Bezahlung von Rechnungen, Schuhe, Desinfection u. Krankenkasse, weggeschickt. Ich habe also noch über 70 Frans. Übermorgen, Samstag kommt Ännchenam 29.6.1912; Anna Wedekind ist die inzwischen 22 Jahre alte Tochter von Frank Wedekinds Bruder William (Willy) Wedekind und seiner Frau Anna (geb. Kammerer), knapp vier Jahre jünger als Tilly Wedekind., ich bin sehr neugierig auf sie. Sie wird bei Mama | schlafen. Morgen in 8 Tagen ist das Jugendfesttraditionelle jährliche Festveranstaltung in Lenzburg [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 181], die in diesem Jahr am 5.7.1912 stattfand, wie Wedekind in München notierte: „In Lenzburg ist Jugendfest.“ [Tb]. Mieze u. Eva erwartet Mama am 6. Juli. Du hast mir bis jetzt nichts über Deine Entschlüsse berichtet. – Das Berliner Tageblatt wollte ich auch bezahlendas Zeitungsabonnement; Wedekind hatte offenbar das „Berliner Tageblatt“ abonniert, das nach München geliefert wurde., dachte aber man könnte es vielleicht hierher schicken lassen, dass man es nicht immer umsonst bezahlt. Was meinst Du dazu?

Nun lebwohl; viele Grüße von Mama u. den Kindern an Dich sowie an die Andern. Auch von mir viele Grüße Walther, Mieze u. Evchen. In zärtlicher Liebe, Deine Tilly


[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Die Jüngste sitzt auf meinem Schoß u. sagt: Papa, Papa.

[um 90 Grad gedreht am rechten Rand:]

Anna Pamela strickt.

Frank Wedekind schrieb am 27. Juni 1912 in Dresden folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Tilly Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 29.6.1912 aus Lenzburg:]


Vielen Dank für die Nummer von „Nimm mich mit.“

Frank Wedekind schrieb am 27. Juni 1912 in Dresden folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.6.1912.. Wenn Du Sonntag zu dem Rennen gehst soll es mich sehr freuen. Grüße bitte Gustav Henckell und seine Frau von mir. Ich fahre Sonntag nach Münchenam 30.6.1912, an dem Wedekind notierte: „Mieze fährt nach Detmold. Ich nach München.“ [Tb], da Walter und Mieze am Sonntag nach verschiedenen Richtungen verreisen. Ich werde der HausmeisterinChristine Schreier (siehe die vorangehende Korrespondenz Frank Wedekinds mit seiner Frau seit dem 18.6.1912). schreiben, daß sie mir das Bett zurechtmacht. Von Hellerau habe ich am Montagder 24.6.1912, an dem Wedekind die Gartenstadt Hellerau besuchte und seiner Frau davon berichtete [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1912]. | das wichtigste schon gesehen und bedauerte sehr, daß Du nicht dabei warst. Du hättest sicherlich große Freude daran gehabt. Morgen ist Vorstellung für großes PublikumDie Presse berichtete über die Veranstaltung am 28.6.1912 im Festspielhaus in Hellerau (das erste Schulfest im Rahmen der Festspiele vom 28.6.1912 bis 11.7.1912): „Der erste Festtag der Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze ist gestern unter ehrenden Ovationen für ihre geistigen Urheber vorübergegangen. Der rauschende, überwältigende Erfolg blieb freilich aus, obwohl sich unter den Festgästen, die von nah und fern zahlreich herbeigeeilt waren, viele begeisterte Anhänger der rhythmischen Gymnastik befanden. [...] Den künstlerisch höchsten Erfolg erzielten die reinen rhythmisch-gymnastischem Uebungen und die anmutvollen Mädchentänze. [...] Aufs Trefflichste bewährte sich das Festspielhaus selber mit seinen bemerkenswerten Reformen. Der von zahlreichen Künstlern und Kritikern, sowie von der Dresdner Gesellschaft voll besetzte, hochaufsteigende Zuschauerraum bot bei der strahlenden Lichtfülle des Hauses ein echt festliches Bild.“ [G.K.: Hellerauer Festspiele. In: Dresdner Nachrichten, Jg. 56, Nr. 177, 29.6.1912, S. (9)] Im Publikum saßen am 28.6.1912 Frank Wedekind, Erika Wedekind und Walther Oschwald: „Abend mit Mieze und Walter nach Hellerau.“ [Tb] Die Veranstaltung mit ihrem lebensreformerisch ambitionierten Bühnenprogramm [vgl. Georg Kaiser: Schulfeste in Hellerau. In: Dresdner Nachrichten, Jg. 56, Nr. 178, 30.6.1912, Abend-Ausgabe, S. (1-3)] begann um 19 Uhr, Ende war 22 Uhr [vgl. Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 20, Nr. 160, 16.6.1912, 1. Ausgabe, S. 2]; die erste Vorstellung war ausverkauft [vgl. Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 20, Nr. 172, 28.6.1912, 1. Ausgabe, S. 3].. Das wird weniger erfreulich sein und nichts neues bringen. Heute war ich den ganzen Tag in der großen KunstausstellungDie „Große Kunstausstellung“ fand vom 1.5.1912 bis 15.10.1912 im Städtischen Ausstellungspalast in Dresden statt – eine umfangreiche Schau zeitgenössischer moderner Kunst., Vormittag und Nachmittag. Bekannte habe ich keine mehr getroffen. Wollf sagte mir, daß Felix Salten morgen kommen wolle und Oskar Fried, den ich in Hellerau traf will am Samstag hier sein. Von der ungeheuren Korrespondenz habe ich bis jetzt nichts erledigt. Ich freue mich sehr, daß Du Dich in Lenzburg behaglich fühlst und halte es für richtig, daß Du bis Mitte Juli noch dort bleibst. Ich werde in München genug zu tun haben. Küsse die Kinder von mir und danke Mama für ihre Liebe.

Innigst küßt und umarmt Dich
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 28. Juni 1912 in Lenzburg folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Frank Wedekinds Postkarte an Tilly Wedekind vom 30.6.1912 aus München:]


Herzlichsten Dank für [...] die Karte vom 28.

Frank Wedekind schrieb am 29. Juni 1912 in Dresden folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
in Lenzburg.
Ct. Aargau (Schweiz)


Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Deinen ausführlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1912.. Meine Kartenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.-26.6.1912 und 27.6.1912. wirst Du nun auch erhalten haben. Morgen Sonntag fahre ich also nach München. Möglich daß ich in Bamberg aussteige und eine Nacht dort bleibe um mir die Stadt anzusehen. Montag Abend bin ich jedenfalls in München. Gestern waren wir also zu Dritt in HellerauWedekind notierte am 28.6.1912 den Besuch der ersten Vorstellung im Rahmen der Festspiele vom 28.6.1912 bis 11.7.1912 im Festspielhaus in Hellerau mit seiner Schwester und seinem Schwager: „Abend mit Mieze und Walter nach Hellerau.“ [Tb] Die Veranstaltung begann um 19 Uhr, Ende war 22 Uhr [vgl. Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 20, Nr. 160, 16.6.1912, 1. Ausgabe, S. 2]; die erste Vorstellung war ausverkauft [vgl. Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 20, Nr. 172, 28.6.1912, 1. Ausgabe, S. 3]. Die Presse berichtete: „Der erste Festtag der Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze ist gestern unter ehrenden Ovationen für ihre geistigen Urheber vorübergegangen. [...] Der von zahlreichen Künstlern und Kritikern, sowie von der Dresdner Gesellschaft voll besetzte, hochaufsteigende Zuschauerraum bot bei der strahlenden Lichtfülle des Hauses ein echt festliches Bild.“ [G.K.: Hellerauer Festspiele. In: Dresdner Nachrichten, Jg. 56, Nr. 177, 29.6.1912, S. (9)]. Der Erfolg des Abends war ein sehr großer: An | Bekannten traf ich den dicken LewinWedekind dürfte den mit Richard Strauss befreundeten Berliner Kaufmann und Kunstmäzen Willy Levin am 15.3.1906 bei einem Diner mit Max Reinhardt, Felix Hollaender und Else Heims im Restaurant F. W. Borchardt in Berlin kennengelernt haben: „Diner mit Lewin Reinhart Holländer und Else Heims bei Borchart.“[Tb] dort, der mich aufforderte ein Librettonicht realisiert. für R. Strauß zu schreiben. Außerdem Centa BréWedekind kannte die Schauspielerin Centa Bré seit seiner Tätigkeit als Dramaturg und Sekretär am Münchner Schauspielhaus 1898, wo sie seinerzeit ebenfalls engagiert war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 443]; inzwischen war sie am Hamburger Thalia-Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 460] – in Hamburg spielte sie 1907 die Wendla Bergmann in „Frühlings Erwachen“ sowie 1911 die Simba im „Marquis von Keith“ und die Alma in „König Nicolo“ [vgl. Seehaus 1973, S. 322, 479, 524].. Nach der Heimfahrt waren Mieze, Walter und ich noch in einer Dresdener BierkneipeWedekind notierte am 28.6.1912 nach der Rückkehr aus Hellerau (siehe oben) in Dresden den Besuch der Schankwirtschaft Kneist (Inhaber: Paul Kneist) in der Dresdner Altstadt (große Brüdergasse 2) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1912, Teil I, S. 472]: „Nachher bei Kneist“ [Tb].. Ich freue mich sehr, daß es Euch so gut geht und hoffe daß das Jugendfest für Anna Pamela jedenfalls eine Freude sein wird. Mieze und Eva wollen glaube ich erst nach dem Jugendfest eintreffen. Ich weiß es aber nicht bestimmt. Da es heute sehr heiß ist freue ich mich sehr auf die Münchner Bäder. Hier giebt es keine schönen Bäder im Freien. Besten Dank für das Telegramm von Gutmannnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emil Gutmann an Wedekind, 27.6.1912., das ich ziemlich überflüssig finde. Er hat mir schon einmal in Betreff Deutsches Volkstheater blauen Dunst vorgemachtWedekind hatte am 28.2.1910 in Wien das Deutsche Volkstheater aufgesucht [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1910], in der Annahme, Emil Gutmann habe dort ein Gastspiel für ihn vereinbart, was nicht der Fall war [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.3.1910].. Ich habe von hier aus keine Geschäftsverhandlungen geführt und werde damit wohl auch warten, bis du zurück bist. Anna Pamela besten Dank für ihren Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1912. Der Brief der fünfeinhalb Jahre alten Tochter dürfte von der Hand der Mutter geführt von ihr selbst zu Papier gebracht worden sein (und lag vermutlich dem Brief der Mutter vom 27.6.1912 bei).. Vielleicht fängt sie bald auch an wirklich zu schreiben. Küsse beide Kinder von mir, grüße Mama herzlichst und sei innigst umarmt von Deinem
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 29. Juni 1912 in Lenzburg
an Frank Wedekind

Freitag, Samstagder 29.6.1912., 29.VI.


Geliebter Frank,

ich schicke Dir doch anbei die Rechnungüber das Abonnement des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1912]. über das Berliner Tageblatt, denn ich weiß nicht, wohin ich es einsenden soll. Vielleicht bist Du so gut, es an der Sankt Anna Post das Münchner Postamt 22 (St. Annaplatz 1) [vgl. Adreßbuch für München 1912, Teil II, S. 34].einzuzahlen. Meinen Brief vom Donnerstagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1912. sowie den Eilbriefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1912. Dem Eilbrief lag das Telegramm von Emil Gutmann bei (siehe unten). mit Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emil Gutmann an Wedekind, 27.6.1912. hast Du wohl erhalten. Hoffentlich bist Du nicht erschro|cken. Ich musste 6 Frs. fürs Telegramm bezahlen u. hätte nochmals soviel zahlen müssen, wenn ich’s telegraphiert hätte. Ausserdem war es abends u. ich hätte es doch erst am nächsten Morgen schicken können. So wird es wohl auch noch rechtzeitig gewesen sein. Vielen Dank für die Nummer von „Nimm mich mit.“Hinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu einem übersandten Heft der populären Berliner Illustrierten „Nimm mich mit“ [vgl. Detlev Lorenz: „Nimm mich mit“ – eine illustrierte Zeitschrift der wilhelminische Ära. In: Wolfgang Brückner, Konrad Vanja, Detlev Lorenz, Alberto Milano, Sigrid Nagy (Hg.): Arbeitskreis Bild Druck Papier. Tagungsband Amsterdam 2007. Münster 2008, S. 155-173]; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.6.1912. Gestern u. heute hab’ ich noch keine Nachrichten von Dir, ich hoffe noch auf den Abend. |

II.
Ich beschäftige mich offenbar viel mit Dir in Gedanken, da ich oft von Dir träume. Vorgestern in der Nacht von Donnerstag auf Freitag träumte ich so lebhaft, dass Du mich aus dem Nebenzimmer wie in Berlin vor der Probe „Tilly“ rufst, dass ich mich im Bett aufsetzte u. „ja“ antwortete, ganz laut. Ich saß noch lang u. mir war noch, als | hörte ich den Ton Deiner Stimme. Dann schlug es 4 Uhr.

Morgen geh ich wahrscheinlich nicht mit nach Aarau, da ich gern AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] mit Frau Mey/i/erMeier hieß die „Hauswirtschafterin Emilie Wedekinds.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 184] ausgehen lassen möchte, u. dann bei den Kindern bleiben muss. Frau Henckell hätte mich auch gern nächsten Sonntag nach Luzern mitgenommen, aber da ist schon Mieze da u. dann kommen voraussichtlich alle Züricherdie Familie von Frank Wedekinds Bruder Armin Wedekind in Zürich, seine Frau Emma und die vier Kinder., da muss ich natürlich hier bleiben.

Innigen Kuss u. schreib’ mir auch! Deine Tilly |

III.
Ich habe mich nicht getäuscht, eben erhielt ich Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.6.1912.. Vielen Dank! Ich habe gestern an die HausmeisterinChristine Schreier, die als Hausmeisterin die Münchner Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 betreute (siehe die vorangehende Korrespondenz Tilly Wedekinds mit ihrem Mann seit dem 18.6.1912). geschrieben, aber ob bis Sonntag schon alles gerichtet ist, weiß ich nicht. Wenn Du ihr geschrieben hast, war ist hoffentlich alles bereit u. Du fühlst Dich nicht gar zu unbehaglich.

Ich glaube schon, dass Du genug zu tun | hast. Aber falls Du es lieber hättest, dass wir früher kommen, kannst Du mir ja jeden Tag schreiben wann wir reisen sollen.

Nun leb wohl geliebter Frank,
innigen Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 30. Juni 1912 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg.
Ct. Aargau Schweiz


Innigst geliebte Tilly! Herzlichsten Dank für Deinen Brief vom 27.vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1912 (Brief). die Karte vom 28nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.6.1912.. und deine lieben Zeilen vom 29.eine Briefkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1912]. Eben bin ich in München angekommenWedekind notierte am 30.6.1912: „Ankunft in München“ [Tb]. da der Zug gar nicht über Bamberg fuhr. Ich bitte Dich nun nur um eines: Mach Dir nicht so viel | Sorgen wegen mir, sonst nützt Dir die Erholung nichts. Mieze freute sich sehr darauf, in Lenzburg noch mit Dir zusammen zu sein. Deshalb erhol Dich ruhig noch 14 Tage. Was Deinen Traum betrifft so geht es mir mit Dir ganz genau ebenso. Das ist mal ganz gut so. Das Schlafzimmer fand ich eben schon hergerichtet. In den nächsten Tagen denke ich meine Correspondenz etwas zu ordnen. Jetzt sitze ich allein im Hoftheaterrestaurant und gehe vielleicht noch in die Torggelstubein sein Stammlokal Zur Torggelstube (Platzl 8), wo Wedekind am 30.6.1912 Erich Mühsam und Bernhard von Jacobi traf: „TSt. mit Mühsam Jakoby.“ [Tb] Mühsam notierte dazu: „Ich ging gestern abend noch ins Torggelhaus, wo ich eine große Gesellschaft antraf [...]. – Nachher kam zu aller Überraschung Wedekind, und es wurde nett, als nur noch er, Jacobi und ich übrig waren. Wedekind erzählte von seinem Berliner Erfolg.“ [Tb Mühsam, 1.7.1912]. Heute MittagWedekind notierte am 30.6.1912 in Dresden seinen Besuch mit Walther Oschwald in der Königlichen Gemäldegalerie im „Museum am Zwinger“ [Adreßbuch für Dresden 1913, Teil II, S. 59] und seine Begegnung dort mit Konrad von Kardorff: „Mit Walter im Museum Kardorf getroffen.“ [Tb] Den Maler dürfte Wedekind am 16.1.1906 bei Walther Rathenau in Berlin kennengelernt haben: „Abends bei Rathenau mit Reinhart Paul Cassirer und Herrn von Kardorff.“ [Tb] Danach traf er ihn in Kreisen der Berliner Secession am 16.3.1907, 2.4.1907 und 2.2.1910 in Berlin [vgl. Tb]. war ich mit Walter noch in der Dresdner Galerie und traf dort Kardorff, der einige Bilder in der KunstausstellungDie „Große Kunstausstellung“ in Dresden fand vom 1.5.1912 bis 15.10.1912 im Städtischen Ausstellungspalast statt – eine umfangreiche Schau zeitgenössischer moderner Kunst, die Wedekind am 27.6.1912 besuchte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.6.1912]. hat. Er läßt sich Dir empfehlen. Grüße Mama herzlich, küsse die Kinder von mir und sei innigst umarmt von Deinem
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 1. Juli 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Steinbrüchli, 1. Juli 1912.


Mein geliebter Frank,

ich danke Dir vielmals für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1912.! Ich bin schon etwas in Sorge wie Du es in München finden wirst, u. ob Du Dich wohl fühlen wirst.

Da gestern AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] nicht fortgehen wollte, nahm ich doch das Anerbieten von Frau Henckell an u. fuhr mit ihr u. ihrem Mann nach Tisch nach Aarau. Drüben trafen wir die Braut ihres SohnesMargot Münch, die Verlobte von Gustav Ferdinand Zeiler, dem Stiefsohn von Gustav Henckell und Sohn aus erster Ehe von Emilie Henckell mit Gustav Zeiler, „dem verstorbenen Schulfreund und Kompagnon von Gustav Henckell.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 180] u. deren Bruder, der auch mit ihr gekommen war. Sonst begrüßte Frau Henckell noch mehrere Bekannte, aber ich kenne | ja fast niemanden. Die Braut ist sehr einSchreibversehen, statt: ein sehr. nettes junges Mädchen. Der Nachmittag verlief wirklich sehr hübsch. Die größte Aufregung war natürlich bis der junge Zeiler drankam. Bei der SpringkonkurenzSchreibversehen, statt: Springkonkurrenz (beim Springreiten, eine der Disziplinen der Pferderennen in Aarau). hat er mit noch einem andern den 1. Preiß gewonnen.

Wir aßen nach dem Rennen bei „Gerberim Restaurant des Hotel Gerber Terminus in Aarau (am Bahnhof gelegen). zu Abend, dann fuhr ich wieder mit dem Ehepaar Henckell zurück u. war bald nach 8 Uhr zu Hause. Sie lassen Dich auch vielmals grüßen. Frau Henckell scheint große Sympathie für mich zu haben, da sie mich so gern mitnimmt. |

Samstagam 29.6.1912, an dem Anna (Ännchen) Wedekind, die inzwischen 22 Jahre alte Tochter von Frank Wedekinds Bruder William (Willy) Wedekind und seiner Frau Anna (geb. Kammerer), auf Besuch zu ihrer Großmutter Emilie Wedekind nach Lenzburg kam, bei der sie aufgewachsen war. Nachmittag war Ännchen gekommen. Sie ist wirklich sehr lieb u. sympathisch. Sie spricht viel u. lustig. Samstag machten wir mit den Kindern zusammen einen Spaziergang, u. ich glaube, ich werde mich recht gut mit ihr verstehen. Warst Du in Bamberg? Wie ist die Stadt? Dann war es mit Guttman’s Telegrammvgl. Emil Gutmann an Wedekind, 27.6.1912. also garnicht so eilig. Hast Du Dich eigentlich entschieden, ob Du Guttman oder FrankfurterWedekind arbeitete von 1908 bis 1913 mit Emil Gutmann und seinem Konzertbüro Emil Gutmann in München (ab 1912 Berlin) zusammen, seit Anfang 1912 mit dem Theateragenten Eugen Frankfurter und seiner Gastspielvermittlung Süddeutsche Konzert-Direktion in Nürnberg, zu dem seit 1909 Kontakt bestand. als Vertreter behalten willst? Oder Beide?

Auf das Jugendfest sind wir schon sehr | gespannt. Anna Pamela wird es sicher sehr gefallen. Ja ich dachte auch schon daran SchreibübungenAnspielung auf Wedekinds Bemerkung zu den Schreibfähigkeiten der fünfeinhalbjährigen Tochter Pamela [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1912]. mit ihr anzufangen. Heute z. B. ist ein trüber Tag u. man kann nicht soviel draußen sein.

Mama, Ännchen u. die Kinder grüßen vielmals!

Nun lebwohl Geliebter! Innigste Küsse,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 2. Juli 1912 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale. Cartolina postale


Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50/III.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo
del mittente. – Testo.


Dienstag. 2. Juli 12.


Innigst geliebter Frank,

vielen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.6.1912.! Du bist also schon zu Hause. Aber Du musst mir’s wirklich sagen, falls wir kommen sollen. |

Wenn Du so gut wärst, liebster Frank, u. mir noch Geld schicken würdest. Mama braucht vielleicht noch etwas u. dann für die Reise. Vielleicht noch 200 M. Es ist doch besser etwas mehr zu haben. Gegen Ende dieser Woche ist es früh genug. Heute Vormittag hats geregnet, jetzt Nachmittags habe ich mit den Kindern einen schönen Spaziergang gemacht. Ännchen war von gestern Mittag bis heute Mittag in Zürich um sich ein Kleid für’s Jugendfest zu kaufen.

Innigst umarmt Dich, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 3. Juli 1912 in München
an Tilly Wedekind

Abschnitt. Coupon.
Kann vom Empfänger abgetrennt werden.
Peut être détaché par le destinataire.


Postanweisungsbetrag.
Montant du mandat.

frs. 250,– Ctms


Name, Wohnort und Wohnung (Straße und Nr.) des Absenders
Désignation de l’envoyeur
Frank Wedekind


Den 3. Juli 1912.
Le |


Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 1.7.1912. und Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1912.. Hättest Du Zeit dich mit der Rolle der FranziskaTitelrolle von Frank Wedekinds „Franziska“, die Tilly Wedekind für die geplante Uraufführung – sie fand am 30.11.1912 in den Münchner Kammerspielen unter der Regie von Eugen Robert statt – einstudieren sollte. zu beschäftigen. Wenn ja, dann schreib mir, ob Du ein Buch hast, sonst schicke ich Dir eines. Herzlichste Grüße Dir, Geliebte, Anna Pamela, Fanny Kadidja, Mama und Ännchen
Dein Frank

Frank Wedekind schrieb am 3. Juli 1912 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Geliebteste Tilly! Das Geld250 Franken per Postüberweisung [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.7.1912]. habe ich abgeschickt. Hier regnet es seit Montag ununterbrochen. In Lenzburg wird es wol auch nicht besser sein. Wenn Du dann nach dem Jugendfestnach dem 5.7.1912, wenn das Jugendfest in Lenzburg vorüber ist. herkommen willst wird es mich sehr freuen. Hetz Dich | nur nicht ab mit der Reise. Montagdem 1.7.1912, an dem Wedekind notierte: „Dann im Krokodil. Nachher mit Kutscher Halbe e.ct. in der T.St.“ [Tb] Wedekind besuchte die Stammtischrunde Krokodil (siehe unten) und war dann mit Artur Kutscher, Max Halbe und anderen in der Torggelstube. Abend war ich im Krokodil1911 haben Artur Kutscher, Karl Henckell und Hubert Wilm die Stammtischrunde „das ‚Junge Krokodil‘“ gegründet, „das ein künstlerisch bedeutendes Zentrum wurde. Wir suchten eine harmlose Gelegenheit zu regelmäßigen, ungezwungenen Zusammenkünften mit Gleichgesinnten“; man traf sich im Münchner Ratskeller, „dienstags, später montags von 8½ bis mindestens zur letzten Trambahn“, also von 20.30 Uhr bis tief in die Nacht; Frauen waren im Grunde ausgeschlossen: „Damen waren nur ausnahmsweise geduldet, etwa nach einem Theaterabend“ [Kutscher 1960, S. 67-69]. nachher in der Torggelstube mit Kutscher Halbe und anderen Herren. Gesternam 2.7.1912, an dem Wedekind notierte: „Die ersten Menschen von Borngräber nachher H.T.R und T.St.“ [Tb] Er sah im Münchner Schauspielhaus Otto Borngräbers Stück „Die ersten Menschen. Erotisches Mysterium in zwei Aufzügen“ (1908), das seiner Inzestthematik wegen in München jahrelang verboten war, und zwar die zweite Vorstellung (Beginn 20 Uhr, Ende gegen 22 Uhr), wie die Premiere am Vorabend mit dem Hinweis versehen: „Von der Zensur freigegeben!“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 332, 2.7.1912, General-Anzeiger, S. 2] Wedekind war anschließend im Hoftheater-Restaurant und in der Torggelstube, der vorliegenden Postkarte zufolge allein, wohl das erwähnte Buch lesend (siehe unten). war ich in Borngräbers ersten Menschen die mir weit besser gefielen als ich erwartet hatte. Ich hoffe nur daß Du und die Kinder euch wohl befindet. Du schreibst nichts darüber in den letzten Tagen. Augenblicklich lese ich ein politisches BuchWedekind notierte am 3.7.1912 seine Lektüre: „Ich lese H.T.R und T.St. Christensen Politik und Massenmoral.“ [Tb] Er las im Hoftheater-Restaurant und in der Torggelstube das Buch „Politik und Massenmoral. Zum Verständnis psychologisch-historischer Grundfragen der modernen Politik“ (1912) des dänischen Orientalisten Arthur Christensen. Die wenige Monate zuvor im Verlag B. G. Teubner in Leipzig erschienene Schrift [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 79, Nr. 98, 29.4.1912, S. 6277] griff den zeitgenössischen Diskurs über Massenpsychologie auf. Der Verfasser sah eine „Strömung von Überdruß“ an der Politik, „die politische Moral, sowohl innerhalb des einzelnen Staates als in den Beziehungen der Staaten untereinander“, sei auf einer „niedrigen Stufe“, was er damit erklärte: „Ich sehe die Ursache des niedrigen Standes der politischen Moral in der Tatsache, daß die Politik überall und zu allen Zeiten [...] mit der Masse operiert, und die ethische Entwicklung der Masse muß, infolge des besonderen psychischen Habitus derselben, unendlich langsamer fortschreiten als diejenige des Individuums.“ [Arthur Christensen: Politik und Massenmoral. Zum Verständnis psychologisch-historischer Grundfragen der modernen Politik. Leipzig, Berlin 1912, S. IIIf.] daßSchreibversehen, statt: das. mich so interressirtSchreibversehen, statt: interessiert. daß ich den Abend wol wieder allein bleiben werde wie gestern nach der Vorstellung. Grüße Mama herzlichst, küsse die Kinder und sei innigst umarmt
von Deinem
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 3. Juli 1912 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale. Cartolina postale


Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del
mittente. – Testo.


Mittwochder 3.7.1912.. Innigst Geliebter,

leider heute wieder Nebel u. Regen. Hoffentlich wird nicht das Jugendfest auch noch verregnet. Mieze kommt also Sonntag Nachts, es wird schon alles vorbereitet. Ich freu’ mich auch, sie noch zu | sehen. Sie hat mir heute einige sehr herzige Sachen für Fanny Kadidja geschickt. Frau Henckell kam gestern abends noch, um Anna Pamela ein reizendes Kleidchen zu probieren; wir brachten sie dann bis an ihr Haus. Ännchen liest „Hidalla“. Mati hat mir einen sehr lieben Brief geschriebenDer Brief von Emilie (Mati) Wedekind an ihre Schwägerin Tilly Wedekind ist nicht überliefert. u. bat mich, ihr ihr Buch von „Hidalla“ihr persönliches Exemplar der „Hidalla“-Buchausgabe. Eine Übersetzung des Stücks von Emilie (Mati) Wedekind, die seit ihrer Heirat am 7.7.1910 mit ihrem Mann Eugène Perré in Neuilly-sur-Seine bei Paris lebte, ist nicht überliefert. zu senden. Sie will versuchen es zu übersetzen. Sie hält merkwürdiger Weise das für das passendste um von Reinhardt nächstes Jahr in Paris gespielt zu werden. Wie geht es Dir, Geliebter? Die Ruhe in der Wohnung wird Dir ja angenehm sein. Nun lebwohl für heute. Innigste Küsse, Deine Tilly.


[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Grüße und Küsse von Allen.

Tilly Wedekind schrieb am 4. Juli 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, Donnerstag.
4. Juli 12.


Innigst geliebter Frank,

warum hör ich nichts von Dir? Bist Du aus irgend einem Grunde verstimmt? Ich habe Dir wirklich keinen Grund dazu gegeben. Deine Karte von Sonntagvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.6.1912. habe ich Montag abends erhalten, seitdem nichts. Hoffentlich kommt heute noch etwas u. meine Besorgnisse sind grundlos. Sonst wäre mir morgen der ganze Jugend Festtag verdorben. |

Heute ist das Wetter etwas besser u. hoffentlich ist es morgen schön. Frau Henckell war gestern abends nochmals da. Sie hatte das Kleidchen umgetauscht u. nun hat Anna Pamela wirklich ein reizendes Jugend Festkleidchen. Ich freue mich darauf meine Kinder morgen recht hübsch machen zu können. Frau Henckell ist wirklich rührend, Mama sagt es auch.

War es Dir vielleicht nicht recht, dass ich erwähnte, sie wolle mir so gern Luzern zeigen? Ich fahre so auf keinen Fall mit. |

Oder war es Dir nicht angenehm zu hören, dass die Züricher vielleicht kommen? Auch darüber kann ich Dich beruhigen. Armin VaterFrank Wedekinds Bruder Armin Wedekind in Zürich, dessen Sohn ebenfalls Armin hieß. kann nicht weg u. da kommen die andern auch nicht. Und übernächsten Sonntag sind wir ja schon weg.

Mieze u. Eva kommen Samstag nachts nach WildeggErika Wedekind und ihre Tochter Eva Oschwald kamen mit dem Zug nach Wildegg, die etwa 4 Kilometer „nördlich von Lenzburg gelegene Gemeinde, die seit 1858 an das Schweizer Eisenbahnnetz angebunden war.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 188] u. fahren von da mit dem Wagen hierher. Es wird alles für sie hergerichtet u. dann wird es ja sehr lebendig bei uns werden. Auch Ännchen ist sehr heiter, u. diese lustigen, harmlosen Unterhaltun|gen am Abend tun mir sehr wohl. Mati bat mich um ihr Poesie Albumnicht überliefert. aus der Bibliothek, da sie gern einige Geschäftsfreunde von EugénEugène Perré, der Ehemann von Emilie (Mati) Wedekind, war „Champagner-, Wein- und Spirituosenfabrikant“ [KSA 7/II, S. 807]. die ihr gefallen hineinschreiben lassen möchte. Mama wollte es nicht suchen: So schlichen Ännchen u. ich uns hinauf u. entdeckten es auch glücklich. Mama kam zufällig auch gerade hinauf u. wir freuten uns sehr, dass wir sie überlistet haben. Es wäre schade, wenn diese heitere Stimmung durch ein MissverständnissSchreibversehen, statt: Missverständnis. zerstört würde.

Sehr behaglich ist mir der Gedanke auch nicht, Dich so ohne Bedienung zu wissen. Bist Du doch vielleicht dadurch verstimmt? Ich komme ja jeden Tag, wenn Du willst!

[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

In innigster Liebe, Deine Tilly.


[Seite 1 um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Grüße von Mama u. Ännchen,
Küsse von den Kindern.

Tilly Wedekind schrieb am 4. Juli 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstagder 4.7.1912.. 5Schreibversehen, statt: 4..VII.12.


Innigst geliebter Frank,

vor Tisch hatte ich den Brief an Dichvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.7.1912 (erster Brief). aufgegeben, als ich zurück kam, kam Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.7.1912.. Vielen, herzlichen Dank!

Nun schreib’ mir bitte ganz offen, ob Du Dich unbehaglich fühlst u. willst, dass wir kommen. Denn dann müsste ich gleich fort, bevor Mieze kommt. Samstagder 6.7.1912. könnten wir packen, Sonntag fahren. Wenn Dir’s ungemütlich | ist in München, fühl ich mich natürlich hier auch nicht wohl.

Sonst bin ich sehr gern da, u. geht es den Kindern u. mir sehr gut. Da aber Mieze Sonntag nachts kommt, muss noch ein Bett aus der Kroneaus dem Gasthaus Krone in Lenzburg (Kronenplatz 20). geholt werden. Ich möchte aber Mama diese Arbeit nicht machen, falls wir dann nur noch 1 – 2 Tage bleiben können. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] mit den Kindern schlafen in Matis Zimmer, GroßmutterEmilie Wedekind, sonst von ihrer Schwiegertochter „Mama“ genannt. u. Ännchen schlafen zusammen in Mama’s | Zimmer, oben im roten Zimmer werden Mieze u. Eva schlafen, im andern Zimmer ich. Mädchen bekomme ich in München erst am 15. nächsten Montag in 8 Tagen, müsste ich also falls wir früher kommen eine Aushilfe nehmen. Wenn Du also solange allein bleiben willst, wären wir Montag den 15. gekommen.

Für die Geldsendung vielen Dank, sie wird wohl heute oder morgen kommen.

Sei innigst umarmt u. bitte schreib mir Deine Wünsche.

Deine treue Tilly

Frank Wedekind schrieb am 5. Juli 1912 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

Warum denn gleich so aufgeregtvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.7.1912 (erster Brief)., wenn Du einen einzigen Tag keine Nachricht hast, sonst habe ich Dir so viel ich weiß jeden Tag geschrieben. Es ist mir nicht eingefallen Dir etwas übel zu nehmen, über jeden deiner Briefe und deine Carten habe ich mich sehr gefreut. Ich werde mich freuen wenn Du mit Henckells Ausflüge machst und Dich mit den Zürichern gut verträgst. Daß ich mir Armin JuniorFrank Wedekinds Neffe Armin Wedekind, der Sohn seines gleichnamigen Bruders in Zürich, studierte seit dem Wintersemester 1911/12 in München Medizin; er suchte seinen Onkel gelegentlich auf und besuchte mit ihm dessen Stammlokale [vgl. Tb]. zuerst zu nah kommen ließ so daß er mir später auf die Nerven ging ist ja nicht seine Schuld und ich würde es ihn auch nie entgelten lassen. Ich wünsche nun nur, daß Du Dich nicht mit Mieze verzankst. Ihre haarsträubende Prahlerei ist ja allerdings | schwer zu verdauen. Eben so sicher ist aber, daß, wenn sie einen wirklich verletzt, sie selber nicht die leiseste Ahnung davon hat und jede Absicht ausgeschlossen ist.

Bei dem fortwährenden Regen, der seit Sonntag anhielt, war mir die Wohnung das behaglichste. Die Tapete in meinem Schlafzimmer gefällt mir außerordentlich gut und mit dem Tapezieren des Eßzimmers wartet man wol am besten, bis die helle Tapete nicht mehr sauber genug aussieht.

GesternWedekind notierte am 4.7.1912 seine Begegnungen mit Wilhelm Rosenthal, Erich Mühsam und Georg Schaumberg (nicht die in der Postkarte erwähnten mit Karl Henckell und Artur Kutscher): „Generalversammlung des Neuen Verein. Nachher T.St. mit Rosenthal Mühsam Schaumberg e.ct.“ [Tb] Erich Mühsam notierte zu der Versammlung des Neuen Vereins (siehe unten): „Zu jener Sitzung war ich nicht nur durch die offizielle Mitteilung an alle Mitglieder eingeladen, sondern noch speziell durch einen Brief des Vorsitzenden Dr. Rosenthal. Im Nebensaal des Künstlerhauses waren gegen 30 Personen versammelt und es wurde über die Wirksamkeit des Neuen Vereins beraten. [...] Nachher sprach ich über Maßnahmen, die gegen die Übergriffe der Polizeizensur zu ergreifen seien, und die Diskussion darüber gestaltete sich sehr lebhaft. Ich schlug vor, in öffentlichen Versammlungen, die vom Neuen Verein zu berufen seien, gegen die ganze Institution der Zensur zu protestieren. Aber die Leisetreter behielten Recht. [...] mir wurde später von vielen bestätigt, daß mein Auftreten dort und der kämpferische Ton, den ich in den völlig friedlichen Vereinskreis bringe, sehr wohltätig empfunden werde. – Ein starker Rest der Versammlung fand sich nachher in der Torggelstube zusammen, darunter Rosenthal, Wedekind, Schaumberg, Henckell etc. Zur Diskussion stand die Frage, warum sich die Intellektuellen von allem sozialen Leben fernhalten.“ [Tb Mühsam, 6.7.1912] war ich in einer Sitzung des Neuen VereinsDer Ende 1903 in Nachfolge des Akademisch-Dramatischen Vereins gegründete Neue Verein e.V. (Vereinslokal: Türkenstraße 28, Geschäftsstelle: Buchhandlung Heinrich Jaffe, 1. Vorsitzender: Dr. Wilhelm Rosenthal [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil III, S. 203]), veranstaltete vor allem geschlossene Vorstellungen neuer Dramen. „Die von der Polizei verbotenen Stücke Wedekinds wurden vom ‚Neuen Verein‘ vor geladenem Publikum gespielt“ [Mühsam 2003, S. 137]. und nachher mit Henckell Kutscher Rosenthal und Schaumberg zusammen, die Dich | alles grüßen lassen. Heute sieht es fast so aus als wollte schönes Wetter kommen. Dann werde ich möglichst viel spazieren gehn, was mir sehr nottut.

Hoffentlich wird das Jugendfest heute nicht verregnet. Aber auch dann ist es noch ganz lustig für die Kinder. Nun leb wohl liebe Tilly. In Bamberg bin ich gar nicht gewesen weil der Zug über Regensburg fuhr und ich deshalb schon Sonntag in München war. Grüße alle aufs herzlichste und sei innigst umarmt von
Deinem
Frank.


Schreib mir ob ich Dir Franziska schicken soll.


5.7.12.

Frank Wedekind schrieb am 5. Juli 1912 in München folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Schweiz. Telegraphen- und Telephonverwaltung. – Administration des télégraphes et des téléphones suisses. – Amministrazione dei telegrafi e dei telefoni svizzeri.


Telegramm – Télégramme – Telegramma
von – de – da München [...]


Tilly Wedekind
Steinbrüchli Lenzburg.
Aargau.

Mit Abreise am 15Tilly Wedekind reiste mit den Kindern am 15.7.1912 von Lenzburg ab. einverstanden Alles in bester Ordnung Brief unterwegsvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.7.1912 (Brief).. herzlichst
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 6. Juli 1912 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale. Cartolina postale


Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Samstag Früh. 6.VII.12.

Innigst geliebter Frank, tausend Dank für Dein liebes Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.7.1912 (Telegramm). u. die Geldsendung250 Franken per Postüberweisung [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.7.1912]. die noch Donnerstag abends kam. | Dann fahren wir also am 15. nach Hause. Ich schreibe Dir nur schnell die Karte, weil ich gestern nicht zum Schreiben kam u. Dich um ein Buch „Franziska“ bitten möchte. Ich dachte auch schon daran. Ich würde mich gern, soviel ich kann, damit beschäftigen. Mama hatte es von ArminEmilie Wedekind hatte ein Exemplar der Buchausgabe von „Franziska“ von ihrem Sohn Armin Wedekind in Zürich geliehen., der es wieder zurück genommen hat. Wir hatten gestern einen sehr schönen Tag u. das Jugend Fest war wirklich wunderhübsch! Später noch mehr darüber. Innigst, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 6. Juli 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, Samstag.
6.VII.12.


Geliebtester Frank,

nur noch rasch paar Zeilen, ich muss noch bischen an die Luft. Heute hat es wieder geregnet, der gestrige Tag war wie ausgesucht für’s Jugendfest. Wir waren schon um ½ 8 Uhr in der Kirche, sahen nachher den Zug, dann giengen wir zu Tisch. Nach Tisch gieng ich mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] u. den beiden Kindern nach dem Festzug auf die Schü|tzen Matte„nordöstlich der Lenzburger Innenstadt gelegene Freifläche, traditionell als Festplatz des Jugendfestes genutzt.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 190]. Anna Pamela hat getanzt und fuhr Carussel, wir sahen das Manöver an, nun Du kennst es ja u. kannst Dir denken wie glücklich Anna Pamela war. Auch das Kleine hüpfte vor Freude.

Ich traf die junge Frau ZweifelGattin eines der zwei Söhne des Gründers der Malaga-Kellereien in Lenzburg Alfred Zweifel; die Söhne waren Alfred Zweifel (Sohn), verheiratet mit Else Zweifel (unklar, seit wann; vor 1920), und der jüngere Carl Zweifel, 1921 Heirat mit Barbara (Betty) Hermle, der weniger in Betracht kommt. mit Mann u. Kind, Frau Dr. Hämerli mit KinderSophie Haemmerli (geb. Marti) hatte vier Töchter., Henckell’s, es war sehr nett! Zum Schluss gab’s leider eine aufgeregte Scene. Anna Pamela u. ich hatten uns verloren u. sie war nach Hause gelaufen. Ich war natürlich sehr ängstlich. | Gottlob war nichts passiert. Ich sah mir nach dem Abendessen noch das Feuerwerk an, Anna Pamela war schon sehr müde u. gieng vorher zu Bett. Dann gieng ich auch schlafen. Ännchen hat noch lange im Gemeinde Saal getanzt. Wie es morgen wegen Luzern wird, weiß ich noch nicht. Die Züricher sollen nun eventuell morgen in 8 Tagen kommen, wenn sie’s nicht wieder verschieben.

Frau Henckell fragte mich gestern nochmals, doch lehnte ich ab, | weil ich ja nicht wusste, ob Dir’s recht ist. Vielleicht sehe ich sie heute noch.

Nun lebwohl, Anna Pamela muss auch noch baden.

Alle lassen Dich vielmals grüßen.

Innigste Küsse Dir Geliebter
von Deiner
Tilly


Innigsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.7.1912 (Brief).; wenn ich mich leicht aufrege ist das kein Wunder, bei allem was wir schon erlebt haben. Gerade der zu wenigen Nachrichten wegen. Mit Mieze werde ich mich schon vertragen Du brauchst keine Angst zu haben.

Innigst Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 7. Juli 1912 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale. Cartolina postale


Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del
mittente. – Testo.


Sonntag, 7.VII.12.


Mein lieber Frank,

gestern Abend trafen wir Frau Henckell noch die eben zu uns wollte. Aber ich dankte ihr für ihre | freundliche Einladung. Den ganzen Tag in Gesellschaft ist mir doch zu anstrengend. Ich brauche Ruhe. Nun hat es heute geregnet, sie werden wohl auch nicht gegangen sein. Nachmittags waren AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] u. ich mit den Kindern spazieren u. gehen jetzt nochmal. Ännchen ist bei Zweifel’s eingeladenin der Villa Malaga in Lenzburg bei Alfred Zweifel, dem Gründer und Inhaber der Malaga-Kellereien in Lenzburg, und seiner Gattin Bertha Zweifel (geb. Meyer), in der auch die Kinder wohnten.. Abends kommt Mieze. Ich freue mich darauf „Franziska“ zu lernen, morgen kommt es vielleicht schon. Hoffentlich geht es Dir so gut wie uns. Morgen in 8 Tagen hoffentlich auf frohes Wiedersehn.

Mit tausend lieben Grüßen, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1912 in München folgende Visitenkarte
an Tilly Wedekind

Schönste Grüße an Dich Mama und die Kinder

Frank Wedekind

Dein Frank.

Prinzregentenstr. 50.

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1912 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg.
Ct Aargau Schweiz


Geliebteste Tilly!

Herzlichen Dank für den Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1912 (Brief). und die Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1912 (Postkarte).. Über Deine Beschreibung des Jugendfestes habe ich mich sehr gefreut. Mit gleicher Post sende ich Dir Franziskavgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.7.1912 (Visitenkarte).. Bitte aber den zweiten AktWedekind hatte den 2. Akt von „Franziska“ in Verse umgearbeitet [vgl. KSA 7/II, S. 976], ihn Maximilian Harden für einen Abdruck in „Die Zukunft“ angeboten [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 26.4.1912], der als Teildruck dann aber am 1.6.1912 in den „Blättern des Deutschen Theaters“ erschien [vgl. KSA 7/II, S. 994] und Wedekind ihn jedenfalls „nicht nach dem Erstdruck“ der Buchausgabe (1912) „auf die Bühne zu bringen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 191] gedachte. nicht zu lernen. | SamstagWedekind notierte am 6.7.1912: „Im Deutschen Theater. Dann mit Rudinoff und Frau in der T.St.“ [Tb] Wedekind ging nach dem Auftritt von Willy Rudinoff (siehe unten) mit ihm und dessen Frau Ida Rudinoff (geb. Tachau) in die Torggelstube, wo er Max Halbe, Gustav Waldau und schließlich Erich Mühsam traf, der nachts gegen 1.30 Uhr kam: „Ich ging dann – etwa um ½ 2 Uhr – zum Torggelhaus [...], wo ich Gustel Waldau, Steiner und Max Halbe antraf. Wedekind saß besonders mit dem Feuerfresser Rudinoff und dessen Frau zusammen.“ [Tb Mühsam, 7.7.1912] war ich im Deutschen Theater, wo Rudinoff augenblicklich auftrittWilly Rudinoffs Gastspiel in München im Deutschen Theater („Schwanthaler-Passage. Vornehmstes Variété der Residenz“) war mit dem anderer Artisten und Artistinnen für „Monat Juli 1912“ annonciert (Beginn der Vorstellungen 20 Uhr, Ende nach 22.30 Uhr): „William Rudinoff Universal-Künstler“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 333, Vorabendblatt, 3.7.1912, S. 8].. Ich besuchte ihn in der Garderobe und war nachher mit ihm, seiner Frau, Halbe Waldau und Mühsam in der Torggelstube zusammen. Er unterhielt natürlich die Gesellschaft. GesternWedekind notierte am 7.7.1912: „Abend allein HB und TSt. Taugenichts gearbeitet“ [Tb]. Er arbeitete im Hofbräuhaus und in der Torggelstube an Konzeptentwürfen seines Projekts „Taugenichts“ [KSA 7/I, S. 584-589; vgl. KSA 7/II, S. 1466f.]. habe ich einiges angefangen zu arbeiten. Es regnet täglich so daß an Baden nicht zu denken ist. Jetzt wo Mieze in Lenzburg ist, wirst Du zwar zum Lernen noch weniger Zeit finden. Ich schicke Dir das Buch auch nur für den Fall, daß Du Dich langweilst. Grüße Alle aufs herzlichste, küsse die Kinder von mir und sei innigst umarmt
von Deinem
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 9. Juli 1912 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale. Cartolina postale


Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo
del mittente. – Testo.


Dienstag. 9.VII.12.


Geliebter Frank,

herzlichsten Dank für Deine liebe Karteeine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind. München, 8.7.1912]. u. die Sendung des Buchesein Exemplar von „Franziska“ (1912) mit Visitenkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind. München, 8.7.1912].! Ich werde halt mal sehen, wie weit ich mit dem lernenSchreibversehen, statt: Lernen. komme. Mieze ist sehr lieb u. erzählt mir, wie guter | Stimmung Du in DresdenWedekind war vom 20. bis 30.6.1912 in Dresden [vgl. Tb] und wohnte bei seiner Schwester. warst. Hoffentlich ist es jetzt auch so, trotz des schlechten Wetters. Bei uns ist’s heute u. gestern besser. Ich freu mich, dass Du im Deutschen Theater u. nachher in GesellschaftWedekind war am 6.7.1912 vor allem in Gesellschaft von Willy Rudinoff, der am Deutschen Theater in München ein Gastspiel hatte, aber auch von dessen Frau Ida Rudinoff, Max Halbe, Gustav Waldau und Erich Mühsam [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind. München, 8.7.1912 (Postkarte)]. warst. Langweilig wird es hier nicht so leicht, besonders jetzt wo das Haus voll ist. Ich werde mich erkundigen, wann wir Montag fahren müssen. Die Zeit hier ist mir sehr schnell vergangen. Vom/n/ der Umarbeitung des 2. ActesWedekind hatte den 2. Akt von „Franziska“ in Verse umgearbeitet [vgl. KSA 7/II, S. 976] und gedachte ihn „nicht nach dem Erstdruck“ der Buchausgabe (1912) „auf die Bühne zu bringen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 191]. In der Wedekind-Nummer der „Blätter des Deutschen Theaters“ erschien am 1.6.1912 ein Teildruck des 2. Aktes (3. Bild, 4. Szene) [S. 289-201] mit einer Vorbemerkung [vgl. KSA 7/II, S. 1019], in der es über die Titelfigur heißt: „Im zweiten Akt ist sie in Maske und Aufzug eines Operntenors der Gatte Sophies geworden (der sie durch Vortäuschung eines Liebesverhältnisses mit einer Tänzerin das Ausbleiben ehelicher Gunstbezeugungen verständlich zu machen sucht). Wir bringen hier die Hauptszene dieses Aktes in einer bisher unveröffentlichten Umarbeitung.“ [Franziska. Ein modernes Mysterium von Frank Wedekind. Umarbeitung in Versen. In: Blätter des Deutschen Theaters, Nr. 19, 1.6.1912, S. 289] kenne ich nur den Teil aus den „Blättern d. D. Th.“. Den 2. Act lerne ich also noch nicht.

Innigste Küsse
Deine Tilly


[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Herzlichste Grüße von Allen.

Frank Wedekind schrieb am 10. Juli 1912 - 11. Juli 1912 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Geliebteste Tilly, herlichenSchreibversehen, statt: herzlichen. Dank für Deine Kartenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1912 und 9.7.1912. von Sonntag und Dienstag. Ich freue mich, daß es Euch Allen gut geht. Endlich kann man hier im Freien baden. Montag Nachmittagam 8.7.1912, an dem Wedekind seinen Besuch mit Kurt Martens im Ungererbad notierte: „Nach Tisch treffe ich Martens, gehe mit ihm ins Café dann Baden.“ [Tb] traf ich Kurt Martens und ging mit ihm ins Ungererbad. Am Abend waren wir im Krokodil1911 haben Artur Kutscher, Karl Henckell und Hubert Wilm die Stammtischrunde „das ‚Junge Krokodil‘“ gegründet, „eine harmlose Gelegenheit zu regelmäßigen, ungezwungenen Zusammenkünften mit Gleichgesinnten“; man traf sich im Münchner Ratskeller, „dienstags, später montags von 8½ bis mindestens zur letzten Trambahn“ [Kutscher 1960, S. 67f.], also von 20.30 Uhr bis tief in die Nacht., wo aber Kutscher fehlteWedekind notierte am 8.7.1912: „Abend im Krokodil. Kutscher nicht anwesend. In d. T.St. erzählt Mühsam daß seine Stellung an der Universität erschüttert sei.“ [Tb] Dr. phil. Artur Kutscher, Privatdozent an der Münchner Universität, wo er im Sommersemester 1912 eine Lehrveranstaltung „Lenz – Grabbe – Wedekind“ abhielt [vgl. Verzeichnis der Vorlesungen an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München im Sommer-Semester 1912. München 1912, S. 24], hatte dort Konflikte mit der Philosophischen Fakultät, was er am 10.6.1912 Erich Mühsam erzählt hat: „Kutscher erzählte Langes und Breites über Schwierigkeiten mit seiner vorgesetzten Behörde. Man hat ihm verboten, über Wedekind zu lesen, und jetzt hat eine Kontroverse zwischen Studenten seines Seminars im Anschluß an das Erler Passionsspiel, wobei sich Juden und Christen in ihrem religiösen Empfinden gegenseitig verletzten und dann verprügelten, zu seiner Vorladung vor den Rektor geführt. Kutscher fürchtet im Ernst für seinen Lehrstuhl. Er war sehr aufgeregt.“ [Tb Mühsam, 11.6.1912]. Mühsam erzählte, man wolle ihn aus der Universität hinauswerfen. | Ich lese sehr viel und war schon in vier GemäldeausstellungenWedekind besuchte dem Tagebuch zufolge am 6.7.1912 („Nachmittag in der Sezession“) die Ausstellung des Vereins Bildender Künstler Münchens e.V. „Secession“ im Kunstausstellungsgebäude (Königsplatz 1), am 7.7.1912 („Nachmittag in der Ausstellung im Glaspalast“) die Jahresausstellung der Münchner Künstlergenossenschaft im Glaspalast, am 9.7.1912 („Gallerie Tannhäuser“) die Moderne Galerie (Theatinerstraße 7), geführt von Heinrich Thannhauser, am 10.7.1912 („Gallerie Brackl“) die Gemäldesammlung von Franz Joseph Brakl (er gründete mit Heinrich Thannhauser die Moderne Galerie und führte sie mit ihm zusammen bis 1909) in Brakl’s Moderner Kunsthandlung (Goethestraße 64).. Von Gutmann und Frankfurter erhalte ich täglich Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Emil Gutmann an Wedekind, 9.7.1912 (und wohl mindestens ein weiterer verschollener Brief); Eugen Frankfurter an Wedekind, 9.7.1912 (und wohl mindestens ein weiterer verschollener Brief)., öffne sie aber nicht. Gutmann schrieb ichvgl. Wedekind an Emil Gutmann an Wedekind, 10.7.1912., der Arzt habe es mir verboten. Einen sehr lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Eduard und Mathilde Newes an Wedekind, 9.7.1912. erhielt ich von Deinen Eltern, die uns zum Berliner Gastspiel beglückwünschenzum Erfolg von Frank und Tilly Wedekinds Gastspiel am Deutschen Theater zu Berlin vom 1. bis 16.6.1912.. Soweitab hier mit Tinte geschrieben (Mitteilungstext vom 11.7.1912). hatte ich gestern Abend geschrieben, ging danSchreibversehen, statt: dann. in die Torggelstube, wo ich Waldau, Albu und den jungen Grafen KeyserlingWedekind notierte am 10.7.1912 seinen Besuch in der Torggelstube, wo er außer Gustav Waldau und Eugen Albu den jungen Schriftsteller Paul von Keyserling (Neffe von Eduard von Keyserling) traf (da als ‚jung‘ charakterisiert): „T.St. mit Waldau Albu und Graf Keyserling“ [Tb]. traf, mit denen ich die Tagesereignisse besprach.

Also auf Wiedersehn am Montag. Wenn Du noch Geld brauchst schreib es mir. Mit herzlichsten Grüßen an alle siebenEmilie Wedekind, Erika Wedekind (Mieze), deren Tochter Eva Oschwald, die Kinder Pamela und Kadidja Wedekind, Anna (Ännchen) Wedekind, das Kindermädchen Anna Wölfel.
umarmt und küßt Dich Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 11. Juli 1912 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte
Carte postale. Cartolina postale


Herrn
Frank Wedekind
München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Donnerstag.

11.VII.12.

Geliebter Frank,

Gestern hab ich das 1. Bild vom 1. Actvon „Franziska. Ein modernes Mysterium in fünf Akten“ [vgl. KSA 7/I, S. 231-242]. gelernt, weiter kam ich noch nicht. Heute wäscht AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], da bin ich immer bei den Kindern, da | kommt man zu nichts anderm. Vorgestern machte ich mit Mieze bei Fr. Dr. Hämerli Besuch. Ich freu’ mich, dass wir Montagder 15.7.1912, an dem Wedekind notierte: „Um 5 Uhr 50 kommt Tilly mit den Kindern von Lenzburg“ [Tb]. nach Hause kommen! Hoffentlich geht es Dir gut, vielleicht erhalte ich abends noch Nachricht von Dir. Mieze u. Eva sind ganz entzückt von Fanny Kadidja u. Eva spielt auch viel mit Anna Pamela. Ich werde auch Frau HausmeisterChristine Schreier, die als Hausmeisterin die Münchner Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 betreute (siehe die vorangehende Korrespondenz Tilly Wedekinds mit ihrem Mann seit dem 18.6.1912). wegen unsrer Ankunft benachrichtigen. Vielleicht ist es besser, Du kommst gar nicht zur Bahn. Alle lassen Dich herzlichst grüßen. Sei innigst umarmt von Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Juli 1912 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lenzburg, Freitag.

12.VII.12.


Geliebter Frank,

herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 10. bis 11.7.1912.! Es geht uns allen sehr gut u. das Wetter ist herrlich! Hoffentlich hast Du in München auch so schönes Wetter u. kannst viel spazieren gehen u. schwimmen. Anna Pamela nimmt wieder täglich ihr Sonnenbad. Eva geht auch zum Schwimmen.

Unser Zug soll also Montag | um 8.46 hier abgehen u. um 7.05um 19.05 Uhr. wären wir in München. Ich weiß nicht Frank, ob es Dir nicht lieber ist, uns zu Hause zu erwarten. Der Rummel mit den Kindern am Bahnhof ist Dir vielleicht zu viel. Aber wie Du lieber willst. Ich schreibe gleichzeitig an die HausmeisterinChristine Schreier, die als Hausmeisterin die Münchner Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 betreute (siehe die vorangehende Korrespondenz Tilly Wedekinds mit ihrem Mann seit dem 18.6.1912)., damit alles vorbereitet ist, da Sonntag | die ZüricherArmin Wedekind mit seiner Familie. kommen sollen. Wenn ich Dir also nur noch 1 Karte schreibesie schrieb noch ein Telegramm [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.7.1912]., bist Du mir hoffentlich nicht böse.

Mit den Kindern, besonders mit der Kleinen haben alle so eine Freude; der Abschied wird schwer werden.

In München ist also wieder eine große Geschichte los. Was hat denn Kutscher verbrochen? Er ist wohl zu revolutionär, da er über Dich vorgelesenArtur Kutscher, Privatdozent an der Münchner Universität, hielt im Sommersemester 1912 eine Vorlesung „Lenz – Grabbe – Wedekind“ [vgl. Verzeichnis der Vorlesungen an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München im Sommer-Semester 1912. München 1912, S. 24]; er hatte Konflikte mit der Universität, wie Wedekind seiner Frau berichtet hat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 10. bis 11.7.1912].? | Falls Du noch über irgend was Nachricht haben willst, schreibst Du mir vielleicht eine Karte. Geld habe ich noch alles fast, ich danke Dir vielmals.

Viele Grüße von allen „SiebenEmilie Wedekind, Erika Wedekind (Mieze), deren Tochter Eva Oschwald, die Kinder Pamela und Kadidja Wedekind, Anna (Ännchen) Wedekind, das Kindermädchen Anna Wölfel.“,
herzlichen Kuss
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 12. Juli 1912 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

Auch ich freue mich sehr daß Ihr nun endlich kommt. Ich bin jedenfalls Montagder 15.7.1912, an dem Wedekind die Ankunft seiner Frau und Kinder in München um 17.50 Uhr notierte: „Um 5 Uhr 50 kommt Tilly mit den Kindern von Lenzburg“ [Tb]. Abend auf dem Bahnhof und verspreche Dir, nicht nervös zu sein. Wenn wir im Auto nicht alle Platz haben kann ich ja mit der Elektrischenmit der Straßenbahn (Trambahn). fahren. Der eine Zug kommt 7 Uhr 05 an, der andere 10 Uhr 50. Ich werde erst Mal auf den 7 Uhr 05 gehen. Heute AbendWedekind notierte am 12.7.1912: „Abends lese ich Musik in Kutschers Seminar.“ [Tb] Artur Kutschers Seminar, die sogenannte „Kutscher-Kneipe“ [Günther 1938, S. 103], sein „literarisches Seminar, das nach und nach zu einer eigenen Brutstätte Schwabinger Geistes wurde“ [Mühsam 2003, S. 138], waren außeruniversitäre Treffen in der Regel wöchentlich mit Studierenden an wechselnden Orten (längere Zeit im Hotel Union), zu denen Schriftsteller geladen wurden [vgl. Buglioni 2017, S. 164-173 und passim]. Wedekind war mehrfach Gastautor in Kutschers Seminar, erstmals am 26.2.1909 [vgl. Tb]. lese ich in Kutschers Seminar | „Musik“ vor. Gestern traf ich Albu und seine Frau auf der Straße. Frau Albu scheint sich auf Deine Rückkehr zu freuen. Heute NachmittagWedekind notierte am 12.7.1912: „Ungererbad“ [Tb]. werde ich wohl wieder Baden gehn. Das Wetter ist herrlich und bleibt jetzt hoffentlich so.

Es freut mich sehr daß es Euch allen gut geht. Mit herzlichsten Grüßen an Euch alle SiebenEmilie Wedekind, Erika Wedekind (Mieze), deren Tochter Eva Oschwald, die Kinder Pamela und Kadidja Wedekind, Anna (Ännchen) Wedekind, das Kindermädchen Anna Wölfel. umarmt Dich innigst
Dein
Frank.


12.7.12.

Tilly Wedekind schrieb am 15. Juli 1912 in Zürich folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]

frank wedekind prinzregentenstr 50/3 muenchen |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Zürich [...]


= ankommen heute 5.50um 17.50 Uhr. Wedekind notierte am 15.7.1912: „Um 5 Uhr 50 kommt Tilly mit den Kindern von Lenzburg“ [Tb]. abends = innigst tilly

Tilly Wedekind schrieb am 8. August 1912 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

8.VIII.12Frank Wedekind notierte am 8.8.1912: „Kutscher fragt mich im Auftrage Roberts ob Ida Roland Franziska spielen könne. Schreibe Notizen an die Presse, die ich überbringe“ [Tb] – das war ein offener Brief [vgl. Wedekind an Münchner Neueste Nachrichten, 8.8.1912; Wedekind an Münchener Zeitung, 8.8.1912], verfasst, um die Besetzung der Hauptrolle in „Franziska“ für Tilly Wedekind zu sichern (siehe unten) – sie spielte sie dann auch bei der Uraufführung des Stücks am 30.11.1912 in München..


Mein innigst Geliebter!

Tausend, tausendmal danke ich Dir! Ich bin so glücklich, dass Du zu mir stehst„Eugen Robert, der Leiter des Münchner Lustspielhauses [...] hatte über Artur Kutscher am 8.8.1912 anfragen lassen, ob Ida Roland [...] die Rolle der Franziska übernehmen könnte, was natürlich ein Affront gegenüber Tilly und Wedekind war, da für beide feststand, dass Tilly die Rolle der Franziska bei der Erstaufführung im Münchner Lustspielhaus spielen sollte. Wedekind reagierte sofort und verfasste eine Notiz an die Presse, die am folgenden Tag in den ‚Münchner Neuesten Nachrichten‘ und in der ‚Münchener Zeitung‘ erschien“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 196].; das giebt mir Mut und Kraft und Selbstvertrauen!

Ich weiß, dass unter hundert Männern kaum Einer so gehandelt hätte, nach unserm jüngsten Gespräch.

Aber ich glaube auch, dass | unter hundert Frauen kaum Eine das alles durchführen könnte, was ich bis jetzt getan habe.

Und ich habe den festen Vorsatz heiterer zu sein und nicht alles so schwer zu nehmen, mich alles dessen was ich habe mehr zu freuen! Und mit diesem Vorsatz reiche ich Dir in innigster Liebe beide Hände,
als Dein treuer Kamerad Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 30. August 1912 in München
an Frank Wedekind

Freitag abends.

30.8.12.


Geliebter Frank,

Vormittags habe ich noch den fehlenden Stoff für die CostümeStoff für die Kostüme der Titelrolle in „Franziska“ (bei der Uraufführung am 30.11.1912 in den Münchner Kammerspielen von Tilly Wedekind gespielt), deren Anfertigung Frank Wedekind am 20.8.1912 bei dem Münchner Schneider Johann Nepomuk Mück in Auftrag gegeben hat: „Bestelle bei Mück Kostüm für Franziska“ [Tb]. besorgt. Nachmittags gieng ich mit Anna Pamela zu dem Orthopäden. Es ist gar nicht schlimm, doch meint er, dass | es gut wäre, wenn sie einige Monate hinkäme. Der neue Course fängt erst in 14 Tagen an. Sie soll dann 3mal in der Woche kommen, circa eine Stunde immer. Ihre Brust würde sich dann erweitern u. die Brustmuskel würden kräftiger. Ich glaube also schon, Frank, es wäre gut wenn wir sie eine Zeit lang hingehen ließen. Doch können wir ja darüber sprechen wenn | Du hier bist. Ich wollte es Dir nur mitteilen, damit Du weisst dass wir dort waren.

Nach Tisch war/hat/ Dr. Kutscher angerufen. Er kommt nächste Woche herein u. hofft, Dich bei der PremierePedro Calderón de la Barcas Versdrama „Der standhafte Prinz“ (1636) hatte neubearbeitet am 5.9.1912 am Münchner Hoftheater Premiere, als „1. Fest-Vorstellung: Der standhafte Prinz. Misterium in 3 Aufzügen nach Calderon von Georg Fuchs“ des „Vereins Münchener Volks-Festspiele“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 452, 5.9.1912, General-Anzeiger, S. 2]. In der Presse war angekündigt: „Die diesjährigen Münchner Volksfestspiele werden [...] während des Monats September im Münchner Hoftheater stattfinden, und zwar an fünf Abenden, an denen das Mysterium ‚Der standhafte Prinz‘ von Calderon in einer Neubearbeitung von Georg Fuchs zur Aufführung gelangen wird. Für die Münchner Volksfestspiele ist deshalb der ‚Standhafte Prinz‘ gewählt worden, weil dieses Mysterium so recht für die breitesten Volksmassen geschaffen ist. Wie groß das Interesse für die Münchner Volksfestspiele 1912 ist, geht daraus hervor, daß sich sämtliche Münchner Gewerkschaften mit ihren 66,000 Mitgliedern dem Münchner Volksfestspielverein korporativ angeschlossen haben.“ [Münchner Volksfestspiele 1912. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 401, 8.8.1012, Morgenblatt, S. 2] Wedekind hat die Premiere am 5.9.1912 mit seiner Frau besucht und den Abend anschließend mit Artur Kutscher und anderen im Ratskeller und in der Torggelstube verbracht: „Mit Tilly in Der Standhafte Prinz RK mit Henckels und Kutscher. T.St. Steinrück Ulmer Kutscher Mühsam Friedenthal.“ [Tb] vom „standhaften Prinzen“ zu sehen.

Um 6 Uhr traf ich mich mit Fr. Langheinrich im Zoologischen GartenTilly Wedekind besuchte mit Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) den Münchner Zoologischen Garten, der am 1.8.1911 eröffnet worden ist und eine Sehenswürdigkeit war.. Sie hatte auch angerufen | u. gefragt, ob ich nicht kommen könne. Wir aßen draußen u. jetzt um 9 Uhr bin ich zurückgekommen. Ich fürchte, wir haben morgen wieder schlechtes Wetter, man muss wirklich jeden schönen Tag ausnützen.

Hoffentlich kommst Du gut anWedekind ist dem Tagebuch zufolge am 30.8.1912 nach Hamburg abgereist („Tilly begleitet mich zum Bahnhof Fahrt nach Hamburg“), um dort an der Festvorstellung zur Eröffnung des Neubaus des Thalia-Theaters am 31.8.1912 teilzunehmen, bei der sein Einakter „Der Kammersänger“ gespielt wurde [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.8.1912]. Er war am 3.9.1912 zurück in München. u. unterhältst Dich gut.

[um 90 Grad gedreht im linken Rand:]

In treuer, inniger Liebe, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 31. August 1912 in Hamburg folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL HAMBURGER HOF

AM JUNGFERNSTIEG IN SCHÖNSTER LAGE HAMBURGS
TELEFON GRUPPE 3, Nr. 1660, 1661, 1662, 1663, 1664, 1665
REISEBUREAU DER INTERNATIONALEN SCHLAFWAGEN-GESELLSCHAFT IM HOTEL.


HAMBURG 36, den 31. August 1912.


Geliebteste Tilly!

Eben bin ich im Begriff mich fürs TheaterWedekind notierte am 31.8.1912: „Eröffnungsvorstellung des neuen Thaliatheaters.“ [Tb] Er war unter den Gästen der Festvorstellung zur Eröffnung des Neubaus des Thalia-Theaters (Direktion: Max Bachur) in Hamburg, bei der sein Einakter „Der Kammersänger“ gespielt wurde (nach einem Festspiel von Otto Ernst sowie Einaktern von Goethe und Paul Heyse). Sie begann um 19 Uhr und war angekündigt: „Thalia-Theater. Sonnabend, 31. August 1912. [...] Fest-Vorstellung zur Eröffnung des neuen Hauses. Der Einzug. Festspiel von Otto Ernst. Die Laune des Verliebten. Ein Schäferspiel in Versen und einem Akt von Goethe. Unter Brüdern. Lustspiel in einem Akt von Paul Heyse. Der Kammersänger. Drei Szenen von Frank Wedekind. [...] Sonntag, 1. September. [...] Wiederholung der Fest-Vorstellung. Der Einzug. Die Laune des Verliebten. Unter Brüdern. Der Kammersänger.“ [Hamburger Nachrichten, Jg. 121, Nr. 408, 31.8.1912, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage, S. (4)] umzuziehen. Bis Göttingen war gesternWedekind notierte am 30.8.1912: „Fahrt nach Hamburg Treffe vor dem Theater Jeßner und die Franck-Witt, wir begleiten sie nach Hause. Essen bei Siechen zu Abend.“ [Tb] Er war nach Hamburg gereist, traf dort vor dem Thalia-Theater den Regisseur Leopold Jeßner und die Schauspielerin Käthe Franck-Witt, beide im Ensemble des Thalia-Theaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 459f.], und war abends mit Jeßner im Restaurant Siechen. schönes Wetter, dann goß es wieder. Vom Bahnhof fuhr ich direkt ins Theater wo ich nur noch Jeßner antraf. Die Probe war eben zu Ende und wir gingen zusammen zum Abendessen. Es stellte sich heraus, daß die beiden Vorstellungen Erdgeist und Musik in Berlin offenbar gar nicht stattgefundenDie Presse hatte gemeldet, es würden nach dem Wedekind-Zyklus vom 1. bis 16.6.1912 am Deutschen Theater zu Berlin weitere Vorstellungen von „Erdgeist“ und „Musik“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters stattfinden (was nicht der Fall war): „Nach dem großen Erfolg des Wedekind-Zyklus wird ‚Erdgeist‘ wieder in den Spielplan aufgenommen. Die Lulu spielt Gertrud Eysoldt, Eduard v. Winterstein den Dr. Schön.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 418, 17.8.1912, Abend-Ausgabe, S. (3)] „Außer dem ‚Erdgeist‘ wird auch Wedekinds ‚Musik‘ wieder in den Spielplan des Deutschen Theaters aufgenommen. Das Werk erscheint am nächsten Mittwoch in den Kammerspielen. – Eduard v. Winterstein spielt zum ersten Male die von Wedekind gespielte Rolle des Professors Reißner, Camilla Eibenschütz die Rolle der Klara Hühnerwadel.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 430, 24.8.1912, Morgen-Ausgabe, S. (3)] hatten. Den Artikel SchlenthersPaul Schlenther hatte für das „Berliner Tageblatt“ über die Gastspielvorstellung von „Hidalla“ im Rahmen des Wedekind-Zyklus vom 1. bis 16.6.1912 am Deutschen Theater zu Berlin einen Artikel veröffentlicht, in dem er Wedekind als Schauspieler lobt und den Theatern sein Werk zusammenhängend zu inszenieren empfahl: „Es würde sich doch lohnen, nicht bloß in einer Juninotbesetzung einmal Wedekinds Gesamtwerk nach der Reihe vorzustellen. Vom Ganzen würden aufs Einzelne lichtende Strahlen fallen.“ [P.(aul) S.(chlenther): Der Zwergriese. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 281, 5.6.1912, Morgen-Ausgabe, S. (2)] kannte er gar nicht, dagegen wurde Schlenther für heute selber erwartetPaul Schlenther kam nach Hamburg und schrieb für das „Berliner Tageblatt“ zwei Artikel, den einen über das üppige Festmahl im Anschluss an die Festvorstellung mit seinen rund 300 Gästen (darunter Wedekind) [vgl. P(aul) S(chlenther): Ein Hamburger Theaterfest. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 447, 2.9.1912, Montags-Ausgabe, S. (2-3)] den anderen über die Festvorstellung zur Eröffnung des Thalia-Theaters [vgl. Paul Schlenther: Hamburgs theatralische Sendung. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 453, 5.9.1912, Abend-Ausgabe, S. (1)].. Nachdem wir mit einigen Schauspielern zusammengesessen trennten wir uns um ein Uhr. Heute früh war um halb zehn Uhr ProbeWedekind notierte am 31.8.1912: „Kammersängerprobe.“ [Tb] Das war die Generalprobe für die Vorstellung abends als Finale der Festvorstellung im Thalia-Theater (siehe oben): „Der Kammersänger. Drei Szenen von Frank Wedekind. In Szene gesetzt von Herrn Leopold Jessner.“ [Hamburgischer Correspondent, Jg. 182, Nr. 443, 31.8.1912, Morgen-Ausgabe, S. 4] Die Titelrolle des Gerardo spielte Albert Bozenhard, Schauspieler im Ensemble des Thalia-Theaters in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 459], der dort bereits Rollen in Stücken Wedekinds gespielt hat [vgl. Seehaus 1973, S. 336, 417]. Die „meisterliche Leistung Bozenhards in der Titelrolle“ von Wedekinds Einakter wurde als eines der Ereignisse „dieses ersten, vortrefflich gelungenen Abends im neuen Hause“ [H.O.: Die Festvorstellung zur Eröffnung des neuen Thalia-Theaters. In: Neue Hamburger Zeitung, Jg. 17, Nr. 410, 1.9.1912, Morgen-Ausgabe, S. (3)] gefeiert. Seine Darstellung und Leopold Jeßners Inszenierung fanden großes Lob. „Den Beschluß bildet ein modernes Werk. Der Kammersänger von Frank Wedekind [...]. Jeßner, um die Einführung Wedekinds in Hamburg verdient, hatte das Stück [...] aus subtilster Einfühlung heraus meisterlich inszeniert. Und ebenso meisterlich war die Darstellung, die es fand. Bozenhard gab die Titelrolle mit überzeugender Schlichtheit, jener Schlichtheit, deren nur der Künstler fähig ist, der auf dem Gipfel seiner Kunst steht. [...] Nach diesem Stück mußte mit den Darstellern Frank Wedekind wiederholt auf der Bühne erscheinen. Aber auch dann noch tobte der Beifall weiter.“ [C.(arl) M.(üller)-R.(astatt): Einweihung des neuen Thalia-Theaters. (Fest-Vorstellung). In: Hamburgischer Correspondent, Jg. 182, Nr. 446, 2.9.1912, Morgen-Ausgabe, S. 1]. Der Kammersänger geht sehr flott, so wie wir ihn spielenFrank und Tilly Wedekind haben den „Kammersänger“ oft gespielt – zuletzt am 24.5.1912 in Nürnberg. Frank Wedekind ist in der Hauptrolle des Gerardo zuerst am 6.10.1900 „im Rahmen eines Gastspiels des Heine-Ensembles in Rotterdam“ [KSA 4, S. 392] aufgetreten.. Ich habe | die feste Überzeugung daß Botzenhardt uns gesehen hat. Er betont Satz für Satz genau wie ich, hat dieselben GebährdenSchreibversehen, statt: Gebärden. und Stellungen. Aber dafür habe ich die Rolle ja gespielt. Die Frank WittSchreibversehen, statt: Frank-Witt. spielt eine ältere HeleneHelene Marowa, weibliche Hauptrolle in „Der Kammersänger“, in der Hamburger Inszenierung gespielt von Käthe Franck-Witt, von der Presse gelobt: „Frau Franck-Witts Helene wirkte im Innersten erschütternd und lebensecht.“ [C.(arl) M.(üller)-R.(Rastatt): Einweihung des neuen Thalia-Theaters. (Fest-Vorstellung). In: Hamburgischer Correspondent, Jg. 182, Nr. 446, 2.9.1912, Morgen-Ausgabe, S. 1] als Du, die Dich nicht kleiden würde aber durausSchreibversehen, statt: durchaus. ernst und echt. Sicherlich ist es die beste Vorstellung die, nachdem wir das Stück gespielt haben herauskommt. Beim Verlassen des Theaters trafen wir PutlitzJoachim Gans zu Putlitz, General-Intendant am Stuttgarter Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 633]. Wedekind hat ihn am 28.6.1908 in Berlin kennengelernt [vgl. Tb] und ihn im Rahmen seines Gastspiels am Stuttgarter Hoftheater vom 6. bis 11.5.1912 dem Tagebuch zufolge am 10.5.1912 („Mittagessen bei Putlitz“) getroffen. und den Intendanten von BraunschweigIntendant des Herzoglichen Hoftheaters in Braunschweig war Egbert von Frankenberg und Ludwigsdorf [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 334].. Erwartet wirdWedekind nennt: Paul Lindau, Oberregisseur und Dramaturg an den Königlichen Schauspielen in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 274], den berühmten Schauspieler Siegwart Friedmann, Otto Beck, Direktor des Stadttheaters in Bonn, wo „Hofrat Otto Beck“ [Neuer Theater-Almanach 1913, S. 332] auch die Oberregie führte, sowie Alex Otto, Regisseur und Schauspieler am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 453]. Das war nur ein kleiner Teil der zur Festvorstellung im Thalia-Theater geladenen Gäste, die auch beim anschließenden Festmahl zugegen waren – einen größeren Teil der rund 300 Gäste zählte Paul Schlenther namentlich auf [vgl. P. S.: Ein Hamburger Theaterfest. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 447, 2.9.1912, Montags-Ausgabe, S. (2-3)]. außerdem Lindau, Sigwart Friedmann, Hofrat Beck, Otto e.ct. Jeßner, die Frank WittSchreibversehen, statt: Frank-Witt. und ich machten darauf einen SpaziergangWedekind notierte am 31.8.1912: „Spaziergang mit Jeßner und Käthe Frank-Witt an der Alster“ [Tb], dem vorliegenden Brief zufolge am Alsterbassin, der Binnenalster (ein See, anschließend an die Außenalster). am Alsterbassin, wobei ich erfuhr daß die beiden quasi verschwägert wird sind indem Jeßner seit 8 Jahren mit der einen der drei Schwestern WittKäthe Franck-Witt (mit dem Schauspieler Anton Franck verheiratet), Schauspielerin am Thalia-Theater in Hamburg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 460], und ihre Schwestern Hermine Straßmann-Witt (seit 1891 verheiratet), Schauspielerin am Komödienhaus in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 297], und Lotte Witt (seit 1906 verheiratet), Hofschauspielerin am Burgtheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 659] – eine davon dem vorliegenden Brief zufolge die Lebensgefährtin von Leopold Jeßner. zusammenlebt. Jeßner und ich gingen darauf zu TischWedekind notierte am 31.8.1912: „Mittagbrod mit Jeßner.“ [Tb]. Dann kaufte ich mir einen sehr billigen RasieraparatSchreibversehen, statt: Rasierapparat. Wedekind notierte am 31.8.1912: „Kauf neuen Rasierapparat.“ [Tb], da ich meinen unbegreiflicher Weise zu Hause | vergessen habe und legte mich darauf nieder und habe jetzt eine Stunde geschlafen. Jetzt ist wieder blauer Himmel so daß ich hoffen kann, daß Ihr gleichfalls schönes Wetter habt und Du zu dem Ausflug nach Tutzing kommst.

Küsse die Kinder und grüße sie von mir und sei selber innigst umarmt und geküßt von Deinem getreuen
Frank.


Morgen AbendIm Deutschen Schauspielhaus in Hamburg wurde am 1.9.1912 um 20 Uhr „Hidalla“ gespielt (Regie: Carl Hagemann): „Deutsches Schauspielhaus. Sonntag, den 1. September 1912. [...] Abends 8 Uhr: Hidalla oder die Moral der Schönheit. Schauspiel in fünf Akten von Frank Wedekind. In Szene gesetzt von Carl Hagemann. Größere Pause nach dem 3. Aufzug. Anf. 8 Uhr. Ende gegen 10½ Uhr.“ [Neue Hamburger Zeitung, Jg. 17, Nr. 409, 31.8.1912, Abend-Ausgabe, S. (8)] Wedekind notierte am 1.9.1912 den Besuch der Vorstellung: „Hidalla im Deutschen Schauspielhaus. Dann mit Hagemann und seiner Gesellschaft.“ [Tb] ist Hidalla. Von Barnowsky habe ich noch nichts gesehen, so und weiß daher nicht ob die Probe in BerlinWedekind hatte sich dem Tagebuch zufolge in München mit Victor Barnowsky, dem Direktor des Kleinen Theaters in Berlin, getroffen, um ein Gastspiel des Kleinen Theaters in Wien zu verabreden – am 10.8.1912 („Barnowsky kommt wir verabreden Wiener Gastspiel“) und am 14.8.1912 („T.St. mit Barnowsky“); das Gastspiel kam nicht zustande, um welches Stück es ging, für das eine Probe in Berlin in Aussicht genommen wurde, ist unklar. Wedekind hat den Direktor in Hamburg dann noch getroffen – Victor Barnowsky kam zur Festvorstellung zur Eröffnung des neuen Thalia-Theaters (siehe oben) am 31.8.1912 nach Hamburg, einer der prominenten Theaterdirektoren, die nach der Festvorstellung auch an dem bis in die Morgenstunden dauernden Festmahl teilnahmen [vgl. P(aul) S(chlenther): Ein Hamburger Theaterfest. In: Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 447, 2.9.1912, Montags-Ausgabe, S. (2-3)]. stattfindet.

Tilly Wedekind schrieb am 31. August 1912 in München
an Frank Wedekind

Samstagder 31.8.1912. abends.


Geliebter, Vormittag regnete es u. wir giengen nicht fort. Ich wiederholte „Franziska“ u. nähte. Nachmittags probierte ich bei MückTilly Wedekind probierte bei dem Schneidermeister und „Theaterkostümeur“ [Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 434] Johann Nepomuk Mück (Hackenstraße 3) ihre Kostüme der Titelrolle in „Franziska“ (Uraufführung am 30.11.1912 in den Münchner Kammerspielen)., u. kaufte einen Trikot. Jetzt las ich „PanTilly Wedekind las Knut Hamsuns Roman „Pan. Aus Leutnant Glahns Papieren“ (1895), der in autorisierter deutscher Übersetzung aus dem Norwegischen von Maria von Horch im Albert Langen Verlag erschienen ist. von Hamsun in einem Zug durch, es hat mich sehr gefesselt. Aber nun kommt der Brief erst | morgen weg!

Heute ist also die Eröffnungdie Festvorstellung zur Eröffnung des Neubaus des Hamburger Thalia-Theaters am 31.8.1912, bei der Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ gespielt wurde [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.8.1912]. und Du wirst endlich wieder in angeregter Gesellschaft sein. In letzter Zeit war wirklich wenig los. Vielleicht bekomme ich morgen einen Brief von Dir. Gehst Du nach Berlin? Die Kinder senden Dir innigste Küsse! Als ich nach Tisch zur Kleinen kam sagte sie gleich „Papa“ sie dachte ich hole sie zu | Dir. Als ich Anna Pamela in ihrem Bettchen einen Gutenacht Kuss gab, sagte sie, ich soll Dich noch von ihr grüßen. Sie hatte auch vergessen, dass Du nicht da bist.

Also auf baldiges, frohes Wiedersehen!

Tausendmal innigst küsst Dich,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 2. September 1912 in Hamburg folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind
prinzregentenstrasze 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Hamburg [...]


komme morgenWedekind, der dem Tagebuch zufolge am 2.9.1912 in Hamburg abreiste („Nachmittag Hafenfahrt. Abendessen im Ratskeller. Rückfahrt nach München“), traf am 3.9.1912 um 10 Uhr vormittags in München ein und begann gleich mit seiner Frau die Titelrolle für die geplante „Franziska“-Uraufführung zu studieren („Ankunft in München. Mit Tilly Franziska studiert Abends zu Hause“). dienstag frueh etwa zehn uhr berlin keine probeWedekind hatte in Hamburg im Rahmen der Festvorstellung zur Eröffnung des neuen Thalia-Theaters am 31.8.1912 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.8.1912] mit Victor Barnowsky, dem Direktor des Kleinen Theaters in Berlin, gesprochen, mit dem er ein Gastspiel des Kleinen Theaters in Wien in Aussicht genommen hatte, das nicht zustande kam – eine Probe sich daher erübrigte. herzlichen dank fuer briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.8.1912 und 31.8.1912. nicht abholen innigst = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 19. Oktober 1912 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

ich muss Dich leider schon wieder um GeldWedekind hat im Kontobuch am 18.10.1912 „Tilly 100“ Mark und am 23.10.1912 nochmals „Tilly 100“ Mark notiert. bitten. Vorgestern habe ich 37 M. etliche Pf. für Gas u. Elektrisch bezahlt, u. Freitag, vorige Woche, bezahlte ich meinen neuen Rock, der | mit Stoff u. FaconSchreibversehen, statt: Façon; façon (frz.) = Form. 40 M. gekostet hat.

Wenn Du nicht mehr hast, genügen ja auch 10 – 20 M. u Würdest Du so gut sein, sie in das Couvert zu geben u. es in die Schreibtischmappe zu legen. Vielen Dank!

Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 4. November 1912 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

würdest Du so gut sein, mir in das Couvert etwas GeldWedekind hat am 4.11.1912 im Kontobuch „Tilly 200“ Mark notiert (zuvor dieselbe Summe am 27. und 29.10.1912, davor zuletzt am 23.10.1912 die Summe 100 Mark). zu geben u. es in Deine Schreibtischmappe zu legen? Ich vergaß wieder darum zu bitten, wollte Dich schon gestern bitten. Herzlichsten Dank u. Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 29. November 1912 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Tilly Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Zettel an Frank Wedekind vom 30.11.1912 aus München:]


[...] ich danke Dir tausendmal für Deinen lieben Gruß [...]

Tilly Wedekind schrieb am 30. November 1912 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Mein innigst geliebter Frank,

ich danke Dir tausendmal für Deinen lieben Grußnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.11.1912. – Wedekind, der am 29.11.1912 im Tagebuch von 12 bis 16 Uhr die Generalprobe für die Uraufführung von „Franziska“, in der seine Frau die Titelrolle spielte, und ein abendliches Beisammensein mit Artur Kutscher im Ratskeller notierte („Um 12 Generalprobe, dauert bis 4. [...] Mit Kutscher im RK“), dürfte ihr den schriftlichen Gruß spät abends hingelegt haben, so dass sie morgens mit dem vorliegenden Zettel darauf reagierte. den ich von ganzem Herzen erwiedere!

Ich gehe früh fort, weil ich mir das Haar waschen lasse u. meine | Perrücken(frz.) perruque; veraltet für: Perücke. ‒ Tilly Wedekind war dem Tagebuch zufolge zwar schon seit Tagen neben den Proben mit ihren Rollenkostümen für die Uraufführung von „Franziska“ (siehe unten) befasst, so am 22.11.1912 („Tilly mit Kostümen beschäftigt“), 23.11.1912 („Tilly hilft mir meine Kostüme probieren“), 27.11.1912 („Kostümprobe für Tilly“) und 28.11.1912 („Kostümprobe. Alles im Kostüm“), das Arrangieren ihrer Haare und der verschiedenen Perücken für ihre Rolle als Franziska dürfte mit Blick auf die Uraufführung am Abend des 30.11.1912 aber ganz zuletzt und also vermutlich am selben Tag stattgefunden haben. für Franziskafür die „Uraufführung von Franziska in den Münchner Kammerspielen“ [Tb] am 30.11.1912 (als geschlossene Vorstellung) unter der Regie von Eugen Robert mit Tilly Wedekind in der Titelrolle (und Frank Wedekind als Veit Kunz). richten lasse.

Sei innigst geküsst mein Geliebter
von Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 6. Dezember 1912 in München
an Frank Wedekind

Tilly Wedekind |

Geliebter Frank,

würdest Du mir etwas GeldWedekind hat am 6.12.1912 im Kontobuch „Tilly 100“ Mark notiert (davor 200 Mark am 1.12.1912, danach nochmals 200 Mark am 8.12.1912). geben, ich habe leider keines mehr, ich vergaß Dich zu bitten. Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 22. Dezember 1912 in München
an Frank Wedekind

Tilly Wedekind |

Lieber Frank, würdest Du mir bitte etwas GeldWedekind hat am 22.12.1912 „Tilly 100“ Mark notiert (davor 220 Mark am 13.12.1912 und 20 Mark am 19.12.1912, danach 200 Mark am 23.12.1912 und 100 Mark am 27.12.1912). geben, ich habe leider Gottes keines mehr. Vielen Dank!

Tilly Wedekind schrieb am 28. Dezember 1912 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Es tut mir furchtbar leid, dass diemöglicherweise Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin, und Carl Sternheim (siehe unten). Dich wieder in Aufregung versetzt haben!

Ich gieng sehr unruhigTilly Wedekind stand am Abend in den Münchner Kammerspielen in der Titelrolle in „Franziska“ (Uraufführung war am 30.11.1912) auf der Bühne [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 25, Nr. 661, 28.12.1912, General-Anzeiger, S. 2] und dürfte nach der Vorstellung – Victor Barnowsky und Carl Sternheim kamen in die Garderobe – nach Hause telefoniert haben, da sie in Sorge um ihre kranke Tochter Kadidja war. Frank Wedekind war nach dieser dreizehnten Vorstellung im Ratskeller und anschließend in der Torggelstube (mit Max Halbe, Erich Mühsam und Paul Schwaiger, der in der Inszenierung von „Franziska“ in den Münchner Kammerspielen den Polizeipräsidenten spielte). Er notierte am 28.12.1912: „Franziska 13. Barnowsky und Sternheim kommen in die Garderobe Nachher allein RK TSt mit Halbe Mühsam Schwaiger“ [Tb]. fort, da die Kleine etwas erhöhte Temperatur hatte, kein Fieber, aber fieberglänzende Augen u. keinen Appetit. Ich konnte nicht warten bis die Schwester den Einlauf machte, u. wollte mich daher durch telephonischen Anruf beruhi|gen. Ich denke zu diesem Zweck haben wir ein Telephon. Ich erinnere mich, dass Frau Roda Roda mal von der Torggelstube aus, auch in einem ähnlichen Fall nach Hause telephonierte. Es ist wirklich nicht meine Schuld, dass Du es erfahren hast. Aber es ist mir unmöglich, gleichzeitig die Sorge um die Kinder, u. die Sorge Du könntest darunter leiden, zu tragen.

Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 14. März 1913 in München
an Frank Wedekind

Freitagder 14.3.1913.. Mittag.


Geliebter,

da der Brief eingeschriebennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emil Gutmann an Wedekind, 13.3.1913. ‒ Die nachfolgende Formulierung zu dem Brief des Theateragenten Eugen Frankfurter („Auch von Frankfurter“) lässt vermuten, dass es sich um einen Brief des früher für Wedekind tätigen Theateragenten Emil Gutmann gehandelt haben dürfte, dessen Konzertbüro Emil Gutmann inzwischen seinen Sitz in Berlin hatte, der sich sehr für den Musiker Felix Weingartner einsetzte und Wedekind dafür gewonnen hat, das Komitee, das die Feier zum 50. Geburtstag Felix Weingartners am 2.6.1913 organisierte, zu unterstützen [vgl. Wedekind an Emil Gutmann, 8.3.1913]. Diese Angelegenheit dürfte der Gegenstand von Emil Gutmanns Einschreiben vom 13.3.1913 gewesen sein, zumal die Presse den Tag darauf meldete: „Schon hat man vernommen, daß sich die Verehrer Weingartners rüsten, seinen 50. Geburtstag [...] festlich zu begehen.“ [Das Alter unserer Musiker. In: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 123, 14.3.1913, Morgen-Ausgabe, S. 8] war, öffnete ich ihn. Auch von Frankfurter kam ein eingeschriebener Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Eugen Frankfurter an Wedekind, 13.3.1913., der nur den Gegen-VertragDer gegengezeichnete Vertrag für das von Eugen Frankfurter vermittelte Gastspiel in „Marquis von Keith“ und „Hidalla“ vom 14. bis 18.4.1913 im Alten Theater in Leipzig (Intendant der Städtischen Theater: Max Martersteig) ist verschollen. Grundlage für die Inszenierungen in Leipzig waren Regieexemplare der Stücke, die Wedekind am 20.3.1913 versandte: „Regieexemplare fertig gestellt und nach Leipzig geschickt.“ [Tb] von Leipzig mit Martersteigs | Unterschrift enthielt.

Sonst nichts Neues.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 2. Juni 1913 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

das Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Eugen Robert an Wedekind, 1.6.1913. Wedekind notierte am 1.6.1913: „Telegramm von Robert.“ [Tb] Das verschollene Telegramm dürfte sich auf das am Deutschen Volkstheater in Wien laufende Ensemblegastspiel der Münchner Kammerspiele (Direktion: Eugen Robert) bezogen haben, in dessen Rahmen auch Wedekinds „Franziska“ gespielt wurde (Vorstellungen am 7.6.1913, 9.6.1913 und 12.6.1913). Frank und Tilly Wedekind reisten am 3.6.1913 von München ab nach Wien, während Martha Newes mit den Kindern nach Lenzburg reiste. kam gestern um 11 Uhram 1.6.1913 um 23 Uhr.. Ich war etwas ängstlich u. öffnete es daher.

Ich geh jetzt dann zum Friseur u. mache paar Besorgungen. |

Von Mama habe ich einen sehr lieben BriefDer Brief von Emilie Wedekind an ihre Schwiegertochter Tilly Wedekind ist nicht überliefert. Er dürfte die Einladung enthalten haben, für die ihr Sohn sich bedankte [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 2.6.1913] – einverstanden damit, dass Martha Newes, die Schwester ihrer Schwiegertochter, mit den Enkelkindern nach Lenzburg kommt; deren Abreise von München erfolgte gleichzeitig mit der von Schwester und Schwager zum Gastspiel nach Wien (siehe oben) am 3.2.1913: „Martha bringt die Kinder nach Lenzburg Fahrt nach Wien.“ [Tb] bekommen, sie ist nicht beleidigt oder böse.

Also auf Wiedersehn
Mittags.
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 14. Juni 1913 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Telegramm.

[...]

frank wedekind
prinzregentenstr 50 3 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Lenzburg [...]


= gut angekommenWedekind hat am 14.6.1913 in München notiert: „Tilly fährt nach Lenzburg.“ [Tb] alles wohlauf und vergnuegt = innigst tilly.

Frank Wedekind schrieb am 14. Juni 1913 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Tilly Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 15.6.1913 aus Lenzburg:]


Vielen Dank für Nachsendung der Post u. Deine lieben Grüße.

Tilly Wedekind schrieb am 15. Juni 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 15.VI.13.


Geliebter Frank,

mein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.6.1913. wirst Du erhalten haben. Ich hab es leider etwas spät aufgegeben, in der ersten Wiedersehensfreude hatte ich’s vergessen u. dann kam gleich das Abendessen.

Ich hatte eine herrliche FahrtWedekind notiert am 14.6.1913 in München: „Tilly fährt nach Lenzburg.“ [Tb], besonders übern Bodensee, u. sie wurde mir gar nicht lang. Mit der Zeit bekommt man Übung im Reisen. | GroßmutterEmilie Wedekind als Großmutter von Pamela und Kadidja Wedekind. u. Anna Pamela waren an der Bahn, die Kleine schon im Bett aber noch auf. Beide Kinder sehen unberufen prächtig aus auch MamaEmilie Wedekind als Schwiegermutter von Tilly Wedekind. geht es sehr gut. Sie ist ganz glücklich mit den Kindern, ist mit Anna Pamela sehr zufrieden u. von der Kleinen entzückt. Nach dem Abendessen gieng ich mit Anna Pamela übern Schloßberg, es war ein herrlicher Abend. Dann plauderten Großmutter u. ich noch eine Weile, sie erzählte mir von Donald | u. von ihrem Tagebuch„Ein Tagebuch, wie es Tilly beschreibt, ist von Emilie Wedekind nicht überliefert, wohl aber ihre Jugenderinnerungen, die sie im Jahr 1912 zu schreiben begann.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 202] Wedekind notierte am 16.3.1912: „Meine Mutter erzählt die Geschichte ihrer ersten Ehe. Sie schreibt ihre Lebenserinnerungen.“ [Tb]. Sie macht jeden Tag AufzeichnungenAnspielung auf „Wedekinds Tagebücher [...], überliefert für die Jahre 1904-1918 [...], in welchen er – in der Regel knappe – Tagesnotizen eintrug.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 202], so wie Du.

Während sie rechnete las ich in dem/n/ GeschwisternTilly Wedekind las den im S. Fischer Verlag in Berlin erschienenen Roman „Geschwister“ (1903) des Münchner Schriftstellers Friedrich Huch, einem Vetter von Ricarda Huch. von Friedrich Huch, das Großmutter zu Weihnachten bekommen hat. Es scheint sehr hübsch zu sein. Dann giengen wir zu Bett, ich schlafe oben. Ich habe sehr gut geschlafen u. Vormittag ausgepackt. Vielen Dank für Nachsendung der Post u. Deine lieben Grüßenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.6.1913.. Ich hoffe, dass Du zu Hause | alles hast u. es Dir gut geht. Hast Du Bekannte gesehen?

Die Kinder schicken dem Papa viele Grüße u. Küsse. Großmutter grüßt herzlichst.

In innigster Liebe,
Deine Tilly


Martha ist schon nach Hause„Martha fuhr von Lenzburg über Innsbruck nach Graz zu ihren Eltern. Sie hatte beide Kinder am 3.6.1913 in die Obhut der Großmutter nach Lenzburg gebracht. Am selben Tag waren Frank und Tilly zu einem ‚Franziska‘-Gastspiel nach Wien abgereist“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 203]..

Tilly Wedekind schrieb am 16. Juni 1913 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Herrn
Frank Wedekind
München
Prinzregentenstr. 50 III.


Schweizer. Landesausstellung
15. Mai  1914   15. Okt.
BERN
Exposition Nationale Suisse
Esposizione Nationale Svizzera


Lenzburg, 16.VI.13. Mein lieber Frank, gestern nach dem Caffée gieng ich mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] u. den beiden Kindern zum | Römersteineiner der sagenumwobenen „Granit-Findlinge“ im Wald „zwischen Lenzburg und Othmarsingen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 180] auf kleinen Umwegen, es war ein sehr schöner Spaziergang. Abends aßen wir im Freien u. giengen nachher mit Mama zum Kirchhof. Herrliche Abendstimmung ringsumher! Dann saßen wir noch mit Pfarrersmit der „Lenzburger Pfarrersfamilie Burkhardt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 203]. Wedekind notierte dann am 14.7.1913 in Lenzburg seinen „Spaziergang mit Pfarrer Burkhardt“ [Tb]. zusammen. Heut Vormittag laßSchreibversehen, statt: las. ich, Nachmittags war ich mit Anna Pamela baden. Sie war sehr tapfer u. fand es herrlich! Wie geht es Dir? Wie weit bist Du mit dictierenWedekind diktierte den 2. Akt von „Simson“ [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.6.1913]. u. wann meinst Du, dass Du reisen„Wedekind plante eine Reise nach Rom, die er am Abend des 19.6.1913 antrat.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 203] kannst? Grüße von allen. Innigst,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 17. Juni 1913 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

Heute Früh erhielt ich Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.6.1913. und Deine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.6.1913. zu gleicher Zeit. Herzlichen Dank dafür. Ich habe Samstag und gestern Nachmittag diktiert und werde heute noch diktierenWedekind diktierte dem Tagebuch zufolge am 14.6.1913 („Diktiere 2. Akt Simson“), 16.6.1913 („Diktiere Simson II.“) und 17.6.1913 („Diktiere Simson II fertig“) den 2. Akt von „Simson“ [vgl. KSA 7/II, S. 1266] und zwar „in einem Münchner Schreibbüro“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 203]; das war „Cito“ Büro für Schreibmaschinenarbeiten (Ludwigstraße 27, 3. Stock), Inhaberin: Amalie Mohr [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 93], mit dem Wedekind schon früher zusammengearbeitet hatte [vgl. Tb 19.1.1910, 14.4.1910].. Die Abende war ich allein und arbeitete an WettersteinWedekind bearbeitete sein Schauspiel „Schloß Wetterstein“ für den Abdruck in Band 6 der „Gesammelten Werke“ im Georg Müller Verlag, wobei im „Mittelpunkt die Umarbeitung des III. Aktes in Versform steht.“ [KSA 7/II, S. 658] Er notierte die Arbeit an seinem Stück am 15.6.1913 sowie am 17. und 18.6.1913: „Wetterstein gearbeitet.“ [Tb] außer gestern AbendWedekind notierte am 16.6.1913: „Krokodil.“ [Tb] Artur Kutscher, Karl Henckell und Hubert Wilm haben 1911 die Stammtischrunde „das ‚Junge Krokodil‘“ gegründet, „eine harmlose Gelegenheit zu regelmäßigen, ungezwungenen Zusammenkünften mit Gleichgesinnten“; man traf sich im Münchner Ratskeller, „dienstags, später montags“ [Kutscher 1960, S. 67f.]. Dem vorliegenden Brief zufolge war Wedekind in dieser Stammtischrunde mit Artur Kutscher, Karl Henckell, Ludwig Streit und Max Oppenheimer zusammen., wo ich mit Kutscher Henckel Streit und OppenheimSchreibversehen, statt: Oppenheimer. Wedekind notierte am 17.6.1913: „Werde von Oppenheim gezeichnet“ [Tb] – gemeint war der Maler und Zeichner Max Oppenheimer (Mopp), der Wedekind porträtiert hat. im Krokodil war. Es freut mich sehr daß es Euch gut geht. Lenzburg wird Dir jetzt wohl etwas einsam erscheinen aber mir ist es auch durchaus nicht | um Gesellschaft zu thun. Ich hoffe, morgen Abend spätestens Übermorgen reisenWedekind reiste am 19.6.1913 abends von München ab nach Rom und notierte in Vorbereitung dieser Reise am 16.6.1913: „Hole Paßkarte auf der Polizei“ [Tb]. zu können und fahre voraussichtlich direkt nach Rom durch. An Barnowsky schrieb ich gesternnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Victor Barnowsky, 16.6.1913., seinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Victor Barnowsky an Wedekind, 15.6.1913. leg ich hier bei, vielleicht sendest Du ihn Deiner SchwesterDie junge Schauspielerin Martha Newes dürfte Interesse an einem Engagement in Berlin gehabt haben – vermutlich Gegenstand der genannten Korrespondenz Wedekinds mit Victor Barnowsky (siehe oben), noch Direktor des Kleinen Theaters in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 294], zum Beginn der neuen Spielzeit am 15.9.1913 dann Direktor des Berliner Lessingtheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 309].. Morgen oder übermorgen ist Hatwanys PremiereLudwig Hatvanys Schauspiel „Die Berühmten“ (1913 im Georg Müller Verlag erschienen) wurde am 18.6.1913 unter der Regie von František Zavřel („Franz Zavrel“) am Münchner Künstlertheater (Bühnenbild: Georg Fuchs) uraufgeführt; Tilla Durieux, die Gattin von Paul Cassirer (er dürfte im Publikum gesessen haben), spielte die weibliche Hauptrolle der Mathilde [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 306, 18.6.1913, General-Anzeiger, S. 2]. Wedekinds „Erdgeist“ spielt in diesem Stück als Lektüre der Hauptfigur eine Rolle: „Es ist wohl mehr als Zufall, daß sich unter den wenigen Büchern auf Mathildens Tisch ein Band Wedekind findet... In der Tat, es gibt seltsame Parallelen zwischen Mathilde und Lulu; auch zwischen Lucacs und Schön. Handelte es sich um Musik, so würde man vielleicht in Bezug auf manche Dialogketten sagen dürfen, es seien dies ungarische Variationen über ein Thema von Wedekind. Tilla Durieux’ Lulu hatte sich in Mathilde gewandelt.“ [Richard Elchinger: Die Berühmten. Schauspiel in drei Akten von L. Hatvany. Uraufführung im Künstlertheater am 18. Juni. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 309, 20.6.1913, Vorabendblatt, S. 1] da ich aber keine Lust habe mit Cassirer zusammenzutreffen, werde ich mich nicht darum kümmern. Leider habe ich hier noch sehr notwendige KorrekturenWedekind dürfte den 1. Akt seines Versdramas „Simson oder Scham und Eifersucht“ korrigiert haben; er notierte am 17.6.1913: „Beginne Simson I“ [Tb], am 18. und 19.6.1913 dann: „Diktiere Simson I“ [Tb]. zu erledigen, so daß meine Zeit sehr knapp ist. Walther | Laue schreibt mirvgl. Walter Laué an Wedekind, 12.6.1913. wegen eines Vortrages in Cöln und daß seine Frau schwer krank war, eine Operation durchgemacht hat und nun aber wieder gesund ist. Dem muß ich auch noch schreiben. An Lang, der am Sonntag seine Verlobung feierte habe ich in unser beider Namen telegraphiertnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank und Tilly Wedekind an Willy Lang, 15.6.1913.. Über die Züricher LuluvorstellungDie Premiere der Tragödie „Lulu“ am 11.6.1913 im Pfauentheater in Zürich unter der Regie von Alfred Reucker [vgl. KSA 3/II, S. 1293f.] mit Johanna Terwin vom Deutschen Theater in Berlin in der Titelrolle war in der Presse mit einer Spielzeit von 20 Uhr bis nach 23 Uhr angekündigt: „Pfauen-Theater (Schauspielbühne des Stadt-Theaters.) Mittwoch, 8 bis 11 Uhr: Erstes Gastspiel Johanna Terwin: Zum 1. Mal: Lulu / Tragödie von Frank Wedekind. (Erhöhte Preise.)“ [Grütlianer, Jg. 63, Nr. 134, 11.6.1913, S. (4)] Die Theaterkritik bemängelte die Zusammenführung von „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ zu einem Stück: „Ob nun das Zusammenschweißen der Stücke zu einem fünfaktigen Drama dem logischen Zusammenhang und der Einheit der Handlung förderlich war, ist zu bezweifeln.“ [Pfauentheater. Wedekind: Lulu (11. Juni). In: Züricher Wochen-Chronik, Nr. 26, 28.6.1912, S. 312] Das ging wohl auf ein Urteil von Hans Trog zurück: „Es ließe sich fragen, ob Wedekind mit der Zusammenschweißung von zwei dramatischen Schöpfungen [...] zu einem an einem Abend zu bewältigenden Drama künstlerisch einen glücklichen Griff getan hat.“ [T.: Pfauentheater. Lulu von Wedekind. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 134, Nr. 164, 15.6.1913, 1. Blatt, S. (1)] Gustav W. Eberlein in der Zeitschrift „Die Ähre“ sprach dagegen von einer „vorzüglichen Inszenierung“ [KSA 3/II, S. 1294]. habe ich noch gar nichts gehört, vielleicht schreibst Du mir noch was Du in Lenzburg darüber erfahren | hast. Kutscher erzählte mir, v/d/aß seine Freundin Dir in Wien Blumen geschicktTilly Wedekind hat während des „Franziska“-Gastspiels vom 6. bis 12.6.1913 am Deutschen Volkstheater in Wien Blumen von Artur Kutschers Geliebter Helly Steglich erhalten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913]. habe. Leider wußte ich gar nichts davon oder sollte ich es vollkommen vergessen haben?

Nun leb wohl, liebe Tilly. Grüße Mama und die Kinder herzlich und sei innigst gegrüßt
von Deinem
Frank.


17.6.13.

Tilly Wedekind schrieb am 17. Juni 1913 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Herrn
Frank Wedekind
München
Prinzregentenstr. 50 III.


Schweizer. Landesausstellung
15. Mai  1914   15. Okt.
BERN
Exposition Nationale Suisse
Esposizione Nationale Svizzera


Lenzburg, 17.VI.13.

Mein lieber Frank, gestern gieng ich nach dem Abendessen noch mit Anna Pamela übern Schloßberg u. war um | 9 Uhr21 Uhr. so müde, dass ich hätte können gleich zu Bett gehen. Doch las ich erst, während Mama rechnete, dann kamen wir ins Gespräch u. als wir aufhörten war’s ½12 Uhr. Heut Vormittag machte ich Besuch bei Frau Henckell, die aber für paar Tage fort ist, dann bei ihrer SchwiegertochterMargot Zeiler (geb. Münch), verheiratet mit Gustav Ferdinand Zeiler, dem Sohn aus erster Ehe von Emilie Henckell mit Gustav Zeiler.. Sie war sehr nett u. ich lud sie u. Fr. Henckell für Ende dieser oder Anfang nächster Woche zum Caffée ein. Anna Pamela u. ich waren wieder schwimmen, es gefällt ihr riesig, sie ist ein liebes Kind! Die Kleine hat im Sonnenwasser„an der Sonne gewärmtes Wasser für ein Kinderbad“ [Schweizerisches Idiotikon, Bd. 16, Sp. 1833]. gebadet, sie panschte lustig drin herum! Herzlichste Grüße v. Allen. Innigst, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 18. Juni 1913 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.6.1913.. Auf dem Reisebureau erfuhr ich gestern, daß Donnerstag Abend ein Zug nach Rom geht der am Freitag Abend um 9 Uhr schon dort ist. Diesen Zug werde ich benutzen. Ich habe dann die Möglichkeit Heute und Morgen die fertig ge|schriebenen beiden Akte von Simson noch vollständig zu diktierenWedekind diktierte dem Tagebuch zufolge am 18.6.1913 („Diktiere Simson I“) und 19.6.1913 („Diktiere Simson I fertig“) den 1. Akt von „Simson“ [vgl. KSA 7/II, S. 1266].. Der Köchin„die Köchin Isabella“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912]. werde ich das Geld zurückgeben, was sie ausgelegt hat. Wenn nicht noch eine wichtige Nachricht kommt schreibe ich Dir dann morgen nicht mehr, sondern bestelle heute schon die Post nach Lenzburg. Meinen gestrigen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.6.1913. wirst Du erhalten haben. Wenn ich noch Zeit finde | schicke ich Dir die RegiebücherErhalten ist als Abschrift ein 1912 oder später zu datierendes durchschossenes Exemplar eines Regiebuchs zu „König Nicolo“ mit Eintragungen von der Hand Tilly Wedekinds [vgl. KSA 4, S. 648], das bei den dann nach Lenzburg versandten Regiebüchern dabei gewesen sein dürfte; erhalten sind ferner aus dem Jahr 1909 ein Regiebuch zu „Die junge Welt“ [vgl. KSA 2, S. 760f.] und aus dem Jahr 1910 ein Regiebuch zu „Der Liebestrank“ [vgl. KSA 2, S. 1114f.], außerdem ein Regiebuch zu „Der Marquis von Keith“ von 1909 [vgl. KSA 4, S. 559], das aber mit Sicherheit nicht nach Lenzburg geschickt wurde [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1913]., die Du begonnen hast. GesternWedekind notierte am 18.6.1913: „HB und TSt. an Wetterstein gearbeitet“ [Tb], im Hofbräuhaus und in der Torggelstube, nicht im Ratskeller. war ich mit niemandem zusammen, ich sehne mich jetzt auch nur so rasch als möglich fortzukommen. Ich saß im Ratskeller und schrieb an Wetterstein. Hoffentlich langweilst Du Dich nicht zu sehr. Grüße Mama und die Kinder herzlich von mir

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank


18.6.13.

Tilly Wedekind schrieb am 18. Juni 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 18.VI.13.


Mein lieber Frank,

herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.6.1913. u. hoffentlich hast Du Deine ArbeitenWedekind war mit dem Diktat des 1. und 2. Akts von „Simson“ und mit der Umarbeitung von „Schloß Wetterstein“ beschäftigt. in München bald soweit, dass Du reisen kannst. Wenn es von Deiner neuen Arbeit mehrere Abschriften giebt, würde ich mich natürlich sehr freuen eine zu bekommen. Hoffentlich macht Dir auch die Hitze in Italien nichts, Mama meinte bei sehr großer Hitze sei es doch gefährlich. | Vielen Dank auch für Barnowsky’s Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Victor Barnowsky an Wedekind, 15.6.1913., ich werde ihn Martha weitersenden, wollte Dich schon darum bitten.

Sehr leid tut es mir, dass ich nicht wusste dass es die Freundin Kutschers war, die mir die Blumen schickte. Wie ich damals den Tag nach Franziska mit MamaMathilde Newes war vom 6. bis 10.6.1913 in Wien [vgl. Tb]; sie war zum „Franziska“-Gastspiel am Deutschen Volkstheater in Wien „aus Graz angereist.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 206] zu Franzi nicht identifiziert.hinausfuhr, fuhren wir doch am Volkstheater vorbei um die Post abzuholen. Da war auch ein Rosensträußchen mit einem | Brief, unterzeichnet „Helly Steglich“. Ich wusste nicht mehr, dass das die Freundin Kutschers ist. Und da wir doch hinausfuhren, gab ich die Blumen Franzi. Den Brief habe ich nochDer Brief von Helly Steglich an Tilly Wedekind ist nicht überliefert. u. werde ihr von hier aus antworten u. mich entschuldigen.

Frau Laue werde ich auch schreiben. In der Lenzburger Zeitung war diese NotizDie Notiz aus der „Lenzburger Zeitung“ über die „Lulu“-Inszenierung am 11.6.1913 im Pfauentheater in Zürich [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.6.1913] liegt dem Brief nicht mehr bei., die ich beilege. Mama hat sich sehr darüber gefreut! Nach unserm gestrigen Abendspa|ziergang gieng ich bald schlafen, da ich sehr müde war. Heute waren wir den ganzen Tag im Garten. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] bügelte u. ich blieb bei den Kindern. Wir badeten Beide im Sonnenwasser„an der Sonne gewärmtes Wasser für ein Kinderbad“ [Schweizerisches Idiotikon, Bd. 16, Sp. 1833]., was ihnen großes Vergnügen machte. Ich will nur jeden 2. Tag schwimmen gehen, jeden Tag strengt mich offenbar zu sehr an. Huch’s „Geschwister“ hab ich fertig gelesen. Sehr nett, etwas weltfremd. Jetzt lese ich ein Stück von Fr. Dr. PariserTilly Wedekind las Erna Parisers Manuskript „Leda“, ein Künstlerdrama aus der Zeit der Renaissance, das sie im Jahr darauf ihrem Mann vorlas, wie dieser am 21.2.1914 notierte: „Tilly liest mir Leda von Erna Pariser vor.“ [Tb] Die Schriftstellerin (und ihr Mann Ludwig Pariser) war mit dem Ehepaar Frank und Tilly Wedekind befreundet. Ihr Drama „Leda. Ein Schauspiel in drei Bildern“ erschien unter ihrem Pseudonym Erna Ludwig erst 1915 (im Delphin-Verlag, München). Frank Wedekind hat das Stück ebenfalls vor der Drucklegung gelesen [vgl. Wedekind an Erna Pariser, 22.11.1914]. Das Buch enthält den Hinweis: „Das Manuskript wurde im Jahre 1910 beendet“ [Erna Ludwig (Erna Pariser): Leda. München 1915, S. (4)].. Ich fühle mich hier viel wohler als ich gedacht hatte u. viel wohler als voriges Jahr, wo ich mich doch so sehr hierher freute. Mit Mama verstehe ich mich sehr gut! Sie lässt Dich vielmals grüßen. Küsse von d. Kindern.

[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Herzlichst umarmt Dich, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 19. Juni 1913 in München folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz


Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Deinen lieben ausführlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913.. Ich bin eben im BeriffSchreibversehen, statt: Begriff. ins Hoftheaterrestaurant zu gehen um dort die Zeit bis zur AbfahrtWedekind notierte am 19.6.1913 vor der Abreise nach Rom seinen Besuch des Hoftheater-Restaurants (Residenzstraße 12): „Abends Künstlerhaus HT.R. Abfahrt nach Rom.“ [Tb] zu verbringen. Anfangs wollte ich Kutscher anrufen, aber da ich/er/ nicht gleich zu sprechen war, gab ich es auf, da mich Gesell|schaft sehr anstrengt. Der Köchin„die Köchin Isabella“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912]. hab ich noch 40 M gegeben, 8 M. Auslagen für mich und 18 M, die sie behauptet für Gardinen ausgegeben zu haben. In Rom habe ich mir ein Zimmer im Hotel de Russie bestellt, weiß aber natürlich nicht ob ich es bekomme. Sollte es/t/was wichtiges vorliegen, bitte ich immerhin, es dorthin zu schreiben. Die Regiebücher habe ich abgeschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1913. – Erhalten ist als Abschrift ein 1912 oder später zu datierendes durchschossenes Exemplar eines Regiebuchs zu „König Nicolo“ mit Eintragungen von der Hand Tilly Wedekinds [vgl. KSA 4, S. 648], das bei den nach Lenzburg versandten Regiebüchern dabei gewesen sein dürfte; erhalten sind ferner aus dem Jahr 1909 ein Regiebuch zu „Die junge Welt“ [vgl. KSA 2, S. 760f.] und aus dem Jahr 1910 ein Regiebuch zu „Der Liebestrank“ [vgl. KSA 2, S. 1114f.], außerdem ein Regiebuch zu „Der Marquis von Keith“ von 1909 [vgl. KSA 4, S. 559], das aber mit Sicherheit nicht nach Lenzburg geschickt wurde [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1913]., aber das Manuskript I und II Aktder 1. und 2. Akt von „Simson“ [vgl. KSA 7/II, S. 1266], die beiden bereits geschriebenen Akte seines neuen Stücks, die er in München diktierte., mag ich noch nicht hergeben, da es noch zu unfertig ist. Du kannst es lesen sobald ich in Lenzburg bin. Nun lebwohl. Grüße Mama und die Kinder herzlich. Mit innigem Kuß Dein Frank

Frank Wedekind schrieb am 19. Juni 1913 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Tilly Wedekind

[Hinweis in Frank Wedekinds Postkarte an Tilly Wedekind vom 19.6.1913 aus München:]


Die Regiebücher habe ich abgeschickt [...]

Tilly Wedekind schrieb am 20. Juni 1913 in Lenzburg
an Frank Wedekind

Lenzburg, 20.VI.13. Geliebter Frank,

ich schicke diese KärtchenDer vorliegende Brief ist auf Briefkarten geschrieben. auf gut Glück ans Hotel de RussieWedekind hatte seiner Frau das Grand Hotel de Russie als seine Adresse in Rom angegeben [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1913]. damit Du nicht zu lange ohne Nachricht bist. Gestern Mittag fing es an zu regnen u. regnete dann mit mehreren Pausen in Strömen. Wir saßen in der Laube die Kinder spielten, ich las in einem Manuscript von Fr. Dr. Pariser. Nach dem Caffée giengen wir auch spazieren, | nach dem Abendessen nochmals. Doch kamen wir da ordentlich in den Regen. Jetzt hab’ ich schon das 2. BuchDas zweite Buch, das Tilly Wedekind von Erna Pariser las, war das Manuskript ihres Schauspiels „Leda“ [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913], das erst 1915 unter ihrem Pseudonym Erna Ludwig im Münchner Delphin-Verlag gedruckt vorlag; das erste Buch dürfte ihr Lyrikband „Gedichte“ gewesen sein, der 1908 im Verlag R. Piper und Co. in München erschienen ist, ebenfalls unter dem Pseudonym Erna Ludwig. von Fr. Dr. Pariser gelesen, das 2. gefiel mir besser, doch ist es ziemlich unbeholfen in äusserlichen Dingen. Auch die Handlung ist oft etwas gewaltsam. Für die RegiebücherErhalten ist als Abschrift ein 1912 oder später zu datierendes durchschossenes Exemplar eines Regiebuchs zu „König Nicolo“ mit Eintragungen von der Hand Tilly Wedekinds [vgl. KSA 4, S. 648], das bei den nach Lenzburg versandten Regiebüchern dabei gewesen sein dürfte; erhalten sind ferner aus dem Jahr 1909 ein Regiebuch zu „Die junge Welt“ [vgl. KSA 2, S. 760f.] und aus dem Jahr 1910 ein Regiebuch zu „Der Liebestrank“ [vgl. KSA 2, S. 1114f.], außerdem ein Regiebuch zu „Der Marquis von Keith“ von 1909 [vgl. KSA 4, S. 559], das aber mit Sicherheit nicht nach Lenzburg geschickt wurde [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1913]. vielen Dank. Auch für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.6.1913 (Postkarte)., die Du mir noch vor der Abreise schicktest. Hoffentlich hast Du eine gute Fahrt gehabt. |

II.
Von der Köchin„die Köchin Isabella“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912]. werde ich mir in München natürlich die Rechnungen vorlegen lassen. Es kann schon sein dass der Stoff für den Vorhang 18 M. gekostet hat. Ich glaube Du hast damals in Berlin für Anfertigung des Vorhang’s 45 oder 75 M. gezahlt. Ich fand es noch furchtbar viel. Nähen müssen sie ja den Vorhang selbst.

Übrigens was ich in dem Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913. zu schrei|ben vergaß. Ich wollte Dir erzählen dass mir eine Dame Blumen geschickt hat in Wien, dachte paarmal daran u. wollte Dir den Brief zeigenDer Brief von Helly Steglich an Tilly Wedekind ist nicht überliefert.. Immer vergaß ich es wieder.

Heute waren wir noch nicht draußen weil es immer noch regnet, wollen es aber doch noch versuchen. Von Mama herzlichste Grüße, Du sollst Dich nur vor der Malaria„eine in sumpfigen Gegenden namentlich warmer und tropischer Länder häufige Krankheit, [...] die [...] durch den Stich von Mücken (Moskitos) [...] auf Menschen übertragen wird. [...] Die jungen Stechmücken stechen, wenigstens in Italien, den Menschen zuerst in der zweiten Hälfte des Juni, und gegen Ende Juni kommen dort die ersten Malariainfektionen zur Beobachtung, deren Zahl im Juli und August bedeutend wächst.“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. Bd. 13. Leipzig 1908, S. 160] in Acht nehmen. Viele Küsse von den Kindern. Innigen Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 21. Juni 1913 in Rom folgenden Brief
an Tilly Wedekind

GRAND HOTEL DE RUSSIE
ROME


Geliebteste Tilly!

Seit gestern Abend bin ich hier. Die Fahrt war herrlichWedekind, der am 19.6.1913 abends mit dem Zug nach Rom von München abgefahren ist, notierte am 20.6.1913: „Herrliche Fahrt.“ [Tb] aber sehr heiß. Ich war für die Strecke München Rom thatsächlich der einzige Passagier im ganzen Zug. Von Fl/M/antua bis Florenz fuhr noch ein Ehepaar mit. Die Schönheit der italienischen Landschaft übertraf weit meine Vorstellung davon. Dabei schrieb ich ununterbrochen an der letzten Szcene Wettersteinin „Schloß Wetterstein“ (1914) die Schlussszene III/8 [vgl. KSA 7/I, S. 225f.], die auf Ringbuchblättern vorgenommene Umarbeitung in Verse [vgl. KSA 7/II, S. 693] für den Abdruck in Band 6 der „Gesammelten Werke“ (1914) im Georg Müller Verlag [vgl. KSA 7/II, S. 658].. | Diesen Morgen ging ich zuerst den Fluß entlangden Tiber entlang, an dem die Engelsburg liegt. an der Engelsburg vorbei in die Peters kircheWedekind notierte am 21.6.1913 seine Besichtigung des Petersdoms: „Peterskirche.“ [Tb]. Dann bis zu den Ruinenzum Forum Romanum, das 1871 bis 1905 archäologisch neu erschlossen worden ist. und auf den Monte Palatinoder Palatin, einer der sieben Hügel Roms, der Sage nach Gründungsort der Stadt.. Jetzt werd ich mich etwas zu Ruhe legen.

Ich hoffe, daß es Euch allen gut geht. Wenn Du Geld brauchst dann schreib es bitte rechtzeitig da ich es von München aus schicken lassen muß. Wie lang ich hier bleibe wird vor allem davon abhängen, wie ich die Hitze vertrage die | hier herrscht. Bis jetzt scheint sie mir sehr wohlthuend. Grüße Mama und die Kinder. Mit innigstem Kuß an Dich, geliebte, Tilly, Dein
treuer
Frank.


21.6.13.

Tilly Wedekind schrieb am 22. Juni 1913 in Lenzburg
an Frank Wedekind

22.VI.13.


Geliebter Frank,

ich dachte ich könnte die beiden Briefe mit dem Strafporto weitersenden, das geht aber nicht. Daher öffnete ich sie. Der eine war nur die Bestätigung der Deutschen Banknicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Deutsche Bank Filiale München an Wedekind, 20.6.1913. die ich also nicht schicke, aber natürlich aufhebe. Ich dachte | erst, es sei der Drei Masken Verlag. Den andernnicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 20.6.1913. – Der Absender geht aus einer späteren Bemerkung Tilly Wedekinds hervor [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.6.1913]. schicke ich Dir hiermit ein.

Herzlichste Grüße,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 22. Juni 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 22.VI.13.


Geliebter Frank,

nachdem ich noch keine andere Adresse habe, sende ich diesden vorliegenden Brief. u. 2 andere Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Georg Müller an Wedekind, 21.6.1913 (sowie ein weiterer nicht überlieferter Brief eines unbekannten Absenders). Der Absender Georg Müller geht aus einer späteren Bemerkung Tilly Wedekinds hervor [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.6.1913]. u. 1 Kartenicht überliefert (Absender nicht zu erschließen). an das Hotel de Russie. Freitag abends studierten Mama u. ich die KartenLandkarten, um Wedekinds Reise von München über Mantua und Florenz nach Rom nachzuvollziehen. um den Weg zu verfolgen, den Du genommen haben könntest. Nach dem Caffée hatte ich mit den Kindern u. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] einen Spaziergang nach Niederlenzetwa 2 Kilometer nördlich von Lenzburg gelegene Gemeinde. gemacht, | obwohl es regnete, aber wir waren gut angezogen. Abends schrieb ich MarthaDer Brief Tilly Wedekinds an ihre Schwester Martha Newes ist nicht überliefert. schickte ihr den Brief von Barnowskynicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Victor Barnowsky an Wedekind, 15.6.1913. u. gab ihr gute Ratschläge. Dann gieng ich zu WüterichSchreibversehen, statt: Wüthrich (gemeint ist die Konditorei H. Wüthrich in Lenzburg). um Kuchen und Eis zu bestellen, da für Samstag Frau Henckell u. Frau ZeilerMargot Zeiler (geb. Münch), verheiratet mit Gustav Ferdinand Zeiler, dem Sohn aus erster Ehe von Emilie Henckell mit Gustav Zeiler. ihren Cafféebesuch bei uns zugesagt hatten. Gestern Vormittag machte ich das Regiebuchwohl das Regiebuch zu „König Nicolo“ mit Eintragungen von der Hand Tilly Wedekinds [vgl. KSA 4, S. 648], eines der Regiebücher, die ihr Mann ihr geschickt hat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind. München, 19.6.1913]. fertig, schade dass nicht noch mehr da sind, hattest Du nicht „Marquis v. Keith“ auch schon eingerichtet? Nachmittags machten wir uns alle schön, es wurde schön gedeckt, Mama brachte viele | Rosen aus ihrem Garten. Frau Henckell brachte für die Kleine ein herziges Kleidchen mit, dassSchreibversehen, statt: das. sie ihr schon bevor ich hier war anprobiert hatte. Die Kinder waren beide so lieb u. gefielen den Damen sehr! Es war ein sehr netter Nachmittag. Sie erzählten viel von ihren amerikanischen VerwandtenKarl Wilhelm Henckell, ein Bruder von Gustav und Karl Henckell sowie Schwager von Emilie Henckell, „wanderte mit 20 Jahren nach Amerika aus und wurde dort Tierarzt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 209]., dann sprachen wir auch von Hauptmann u. seinem FestspielWedekind hatte Gerhart Hauptmann zu seinem „Festspiel in deutschen Reimen“ (1913), ein Auftragswerk zur Hundertjahrfeier der Befreiungskriege, das am 31.5.1913 in der Jahrhunderthalle in Breslau uraufgeführt und nach elf von geplanten fünfzehn Vorstellungen am 18.6.1913 wieder abgesetzt wurde, telegrafisch gratuliert [vgl. Wedekind an Gerhart Hauptmann, 3.6.1913]., auch von unsern Gastspielenzuletzt das „Franziska“ -Gastspiel vom 6. bis 12.6.1913 am Deutschen Volkstheater in Wien.. Abends badete ich. Leider regnet es immer noch. Wir langweilen uns absolut nicht, aber freilich ist es im Garten doch viel schöner! Hoffentlich hast Du gutes Wetter! | Ich bin schon sehr gespannt was Du schreiben wirst, was Du alles gesehen hast u. was Du für Eindrücke hast.

Nun lebwohl! Von Mama herzliche Grüße, Küsse von den Kindern.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 23. Juni 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 23.VI.13.


Geliebter Frank,

herzlichen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.6.1913.! Ich freue mich sehr, dass es Dir so gut gefällt und ich kann mir denken wie glücklich Du Dich in all der Schönheit fühlst!

Wir haben Gottlob auch wieder schönes Wetter. Gestern Nachmittag gieng ich mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] und den Kindern spazieren, abends giengen Großmutter, Anna Pamela u. ich noch zu den Buchen. |

Abends las ich noch ziemlich lang in einem Manuscript von Fr. Dr. PariserEin Buch von Erna Pariser über Leonardo da Vinci – eine Biografie oder ein Roman – ist gedruckt nicht nachzuweisen. Ihr von Tilly Wedekind ebenfalls im Manuskript gelesenes Drama „Leda“ (1915) [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913 und 20.6.1913], erschienen unter ihrem Pseudonym Erna Ludwig, hat Leonardo da Vinci als männliche Hauptfigur. und gieng als Letzte schlafen. Dieses letzte Buch gefiel mir wirklich gut, es ist spannend u. hat eine sehr hübsche Sprache. Es handelt von Leonardo da Vinci, seinen Werken und seinen wissenschaftlichen U/F/orschungen. Wie weit die Handlung auf Tatsachen beruht kann ich natürlich nicht beurteilen. Vielleicht hat Mama ein Conv. Lexikon.

Uns geht es allen ausgezeichnet; von Martha bekomme ich noch die Hälfte des Geldes„Tilly bezieht sich auf das Fahrgeld für ihre Schwester Martha, welche die beiden Kinder Anna Pamela und Fanny Kadidja am 3.6.1913 mit dem Zug von München zu ihrer Großmutter nach Lenzburg gebracht hatte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 210]; Martha Newes fuhr dann von Lenzburg über Innsbruck nach Graz zu ihren Eltern., also über 50 Frs. zurück. | Sie hat mir die genaue Abrechnung geschickt und hat natürlich ihre Rückreise nur bis Innsbruck mitgerechnet. Mama hat vorläufig auch noch Geld. Aber vielleicht könntest Du bis zum 1. Juli wieder etwas schicken, vielleicht 100 M. Dann sind die Kinder doch schon 4 Wochen u. ich 2 Wochen da. Erst dachte ich wir müssten, wenn Mieze kommt, fort. Ich hatte mit Mama die ganze Angelegenheit besprochen. Sie meinte, da eigentlich Mieze im UnrechtAnspielung auf einen Streit mit Erika Wedekind am 7.2.1913 in Dresden: „Mieze und Eva holen Tilly ab. Mittagessen bei Mieze. Krakel. Aus dem großen Garten telephoniere ich an Mieze. Treffe Tilly zu Hause.“ [Tb] Um was es ging, ist unklar. Wedekind notierte am 12.7.1913 in Lenzburg: „Versöhnung mit Mieze.“ [Tb] sei würde sie uns das viel weniger verzeihen können, | als wenn wir Unrecht hätten. Nun kam aber vorige Woche eine KarteDie wohl an ihre Großmutter Emilie Wedekind adressierte Postkarte von Eva Oschwald mit Grüßen ihrer Mutter Erika Wedekind ist nicht überliefert. von Eva wo sie schrieb, sie freue sich sehr uns zu sehen u. ihre Mama lässt alle grüßen. Großmutter fragte nochmals an und Mieze schreibtErika Wedekinds an ihre Mutter Emilie Wedekind adressiertes Schreiben sowie deren Anfrage sind nicht überliefert. heute auch, dass sie sich freut uns zu sehen. Sie kommt erst Samstagder 5.7.1913. über 8 Tage am 5. und hat am 6. hier ein Conz/c/ertam 6.7.1913 in Lenzburg, ein Wohltätigkeitskonzert: „Das von Frau Erika Wedekind, unter gefälliger Mitwirkung der Herren Cellisten Emil Braun und Joseph Schlageter (Basel), zugunsten der Kinderfürsorge veranstaltete Konzert am 6. Juli hatte einen großen Erfolg. Bei dichtbesetztem Saale erledigten die Sängerin und die zwei Basler Künstler ihr abwechslungsreiches Programm. Ueber das Konzert, das auch einen großen, finanziellen Erfolg zu verzeichnen hat, und in dem Frau Erika Wedekind ihre schönsten Weisen in vollendeter Kunst erklingen ließ, herrscht nur eine Stimme des Lobes. Herr Braun und Herr Schlageter gaben vorbildlich einige Konzertstücke wieder. Frau Wedekind und die beiden Herren haben sich für ihr selbstloses, gemeinnütziges Vorgehen den öffentlichen Dank verdient.“ [Ein Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 134, Nr. 187, 8.7.1913, 2. Abendblatt, S. (2)] Es handelte sich zugleich um ein Abschiedskonzert, wie die Presse meldete: „In einem Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg hat Erika Wedekind, die frühere Leuchte der Dresdener Hofoper, von der Oeffentlichkeit Abschied genommen. Sie gedenkt in Zukunft weder auf der Bühne noch in Konzerten mehr aufzutreten.“ [Erika Wedekinds Rücktritt. In: Oberländer Tagblatt, Jg. 37, Nr. 180, 5.8.1913, S. (1)]. Am 11. im/st/ dann glaub ich das Jugendfesttraditionelle jährliche Festveranstaltung in Lenzburg [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 181], die in diesem Jahr am 11.7.1913 (Freitag) stattfand.. Dann kommt auch noch Ännchen.

So ist das nun also in Ordnung und wir bleiben noch hier.

Anbei ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller an Wedekind, 21.6.1913. – Der Absender geht aus einer späteren Bemerkung Tilly Wedekinds hervor [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.6.1913]., das heute im Couvert nachgeschickt wurde.

Grüße u. Küsse von allen. In herzlicher Liebe,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 24. Juni 1913 in Rom folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Eden Hotel – Rome
Franz Nistelweck


Geliebteste Tilly!

Gestern Nachmittag bin ich umgezogenWedekind notierte am 23.6.1913 in Rom: „Ich ziehe ins Eden Hotel Via Ludovici 49.“ [Tb] da daßSchreibversehen, statt: das. Hotel Russie ganz außerhalb der Welt lag und sehr theuer war. Jetzt wohn ich Eden Hotel Via Ludovisi 49.

Am ersten TagWedekind notierte am 21.6.1913: „Besuch bei Dr. Hans Barth“ [Tb]. Dr. phil. Hans Barth lebte seit 1886 als Korrespondent des „Berliner Tagblatt“ in Rom (er war außerdem bekannt durch seine Reiseführer über Schankwirtschaften Roms). H/b/esuchte ich den Correspondenten des Berliner Tageblattes Dr. Hans Barth den ÜbersetzerAuf dem Titelblatt der deutschsprachigen Ausgabe des im Original italienischen Stücks „La cena delle beffe“ von Sem Benelli – „Das Mahl der Spötter. Dramatisches Gedicht in vier Aufzügen“, erschienen 1912 im Verlag von Julius Hoffmann in Stuttgart – ist vermerkt: „Deutsch von Hans Barth.“ von Sem Benelli Mahl der Spötter und verbrachte die ersten beiden AbendeWedekind notierte am 21.6.1913: „Abends mit Barth in Trastevere und Löwenbräu“ [Tb], am 22.6.1913: „Mit Barth und seiner Frau zu Abend gegessen. Nachher mit Barth im Löwenbräu.“ [Tb] mit ihm. Er war kurz vor uns in WienFrank und Tilly Wedekind waren vom 4. bis 13.6.1913 zu einem „Franziska“-Gastspiel (Premiere am 6.6.1913, weitere Vorstellungen am 9. und 12.6.1913) in Wien. gewesen und hatte mir am Tag | vorheram 3.6.1913, einen Tag vor der Ankunft Wedekinds in Wien (siehe oben). eine Italienische Zeitung mit einem Artikel zugeschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Barth an Wedekind, 3.6.1913.. Seine Frau ist aus Reutlingen und eine Bekannte von Frau Gustav HenckellEmilie Henckell (verwitwete Zeiler), Gattin von Gustav Henckell.. Morgen AbendWedekind notierte am 25.6.1913: „Bei Barths zum Abendessen. Nachher mit Barth im Löwenbräu.“ [Tb] bin ich bei ihnen eingeladen. Gestern AbendWedekind, der am 3. Akt seines Versdramas „Simson“ arbeitete [vgl. KSA 7/II, S. 1266], notierte am 23.6.1913: „Trastevere und Löwenbräu an Simson III gearbeitet.“ [Tb] war ich allein. Meine Arbeit geht gut. Man kann hier überall arbeiten, wo man sitzt und steht. Herzlichsten Dank für Deinen lieben Kartenbriefein auf zwei Briefkarten geschriebener Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.6.1913].. Es freut mich daß es Euch Allen gut geht. Im Hotel Russie wird ja vielleicht jetzt Post eingetroffen sein. Ich werde gleich nach Tisch nachsehen. Rom ist die schönste Stadt, die ich bis jetzt gesehen, aber lange nicht so interessant wie Paris. An Theater Zirkus Varieté ist gar nichts vorhanden. Die Hitze war mir | bis jetzt nicht lästig. Sobald man auf eine Höhe steigt hat man erfrischenden Wind um sich. Gestern und vorgestern war ich in den MuseenWedekind notierte am 23.6.1913 das „Museo Campidolio“ [Tb], das sind die an der Piazza del Campidoglio gelegenen Kapitolinischen Museen mit einer großen Sammlung an Kunstschätzen aus der Geschichte Roms. auf dem Kapitolder Kapitolinische Hügel, einer der sieben Hügel des antiken Rom.. Jetzt werde ich mir das Pantheonantiker Rundbau mit riesiger Kuppel, auf dem Marsfeld den antiken Göttern Roms erbaut, seit dem frühen Mittelalter als christliche Kirche genutzt. ansehen. Dr. Barth erzählteHans Barth erzählte von dem Schauspieler Gustav Waldau sowie von den langjährigen „Simplicissimus“-Redakteuren Ludwig Thoma (die Figur des Dr. Kilian in Wedekinds „Oaha“ ist nach ihm gestaltet) und Reinhold Geheeb, inzwischen Geschäftsführer des Albert Langen Verlags. viel von Waldau Dr. Thoma und Geheeb, die vor kurzem hier waren. Da er gleichzeitig mit mir in Zürich studiertWedekind studierte vom Sommersemester 1888 bis kurz nach dem Tod seines Vaters in Zürich Jura (Abgang von der Universität: 29.11.1888); Hans Barth war im Wintersemester 1880/81 und im Wintersemester 1883/84 an der Universität Zürich immatrikuliert, studierte romanische Philologie und wurde am 22.11.1884 in Zürich zum Dr. phil. promoviert (Abgang von der Universität: 24.11.1884) [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], hatte sein Studium also beendet, bevor Wedekind sein Studium aufnahm. hat haben wir eine Unmenge gemeinsamer Bekannten aus früherer Zeit. Natürlich sprachen wir auch viel über RobertEugen Robert war Mitte April 1913 als Direktor der Münchner Kammerspiele gekündigt worden. Er war aktuell in Wien: „Dr. Eugen Robert, einstweilen Direktor a.D. der Münchner Kammerspiele, gastiert jetzt mit einem Ensemble, das zum guten Teil der ihm so ungestüm entrissenen Bühne angehört, am Wiener Deutschen Volkstheater.“ [B-r: Wiener Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 297, 13.6.1913, Morgenblatt, S. 2] Bei diesem Gastspiel war auch „Franziska“ zur Aufführung gekommen (siehe oben), außerdem das von Hans Barth übersetzte Stück „Das Mahl der Spötter“ (siehe unten).. Sternheims Hose„Die Hose. Ein bürgerliches Lustspiel in 4 Akten“ von Carl Sternheim hatte bei dem „Münchener Ensemble-Gastspiel unter Leitung des Direktors Dr. Eugen Robert“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 47, Nr. 161, 14.6.1913, S. 25] am Deutschen Volkstheater in Wien am 14.6.1913 Premiere (fast täglich folgten bis zum 30.6.1914 weitere Vorstellungen). Die öffentliche Aufführung des Stücks war in München von der Zensurbehörde verboten; es gab lediglich am 20.10.1911 im Münchner Lustspielhaus (Direktion: Eugen Robert) eine geschlossene Vorstellung vor geladenen Gästen [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 480, 13.10.1911, Morgenblatt, S. 2], die Wedekind seinerzeit gesehen hat: „Abends ‚Die Hose‘ von Sternheim.“ [Tb] hat in Wien einen durchschlagenden | Erfolg gehabt sodaß Mahl der Spötter„Das Mahl der Spötter. Dramatisches Gedicht in vier Akten von Sem Benelli. Deutsch von Hans Barth“ hatte bei dem „Münchener Ensemble-Gastspiel unter Leitung des Direktors Dr. Eugen Robert“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 47, Nr. 148, 1.6.1913, S. 63] am Deutschen Volkstheater in Wien am 1.6.1913 Premiere (die deutsche Uraufführung; fast täglich folgten bis zum 11.6.1914 weitere Vorstellungen). Frank Wedekind hat das Stück am 4.6.1913 gesehen: „Abends allein in Mahl der Spötter.“ [Tb] Tilly Wedekind sah es am 7.6.1913: „Tilly mit ihrer Mutter und Bertl [...] in Mahl der Spötter.“ [Tb] nicht mehr gegeben wurde. Wir tranken mehrfach auf s/D/ein Wohl. Er hegt große Verehrung für Dich, kommt übrigens im August mit seiner Frau nach München.

Nun leb wohl, geliebteste Tilly. Laß es Dir gut gehn. Mit herzlichsten Grüßen an Mama und die Kinder
in innigster Liebe
Dein
Frank.


24.6.13

Tilly Wedekind schrieb am 24. Juni 1913 in Lenzburg
an Frank Wedekind

24.VI.13. Geliebter Frank, dieses Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller an Frank Wedekind. München, 23.6.1913. – Der Absender wurde vermutet [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 212], ist unsicher, aber möglich (ein zweites Telegramm nach dem Telegramm vom 21.6.1913, das ebenfalls nicht überliefert ist). kam heute per Post. Nun ist es so schon zu spät, darum sende ich es im Brief. Gestern war ich mit den Kindern u. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] auf Schloss Wildegg. Leider ist es nur Donnerstag u. Sonntag | zu sehen, vielleicht gehen wir noch mal. Es war ein herrlicher Spaziergang! Hoffe dass es Dir so gut geht wie uns
TILLY WEDEKIND
und bin mit innigstem Kuss,
Deine Tilly

Grüße u. Küsse von allen.

Tilly Wedekind schrieb am 25. Juni 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Lenzburg, 25.VI.13.


Geliebter Frank,

hoffentlich hast Du alle meine Briefe erhalten. Ich schrieb Freitagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.6.1913., Sonntagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1913 (eine Briefkarte und ein Brief)., Montagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.6.1913. u. gestern; gestern nur ein Kärtchenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.6.1913.. Ich habe Dir die beiden Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Georg Müller an Wedekind, 20.6.1913 und 21.6.1913. von Müller u. ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller an Wedekind, 21.6.1913 (oder 23.6.1913). von dem Schutzverband Deutscher Schrieftsteller nachgeschickt. (Das e war nur ein Versehen.) Heute schicke ich DirHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung des Zeitungsausschnitts (siehe unten); erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Barth an Wedekind, 3.6.1913. den AusschnittDer Zeitungsausschnitt aus einer italienischen Zeitung mit einem Artikel vermutlich über Wedekind ist nicht ermittelt. aus einer italienischen Zeitung, die über Wien, München hierher kam. Auch den Absenden/r/Hans Barth, Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ in Rom, der kürzlich in Wien war [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1913]., da es Dich jetzt, | wo Du dort bistin Rom. vielleicht interessiert. Du hast wohl sehr viel zu sehen, und wirst wenig Zeit haben zu schreiben. Hoffentlich ist das der Grund, dass heute keine Nachricht kam. Hoffentlich bist Du wohl u. verträgst die Hitze gut. Gestern hatte ich die Kinder zu versorgen, da AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] Wäsche hatten. Sie spielten sehr lustig miteinander. Heute haben wir Einiges besorgt. Anna Pamela geht gern allein in die Geschäfte u. kauft sehr gut ein. Wenn die Kleine sieht, dass wir fortgehen, will sie auch mit. |

Gestern waren wir alle zusammen am Wochenmarkt mit GroßmutterEmilie Wedekind ist im vorliegenden Brief wieder zugleich als „Großmutter“ und „Mama“ bezeichnet.. Ich habe auch immer zu schreiben oder zu nähen. Gestern fing ich das Leben Michelangelo’s“ von GrimmDie dreibändige Biografie „Leben Michelangelo’s“ von Herman Grimm erschien zuerst 1860 bis 1863 bei Carl Rümpler in Hannover und hatte zahlreiche Auflagen. an. Abends studierten Mama und ich im Convers. Lexikon, über Leonardo da Vinci u. Benvenuto Cellini. Als ich neulich das Buchdas Manuskript für ein Buch über Leonardo da Vinci von Erna Pariser [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.6.1913]. von Fr. Pariser las, verwechselte ich nämlich erst die Beiden. Gott sei Dank Mama hat es glaub ich nicht gemerkt.

Später werde ich auch vielleicht Frau Zweifel besuchen. Wir sind uns schon | paarmal begegnet. Frau Dr. Hämmerli u. Frl. SchlatterEmilie Schlatter, die an der Universität Genf Französisch und Englisch studiert hatte, dann zwei Jahre als Hauslehrerin in den USA tätig war, anschließend ihre Studien in Zürich fortsetzte und das aargauische Bezirkslehrerexamen in Deutsch, Französisch und Englisch mit Auszeichnung bestand, war seit 1905 Bezirkslehrerin in Lenzburg [vgl. Heinrich Geißberger: Fräulein Emilie Schlatter (1876-1959). Bezirkslehrerin in Lenzburg (1905-1937). In: Lenzburger Neujahrsblätter 32 (1961), S. 63-65]. waren auch Montag bei Mama, wir kamen grade von Wildegg zurück. Fr. Dr. Hämmerli sagte, ich soll mal mit den Kindern kommen.

Nun lebwohl geliebter Frank, ich hoffe, dass es Dir gut geht u. ich bald von Dir höre.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly


Viele Grüße von Mama u. den Kindern.

Tilly Wedekind schrieb am 26. Juni 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lenzburg, 26.VI.13.


Geliebter Frank,

gestern spät abends fand ich noch Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1913. im Briefkasten. Er muss mit der letzten Post gekommen sein. Ich danke Dir vielmals dafür! So hast Du also Herrn Barth längst kennengelernt. Ich freue mich sehr, dass Du so angenehme Gesellschaft gefunden hast. Ausserdem wird er Dich wo er doch dort lebt, wohl auf Vieles aufmerksam machen. | Ich freue mich ihn und seine Frau im August kennen zu lernen und lasse Beide bestens grüßen. Die Post aus Hotel de Russie wirst Du wohl noch abholen, ich habe also gestern Nachmittag den letzten Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.6.1913. hingeschickt.

Das Eden Hotel hat Dir wohl auch Dr. Barth empfohlen. Frau Henckell werde ich nach seiner Frau fragen.

Gestern Nachmittags gieng ich wirklich noch mit den Kindern u. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] zur jungen Frau Consul Zweifel. Sie freute sich sehr, dass | wir kamen. Ihr kleines Töchterchen hatte ein kleines Mädchen zu Besuch u. die 4 Kinder spielten sehr nett miteinander. Wir unterhielten uns sehr gut, es war wirklich sehr gemüthlich.

Mit Mama habe ich mich noch nie so gut verstanden, hoffentlich bleibt es so. Anna Pamela harkt mit ihr den Platz unter den Linden. Die Kleine schläft.

Nun lebwohl für heute. Mama u. die Kinder grüßen vielmals. Innigsten Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 26. Juni 1913 in Rom folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly, Herzlichsten Dank für Deine lieben Briefe vom 22 und 23vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1913 (eine Briefkarte und ein Brief) und 23.6.1913 (ein Brief). und die Nachsendung. Ich habe hier bis jetzt die letzte Szene Wetterstein umgearbeitetin „Schloß Wetterstein“ (1914) die Schlussszene III/8 [vgl. KSA 7/I, S. 225f.], die auf Ringbuchblättern vorgenommene Umarbeitung in Verse [vgl. KSA 7/II, S. 693] für den Abdruck in Band 6 der „Gesammelten Werke“ (1914) im Georg Müller Verlag [vgl. KSA 7/II, S. 658]., die, glaube ich, sehr gewonnen hat. Jetzt arbeite ich an Simson III AktWedekind, der am 3. Akt seines Versdramas „Simson“ arbeitete [vgl. KSA 7/II, S. 1266], notierte am 23.6.1913: „Trastevere und Löwenbräu an Simson III gearbeitet.“ [Tb]. Ich denke noch etwa 14 TageWedekind reiste am 11.7.1913 von Rom ab nach Lenzburg und notierte: „Abfahrt von Rom.“ [Tb] hier zu bleiben. Gestern AbendWedekind notierte am 25.6.1913: „Bei Barths zum Abendessen. Nachher mit Barth im Löwenbräu.“ [Tb] war ich bei Dr. Barth zum Abendessen. Er will durchaus Erdgeist ins ItalienischeEine italienische „Erdgeist“-Übersetzung durch Hans Barth wurde nicht realisiert. ÜbersetzenSchreibversehen, statt: übersetzen.. Das schönste was ich hier bis jetzt erlebt war der Spaziergang auf | den Ruinendas Forum Romanum, das 1871 bis 1905 archäologisch neu erschlossen worden ist. des Monte Palatinoder Palatin, einer der sieben Hügel Roms, der Sage nach Gründungsort der Stadt. Wedekind notierte am 24.6.1913: „Monte Palatino“ [Tb].. An Bekannten aus Deutschland ist offenbar niemand hier. Ich sehne mich auch nicht danach. Grüße Mama und die Kinder herzlichst und sei selber geküßt.

In innigster Liebe
Dein Frank


CARTOLINA POSTALE ITALIANA
(CARTE POSTALE D’ITALIE)


All Signora
Tilly Wedekind
Lenzburg
Ct Aargau Svizzera

Tilly Wedekind schrieb am 27. Juni 1913 in Lenzburg
an Frank Wedekind

Lenzburg, 27.VI.13.


Geliebter Frank, anbei 2 Briefenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Ida Orloff an Wedekind, 25.6.1913 – die Absenderin ist durch eine Bemerkung Wedekinds belegt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.6.1913] – sowie der Brief einer Filmgesellschaft (siehe unten). und KorrekturenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung von Korrekturbögen für einen der im Jahr 1913 erscheinenden Bände der „Gesammelten Werke“ (im Georg Müller Verlag); erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller Verlag an Wedekind, 26.6.1913.. Die KorekturenSchreibversehen, statt: Korrekturen. und den einen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Nordische Films Kompagnie an Wedekind, 25.6.1913. – Das Stichwort „Filmangelegenheit“ (siehe unten) gibt einen ersten Hinweis auf den unsicher erschlossenen Absender, eine Filmgesellschaft, bei der es sich um die Berliner Filiale der Nordisk Films Compagni (Kopenhagen) gehandelt haben dürfte: Nordische Films Kompagnie (Friedrichstraße 13), Geschäftsführer: Ole Andersen Olsen [vgl. Berliner Adreßbuch 1913, Teil I, S. 2214]. Dafür sprechen folgende Indizien: Wedekind hat im Sommer 1913 einen briefliche Anfrage nach „Verfilmung seiner Dramen“ [Kutscher 2, S. 109] erhalten (der hier erschlossene Brief), die er beantwortete (die Antwort ist ebenfalls verschollen): „Im August 1913 erklärte er einer namhaften Gesellschaft, er sei nicht geneigt, ein Werk verfilmen zu lassen.“ [Kutscher 2, S. 109] Eine namhafte Filmgesellschaft war die Nordisk Films Compagni, mit der er im Sommer des Vorjahrs in Verhandlungen stand, die nicht zu Ende geführt wurden (der nicht überlieferte Brief könnte hier angesetzt und das Verfilmungsangebot eines seiner Werke erneuert haben). Wedekind notierte am 17.8.1912 „Schröder kommt mit Kinokontrakt“ [Tb] und am 24.8.1912 „Unterredung mit Rosenthal wegen Schröders Kinematograph“ [Tb] (Wedekind ließ sich also von dem Rechtsanwalt Wilhelm Rosenthal beraten). Karl Ludwig Schröder „arbeitete als deutscher Dramaturg der dänischen Filmgesellschaft Nordisk“ [Stefan Keppler: „Bildersturm“. Gerhart Hauptmann und das Kino. In: Stefan Neuhaus (Hg.): Literatur im Film. Beispiele einer Medienbeziehung. Würzburg 2008, S. 78] und hat offenbar Wedekind nicht gewinnen können, dafür im Herbst 1912 Gerhart Hauptmann für die Verfilmung des Romans „Atlantis“ (1912), „der von der Nordischen Filmkompanie erworben worden ist.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 41, Nr. 572, 8.11.1912, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Schröder schrieb als Ko-Autor das Drehbuch, die weibliche Hauptrolle spielte Ida Orloff; sie schrieb Wedekind kurz vor Beginn der Dreharbeiten einen Brief (siehe oben), in dem dasjenige Thema gewesen sein könnte, was dann die Presse breit entfaltete – „daß die große dänische Filmfabrik von Ole Olsen [...] den Atlantis-Film herstellen wird“ und dies der „größte Film“ sein werde, den sie „bisher angenommen hat“ [Gerhart Hauptmanns Atlantis-Film. In: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 343, 25.7.1913, Morgen-Ausgabe, S. 6], auch, es liege die „Hauptrolle [...] in den Händen der Frau Orlow vom Wiener Burgtheater“ [Die Verfilmung von Hauptmanns „Atlantis“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 42, Nr. 389, 3.8.1913, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (2)]. Wedekind reagierte verschnupft auf ihren Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.6.1913]. öffnete ich, weil ich sah, dass es Geschäftsangelegenheiten sind. Sonst muss ich nämlich noch mehr Porto bezahlen. Wie Du über die FilmangelegenheitStichwort, das den Hinweis auf den Absender des einen der nicht überlieferten Briefe gibt (siehe oben), die beide der Briefkarte nicht mehr beiliegen. denkst, weiß ich nicht. Ich schrieb eine KarteTilly Wedekinds Postkarte an die Filmgesellschaft – die Nordische Films Kompagnie in Berlin, wie angenommen werden darf (siehe oben) – ist nicht überliefert., dass Du jetzt nicht in München | bist. Nun kannst Du ja immer noch antworten oder nicht.

Ich war gestern Nachmittag mit den beiden Kindern übern HornerDas Restaurant Horner, ein Gasthaus mit Bierbrauerei, Mosterei und Schnapsbrennerei in Hendschiken etwa 2 Kilometer östlich von Lenzburg gelegen, war als Ausflugsziel beliebt. hinaus und zurück. Die Kleine natürlich im Wagen. Abends pflückten wir alle Erdbeeren. Auch las ichTilly Wedekind setzte ihre am 24.6.1913 begonnene Lektüre der dreibändigen Biografie „Leben Michelangelo’s“ von Herman Grimm fort [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.6.1913]; Hans von Hoffensthals Roman „Lori Graff“ (1909), den ihre Schwester Martha Newes ihr zur Lektüre geschickt hat, lag ihr nun zusätzlich vor. im „Michelangelo“, es ist sehr interessant. Martha schickte mir „Lori Graff“ von Hoffensthal, das soll sehr schön sein. Hoffentlich geht es Dir weiter gut! Alle lassen Dich vielmals grüßen u. küssen. Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 28. Juni 1913 in Rom folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Eden Hôtel – Rome
SUCCURSAL: EDEN HOUSE – LUCERNE
Franz Nistelweck


Geliebteste Tilly!

Eben habe ich wegen des Geldes nach München geschriebenSchreiben nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Deutsche Bank Filiale München, 28.6.1913. Es kann also immerhin bis Mittwoch dauern bis es in Lenzburg ist. Aber gestern war ich so in meiner Arbeit daß es mir schmerzlich gewesen wäre mich dabei zu unterbrechen. Herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief vom 26.vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.6.1913. und die nachgeschickten Post. Die Orlow schreibt mir einen albernen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Ida Orloff an Wedekind, 25.6.1913. den ich vorderhand nicht beantworten werde. Sie könnte wohl den | richtigen Weg innehalten.

Für all Deine guten Nachrichten sag ich Dir herzlichsten Dank. Ich denke daß ich Mitte JuliWedekind reiste am 11.7.1913 von Rom ab nach Lenzburg und notierte: „Abfahrt von Rom.“ [Tb] nach Lenzburg komme und wir dann zusammen nach München fahren, wenn es Mama so recht ist. Was nun Mieze betrifft so weiß ich daß Du in dieser Sacheein Streit mit Erika Wedekind am 7.2.1913 in Dresden: „Mieze und Eva holen Tilly ab. Mittagessen bei Mieze. Krakel. Aus dem großen Garten telephoniere ich an Mieze. Treffe Tilly zu Hause.“ [Tb] Um was es ging, ist unklar. Wedekind notierte am 12.7.1913 in Lenzburg: „Versöhnung mit Mieze.“ [Tb] vorsichtig und taktvoll sein wirst. Von Recht- oder Unrechthaben kann natürlich keine Rede sein. Daß ich ihr nichts, gar nichts übelgenommen habe ich in Dresden am gleichen Tag schon bewiesen, indem ich sie vor der VorstellungGastspiel am 7.2.1913 um 20.30 Uhr im Gewerbehaus in Dresden auf Einladung des Vereins Dresdner Presse; aufgeführt wurde – mit Wedekinds Rezitation eines Prologs vorab [vgl. Frank Wedekind: Prolog. In: Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 38, 9.2.1913, 1. Ausgabe, S. 1; nicht in KSA; vgl. Dresdner Presseball. In: Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 38, 9.2.1913, 1. Ausgabe, S. 3] – das 3. Bild von „Franziska“ [vgl. KSA 7/I, S. 409-418] (Frank Wedekind als Veit Kunz, Tilly Wedekind in der Titelrolle) im Rahmen des Ballfestes des Vereins Dresdner Presse zum Fasching unter dem Titel „Eine Ehe im Jahre 2000“ [vgl. KSA 7/II, S. 1213] oder „Heirat im Jahre 2000“ bzw. „Eine Heirat im Jahre 2000“ [vgl. Dresdner Presseball. In: Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 24, 26.1.1913, 1. Ausgabe, S. 4; Dresdner Pressefest. In: Dresdener Nachrichten, Jg. 57, Nr. 11, 12.1.1913, S. (3)]. telephonisch und persönlich noch einmal zu sprechen suchte. Das bitte ich Mieze zu sagen, wenn die Rede auf die Sache kommen sollte. Ich halte es aber für richtig wenn du nicht davon anfängst. Was ich tat geschah nur im Interesse der Vorstellung. Ob es richtig war kann niemand andes/r/s beurtheilen, da er die Sachlage nicht kennt. |

Gestern Morgen war ich endlich in der Sixtinischen Kapelle, von deren Großartigkeit ich mir keine Vorstellung gemacht hatte. Sie ist so groß wie eine richtige Kirche. Die einzelnen Bilder müssen also etwa zehnmal größer sein als die KopienKopien der Originale von Deckenfresken Michelangelos aus der Sixtinischen Kapelle im Vatikan in der Münchner Schack-Galerie (Prinzregentenstraße 9), jener Gemäldegalerie, die gegenüber von Wedekinds Wohnung (Prinzregentenstraße 50) lag. in der Schackgalerie.

Seit einigen Tagen regnet es hier täglich, so daß man wirklich nicht über Hitze zu klagen hat. Ich habe sogar schon gefroren. Mit Dr. Barth bin ich seit zwei Tagen nicht zusammengewesen, heute Abend sollen wir uns wieder treffen. Seine Frau ist eine geborene Ida LombarderSchreibversehen, statt: Lamparter.. Sie bat mich Dir das zu schreiben für den Fall daß Frau Henckell im Unklaren sein sollte.

Daß es Euch Allen gut geht ist mir eine große Freude. Ich habe bis jetzt etwa den 10. Theil vom dritten AktWedekind arbeitete am 3. Akt seines Versdramas „Simson“ [vgl. KSA 7/II, S. 1266]. fertig. Das Meiste der Sehenswürdigkeiten Roms werde ich in den nächsten Tagen gesehen haben. Ich beeile mich natürlich | nicht. Für meine Zwecke kann ich mir Rom gar nicht besser wünschen. Wenn wir uns zusammen ein Vergnügen machen wollen, dann tun wir wohl besser daran nach Paris zu fahren. Das Pariser Leben ist ganz unvergleichlich interessanter.

Nun leb wohl, geliebteste Tilly. Grüße Mama und die Kinder herzlichst und sag Mama meinen Dank für ihre Liebe.

Mit innigstem Kuß Dein getreuer
Frank.


28.6.13.

Tilly Wedekind schrieb am 28. Juni 1913 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, vielen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.6.1913.! Mama sagt, die Ruinen des Monte Palatino waren für sie auch das Schönste. Ich freue mich, dass Du so gut arbeiten kannst, denn es ist mir ein Zeichen Deiner guten Stimmung. „Lori Graff“ habe ich bis zum 3. Theil gelesen, obwohl es ein dickes BuchDer Roman „Lori Graff“ (1909) von Hans von Hoffensthal hat in der Erstausgabe einen Umfang von 384 Seiten, ebenso in der 6. Auflage von 1910. ist. In einem Zug, es gefällt mir sehr! Unss geht es allen gut u. sind wir immer beschäftigt. Leider haben wir andauerndes Regenwetter, bis auf den Montag wo wir in Wildegg waren. Es scheint aber | überall in Deutschland so zu sein. Emma in ZürichEmma Wedekind (geb. Frey), Gattin von Frank Wedekinds Bruder Armin Wedekind, dem Arzt in Zürich. lud mich ein, ob ich nicht einen Tag kommen wolle, ich lehnte vorläufig ab, da ich nicht weiß ob es Dir recht wäre.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly


[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Grüße v. Allen.


Schweizer. Landesausstellung
15. Mai  1914   15. Okt.
BERN
Exposition Nationale Suisse
Esposizione Nationale Svizzera


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Herrn
Frank Wedekind
Eden Hotel
Rome.
Via Ludovisi 49

Tilly Wedekind schrieb am 29. Juni 1913 in Lenzburg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Eden Hotel.
Rome
Via Ludovisi 49


Sonntag, 29.VI.13. Geliebtester Frank, uns geht es wie immer gut, hoffe von Dir dasselbe! „Lori Graff“ habe ich fertig gelesen, jetzt lese ich „Michelangelo“ weiter. Vielleicht gehen wir nachher hinauf ins Schlosszum umseitig abgebildeten Schloss Lenzburg, in dem Wedekind aufgewachsen ist.. Herzlichste Grüße von Mama u. Küsse von den Kindern. In treuer Liebe umarmt Dich
Deine Tilly |


315 Lenzburg. Im Schlosshof

Tilly Wedekind schrieb am 30. Juni 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lenzburg, 30.VI.13.


Geliebter Frank,

ich danke Dir vielmals für Deinen so ausführlichen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.6.1913. und für den Auftrag wegen des Geldes. Natürlich kommt es übermorgen noch früh genug. Zum/r/ Angelegenheit Orlow kann ich nichts sagen, da ich ja den Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Ida Orloff an Wedekind, 25.6.1913. nicht kenne. Aber entweder sind eben Freundinnen uninteressant u. langweilig oder sie sind interessant und gefährlich. Es ist schwer die Richtige zu finden. |

„Das Leben ist schwer“ wie EmmaEmma Wedekind (geb. Frey), Gattin von Frank Wedekinds Bruder Armin Wedekind, dem Arzt in Zürich. sagt u. sich dabei auf den Divan legt. Da lob ich mir doch immer noch die Familie. Sowohl Deine als auch die meine. Aber im Handumdrehen ist man dann auf einmal das, was man einen PhilisterKleinbürger, Spießer. nennt? Übrigens hoffe ich schon mit Mieze gut auszukommen u. den richtigen Ton zu treffen. Ich werde möglichst zu vermeiden suchen mit ihr über Unangenehmes zu sprechen. Auch Mama habe ich, glaube ich, nicht zu viel gesagt. Und mit Mama kann man ja so gut über alles sprechen. | Auf Deiner letzten Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.6.1913. schriebst Du, dass Du noch etwa 14 Tage in Rom zu bleiben gedenkst. Willst Du Dir denn sonst nichts ansehen? Es wäre freilich schön, wenn Du noch hierher kämst, aber wenn ich nicht länger hier bleiben kann als bis Mitte Juli, Du aber länger in Italien bleiben wolltest, müsste ich eben schließlich allein mit den Kindern nach München zurück. Nun, das alles besprechen wir wohl noch später. Diese Woche sind wir ja noch allein, u. nächste Woche werde ich ja sehen wie es mit Mieze | ist. Dann können wir uns besprechen.

Heute ist Gott sei Dank ein herrlicher Tag u. es ist Hoffnung, dass es so bleibt. Hoffentlich hast auch Du schönes Wetter.

Nun leb wohl für heute u. lass es Dir gut gehen. Mama grüßt Dich herzlichst, die Kinder schicken Küsse. Die Kleine will immer: „Papa Bief scheiben.“ Sie spricht jetzt schon viel. Anna Pamela ist fast immer im Freien, auch wenn es nicht so schön ist.

In treuer Liebe umarmt Dich innigst,
Deine Tilly |


Geliebter Frank,

leider kann ich das alles nicht für Dich beantworten. Ein Rechtsanwalt Eckstein aus Brünn schickt Hidalla einHinweis auf einen nicht überlieferten Begleitbrief zu einem Exemplar von „Hidalla“ (1904), in dem um eine Widmung in das Buch gebeten ist; erschlossenes Korrespondenzstück: Jakob Eckstein an Wedekind, 27.6.1913. – Der Rechtsanwalt Jakob Eckstein in Brünn (Richard Wagnergasse 6) ist verzeichnet unter „Advokaten (Doktoren der Rechte)“ [Adreßbuch von Brünn 1914, Teil IV, S. 429]., mit der Bitte um eine Widmung. Soll ich das auch nachschicken? Die Zeitschriften schicke ich nicht nach wenn es Dir recht ist.

Nochmals innigst,
Tilly.


30.VI.13.

Frank Wedekind schrieb am 30. Juni 1913 in Rom folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Eden HotelRome
Franz Nistelweck


Geliebteste Tilly!

Herzlichen Dank für Deine Kartedie Postkarte mit der Frage, ob es Wedekind recht sei, wenn seine Frau die Einladung zu seinem Bruder und dessen Familie nach Zürich annehme [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.6.1913].. Ich antworte umgehend wegen Zürich. Ich habe nicht das geringste dagegen wenn du hingehst. Grüßenach Zürich – an Arnim Wedekind und dessen Frau Emma (geb. Frey) sowie an deren vier Kinder, den Sohn Armin und die drei Töchter Lilli, Eva und Charlotte. meinen Bruder, Emma, Armin jun. und die Kinder Mädchen herzlichst von mir.

Mit besten Grüßen an Dich, Mama und die Kinder
Dein Frank


30.6.13.

Tilly Wedekind schrieb am 1. Juli 1913 in Lenzburg folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Rome.
Eden Hotel. Via Ludovisi 49


1. Juli 13. Innigst geliebter Frank, herrlichstes Wetter, die Kinder liegen Beide in der Hängematte! Wir hoffen, dass es Dir so gut geht wie uns. Gestern abends hab ich mit Mama wieder lang geplaudert. Sie würde sich natürlich auch sehr freuen, Dich in Lenzburg zu sehen! Herzlichste Grüße von allen.

In treuer Liebe küsst Dich
Deine Tilly |


316 Lenzburg. Im Schlosshof

Tilly Wedekind schrieb am 2. Juli 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lenzburg, 2.VISchreibversehen, statt: VII..13.


Geliebter Frank,

ich danke Dir für Deine freundlichen Zeilenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.6.1913. betreff Zürich’s. Ich habe die Sache hin u. her überlegt und werde nun doch nicht fahren. „Wenn man im Zweifel darüber ist, ob man dieses oder jenes tun soll –“

Ich hatte Emma für ihre Freundlichkeit„Emma Wedekind war Martha Newes offenbar am 3.6.1913 beim Umsteigen auf dem Zürcher Bahnhof behilflich gewesen“, als diese Pamela und Kadidja, die Töchter ihrer Schwester Tilly Wedekind, von München „zur Großmutter nach Lenzburg brachte.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 216] Frank Wedekind hatte seinen Bruder in Zürich darum gebeten, was dieser zusagte [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 2.6.1913] und seine Gattin Emma Wedekind (geb. Frey) die Schwester der Schwägerin mit den Kindern am Bahnhof in Zürich zur Weiterreise nach Lenzburg in Empfang nahm. zu Martha gedankt, u. geschrieben ich würde mich freuen sie zu sehen. Nun könnten sie ja auch kommen, sie brauchen ja nicht gleich alle zu kommen. Emma telephonierte ob ich nicht kommen wolle. | Ich habe mich damit ausgeredet, dass AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] nicht wohl ist. Das ist auch Tatsache. Darum Sie hat immer mit ihren Zähnen zu tun. Darum ließ ich gestern die Köchin„die Köchin Isabella“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912]. aus München kommen u. Anna fährt morgen zurück nach München, um sich da, wo sie in der Krankenkasse ist, endlich ihre Zähne richten zu lassen. Dafür ist dann Ruhe, wenn wir wieder alle zu Hause sind. Sie fährt natürlich 3. Classe. Die Dritte„Gemeint ist die Zugehfrau der Familie Wedekind.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 216] hab’ ich beurlaubt.

Nun will ich lieber einige Tage zu Hause bleiben, damit sich die Andere eingewöhnt u. dann Bescheid weiß. Und Samstag kommt Mieze. Sonntag singt sie hierErika Wedekind sang am 6.7.1913 in Lenzburg auf einem Wohltätigkeitskonzert „zugunsten der Kinderfürsorge“ [Ein Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 134, Nr. 187, 8.7.1913, 2. Abendblatt, S. (2)], zugleich ihr Abschiedskonzert von der Bühne [vgl. Erika Wedekinds Rücktritt. In: Oberländer Tagblatt, Jg. 37, Nr. 180, 5.8.1913, S. (1)].. | Nächste Woche ist das Jugendfesttraditionelle jährliche Festveranstaltung in Lenzburg [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 181], die in diesem Jahr am 11.7.1913 (Freitag) stattfand. u. ausserdem will Frau Henckell mich nächste Woche mit nach Luzern nehmen. Voriges Jahr hatte ich abgesagt. Nun würde ich es diesmal gern annehmen, wenn es Dir recht ist. So ist die Ruhe der letzten Wochen so wie so dahin. Und wenn Du Deinen Angehörigen in Zürich wirklich freundschaftlich gesinnt bist, so finde ich es viel besser, wenn wir dann, sobald Du hier bist, zusammen herüberfahren oder auf der Rückreise einen Tag Station machen.

Das Geld kam gestern abends. 245.70 Frs. Ich danke Dir vielmals dafür. Ich gab es gleich | Mama. Sie meint, mit der Hälfte wird sie bis Mitte Juli auskommen. Frau Henckell war gestern Nachmittag hier, aber ich war mit den Kindern u. Anna spazieren. So gieng ich heute Vormittag zu ihr. Sie kann sich an Frau Dr. Barth geb. Ida LonbarderSchreibversehen, statt: Lamparter. sehr gut erinnern. Sie wusste gleich Bescheid als ich sagte, der Correspondent des Berl. Tag. in RomHans Barth, seit 1886 Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ in Rom, wo Wedekind ihn persönlich kennenlernte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1913] und sich mehrfach mit ihm traf.. Sie hat sie aber seit ihrem 18. Jahreseit 1881/82 – am 26.8.1881 wurde die in Reutlingen geboren Emilie Henckell (geb. Schauwecker) 18 Jahre alt. nicht gesehen. Sie sagte, sie habe erwachsene KinderHans Barth und seine Frau Ida Barth (geb. Lamparter) hatten eine Tochter (nicht identifiziert). u. sie führten ein sehr gastliches Haus. Wenn Du sie wiedersiehst grüße sie von Fr. Henckell u. mir. Nun lebwohl u. sei herzlich umarmt,
von Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 4. Juli 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lenzburg, 4.VISchreibversehen, statt: VII..13.


Geliebter Frank,

als ich Mittwoch den Brief an Dichvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1913. geschrieben hatte, kam die junge Frau Consul Zweiffel mit ihrer Kleinen. Wir saßen im Garten und plauderten, die Kinder spielten. Gestern fuhr AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] weg, es gab natürlich bei Anna Pamela einige Tränen. Kaum war sie weg, dachte sie nicht mehr daran. Die Andere„die Köchin Isabella“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912], die aus München gekommen ist [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1913]. findet sich sehr gut hinein. Nachmittags giengen wir mit den Kindern zum Römersteineiner der sagenumwobenen „Granit-Findlinge“ im Wald „zwischen Lenzburg und Othmarsingen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 180], u. durch den Wald nach | der Niederlenzerstraßedie Straße von Lenzburg nach Niederlenz. hin. Dann über die Schützenmatte nach Hause. Abends badeten wir Beide.

Gestern las ich das Festspiel von HauptmannWedekind hatte Gerhart Hauptmann zu seinem „Festspiel in deutschen Reimen“ (1913), ein Auftragswerk zur Hundertjahrfeier der Befreiungskriege, das am 31.5.1913 in der Jahrhunderthalle in Breslau uraufgeführt und nach elf von geplanten fünfzehn Vorstellungen am 18.6.1913 wieder abgesetzt wurde, telegrafisch gratuliert [vgl. Wedekind an Gerhart Hauptmann, 3.6.1913]. das ich mir von Frau Henckell mitgenommen hatte. Es ist wohl so ziemlich das Gegenteil von dem, was man sich von Hauptmann erwartet hat. Übrigens begreife ich den Aufruhr. Eine Verherrlichung Deutschlands ist es absolut nicht. Leider habe ich von den politischen Anspielungen vieles nicht verstanden. Mama scheint die Sache ziemlich | genau zu kennen. Sie sagt, man sei ja von Jugend auf damit geplagt worden. Ich kann mich absolut nicht erinnern, dass meine Jugend je durch die Freiheitskriegeauch: Befreiungskriege; kriegerische Auseinandersetzungen von 1813 bis 1815 gegen Napoleon Bonaparte. getrübt wurde.

Vorgestern abends war Frau Henckell nochmals heroben. Sie brachte mir die Aufstellung der Verbindungdie Zugverbindung von Lenzburg nach München. Lenzburg – München für Anna. Ich begleitete sie nach Hause u. dann begleitete sie u. ihr Mann mich wieder zurück.

Morgen kommt also Mieze u. übermorgen ist das ConzertErika Wedekind sang am 6.7.1913 in Lenzburg auf einem Wohltätigkeitskonzert „zugunsten der Kinderfürsorge“ [Ein Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 134, Nr. 187, 8.7.1913, 2. Abendblatt, S. (2)], zugleich ihr Abschiedskonzert von der Bühne [vgl. Erika Wedekinds Rücktritt. In: Oberländer Tagblatt, Jg. 37, Nr. 180, 5.8.1913, S. (1)].. | Sie singt im Gemeindehaus glaub ich, für die „Wohltätigkeitshyänen“. Was hast Du noch alles gesehen? Hoffentlich hast Du angenehmes Wetter. Bei uns ist es sehr schön. Von Mama herzlichste Grüße, Küsse von den Kindern.

In treuer Liebe umarmt Dich,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 4. Juli 1913 in Rom folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Eden HôtelRome
SUCCURSAL: EDEN HOUSE – LUCERNE
Franz Nistelweck


4.7.13.


Geliebte Tilly!

Empfang meinen herzlichsten Dank für Deine beiden ausführlichen Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.6.1913 und 2.7.1913. und die beiden schönen KartenBildpostkarten mit Schloss Lenzburg als Bildmotiv [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1913 und 1.7.1913].. Ich möchte Mama nicht gerne ins Haus fallen solange Mieze da ist es da das doch zu viel für Mama werden könnte. Vielleicht schreibst Du mir also, wenn du es unter der Hand erfahren hast wie lange Mieze bleibt. Ich kann von hier aus in 24 Stunden in Lenzburg sein. Man fährt hier abends sechs ab und ist Abends 6 in Zürich.

Leider habe ich in Folge einer Erkältung | seit gestern frühWedekind notierte am 3.7.1913: „Erkältung Darmkatarrh.“ [Tb] einen Magenkatarrh. Das Unangenehmste ist vorbei. Ich habe aber seit 24 Stunden nichts gegessen. Heiß ist es hier gar nicht. Es hat heute sogar wieder geregnet. Übrigens erhole ich mich von den Überanstrengungen während des Katarrhes gerade so gut wie sonst auch. Es tut mir sehr leid daß Du Unannehmlichkeiten mit den Dienstboten hast. Der getroffene Wechsel war ja wohl das richtigste.

Mit Dr. Barth gehe ich sehr vorsichtig um da er ein starker Trinker ist. Ich habe ihn diese Woche erst einmal gesehen und werde ihn im ganzen vielleicht etwa noch zweimal sehen. Allerdings hat er eine Tochternicht identifiziert., die aber nicht für mich existiert, vorausgesetzt daß ich aus/durch/ ihrem Vorhandensein nicht Unannehmlichkeiten haben sollte. Da Dr. Barth das einzige menschliche Wesen ist, das ich hier kenne, so wäre es mir natürlich | nicht angenehm vollständig auf seinen Verkehr zu verzichten. In den letzten Tagen war ich hauptsächlich in der Villa BorgheseParkanlage in Rom. Wedekind notierte den Aufenthalt dort täglich vom 29.6.1913 bis 1.7.1913 und dann wieder vom 4. bis 6.7.1913 [vgl. Tb]. wo es sich ausgezeichnet arbeiten läßt. Mit meiner ArbeitWedekind arbeitete am 3. Akt seines Versdramas „Simson“ [vgl. KSA 7/II, S. 1266]. bin ich vorderhand allerdings nicht sehr zufrieden. Aber das bedrückt mich nicht, da ich so viel wie ich für die GesammtausgabeWedekinds „Gesammelte Werke“ im Georg Müller Verlag; 1912 sind Band 1 und Band 2 erschienen, 1913 folgten die Bände 3 bis 5. brauche, jedenfalls fertig habe.

Ich bitte Dich, liebe Tilly, laß Dich durch diesen Brief nicht verstimmen. Bei dem Magenkatarrh ist es nicht gut möglich, anderer Stimmung zu sein. Ich bitte Dich auch, niemanden etwas davon zu erzählen sonst kommen alle mit guten Ratschlägen und ich habe dann die acht Tage die ich gerne noch hier bleiben möchte erst recht keine Ruhe mehr. Hier giebt es für mich noch eine Menge zu sehen und das wobei ich mich am meisten erhohleSchreibversehen, statt: erhole., ist das Alleinsein. Ich glaube auch nicht, daß | ich es anderwärts gleich wieder so gut mit dem Hotel träfe.

Nun lebwohl, geliebte Tilly. Grüße Mama und küsse die Kinder von mir

In treuer Liebe
Dein
Frank

Frank Wedekind schrieb am 5. Juli 1913 in Rom folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

CARTOLINA POSTALE ITALIANA
(CARTE POSTALE D’ITALIE)


INDIRIZZO


Frau Tilly Wedekind
Lenzburg
Ct el Argovia(ital.) Aargau.(ital.) Aargau.
Svizzera


CORRISPONDENZA


Geliebteste Tilly! Es geht mir wieder vollkommen gut. Hoffentlich euch Allen ebenso! Von umstehendem BildDas Motiv der Bildpostkarte – „AMOR SACRO E PROFANO“ (ital.) Himmlische und irdische Liebe – war Wedekind durch die von Franz von Lenbach angefertigte Kopie (115 x 277 cm) des Gemäldes von Tizian (Original 290 x 118 cm) in der Münchner Schack-Galerie bekannt; der Umschlag der Erstausgabe von „Franziska“ ist mit diesem Motiv illustriert [vgl. KSA 7/II, S. 1053], das zugleich das Motiv bildete für das 6. Bild von „Franziska“ [vgl. KSA 7/I, S. 275-282; vgl. KSA 7/II, S. 1052]. sah ich vor einigen TagenWedekind notierte am 30.6.1913 und am 1.7.1913 „Villa Borghese Museum“ [Tb] – das Kunstmuseum Galleria Borghese auf dem Gelände der Villa Borghese, wo Wedekind das Original des Tizian-Gemäldes sah (siehe oben). das Original in der Villa Borghese. Grüß alle herzlichst. Auf baldiges Wiedersehn
Dein
Frank. |


AMOR SACRO E PROFANOTIZIANO (GALLERIA BORGHESE) – ROMA

EDEN-HÔTEL ROME


Geliebteste Tilly! Eben erhalte ich Deinen lieben Brief vom viertenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.7.1913. und freue mich von ganzem Herzen über jedes Wort das du schreibst. Hoffentlich hat Dich mein gestriger Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.7.1913. nicht verstimmt„durch Wedekinds Erwähnung von Barths Tochter“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 218]..

In innigster Liebe
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 6. Juli 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lenzburg, 6.VISchreibversehen, statt: VII..13.


Geliebter Frank,

ich danke Dir sehr für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.7.1913., und es tut mir unendlich leid, dass Du nicht wohl bist. Von Herzen hoffe ich, dass es recht bald ganz gut ist. Du wirst ja selbst am Besten wissen was Dir gut tut und will ich Dir darum auch keine Ratschläge geben.

Ich wartete schon sehnsüchtig auf Nachricht, träumte sogar davon. Ich begreife auch, dass Du dadurch | nicht bester Stimmung bist, sonst hättest Du meine Bemerkungvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1913., Fr. Henckell sagt Dr. Barth hat erwachsene Kinder, nicht so aufgefasst. Ich wollte damit nichts Unangenehmes sagen, u. ich glaube, es wäre uns beiden wohler, wenn wir in dieser Hinsicht etwas weniger misstrauisch wären. Ich wünsche nicht mehr, als dass Du Dich so wohl wie nur irgend möglich fühlst, u. habe es glaub ich mit allen meinen Briefen bewiesen.

Meinetwegen mache Dir keine | Sorgen. Es geht mit dem andern Mädchender Köchin Isabella als Ersatz für das Kindermädchen Anna Wölfel. sehr gut.

Gestern kam Mieze an, heute um 6 Uhrum 18 Uhr. ist das ConcertErika Wedekind sang am 6.7.1913 in Lenzburg auf einem Wohltätigkeitskonzert „zugunsten der Kinderfürsorge“ [Ein Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 134, Nr. 187, 8.7.1913, 2. Abendblatt, S. (2)], zugleich ihr Abschiedskonzert von der Bühne [vgl. Erika Wedekinds Rücktritt. In: Oberländer Tagblatt, Jg. 37, Nr. 180, 5.8.1913, S. (1)].. Mieze und EvaErika Wedekind und ihre Tochter Eva Oschwald aus Dresden. sind lieb wie immer zu uns, und wird sich Mieze noch wohler fühlen, wenn die Sache heute vorbei ist. Lilly u. EvaLilli und Eva Wedekind aus Zürich, Töchter von Frank Wedekinds Bruder Armin Wedekind. sind zu dem Anlass heute aus Zürich gekommen, Eva scheint ein sehr nettes Mädchen zu sein.

Wielange Mieze bleibt etz. darüber will ich Dir morgen schreiben, wenn ich mit Mama gesprochen | habe. Auch ist heute keine rechte Ruhe u. gehen wir bald zu Tisch. Von Mama u. den Kindern herzlichste Grüße!

Mit den besten Wünschen für Dein Wohlbefinden in jeder Hinsicht, bin ich in treuer Liebe,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 7. Juli 1913 in Lenzburg folgenden Brief
an Frank Wedekind

Lenzburg, 7.VII.13.


Innigst geliebter Frank,

vielen, vielen Dank für Deine liebe Karte vom 5.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.7.1913. Ich bin sehr froh, dass es Dir wieder gut geht und Du Dich wohl fühlst! Uns geht es auch sehr gut. Gestern war ein bewegter Tag. Zu Tisch Mama, Mieze, Eva, Lilly, Eva Wedekind, Anna Pamela u. ich. Vormittag kamen noch verschiedene Damen, die das Concert für KinderfürsorgeErika Wedekind gab zusammen mit dem Cellisten Emil Braun und dem Pianisten Josy Schlageter am 6.7.1913 in Lenzburg ein Wohltätigkeitskonzert: „Das von Frau Erika Wedekind, unter gefälliger Mitwirkung der Herren Cellisten Emil Braun und Joseph Schlageter (Basel), zugunsten der Kinderfürsorge veranstaltete Konzert am 6. Juli hatte einen großen Erfolg. Bei dichtbesetztem Saale erledigten die Sängerin und die zwei Basler Künstler ihr abwechslungsreiches Programm. Ueber das Konzert, das auch einen großen, finanziellen Erfolg zu verzeichnen hat, und in dem Frau Erika Wedekind ihre schönsten Weisen in vollendeter Kunst erklingen ließ, herrscht nur eine Stimme des Lobes. Herr Braun und Herr Schlageter gaben vorbildlich einige Konzertstücke wieder. Frau Wedekind und die beiden Herren haben sich für ihr selbstloses, gemeinnütziges Vorgehen den öffentlichen Dank verdient.“ [Ein Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 134, Nr. 187, 8.7.1913, 2. Abendblatt, S. (2)] Es handelte sich zugleich um Erika Wedekinds Abschiedskonzert, wie die Presse meldete: „In einem Wohltätigkeitskonzert in Lenzburg hat Erika Wedekind, die frühere Leuchte der Dresdener Hofoper, von der Oeffentlichkeit Abschied genommen. Sie gedenkt in Zukunft weder auf der Bühne noch in Konzerten mehr aufzutreten.“ [Erika Wedekinds Rücktritt. In: Oberländer Tagblatt, Jg. 37, Nr. 180, 5.8.1913, S. (1)] veranstaltet hatten u. Mieze sprechen wollten. Nachmittags gieng ich mit Lilly, Eva | aus Zürich u. Anna Pamela hinauf auf den Schlossberg u. ins Schloss, d. h. in den Hof. Eva Oschwald blieb bei Fanny Kadidja. Mieze schlief. Als wir zurückkamen, waren eben Frau Dr. HirzlThea Hirzel (geb. Henckell), Gattin von Dr. phil. Arnold Hirzel in Aarau, Schwester der mit Wedekind befreundeten Brüder Gustav und Karl Henckell. u. Bürgermeister Laue aus Cöln, von Aarau gekommen um Mama u. mich zu besuchen. Wir tranken zusammen Caffée u. ich gab Herrn Laue gleich den Brief an seine FrauTilly Wedekinds Brief an Marie Laué (Gattin von Wedekinds Schulfreund Walter Laué), den sie zu schreiben versprochen hatte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913], ist nicht überliefert. mit. Er lässt Dich herzlich grüßen u. hofft Dich eventuell noch hier zu sehen. Anna Pamela u. Fanny Kadidja haben ihm u. Fr. Dr. Hirzl sehr gut gefallen. |

Dann half ich Mieze bei der Toilette und um 6um 18 Uhr. begann das Concert. Lenzburg u. Umgebung waren versammelt, es war sehr voll; wir saßen in der ersten Reihe. Ausser Mieze waren noch Hr. Braun (Violoncell) u. Hr. Schlageter (Klavier) Mitwirkende. Es war wirklich ein schöner Abend, Mieze sang teilweise ganz wundervoll! Ich habe noch das Programm. Nachher fühlte sie sich sehr erleichtert, dass es vorüber war. Die Züricher MädchenLilli und Eva Wedekind (Nichten Frank Wedekinds in Zürich). mussten gleich nach dem Concert wegfahren, wir andern versammelten uns zum Abendessen. | Anna Pamela benimmt sich musterhaft, ich freu mich sehr über sie. Die Kleine ist herzig.

Nun ist Mieze’s Programm für nächste Zeit folgender Maaßen. Freitag ist Jugendfesttraditionelle jährliche Festveranstaltung in Lenzburg [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 181], die in diesem Jahr am 11.7.1913 (Freitag) stattfand., Samstag will sie nach Aarau um Fanny Hühnerwadel u. Fr. Dr. Hirzl zu besuchen. (Erstere war gestern zum Concert auch da.) Vielleicht fahre ich da mit ihr. Montag will sie nach Zürich. Sie forderte mich auf auch da mitzukommen, doch würde ich wenn es geht lieber mit Dir zusammen dahin gehen. Donnerstag kommt WaltherWalther Oschwald, Gatte von Erika Wedekind und Schwager von Frank Wedekind.. Mama meint | Walther wird höchstens 1 – 2 Tage bleiben, u. dann wollen Mieze u. Walther zusammen eine Tour durch die Schweiz für circa 10 Tage machen. Bis dahin wäre aber schon circa der 20., also fast noch 14 Tage. Ich glaube nicht, dass Du die Absicht hast solange zu bleiben, u. ich hatte sie eigentlich auch nicht. Falls es Dir aber nichts machen würde, mit Mieze hier zusammenzutreffen, so glaube ich, es wäre am Besten Du schreibst vorher ein paar Zeilen an sie.

Offenbar wartet sie nur darauf, und wäre dann sicher versöhnlich. | Aber sie fühlt sich doch sehr gekränkt, u. Du weisst wie sie ist. Man kann mit ihr nicht reden, sie beharrt auf ihrem Standpunkt u. verdreht einem das Wort im Munde. Darum muss man, um mit ihr zu verkehren ein Auge zudrücken. Es hängt also ganz von Dir ab, wie Du Dich entschließt. Mama würde es sehr bedauern, wenn sie Dich nicht sehen könnte. Es würde Dir ja nichts ausmachen in der Krone zu wohnen, u. essen könnten wir ja paarmal auch in der Krone. Auch würde es sich doch nur um ein paar Tage handeln, wir könnten | ja bis Walther kommt schon weg sein. Wenn wir aber noch da sind, schläft Eva dann die paar Tage bei mir im Zimmer. ÄnnchenAnna Wedekind, Tochter von Willy Wedekind und Nichte Frank Wedekinds. kommt morgen u. wird entweder bei Mama schlafen, oder bei der jungen Frau Zweifel oder bei Frau ZeilerMargot Zeiler (geb. Münch), Gattin von Gustav Ferdinand Zeiler, dem Sohn von Emilie Henckell (verwitwete Zeiler) und Stiefsohn von Gustav Henckell.. Alle haben uns schon ihre Fremdenzimmer angetragen auch Fr. Henckell mir das ihre. Es ist eigentlich ganz lustig, dieser Rummel.

Hoffentlich lässt Du Dich aber dadurch nicht abhalten u. schreibst mir bald Deinen Entschluss.

In treuer Liebe umarmt Dich,
Deine Tilly |


P. S. Viele Grüße von Mama u. den Kindern. Auf Wiedersehen!

Tilly Wedekind schrieb am 7. Juli 1913 in Lenzburg folgende Postkarte
an Frank Wedekind

7.VII.13.


Geliebter Frank,

nur schnell noch paar Zeilen. Ich habe Mittags erfahren, dass ÄnnchenFrank Wedekinds Nichte Anna Wedekind, die Tochter seines Bruders William Lincoln (Willy) Wedekind in Südafrika. nur bis Samstag bleibt um das Jugendfesttraditionelle jährliche Festveranstaltung in Lenzburg [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 181], die in diesem Jahr am 11.7.1913 (Freitag) stattfand. mitzumachen. Dann will sie wieder zurück, um erst im August wieder zur Großmutter zu kommen, bevor sie die Heimreise antritt. Übrigens wird sie bei Fr. Pfarrer„Die Ehefrau des Lenzburger Pfarrers Burkhardt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 219]. im Pavillon wohnen, deren eine Tochternicht identifiziert. verreist | ist u. deren Sohnnicht identifiziert. auch nur über Sonntag kommt; so hat sie ein Zimmer u. 2 Betten frei. Nach Tisch haben wir einen schönen Spaziergang gemacht.

Innigst küsst Dich, Tilly


Schweizer. Landesausstellung
15. Mai  1914   15. Okt.
BERN
Exposition Nationale Suisse
Esposizione Nationale Svizzera


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Herrn
Frank Wedekind
Rom.
Eden Hotel. Via Ludovisi 49

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1913 in Rom folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

CARTOLINA POSTALE ITALIANA
(CARTE POSTALE D’ITALIE)


Al Signora
Tilly Wedekind
Lenzburg
Ct Argovia(ital.) Aargau.(ital.) Aargau.
Zvi Svizzera |


Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Deinen lieben freundlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1913.. Mir geht es sehr gut, hoffentlich euch auch. Ich erwarte jetzt Deine morgige Nachricht und schreibe Dir dann sofort. Grüße Mieze und Eva herzlich. Mit besten Grüßen an Mama und die Kinder küßt Dich innigst
Dein Frank

Frank Wedekind schrieb am 9. Juli 1913 in Rom folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Schweiz. Telegraphen- und Telephonverwaltung. – Administration des télégraphes et des téléphones suisses. – Amministrazione deitelegrafi e dei telefoni svizzeri.


Telegramm – Télégramme – Telegramma
von – de – da Roma [...]


Frau Tilly Wedekind
Lenzburg.


Herzlichen Dankfür Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1913] und Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1913]. bitte nichts mehr nachschicken fahre Freitagam 11.7.1913, an dem Wedekind notierte: „Abfahrt von Rom. Arbeite im Zug.“ [Tb] Er notierte anders als im vorliegenden Telegramm angekündigt seine Ankunft in Lenzburg gleich am 12.7.1913: „Zürich ‒ Aarau ‒ Lenzburg Tilly zu Hause. Wir holen Mieze und Eva vom Bahnhof. Versöhnung mit Mieze.“ [Tb] Zürich bleibe einige Tage Zürich oder Aarau komme Euch besuchen. herzlichste Grüsse
Frank.

Tilly Wedekind, Emilie Henckell, Margot Münch und Gustav Ferdinand Zeiler schrieben am 9. Juli 1913 in Luzern folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

POSTKARTE.


Herrn
Frank Wedekind
Rom.
Eden Hotel. Via Ludovisi 49


Luzern mit Rigi (1800 m). Schweizerhof u. Nationalquai.


9.VII.13. Geliebter Frank, von einem reizenden Ausflug mit Fr. Henckell hierhernach Luzern. sende ich Dir innigste Grüße
Deine Tilly


Beste Grüße senden Ihnen
E. Henckell,
Margot Zeiler,
G. F. Zeiler.


Das junge PaarMargot Zeiler (geb. Münch) und ihr Gatte Gustav Ferdinand Zeiler, Emilie Henckells Sohn aus erster Ehe – die beide die Bildpostkarte nach Emilie Henckell unterschrieben haben. haben wir beim Rennen„beim Pferderennen in Luzern“ während der „Luzerner Rennwoche“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 220], einem besonderen Sportereignis. getroffen. |


Luzern mit Rigi (1800 m).

Tilly Wedekind schrieb am 10. Juli 1913 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

TELEGRAMMA

[...]

FRANK WEDEKIND EDEN HOTEL VIA LUDOVISI 49 ROMA =
ROMA |


Ufficio Telegrafico
ROMA

[...] LENZBURG [...]


WEISS NICHT OB DICH BRIEF„Tilly schickte dieses Telegramm statt eines Briefes.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 221] NOCH ERREICHT TELEGRAPHIERE DAHER FREUE MICH SEHR AUF WIEDERSEHN BITTE NACH ANKUNFT ZUERICHER ODER AARAUER ADRESSEWedekind hatte telegrafisch angekündigt, zuerst einige Tage in Zürich oder Lenzburg zu verbringen, bevor er nach Lenzburg komme [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 9.7.1913]; er traf dann doch schon am 12.7.1913 in Lenzburg ein [vgl. Tb]. HERZLICHST = TILLY =

Tilly Wedekind schrieb am 5. August 1913 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

ich hatte beiliegenden Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: František Zavřel an Wedekind, 4.8.1913. – Dem Kuvert dürfte der nachfolgenden Bemerkung zu den Theaterkarten (siehe unten) zufolge zu entnehmen gewesen sein, dass der nicht überlieferte Brief vom Künstlertheater kam. Die Direktion des Münchner Künstlertheaters lag in den Händen von Georg Fuchs und František Zavřel („Franz Zavrel“), der auch die Oberregie führte [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 563] und der angesichts seiner Verbindungen zu Wedekind als Absender anzunehmen ist. geöffnet, weil ich dachte es seien vielleicht Karten für heute AbendWedekind notierte am 5.8.1913: „Mikado im Künstlertheater T.St. mit Tilly und Frau Rosenthal“ [Tb]. Er besuchte mit seiner Frau und Therese Rosenthal (mit ihnen war er anschließend in der Torggelstube) um 20 Uhr (Ende gegen 22.15 Uhr) eine Vorstellung der Operette „Der Mikado“ (Premiere: 11.7.1913) unter der Regie von František Zavřel am Münchner Künstlertheater (Direktion: Georg Fuchs, „Franz Zavrel“): „Burleske Operette in 2 Akten von W. S. Gilbert. Musik von Arthur Sullivan“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 397, 5.8.1913, General-Anzeiger, S. 2]. drin. Die RosenthalWedekind notierte am 5.8.1913 zu Therese Rosenthal, die abends mit ihm und seiner Frau die Vorstellung „Der Mikado“ im Künstlertheater besuchte (siehe oben): „Zum Thee Frau Therese Rosenthal“ [Tb]. war nicht mehr zu Hause. Ich ließ sie bitten, sie möchte um 1 Uhr antelephonieren | ob sie in Mikado war. Für Mittags hat sich die VaneSibyl Vane (Pseudonym nach der weiblichen Hauptfigur in Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“), inzwischen Schauspielerin am Schauspielhaus in Frankfurt am Main [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 433], eine „Freundin“ [Wedekind 1969, S. 209, 230] Tilly Wedekinds, war die Tochter des Theaterdirektors Benno Koebke [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912], die in der Todesanzeige ihres Vaters den Namen Sibylle Grüder trägt [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 80, Nr. 155, 9.6.1927, S. 12], in erster Ehe mit Otto Weber verheiratet [vgl. Verlobte. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 255, 9.11.1907, Morgenblatt, S. 3], in zweiter Ehe mit Paul Grüder [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.1.1914]. angesagt. Es passt mir zwar heute gar nicht, aber nun konnte ich nicht mehr nein sagen. Ich geh’ jetzt mit den Kindern, da AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] zum Zahnarzt muss u. komme nach 1 Uhr nach Hause.

Innigst, Tilly

Frank Wedekind schrieb am 29. August 1913 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

ELITE HOTEL


BERLIN N.W.
AM BAHNHOF FRIEDRICHSTR.


29.8.13.


Innigst geliebte Tilly!

Die erste ProbeFrank Wedekind, der am 28.8.1913 zu einem „Franziska“-Gastspiel vom 5. bis 29.9.1913 (25 Vorstellungen) an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin von München abgereist ist (er führte die Regie und spielte die Rolle des Veit Kunz, Tilly Wedekind die Titelrolle), notierte unter dem 29.8.1913: „Arrangierprobe von Franziska“ [Tb]. ist vorbei. Natürlich waren nicht die Hälfte erschienen und wurde ununterbrochen umbesetzt. Aber es scheint trotzdem gut zu gehen. Jedenfalls gab es keinen Krach. Nachher hatten wir Konferenz Wedekind hatte die Besprechung am 29.8.1913 für sein Gastspiel (siehe oben) mit dem „Mitarbeiterstamm Max Reinhardts am Deutschen Theater in Berlin“ [KSA 7/II, S. 1222], mit Edmund Reinhardt, Bruder Max Reinhardts und administrativer Leiter des Deutschen Theaters, mit dem Dramaturgen Arthur Kahane, mit Othmar Keindl, Direktionssekretär und Bürochef, sowie mit dem Regisseur und Schauspieler Albert Blumenreich [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 304f.].mit Edmund Reinhardt Kahane und Keindl und Blumenreich. Von anderen Stücken, die wir spielen sollen war nicht die Rede. Ich brachte natürlich nicht das Gespräch darauf. Edmund schien froh als ich erklärte, die Premiere brauche nicht ver|schoben zu werden. Dürfte ich also bitten, die KostümeDie Kostüme für „König Nicolo“ und „Erdgeist“ wurden dann nicht benötigt, da beide Stücke im Rahmen des Gastspiels 1913 nicht zur Aufführung kamen. für König Nicolo so einzupacken, daß sie nachgeschickt werden können. Ebenso, was du für „Erdgeist“ brauchst.

Dann bitt ich noch eins: In meinem Schreibtisch in der obersten Schublade links Rechts liegen mein Termin-KalenderWedekinds Tagebuch, in Agenden angelegt. und mein Ausgaben BuchWedekinds Kontobuch.. Wolltest du mir bitte beides in einem Kuvert schicken. Und dann in der mittleren Schreibtischschublade liegt in einer weißen Blech Zigarettenschachtel die goldene Uhr die ich in NürnbergWedekind war zuletzt vom 16. bis 28.5.1912 in Nürnberg, ein Gastspielaufenthalt. kaufte. Wolltest Du sie mir bitte mitbringen (ohne Kette) Meine Uhr, die ich hier habe ist so gelb, daß ich sie in | den Kammerspielen schwerlich brauchen kann.

Die FahrtWedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 28.8.1913 mit dem Nachtzug ab („Abfahrt von München“) und traf am 29.8.1913 in Berlin ein („Ankunft in Berlin“), um gleich an der ersten Probe für das „Franziska“-Gastspiel teilzunehmen (siehe oben). war ruhig und angenehme ich schlief aber erst gegen morgen ein. Der Zug stand schon bereit als ich gestern zum Bahnhof kam. Du wirst also gut thun, nicht später von Hause wegzufahren wenn Du mit dem gleichen Zug fährst.

Sollte Dich mein BruderArmin Wedekind hatte angekündigt, mit seiner Tochter Lilli auf der Durchreise zur Schwester Erika Wedekind nach Dresden in München Station zu machen – in der Zeit vom 31.8.1913 bis 3.9.1913 [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 22.8.1913]. auffordern, irgendwo auswärts mit ihm zusammen zukommenSchreibversehen, statt: zusammenzukommen., so würde mich das sehr freuenSchreibversehen (vergessener Punkt am Satzende), statt: freuen. Ich halte es für vernünftiger als wenn Du Dir zuhaus die Mühe einer Gesellschaft auflädtst.

Küsse die Kinder von mir. Mit innigstem Kuß
Dein
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 29. August 1913 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

München, Freitag. 29.VIII.13.


Geliebter Frank,

ich hoffe von Herzen, dass Du eine gute FahrtFrank Wedekind ist am 28.8.1913 zu dem „Franziska“-Gastspiel vom 5. bis 29.9.1913 (25 Vorstellungen) an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin von München abgereist (er führte die Regie und spielte die Rolle des Veit Kunz, Tilly Wedekind die Titelrolle). gehabt hast u. gut angekommen bist! Heute Vormittag habe ich Einiges besorgt; Mittags waren meine Eltern bei mir u. giengen nachher mit den Kindern in den englischen Garten. Ich packte Nachmittags für Franziska u. bin fast fertig | damit. Die Kinder haben gebadet u. liegen jetzt Beide im Bettchen. Ich hoffe, dass es Dir gut geht u. küsse Dich in innigster Liebe, Deine Tilly


Grüße von meinen Eltern u. Martha, Küsse von den Kindern.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin. N.W.
Elite Hotel.

Tilly Wedekind schrieb am 30. August 1913 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 30.VIII.13.


Innigst geliebter Frank,

ich danke Dir tausendmal für Deinen lieben, ausführlichen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.8.1913.! Ich bin so froh, dass Du eine angenehme Fahrt gehabt hast, und dass die Dinge in Berlindas anstehende „Franziska“-Gastspiel an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin (Direktion: Max Reinhardt) vom 5.9.1913 bis 29.9.1913 (25 Vorstellungen), bei dem Frank Wedekind die Regie führte und die Rolle des Veit Kunz spielte, Tilly Wedekind die Titelrolle – mit der Aussicht, möglicherweise noch andere Stücke zu spielen, was sich nicht realisierte. offenbar gut stehen. Ich werde also die Sachen für „König Nicolo“ und „Erdgeisteinpackenvon Kostümen für „König Nicolo“ und „Erdgeist“, die dann nicht benötigt wurden, da beide Stücke im Rahmen des Gastspiels 1913 nicht zur Aufführung kamen., damit sie nachgeschickt werden können. |

Deine Notizbücherirrtümlich statt Wedekinds Tagebuch und Kontobuch, die er zu schicken gebeten hat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.8.1913]; seine Frau hat die Sendung wie im vorliegenden Brief angekündigt am 31.8.1913 auf die Post gegeben [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.8.1913], wohl mit einem nicht überlieferten Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.8.1913. suche ich gleich heraus, gebe sie aber lieber morgen Früh auf der Post auf. Die Uhr bringe ich mit. Gleichzeitig mit diesem Brief gebe ich drei Briefevgl. Elias Tomarkin an Wedekind, 27.8.1913 – sowie zwei nicht überlieferte Briefe (Absender nicht sicher belegt); erschlossene Korrespondenzstücke: Georg Müller an Wedekind, 29.8.1913 (vermutlich eine Antwort auf Wedekinds Brief an seinen Verleger [vgl. Wedekind an Georg Müller, 24.8.1913], der seinen Beitrag zum Jubiläumskatalog zum 10jährigen Bestehen des Verlags betraf); Eugen Frankfurter an Wedekind, 29.8.1913 (der Literaturagent hat nach Wedekinds Brief an ihn [vgl. Wedekind an Eugen Frankfurter, 12.8.1913] beim Stuttgarter Hoftheater am 16.8.1913 mit einer Anfrage an den Intendanten Joachim Gans Edler zu Putlitz [Staatsarchiv Ludwigsburg, Akte Frank Wedekind, E 18 VI Bü 1305] Erkundigungen zu einem geplanten, dann aber nicht realisierten Gastspiel eingeholt und dürfte Wedekind über die Ergebnisse informiert haben). u. zwei Correktursendungennicht überlieferte Begleitschreiben zur Sendung von Korrekturbögen wohl einerseits für einen der im Jahr 1913 erscheinenden Bände der „Gesammelten Werke“ sowie andererseits für das Drama „Simson“, dessen Druckvorlage Wedekind am 6.8.1913 seinem Verleger übergeben hatte und das vordatiert auf 1914 noch 1913 erschien [vgl. KSA 7/II, S. 1266]; erschlossene Korrespondenzstücke: Georg Müller Verlag an Wedekind, 28.8.1913 und 29.8.1913. auf. Verzeih mir, die eine Korrektur kam schon gestern u. ich dachte gar nicht daran, dass ich sie Dir nachschickenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.8.1913. muss. Hoffentlich bist Du mir deshalb nicht böse. Es tut mir furchtbar leid.

Aber ich bin müde von den vieler|lei Dingen an die ich zu denken habe, und die ich besorgen muss. Ich hoffe, Du hast daher ein bischen Nachsicht mit mir. Gestern habe ich noch für „Franziska“ alles fertig gepackt. Heute habe ich vieles besorgt, das Geld geholt etz. Meine ElternEduard und Mathilde Newes [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.8.1913]. habe ich nur einen Moment gesehen, nach Tisch. Martha war mit mir in der Stadt. Ich hoffe, dass ich morgen mit dem Einpacken möglichst weiter komme, damit ich die beiden, letztenSchreibversehen, statt: beiden letzten. Tage nicht zuviel zu tun habe. |

Die Kinder waren spazieren. Nach Tisch waren beide sehr lustig u. herzig. Im Institut Savaète war ich noch einmal wegen des Eintrittswegen Pamela Wedekinds Einschulung am 6.9.1913 [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 224] in das von Artur und Helene Savaëte geleitete Institut Savaète (Ludwigstraße 7), eine „Private höhere Mädchenschule mit Pensionat“ [Adreßbuch für München 1914, Teil II, S. 396], 1817 gegründet (so in den Anzeigen des Instituts); das „Institut Savaète [...] Höhere Mädchenschule mit Pensionat“ machte die Termine des Schulbeginns kurz vor dem neuen Schuljahr bekannt: „a) Beginn der Volksschulklasse: 5. September 9 Uhr vorm. b) Beginn der Höheren Mädchenschule: 16. Sept. 9 Uhr vorm.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 442, 30.8.1913, Vorabendblatt, S. 6] Tilly Wedekind hat diese Auskünfte dem vorliegenden Brief zufolge auch vor Ort erhalten, mit dem Unterschied, dass der Schulbeginn der Erstklässlerinnen auf den 6.9.1913 (einen Samstag) gelegt war., da ich doch nicht da sein werde. Die ersten Klassen fangen also schon am 6. an, heute in 8 Tagen. Nur die späteren Klassen der höheren Töchterschule gehen erst am 16. an. Es wird ja für Anna Pamela auch die beste Zerstreuung sein, wenn wir nicht da sind, dass sie zur Schule geht. Sie freut sich schon sehr darauf. Deine Küsse habe ich ihnen noch im Bettchen gegeben; sie schicken Dir auch viele Küsse. Ich gehe so bald wie möglich schlafen. In treuer Liebe küsst Dich innigst,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 30. August 1913 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 30.8.1913 aus München:]


Gleichzeitig mit diesem Brief gebe ich drei Briefe u. zwei Correktursendungen auf.

Frank Wedekind schrieb am 31. August 1913 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

31.8.1913.


Innigst geliebte Tilly! Heute früh erhielt ich Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.8.1913.. Meinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.8.1913. wirst Du erhalten haben. Freitag und Samstag waren sehr mangelhafte ProbenProben für das „Franziska“-Gastspiel vom 5. bis 29.9.1913 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin (25 Vorstellungen), bei dem Wedekind die Regie führte und die Rolle des Veit Kunz spielte (seine Frau die Titelrolle). Die nächsten Proben fanden dem Tagebuch zufolge am 1.9.1913 („Probe“) sowie – offenbar unerfreulich verlaufen – am 2.9.1913 statt („Probe Arnold und Dr. Rothauser legen ihre Rollen nieder“), da die Schauspieler Victor Arnold und Eduard Rothauser ihre Rollen abgaben.. Heute Sonntag fiel die Probe aus. Ich war den ganzen Tag mit Rathenau auf seinem LandsitzWalther Rathenau hatte 1909 das etwa 50 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegene Schloss Freienwalde erworben, wo Wedekind am 31.8.1913 zu Gast war: „Rathenau holt mich ½ 10 Uhr ab nach Freienwalde wo wir den ganzen Tag bleiben.“ [Tb] Freienwalde. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß die Premiere verschoben wird, aber wir dürfen natürlich nicht damit rechnen. Wenn Du erst Mittwoch früh kommst, fällt es Dir vielleicht sehr schwer gleich die Kostüme zu probieren. Vielleicht gelingt es Dir schon Dienstag Abend hier zu sein. Telegraphiere mir bitte, damit ich das Zimmer bestelle. Der heutige Tag mit Rathenau war der interessan|teste, den ich seit langer Zeit erlebte. Gestern AbendWedekind besuchte am 30.8.1913 eine Vorstellung der Inszenierung von Leo Tolstois Schauspiel „Der lebende Leichnam“ (Premiere: 7.2.1913) unter der Regie von Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin: „Abend in Lebendem Leichnam.“ [Tb] war ich in Lebendem Leichnam, ein prachtvolles Stück, das Du auf jeden Fall sehen mußt. Grüße meinen BruderArmin Wedekind hatte angekündigt, mit seiner Tochter Lilli auf der Durchreise zur Schwester Erika Wedekind nach Dresden in München Station zu machen – in der Zeit vom 31.8.1913 bis 3.9.1913 [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 22.8.1913]; er hat sich dazu nicht mehr gemeldet.. Küsse die Kinder von mir. In innigster Liebe
Dein Frank.


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50.

Tilly Wedekind schrieb am 31. August 1913 in München
an Frank Wedekind

München, 31.VIII.13.


Innigst geliebter Frank, ich hoffe von Herzen, dass es Dir gut geht u. Du alles erhalten hast was ich gestern abends aufgabHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu nachgesandter Post; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Fran Wedekind, 30.8.1913.. Der Korb zum Nachschickendarin Kostüme für „König Nicolo“ und „Erdgeist“, die dann aber nicht benötigt wurden, da beide Stücke im Rahmen des Berliner Gastspiels (siehe unten) 1913 nicht zur Aufführung kamen. ist auch gerichtet u. habe ich nur noch meinen KofferTilly Wedekind reiste am 2.9.1913 zu dem „Franziska“-Gastspiel vom 5. bis 29.9.1913 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters nach Berlin, wo sie die Titelrolle spielte (Frank Wedekind, der bereits seit dem 29.8.1913 in Berlin war, führte die Regie und spielte die Rolle des Veit Kunz). fertig zu machen. Heute war ich nicht aus, ich blieb zu Hause um das alles zu richten. Mittags waren | meine Eltern zum Essen da, Vor- u. Nachmittag waren sie u. Martha mit den Kindern spazieren. Abends brachte ich beide Kinder zu Bett u. sie waren so lieb, dass ich ganz glücklich war! Sie schicken Dir viele Küsse! Von Deinem BruderArmin Wedekind hatte angekündigt, mit seiner Tochter Lilli auf der Durchreise zur Schwester Erika Wedekind nach Dresden in München Station zu machen – in der Zeit vom 31.8.1913 bis 3.9.1913 [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 22.8.1913] – und Frank Wedekind hatte nachgefragt, wie es damit stehe [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.8.1913]. hörte ich bis jetzt nichts. Viele Grüße von den Eltern u. Martha. Innigst umarmt u. küsst Dich,
Deine Tilly


Die Notizbücherirrtümlich statt Wedekinds Tagebuch und Kontobuch, die er zu schicken gebeten hat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.8.1913]; seine Frau hat die Sendung dem vorliegenden Brief zufolge morgens wohl mit einem nicht überlieferten Begleitschreiben auf die Post gegeben; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.8.1913. giengen heute Früh weg.

Tilly Wedekind schrieb am 31. August 1913 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 30.8.1913 aus München:]


Deine Notizbücher suche ich gleich heraus, gebe sie aber lieber morgen Früh auf der Post auf.


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 31.8.1913 aus München:]


Die Notizbücher giengen heute Früh weg.

Tilly Wedekind schrieb am 1. September 1913 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 1.IX.13.


Innigst geliebter Frank,

ich bin schon sehr besorgt, da ich heute u. gestern keine Nachricht von Dir bekam. Hoffentlich hast Du Dich nicht über etwas geärgert. Ich habe mir nichts vorzuwerfen, ausser dass ich die erste KorekturSchreibversehen, statt: Korrektur. erst den zweiten Tag schickteHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung von Korrekturbögen entweder für einen der im Jahr 1913 erscheinenden Bände der „Gesammelten Werke“ oder für das Drama „Simson“, dessen Druckvorlage Wedekind am 6.8.1913 seinem Verleger übergeben hatte und das vordatiert auf 1914 noch 1913 erschien [vgl. KSA 7/II, S. 1266]; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller Verlag an Wedekind, 28.8.1913.. Ich habe Dir täglich seit Du fort bist geschrieben, u. D/t/ue mein Möglichstes. Aber sicher hast Du sehr viel Arbeit u. ich will morgen abwarten u. dann, wenn | es Dir recht ist, abends reisenTilly Wedekind reiste am 2.9.1913 abends von München ab zu dem „Franziska“-Gastspiel vom 5. bis 29.9.1913 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters nach Berlin, wo sie die Titelrolle spielte (Frank Wedekind, der bereits seit dem 29.8.1913 in Berlin war, führte die Regie und spielte die Rolle des Veit Kunz).. Inzwischen tröste ich mich mit Deinem ersten Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.8.1913. u. lese ihn immer wieder durch.

Von Deinem BruderArmin Wedekind hatte angekündigt, mit seiner Tochter Lilli auf der Durchreise zur Schwester Erika Wedekind nach Dresden in München Station zu machen – in der Zeit vom 31.8.1913 bis 3.9.1913 [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 22.8.1913]. hörte ich auch heute nichts. Vielleicht hat er es sich doch überlegt u. fährt mit Lilli direct nach Dresden, da er Dich hier doch nicht trifft.

Heute war ich bei dem Friseur im VolksbadAndreas Deuerling, approbierter „Bader“ und „Hühneraugenoperateur“, Geschäft: Zweibrückenstraße 31 „(Städtisches Volksbad)“ [Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 105], ist unter „Friseurgeschäfte“ [vgl. Adreßbuch für München 1914, Handels- und Gewerbe-Adreßbuch, S. 84] verzeichnet; er betrieb jedenfalls sein Geschäft im Städtischen Müllerschen Volksbad (Zweibrückenstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil II, S. 717], einem im Jugendstil erbauten 1901 eröffneten Hallenbad (benannt nach Karl Müller)., habe Hüte probiert die ich mir richten ließ u. habe ziemlich fertig gepackt. Doch habe ich noch genug zu tun. |

Die Kinder waren spazieren, Nachmittags waren die GroßelternEduard und Mathilde Newes, Tilly Wedekinds Eltern. mit. Es geht ihnen gottlob gut, sie schlafen schon Beide. Die Kleine wundert sich immer, wenn wir in Dein Zimmer kommen, dass Du nicht da bist. Anna Pamela bemuttert sie manchmal sehr lieb.

Nun lebwohl, geliebter Frank, ich kann Dir nichts erzählen, da ich nichts erlebt habe. Hoffentlich bekomme ich morgen Nachricht von Dir u. hoffentlich übermorgen auf frohes Wiedersehn! Viele Küsse | von den Kindern, Grüße von den Eltern u. Martha,
in treuer Liebe küsst Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 2. September 1913 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

wedekind berlin elite hotel =


Telegraphie des Deutschen Reichs.Berlin W, Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus münchen [...]


= herzliechsten dank fuer kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 31.8.1913. ankunftWedekind notierte am 3.9.1913: „Tillys Ankunft. Wir beziehen dieselben Zimmer wie vor anderthalb Jahren.“ [Tb] erst morgen mittwoch frueh moeglich auf wiedersehen im hotel =
innigst deine tilly =

Tilly Wedekind schrieb am 1. Oktober 1913 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, wir holen Anna Pamela von der SchulePamela Wedekind ging ab dem 6.9.1913 zur Schule [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 224], in das von Artur und Helene Savaëte geleitete Institut Savaète (Ludwigstraße 7), eine „Private höhere Mädchenschule mit Pensionat“ [Adreßbuch für München 1914, Teil II, S. 396]. Frank Wedekind notierte am 1.10.1913 seine und Tilly Wedekinds Rückkehr von ihrem Berliner Gastspiel und den Schulbesuch seiner Tochter: „Ankunft in München. Wir treffen alles wohl an. Annapamela geht zur Schule. Spaziergang in der Stadt.“ [Tb] ab u. gehen dann spazieren. Auf Wiedersehn Mittags. Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 2. Oktober 1913 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich hole mit der Kleinen Anna Pamela ab u. wir gehen dann spazieren.

Auf Wiedersehen Mittags.

Innigst Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 3. Oktober 1913 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich gehe mit der Kleinen spazieren u. hole dann Anna Pamela ab, weil AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] mich gebeten hat, ob sie für sich etwas besorgen kann.

Auf Wiedersehen Mittags. Hoffentlich bist Du nicht schlechter StimmungWedekind, der gegen „Klaviergeklimper“ [Wedekind an Maximilian Harden, 10.9.1913] eine unüberwindliche Abneigung hatte, dürfte angesichts des Klavierspiels in einer Nachbarwohnung im Haus am 3.10.1913 schlechter Stimmung gewesen sein und dieses durch eigenen Lärm zu bezwingen gesucht haben: „Klaviergeklimper. Wir bringen unser Klavier in mein Zimmer Kampf“ [Tb].! Innigst
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 27. Dezember 1913 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich möchte mir gern die Haare waschen lassen, will Dich aber nicht weckenWedekind war am Vorabend mit seinem Sohn und Joachim Friedenthal wohl länger im Hoftheater-Restaurant und in der Torggelstube unterwegs gewesen, wie er am 26.12.1913 notierte: „Mit Fritz und Friedenthal HTR und T.St.“ [Tb]. Fritz ist zu seiner SchwesterFriedrich Strindbergs Halbschwester Kerstin Strindberg „lebte damals vorübergehend in München“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 225], genauer gesagt in der Pension Weigl in Harlaching (Lindenstraße 19) [vgl. Kerstin Strindberg an Wedekind, 24.11.1913]. hinaus, Anna Pamela holt mit dem MädchenAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] HypolitFerdinand von Sadkowski, genannt Hypolit, der Sohn von Tilly Wedekinds Cousine Eugenie von Sadkowski..

Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 11. Januar 1914 in München
an Frank Wedekind

Sonntagder 11.1.1914. abends.


Geliebter Frank,

heute Vormittag waren Anna Pamela u. ich mit Jenny u. Hypolit im Deutschen MuseumTilly Wedekind war mit ihrer Tochter Pamela Wedekind und ihrer Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski und deren Sohn Ferdinand (Hypolit) von Sadkowski entweder in der Abteilung I des Deutschen Museums (Maximilianstraße 26) oder in der Abteilung II (Zweibrückenstraße 12) oder in beiden Häusern (beide sonntags ab 9 Uhr geöffnet), sicher aber nicht im „Neubau, Museumsinsel. (Im Entstehen.)“ [Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 141]: „Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft u. Technik. [...] Die Sammlungen enthalten Originale, Modelle u. Demonstrationseinrichtungen, welche die Entwicklung der Naturwissenschaft u. Technik zur Darstellung bringen. Abteilung I: [...] Berg- u. Hüttenwesen, Maschinenwesen, Verkehrswesen, Astronomie, Physik, Chemie, Reproduktionstechnik, Uhren, Textilindustrie, Landwirtschaft, Flußbau, Kanalbau und Schiffbau. [...] Abteilung II: [...] Metallhüttenwesen, Metallbearbeitung, Gastechnik, Elektrotechnik, Beleuchtungswesen, Ingenieurbauwesen, Wohnbau, Städtehygiene, Heizung- und Kältetechnik, Musikinstrumente, Luftschiffahrt.“ [Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 160]. Es war sehr interessant, man muss wirklich öfter hingehen. Dann aßen sie bei uns, nach Tisch | giengen wir spazieren u. dann blieben sie noch bis 7 Uhr19 Uhr. bei uns. Es war ein sehr schöner Tag, wir sprachen viel von Dir, von „Simson“ u. vor Allem von „Franziska“. Die Kinder unterhielten sich auch sehr gut.

Hoffentlich bist Du gut angekommenWedekind, der wegen der anstehenden Uraufführung von „Simson“ am 24.1.1914 am Lessingtheater in Berlin von München abgereist ist, notierte am 11.1.1914: „Abfahrt. Tilly begleitet mich auf den Bahnhof. [...] Stille ruhige Fahrt Ankunft in Berlin.“ [Tb] u. hast Du eine angeneh|me Fahrt gehabt. Wie geht es mit Deinem ArmWedekind hatte dem Tagebuch zufolge seit dem 4.1.1914 („Forunkel am Arm“) Beschwerden wegen eines Furunkels am Arm, suchte am 7.1.1914 den Hausarzt auf („Bei Dr. Hauschildt“), konnte am 8.1.1914 der Beschwerden wegen nicht nach Berlin reisen („Stehe um 6 Uhr auf fahre aber nicht wegen starker Schmerzen. Fahre auch abends nicht da der Arm anschwillt. Dr. Hauschild kommt“) und war am 9.1.1914 („Bei Dr. Hauschildt“) und 10.1.1914 („Bei Dr. Hauschild“) nochmals beim Arzt.? Hoffentlich gut! Ist es in Berlin auch so kalt? Hier war es heute sehr kalt. Wenn Du willst schicke ich Dir Deinen Pelzmantel. Anbei 5 Drucksachennicht ermittelt. Briefvgl. Richard Dehmel an Wedekind, 9.1.1914. u. Kartevgl. Marie Uhl an Wedekind, 9.1.1914 (eine Bildpostkarte).. Ich schicke sie | gleichzeitig.

Hoffentlich bekomme ich bald Nachricht von Dir. Viele Küsse von den Kindern!

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Januar 1914 in München
an Frank Wedekind

Montag abends.


12.I.14.


Geliebter Frank,

heute Vormittag war ich mit der Kleinen spazieren, u. holten wir dann Anna Pamela von der Schule ab. Es war sehr kalt, 7° unter 0. Die Mädchen mussten nähen und waschen. |

Nachmittags habe ich Einiges besorgt u. gehe jetzt mit Jenny in die „SippeTilly Wedekind und ihre Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski besuchten am 12.1.1914 die Inszenierung von Ludwig Thomas Schauspiel „Die Sippe“ (1913 im Albert Langen Verlag erschienen) in den Münchner Kammerspielen (Premiere war am 17.12.1913), inzwischen unter der Direktion von Erich Ziegel [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 563]; die Vorstellung begann um 20 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 19, 11.1.1914, General-Anzeiger, S. 2].. Wir treffen uns in den Kammerspielen, ich habe telephonisch um Plätze gebeten. Hoffe, dass es Dir gut geht! Viele Küsse von den Kindern, innigen Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 12. Januar 1914 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL HABSBURGER HOF
FRITZ OTTO, Hoflieferant.

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Amt Lützow, 1663 Hotel
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                        5442 Restaur.

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Tag und Nacht im Betrieb.


Berlin S.W. 11, den     191

Askanischer Platz 1.


Berlin 12.1.14.


Geliebteste Tilly!

Nach sehr ruhiger Fahrt kam ich gestern Abend an. Während der Reise las ichWedekind notierte am 11.1.1914 über seine Lektüre auf der Zugfahrt von München nach Berlin: „Ich lese Albrecht Dürer. Stille ruhige Fahrt“ [Tb]. Welches Buch Wedekind las ist nicht sicher zu ermitteln; es könnten aber Albrecht Dürers 1506 während seines Aufenthalts in Venedig geschriebene Briefe gewesen sein [vgl. Moriz Thausing: Dürers Briefe, Tagebücher und Reime. Wien 1872, S. 3-22]. Albrecht Dürer über seinen Besuch in Venedig. Nachdem ich im Hotel Thee getrunken fuhr ich ins Theaterins Berliner Lessingtheater (Direktion: Victor Barnowsky), wo am 24.1.1914 „Simson“ uraufgeführt werden sollte; die Vorbereitung der Uraufführung war der Zweck von Wedekinds Reise nach Berlin., wo mir der RendantKassenwart, Rechnungsführer. Rendant im Lessingtheater war seit vielen Jahren Gotthard Müller [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 309]. von Barnowskys schwerer Nervendepression sprach. Dann kam Barnowsky, der so gesund wie immer war und bat mich mit ihm zu Dr. EliasWedekind war am 11.1.1914 mit Victor Barnowsky bei dem Privatgelehrten und Schriftsteller Dr. phil. Julius Elias (Matthäikirchstraße 4) [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 613] zu Besuch und traf dort Paul Cassirer und Tilly Durieux: „Mit Barnowsky Cassirer und Durieux bei Dr. Elias.“ [Tb] zu kommen, wo auch CassirerDie Buchausgabe „Simson oder Scham und Eifersucht. Dramatisches Gedicht in drei Akten“ (1914), die bereits Ende 1913 vorlag [vgl. KSA 7/II, S. 1266], war Paul Cassirer gewidmet: „Ihnen, Herr Paul Cassirer der Sie Ihr Leben und Ihre Arbeit der Beschirmung des Schönen weihen, seien diese Verse zugeeignet.“ [KSA 7/I, S. 493] | hinkäme. Elias ist ein alter Freund von Welti Schlenther Dr. Pariser Ibsen Björnson, Hauptmann e.ct. Wir aßen bei ihm zu Abend und dann kam auch die Durieux aus dem TheaterTilly Durieux kam aus dem Lessingtheater, wo sie am 11.1.1914 in Bernard Shaws Lustspiel „Pygmalion“ als Eliza Doolittle auf der Bühne stand.. Von Simson wurde fast gar nicht gesprochen. Um 1 Uhr trank ich noch ein Glas Bier im Hotel und legte mich schlafen.

Heute um 11 Uhr war ArrangierprobeWedekind notierte am 12.1.1914: „Arrangierprobe von Simson 1. u. 2. Akt. [...] Kayßler wird widerspenstig.“ [Tb] Friedrich Kayßler, prominenter Schauspieler im Ensemble des Lessingtheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 309], spielte in der „Simson“-Uraufführung die Titelrolle – mit großem Erfolg [vgl. KSA 7/II, S. 1339-1350]. 1. und 2. Akt. Kayßler scheint mir sehr gut zu werden, nahm mir aber gleich die erste Bemerkung die ich machte übel. Alle übrigen waren sehr gefügig. Rottmann probierte als Og von BasanOg von Basan ist der erste der Fürsten der Philister in „Simson“ [vgl. KSA 7/I, S. 494], ihr König, in der Uraufführung gespielt von Alexander Rottmann, Mitglied im Ensemble des Lessingtheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 309] – so auch die Darsteller der Philisterfürsten Azav (Guido Herzfeld), Nebrod (Heinrich Schroth), Jetur (Alexander Ekert), Gadias (Rudolf Klein-Rhoden) und Chetim (John Gottowt) und die Darstellerin der Delila (Tilla Durieux), ebenso Heinz Salfner, der in der „Simson“-Uraufführung aber nicht auftrat. Der genannte Albert Steinrück vom Münchner Hoftheater trat in der „Simson“-Uraufführung ebenfalls nicht auf., den aber Steinrück oder | Salfner spielen soll. Gotthofft ist Chetim, Guido Herzfeld Azav, Klein Roden Gadias, Schrot Nebrod, Eckert spielte Jetur, den aber Rottmann übernehmen soll. Barnowsky sagte mir am Schluß er werde mich überhaupt als Regisseur engagieren. Dann kamen machte Kayßler endlose Auseinandersetzungen. Die Durieux ist vollkommen im Bilde der Rolle nur glaube ich daß die Ausführung, besonders stimmlich nicht besonders reizvoll ausfällt. Aber darüber sind ja die Berliner anderer Ansicht. Die Probe dauerte von 11 – 4von 11 bis 16 Uhr.. Darauf ging ich zu Skriwonek zu TischWedekind notierte am 12.1.1914: „Mittag bei Skriwoneck“ [Tb] – gemeint war das von ihm oft besuchte (und in unterschiedlichen Schreibweisen notierte) „Restaurant Krziwanek Josef Jenisch“ [Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 2553] (Mittelstraße 57/58, Ecke Friedrichstraße), Inhaber: Josef Kießwetter und Gustav Hölscher (Inhaber früher: Josef Jenisch), ausgewiesen als „Orig. Wiener Restaurant“ [ebd.]. und bin eben im Begriff ins Theater zu gehn z um SalfnerHeinz Salfner spielte in Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ im Lessingtheater die Titelrolle, in der Wedekind ihn am 12.1.1914 sah: „Abend in Peer Gynt.“ [Tb] als Peer Gynt anzusehen. |

Ich hoffe, geliebteste Tilly, daß es euch allen DreienTilly, Pamela und Kadidja Wedekind. gut geht. Hier herrscht eine sehr erfrischende Kälte. Den Arm trage ich noch verbundenWedekind hatte dem Tagebuch zufolge seit dem 4.1.1914 („Forunkel am Arm“) Beschwerden wegen eines Furunkels am Arm, suchte am 7.1.1914 den Hausarzt auf („Bei Dr. Hauschildt“), konnte am 8.1.1914 der Beschwerden wegen nicht nach Berlin reisen („Stehe um 6 Uhr auf fahre aber nicht wegen starker Schmerzen. Fahre auch abends nicht da der Arm anschwillt. Dr. Hauschild kommt“) und war am 9.1.1914 („Bei Dr. Hauschildt“) und 10.1.1914 („Bei Dr. Hauschild“) in München nochmals beim Arzt., hoffe aber morgen oder übermorgen ein Pflaster auflegen zu können. Heute Abend bin ich voraussichtlich allein, da Cassirer morgen einen großen ProzeßDer Kunsthändler Paul Cassirer hatte am 13.1.1914 vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte zu erscheinen [vgl. Der Sezessionsstreit vor Gericht. In: Vorwärts, Jg. 31, Nr. 13, 14.1.1914, 1. Beilage, S. (3)]; gegen ihn war von einigen Mitgliedern der Berliner Secession wegen Beleidigung geklagt worden – er wurde freigesprochen [vgl. Freisprechung im Sezessionsprozeß. Die Klage gegen Paul Cassirer. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 23, 14.1.1914, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (1)]. hat. Ich werde an Totentanz arbeitenWedekind notierte am 12.1.1914 (nach dem Besuch der „Peer Gynt“-Vorstellung im Lessingtheater): „Dann allein Lindenrestaurant und Stallmann wo ich an Tod und Teufel arbeite.“ [Tb] Er arbeitete vom 20.12.1913 bis zum 7.2.1914 die erste und dritte Szene von „Totentanz“ (1905) – seit 1909 unter dem Titel „Tod und Teufel (Totentanz)“ [vgl. KSA 6, S. 625-627] – in Versform um [vgl. KSA 6, S. 614].. Nun leb wohl geliebteste Tilly. Mit innigstem
Kuß
Dein
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 13. Januar 1914 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL HABSBURGER HOF
FRITZ OTTO, Hoflieferant.

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Amt Lützow, 1663 Hotel
                       4077
                        5442 Restaur.

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Tag und Nacht im Betrieb.


Berlin S.W. 11, den     191

Askanischer Platz 1.


Berlin 13.1.14.


Geliebteste Tilly!

Innigsten Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1914 und 12.1.1914.. Meinen Brief von gesternvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 12.1.1914. wirst Du derweil auch erhalten haben. Es freut mich sehr, daß es euch allen gut geht. Hier ist es auch sehr kalt. Wenn Du mir also den Pelzmantel schicken willst, bin ich Dir sehr dankbar. Ich werde ihn nicht für gewöhnlich tragen sondern für den Fall, daß ich im Frack ausgehen muß. Das wird nächsten Sonntag AbendWedekind war am 18.1.1914 auf einer „Abendgesellschaft bei Dr. Elias“ [Tb], bei dem Privatgelehrten und Schriftsteller Dr. phil. Julius Elias (Matthäikirchstraße 4) [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 613]. der Fall | sein, wo ich zu Dr. Elias eingeladen bin. Die gleiche Notwendigkeit kann sich aber schon vorher ergeben.

Gestern AbendWedekind besuchte am 12.1.1914 die Inszenierung von Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ mit Musik von Edvard Grieg im Lessingtheater (Premiere war am 15.9.1913 gewesen) und war anschließend zuerst im Linden-Restaurant (Unter den Linden 44) und dann in der Künstlerklause Carl Stallmann (Jägerstraße 14): „Abend in Peer Gynt. Dann allein Lindenrestaurant und Stallmann“ [Tb]. war ich nach der Peer Gynt Aufführung richtig allein bei Stallmann. Peer Gynt hat mir sehr gefallen, ein herrliches Stück, die Musik allein ist ein großer Genuß. Heute war bis zwei Uhr ProbeWedekind notierte am 13.1.1914 zur Vorbereitung der Uraufführung von „Simson“ am 24.1.1914 im Lessingtheater (Direktion: Victor Barnowsky): „Arrangiere III Akt. Probe I Akt.“ [Tb] Friedrich Kayßler spielte die Titelrolle, Alexander Rottmann den Og von Basan.. Ich arrangierte den 3. Akt und dann probierten wir den ersten. Kayßler ist herrlich, ich sehe jetzt erst wie wenig ich schauspielerisch der Rolle gewachsen wäre. Auch Rottmann gefällt mir sehr gut. Barnowsky war nicht erschienen da er wegen Fieber zu Bett lag. | Jetzt werde ich die beiden Varieté-AgentenRichard Weiniger betrieb eine Künstleragentur (Behrenstraße 14-16) [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 3430] und annoncierte ein „Bureau für Bühnenangehörige“ (Inhaber: Richard Weiniger) in „Berlin, Behrenstraße 14-16“ mit der „Spezialität: Management von ersten Bühnenkünstlern am Varieté, Konzert und Kabarett.“ [Neuer Theater-Almanach 1913, Anzeigenanhang, S. 41] Sein Partner (oder Betreiber einer eigenen Agentur?) war möglicherweise Moritz Waldapfel, zunächst Kunsthändler [vgl. Berliner Adreßbuch 1913, Teil I, S. 3300], dann Gastwirt [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 3375] (die einzige männliche Person, die unter diesem Namen verzeichnet ist). Wedekind notierte am 15.1.1914 eine „Unterredung mit Weiniger.“ [Tb] Weiniger und Waldapfel besuchen. Nachher gehe ich vielleicht in WetterleuchtenWedekind besuchte am 13.1.1914 Max Reinhardts Inszenierung von August Strindbergs „Wetterleuchten“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Premiere war am 10.12.1913): „Abend Wetterleuchten von Strindberg.“ [Tb] in den Kammerspielen. Es freut mich sehr, liebe Tilly, daß Du im Theater warst. Ich möchte nicht, daß Du Dich während meiner Abwesenheit langweilst. Kassirer hat heute den ganzen Tag über ProzeßPaul Cassirer verbrachte den 13.1.1914 vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte [vgl. Der Sezessionsstreit vor Gericht. In: Vorwärts, Jg. 31, Nr. 13, 14.1.1914, 1. Beilage, S. (3)]; gegen ihn war von einigen Mitgliedern der Berliner Secession wegen Beleidigung geklagt worden – er wurde freigesprochen [vgl. Freisprechung im Sezessionsprozeß. Die Klage gegen Paul Cassirer. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 23, 14.1.1914, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (1)].. Da er bis jetzt nichts hat hören lassen, werde ich ihn heute Abend wohl nicht sehen. Nun leb wohl, geliebte Tilly, küsse die Kinder von mir.

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank


Bitte entschuldige die verwischte Schrift. Das Löschblatt ist nichts wert.

Tilly Wedekind schrieb am 13. Januar 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

13.I.14. Geliebter Frank,

herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 12.1.1914., den ich abends erhielt, als ich im Begriff war in’s Theater zu gehen. Darum werde ich Dir morgen erst ausführlich antworten. Ich freu mich, dass es Dir gut geht, u. auch sonst alles günstig steht. Vormittag habe ich Einiges | besorgt, Nachmittags war ich zu Hause, jetzt abends mit Jenny in der „UhrTilly Wedekind und ihre Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski besuchten am 13.1.1914 das Stück „Die Uhr. Ein Spiel in zwei Akten von Roda Roda und Gustav Meyrink“ am Residenztheater (dort am 10.1.1914 auch uraufgeführt); die Vorstellung begann um 19.30 Uhr und dauerte bis 21.45 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 22, 13.1.1914, General-Anzeiger, S. 2].. Uns geht es allen gut! Hoffe Dich im Besitz meiner beiden Nachrichtenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1914 und 12.1.1914.. Wir haben im Hoftheater Restaurant gegessen u. gehen jetzt nach Hause. Grüße von Jenny.

Innigst,
Tilly


Königreich Bayern
Postkarte


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Berlin. S.W.
Hotel Habsburger-Hof.

Tilly Wedekind schrieb am 14. Januar 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 14.1.1914 aus München:]


Deinen Mantel werde ich womöglich heute noch absenden.


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 15.1.1914 aus München:]


[...] der Mantel ist gestern schon abgegangen [...]


[3. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 16.1.1914 aus Berlin:]


Heute früh kam der Pelzmantel.

Tilly Wedekind schrieb am 14. Januar 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 14.I.14.


Geliebtester Frank,

herzlichsten Dank für Deine beiden, lieben Briefevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 12.1.1914 und 13.1.1914.! Verzeih’ bitte die Bleistiftkarte von gesternvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.1.1914.; aber Dein Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.1.1914. war erst gekommen, als ich gerade fortgehen wollte. Ich hoffe, Du hast nichts dagegen dass ich mit Jenny im Hoftheater Restaurant zu Abend aß. Ich wollte hauptsächlich, dass sie ordentlich isst. Auch waren wir damals nach „Erdgeist“ im Künstler|theaterFrank Wedekind, Tilly Wedekind und Eugenie von Eugenie von Sadkowski besuchten dem Tagebuch zufolge am 30.5.1913 eine kurzfristig angesetzte „Erdgeist“-Vorstellung der Inszenierung von František Zavřel [vgl. KSA 3/II, S. 1207, 1241] im Münchner Künstlertheater („Künstlertheater Erdgeist mit Tilly und ihrer Kusine“) und Frank Wedekind arbeitete anschließend im Ratskeller an „Simson“ („Nachher allein RK Simson gearbeitet“), während seine Frau und deren Cousine dem vorliegenden Brief zufolge anschließend im Hoftheater-Restaurant waren., mit Deinem EinverständnissSchreibversehen, statt: Einverständnis. dahin gegangen. Von Bekannten sahen wir Frl. Seippdie Schauspielerin Bettina Seipp (Widenmayerstraße 10) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 654], Mitglied des Münchner Hofschauspiels [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 559]. u. Hr. Herzogder inzwischen in München lebende Redakteur Wilhelm Herzog (Leopoldstraße 10) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 262], der eng mit Wedekind vertraut war., haben aber niemanden gesprochen. Montag im/n/ den Kammerspielen saß Fr. Consul Geigerdie Vizekonsuls-Witwe Anna Geiger (Galeriestraße 6) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 187]; sie war die Witwe des argentinischen Konsuls Apollo Geiger, der am 12.3.1910 bei einem Autounfall ums Leben kam (das argentinische Konsulat in München war Wedekinds Vormieter in der Prinzregentenstraße 50). mit einer Dame vor uns, Dr. Pariser mit seiner Tochterdie 20jährige Agnes Therese Pariser, nicht ihre 11jährige Schwester Hilde Pariser. hinter uns. Ich sprach mit Beiden einige Worte.

Gegen die „SippeTilly Wedekind sah am 12.1.1914 in den Münchner Kammerspielen das Stück „Die Sippe“ von Ludwig Thoma [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.1.1914]. u. gegen die „UhrTilly Wedekind sah am 13.1.1914 im Münchner Residenztheater das Stück „Die Uhr“ von Roda Roda und Gustav Meyrink [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.1.1914]. besonders, sprüht PygmalionTilly Wedekind besuchte gemeinsam mit Frank Wedekind und dessen Sohn Friedrich Strindberg am 28.12.1913 Bernard Shaws Komödie „Pygmalion“ (Regie: Albert Steinrück, Premiere: 22.11.1913) im Münchner Residenztheater [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 661, 28.12.1913, General-Anzeiger, S. 2]: „In Pygmalion mit Tilly und Fritz.“ [Tb] von Geist, Witz, Humor u. ist reich an Inhalt u. Tiefe. Man fragt wirklich K/k/opfschüttelnSchreibversehen, statt: kopfschüttelnd., wie es mög|lich ist, dass das Hoftheater so etwas aufführt. Allerdings war das Publikum in der gestrigen Aufführung zu zählen, u. wird die Uhr bald still stehen. Aber in der Sippe haben sich die Leute doch recht amüsiert, ausgenommen die paar Gescheidten Dr. Pariser wir etz.

Dass ich mich langweilen könnte, die Gefahr besteht nicht. Ich komme im Gegenteil mit der Zeit gar nicht aus. Ich bin froh, dass ich einige G/g/esellschaftliche Verpflichtungen heute Nachmittag gleichzeitig ab|machen kann. Ich gehe zu Jenny u. treffe daTilly Wedekind traf bei ihrer Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski (Renatastraße 27) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 573] die befreundete Schauspielerin Käthi Sandel, außerdem Blanka Marion, Freundin Joachims Friedenthals und Chorsängerin am Gärtnerplatztheater [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 444], sowie eine Frau Hauth (nicht identifiziert), möglicherweise die Gattin des Buchbinders Max Hauth [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 245]. die Sandel, Frl. Marion u. Fr. Hauth. Zu jeder einzeln zu gehen, hätte ich wirklich keine Zeit u. alle wollen mich immer einladen. Bleibt noch Fr. Dr. Pariser u. Fr. Albu. Heute Vormittag habe ich gelerntdie Titelrolle von „Franziska“ nach der Ende 1913 fertiggestellten „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ [KSA 7/II, S. 996]. u. will abends wieder lernen, damit ich in „Franziska“ ganz sicher bin, wenn Du kommst.

Ich freue mich sehr, dass die ProbenProben für die Uraufführung von „Simson“ am Lessingtheater in Berlin am 24.1.1914. gut gehen! Hoffentlich bleibt es so u. hast Du keine Unannehmlichkeiten! Gieb nur mit dem ArmWedekind hatte seit dem 4.1.1914 Beschwerden wegen eines Furunkels am Arm [vgl. Tb], der verbunden war (er war vor seiner Abreise nach Berlin in München deshalb mehrfach beim Arzt). sehr acht u. nimm’ die Binde nicht zu früh | ab. Deinen Manteleinen Wintermantel (Pelzmantel). werde ich womöglich heute noch absenden. Von Bekannten lass’ ich alle grüßen die ich kenne!

Den Kindern geht es Gottlob sehr gut. Anna Pamela geht täglich zur Schule, die Kleine war auch jeden Tag an der Luft, trotz der großen Kälte. Mittags wird die Kleine bei uns am Tisch gefüttert. Ich kann es so besser kontrolieren u. ist es auch sehr nett, dass wir alle Drei zusammen essen. Sie hat dann auch den Ehrgeiz, dass ihr alles | ebenso gut schmeckt, wie Anna Pamela. Beide Kinder lassen den Papa vielmals grüßen u. schicken viele Küsse. Die Besetzung von „Simson“ ist ja sehr gut! Ist es schon bestimmt wann die Premiere sein soll? Geller telephonierte heute; ich sagte er möchte Dir schreiben. Er sprach auch von Varieté AgentenNicht nur Oskar Geller, auch Wedekind erwähnte „Varieté-Agenten“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.1.1914]..

Die Jenny lässt sich Dir auch bestens empfehlen. Ihre Gesellschaft ist mir immer sehr lieb.

Nun lebwohl für heute. 4 Briefevgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 11.1.1914 (sowie drei weitere nicht überlieferte Briefe von unbekannten Absendern). | habe ich heute wieder nachgeschickt. Drucksachen brauche ich wohl nicht alle zu senden?

Innigsten Kuss,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 15. Januar 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 15.I.14.


Geliebtester Frank,

der Mantel ist gestern schon abgegangenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.1.1914. u. hoffe ich, dass Du ihn morgen spätestens erhältst. Hier hat die Kälte übrigens nachgelassen.

Heute war ich zu Hause, habe gelesen u. gelerntdie Titelrolle von „Franziska“ nach der Ende 1913 fertiggestellten „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ [KSA 7/II, S. 996].. Mit „Franziska“ bin ich ziemlich fertig, werde es aber möglichst oft wiederholen. Anna Pamela war in der Schule, | u. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] holte sie mit der Kleinen ab. Nachmittags waren sie spazieren. Abends telephonierte Frau Dr. Pariser an. Sie wollte mich für morgen oder übermorgen abends einladen. Holitscher ist auch bei ihnen. Ich suchte alle möglichen Ausflüchte, machte ihr auch Complimente über ihr Stück, das ich inzwischen gelesenTilly Wedekind las das Manuskript von Erna Parisers Schauspiel „Leda“ im Sommer 1913 in Lenzburg [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.6.1913 und 20.6.1913]. habe u. das mir theilweise recht gut gefällt.

Bald darauf telephonierte sie | wieder u. schließlich sagte ich, ich käme ein Bischen zu ihr, um ihr zu sagen warum ich nicht kommen will. Ich fuhr hin u. erzählte ihr von der Gesellschaft bei BernsteinsWedekind notierte am 6.1.1914 einen Gesellschaftsabend bei Max und Elsa Bernstein (unter den Gästen die Pianistin Sandra Droucker und ihr Mann, der Pianist Gottfried Galston, der Universitätsprofessor Robert Piloty und der Münchner Architekturstudent Jorge Bunge aus Buenos Aires), den seine Frau gemeint haben dürfte: „Abends bei Dr. Bernstein Sandra Drucker und ihr Mann Prof. Piloty und Frau. Prof. Arnold Herr Bunge aus Argentinien Tangotänzer.“ [Tb] u. wie deprimiert ich nachher war. Sie war wirklich sehr lieb u. herzlich mit mir u. sagte, dies sei auch nicht die Gesellschaft in der man sich wohl fühlen könne. Später begrüßten mich noch Pariser u. Holitscher; mit Letzterem gieng sie | dann in’s Theater, ich fuhr nach Hause. Sie will morgen nochmals anrufen, ich werde ja wohl hingehen müssen. Hoffentlich hast Du nichts dagegen. Ich möchte wirklich nichts tun, was Dir nicht angenehm wäre.

Ich hoffe von Herzen, dass es Dir gut gehen/t/ u. die ProbenProben für die Uraufführung von „Simson“ am Lessingtheater in Berlin am 24.1.1914. nicht zu anstrengend sind!

Deine Briefe liegen Nachts unter meinem Kopfkissen. Leb wohl innigst geliebter Frank, 1000 Küsse,
Deine Tilly


Küsse von den Kindern.

Frank Wedekind schrieb am 16. Januar 1914 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL HABSBURGER HOF
FRITZ OTTO, Hoflieferant.

Fernsprech-Anschlüsse:
Amt Lützow, 1663 Hotel
                       4077
                        5442 Restaur.

Personen-Fahrstuhl
Tag und Nacht im Betrieb.


Berlin S.W. 11, den     191

Askanischer Platz 1.


Berlin 16.1.14.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.1.1914. und Deinen lieben ausführlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.1.1914.. Heute früh kam der PelzmantelTilly Wedekind hat ihrem Mann am 14.1.1914 seinen Wintermantel nach Berlin geschickt; den Empfang notierte Frank Wedekind am 16.1.1914: „Bekomme Pelzmantel geschickt.“ [Tb]. Ich habe derweil nicht viel erlebt und zwar aus folgendem Grunde: Kassirer hat offenbar seinen Haß auf mich geworfen. Sonntag AbendWedekind sah das Ehepaar Paul Cassirer und Tilla Durieux am 11.1.1914 (Sonntag), dem Tag seiner Ankunft in Berlin, abends bei dem Privatgelehrten und Schriftsteller Dr. phil. Julius Elias: „Mit Barnowsky Cassirer und Durieux bei Dr. Elias.“ [Tb] schlug ich ihm für Montag eine Zusammenkunft vor. Er antwortete ausweichend und hat seither nichts mehr von sich hören lassen. Gestern lehnte auch | die Durieux auf der ProbeWedekind notierte am 15.1.1914 zu der Probe für die anstehende Uraufführung seines Versdramas „Simson“ im Lessingtheater: „III Akt mit Chören. Dann I Akt. Die Durieux wird ungebärdig“ sowie „Gehe mit Rottmann seine Rolle durch“ [Tb]. Tilla Durieux spielte die Rolle der Delila, Alexander Rottmann den Og von Basan, Friedrich Kayßler die Titelrolle. meine Bemerkungen ab. Ich habe sie heuteWedekind notierte am 16.1.1914 zu der Probe für die anstehende Uraufführung seines Versdramas „Simson“ im Lessingtheater: „II und I Akt geprobt.“ [Tb] dafür vollständig links liegen lassen. Tatsache ist, daß sie unter den Hauptdarstellern bis jetzt am schlechtesten ist. Kayßler ist grandios, Rottmann ausgezeichnet, und von den übrigen Herren habe ich mich über keinen zu beklagen. Kayßler ist im Verkehr sehr gefügig geworden und Rottmann fragt bei jedem Satz nach der Betonung. Wenn die Durieux aus der Delila nichts macht, ist mir das schließlich gleichgültig. Wenn sie sie nur nicht im letzten Moment abgiebt. Darauf muß ich vorderhand gefaßt sein. So kommt es, daß ich bis jetzt jeden Abend allein war. Am MontagWedekind sah am 12.1.1914 mit Heinz Salfner in der Titelrolle Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ mit Musik von Edvard Grieg im Lessingtheater: „Abend in Peer Gynt.“ [Tb] war ich in Peer Gynt, am | DienstagWedekind sah am 13.1.1914 August Strindbergs „Wetterleuchten“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters: „Abend Wetterleuchten von Strindberg.“ [Tb] in Wetterleuchten, am MittwochWedekind besuchte am 14.1.1914 das Varietétheater Wintergarten, wo ein nicht näher beschriebenes Programm „Persien“ zu sehen war [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 23, 14.1.1914, Morgen-Ausgabe, 6. Beiblatt, S. (1)]: „Wintergarten Knabenboxkampf.“ [Tb] im Wintergarten. Gestern aß ich im Hotel zu Abendim Hotel Habsburger Hof. Wedekind notierte am 15.1.1914: „Abendessen im Hotel.“ [Tb] und saß nachher im Restaurant und arbeitete am TotentanzWedekind notierte am 15.1.1914 nach dem Abendessen im Hotel: „Im Restaurant arbeite ich bis 1 Uhr an Tod und Teufel“ [Tb]; er arbeitete vom 20.12.1913 bis zum 7.2.1914 die erste und dritte Szene von „Totentanz“ (1905) – seit 1909 unter dem Titel „Tod und Teufel (Totentanz)“ [vgl. KSA 6, S. 625-627] – in Versform um [vgl. KSA 6, S. 614].. Gestern Nachmittag ging ich zu Dr. Heines, traf aber niemand zu Haus und ließ meine Karte dortnicht überlieferte Visitenkarten, die Wedekind am 15.1.1914 notierte: „Gebe bei Heines Karten ab“ [Tb]; erschlossene Korrespondenzstücke: Wedekind an Carl Heine, 15.1.1914; Wedekind an Beate Heine, 15.1.1914.. Es freut mich zu hören, daß es Dir und den Kindern gut geht und daß Du Dich gut unterhältst. Wenn Du nach dem Theater mit Deinen oder unseren Bekannten zusammenbistSchreibversehen, statt: zusammen bist. kann ich mich nur darüber freuen. Meinem Arm geht es gutWedekind hatte seit dem 4.1.1914 Beschwerden wegen eines Furunkels am Arm [vgl. Tb], der zunächst einen Verband hatte, dann ein Pflaster.. Ich trage heute zum ersten Mal wieder ein Pflaster statt des Verbandes. Vorgestern las ich im B.T.„Aus München telegraphiert unser Korrespondent: Einer der rührigsten und bekanntesten deutschen Verleger, der Generaldirektor der Bruckmann A.G., Fritz Schwarz, ist gestern abend im Alter von 57 Jahren gestorben. Er war ein geborener Brandenburger, aber schon seit Jahrzehnten in München tätig. Schwarz war auch Herausgeber der Zeitschrift ‚Kunst für Alle‘.“ [Kleine Mitteilungen. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 22, 13.1.1914, Abend-Ausgabe, S. (2)] Fritz Schwartz (genannt: Nero) starb am 12.1.1914 in München (nach einem Schlaganfall). Seine Witwe Grethe Schwartz (geb. Schüssel) hat eine Todesanzeige aufgegeben, ebenso der Vorstand der F. Bruckmann A.-G. in München [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 23, 14.1.1914, Vorabendblatt, S. 10] sowie die Belegschaft [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 25, 15.1.1914, Vorabendblatt, S. 11] die Todesnachricht von Direktor Schwartz. Gestern früh sandte ich seiner Frau ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank und Tilly Wedekind an Grethe Schwartz, 15.1.1914. in unser beider Namen. | Vielleicht hast Du selber auch kondoliert.

Der Mantel hat mir heute schon die besten Dienste geleistet, da es immer noch sehr kalt ist. Sollte dieser Tage ein eingeschriebener Brief von Georg Müllernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 16.1.1914. kommen, dann bitte ich, mir ihn eingeschrieben hierherzuschicken.

Nun leb wohl, geliebteste Tilly. Bleibt alle recht gesund. Grüße und küsse die Kinder von mir.

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 16. Januar 1914 in München
an Frank Wedekind

München, 16.I.14.


Innigst geliebter Frank,

gestern u. heute habe ich keine Nachricht von Dir erhalten. Ich hoffe, dassSchreibversehen, statt: das. bedeutet nichts Schlimmes! Aber Berlin nimmt halt sehr in Anspruch. Ich bin ja auch froh, wenn Du mir nur eine Karte schreibst. |

Heute war ich Vor- u. Nachmittag mit den Kindern spazieren. Die Mädchen hatten Wäsche, auch mussten Vorhänge frisch aufgemacht twerden. Jetzt hab’ ich gelerntdie Titelrolle von „Franziska“ nach der Ende 1913 fertiggestellten „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ [KSA 7/II, S. 996].; Franziska kann ich jetzt. Die Kinder sind sehr lieb u. sehr vergnügt! Heute Abend geh ich also zu Fr. Dr. Pariserzu Erna Pariser und ihrem Mann Dr. phil. Ludwig Pariser (Georgenstraße 30, Parterre und 1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 494]. zum Abendessen u. hoffe, dass Du nichts dagegen hast. Lebwohl, für heute, innigst, Deine Tilly


[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Grüße u. Küsse von den Kindern!

Tilly Wedekind schrieb am 17. Januar 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 17.I.14.


Innigst geliebter Frank,

tausend Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914. u. Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.1.1914., ich war so froh, als Dein Brief kam! Der Brief von Georg Müllernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 16.1.1914. kam gleichzeitig u. da ich ihn nicht dem Briefträger gleich mitgegeben hatte, musste ich ihn in ein anderes CouvertSchreibversehen, statt: Couvert stecken (oder ein semantisch ähnliches Verb). u. frisch frankieren.

Ich war also gestern bei Fr. Dr. Pariser. Es war wirklich sehr nett, ich be|daure nur, dass Du nicht dabei warst, Du wärst glaub ich mit mir zufrieden gewesen. Ausser Pariser’sDr. phil. Ludwig Pariser und seine Frau Erna Pariser (Georgenstraße 30, Parterre und 1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 494]. Bei ihnen zu Gast waren am 16.1.1914 drei alte Bekannte Wedekinds, Arthur Holitscher, Kurt Martens und Efraim Frisch. u. ihrer Tochterdie 20jährige Agnes Therese Pariser, nicht ihre 11jährige Schwester Hilde Pariser. waren noch Holitscher, Dr. Martens u. eine junge Frau, die ich damals bei der Kindertanzereinicht ermittelt. im Künstlerinnen HausKünstlerinnenhaus, ein für kulturelle Veranstaltungen genutztes Gartengebäude in der Barerstraße 21, Sitz des Künstlerinnen-Vereins und des Künstlerinnen-Hilfsvereins [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 211] sowie der Damen-Akademie des Künstlerinnen-Vereins [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 126]. kennen lernte, mit ihrem Mann. Ich glaube sie heißen v. Tschaskawahrscheinlich Wanda von Trzaska, „die hier wohlbekannte Pianistin Wanda von Trzaska“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 511, 2.11.1905, S. 2], deren Konzerte das Konzertbüro Emil Gutmann organisiert hatte; sie hat zwischenzeitlich eine Musikschule für Klavier betrieben, nach ihrer Eheschließung 1908 (1909 Geburt eines Kindes) unter Doppelnamen: „Wanda v. Trzaska-Bernhard, die bekannte Pianistin, hat ihren Unterricht wieder aufgenommen. Anmeldungen Franz-Josephstraße 36.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 465, 5.10.1909, General-Anzeiger, S. 1] Das war die Adresse des Kunstmalers Edgar von Bernhard (Franz Josephstraße 36) [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 42], ihr Ehemann, der inzwischen gemeinsam mit seiner Frau eine andere Wohnung hatte (Kaulbachstraße 96) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 50]. oder so ähnlich. Später kam noch Frisch. Es war gar nicht langweilig u. gespreizt u. ich konnte doch mitreden u. kam mir nicht so entsetzlich dumm vor, wie damals bei BernsteinsWedekind notierte am 6.1.1914 einen Gesellschaftsabend bei Max und Elsa Bernstein (unter den Gästen die Pianistin Sandra Droucker und ihr Mann, der Pianist Gottfried Galston, der Universitätsprofessor Robert Piloty und der Münchner Architekturstudent Jorge Bunge aus Buenos Aires), den seine Frau gemeint haben dürfte: „Abends bei Dr. Bernstein Sandra Drucker und ihr Mann Prof. Piloty und Frau. Prof. Arnold Herr Bunge aus Argentinien Tangotänzer.“ [Tb]. Pariser’s sind | wirklich feine, gute Menschen; ich kann Fr. Dr. Pariser für ihre herzliche Freundschaft die sie mir entgegenbringt wirklich nur dankbar sein. Ob Du Dich unterhalten hättest weiß ich ja nicht, aber ich denke doch, da Holitscher u. Martens da waren. Alle lassen Dich natürlich vielmals grüßen. Es wurde sehr viel von Dir u. „Simson“ gesprochenvon Wedekinds Stück „Simson oder Scham und Eifersucht. Dramatisches Gedicht in drei Akten“ (1914), das bereits Ende 1913 vorlag, und von der nun anstehenden Uraufführung dieses Versdramas am Berliner Lessingtheater, die Wedekind in Berlin gerade vorbereitete..

Sehr leid tut es mir, dass es mit Cassirer u. Durieux Unannehmlichkeiten giebt. Ich begreife nicht, was sie wieder haben könnten. Soll ich ihr schreiben u. nochmals für die Spielsachen danken? Ich hatte | ihr zu Weihnachten auf einer Karte gedanktTilly Wedekinds Postkarte an Tilla Durieux ist nicht überliefert.. Hoffentlich klärt sich die Sache doch noch auf. Es ist wirklich komisch. Endlich spielt sie eine Rolle von DirTilla Durieux spielte in der Berliner „Simson“-Inszenierung (siehe oben) die Rolle der Delila. u. Du führst Regie, was sie sich doch, wie sie behauptete, immer wünschte, u. dann giebt es gleich Unangenehmes!

Die Kinder sind Gottlob gesund u. vergnügt u. schicken Dir tausend Küsse! Heute hab’ ich Einiges besorgt u. mein grünes KleidWedekind notierte am 4.1.1914: „Tilly [...] zeigt ihr neues grünes Kleid“ [Tb]. mit dem lila Gürtel probiert. Ich glaub’ es wird wieder sehr nett.

Vielen Dank, dass Du Fr. Dir. Schwarz auch in meinem Namen kondolierttelegrafisch zum Tod von Fritz Schwartz [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914], Telegramm nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank und Tilly Wedekind an Grethe Schwartz, 15.1.1914. hast, ich hatte es noch nicht getan. In treuer Liebe umarmt Dich, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 17. Januar 1914 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

frau tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


freue mich sehr, wenn du zu parisers gehstam 16.1.1914 zu Erna und Ludwig Pariser zum Abendessen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.1.1914]. brief unterwegsvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914. gruesse = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 18. Januar 1914 in München
an Frank Wedekind

München, 18.I.14.


Geliebtester Frank, heute Sonntag haben wir wieder Jenny u. Hypolit eingeladen. Vormittag waren wir im National MuseumFür das Nationalmuseum (Prinzregentenstraße 3) galt: „Freier Eintritt am Sonntag“ [Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 161]., nach Tisch giengen wir mit den Kindern spazieren. 2 Mädchen hatten Ausgang. Nach dem Caffée richteten wir das Theater her u. Jenny u. ich spielten den Kindern | Rotkäppchen vor. Alle drei waren sehr entzückt u. Jenny u. ich nicht minder. Nachdem Jenny u. Hypolit gegangen waren, brachte ich die Kinder zu Bett u. werde jetzt noch Franziska wiederholenweiteres Memorieren der Titelrolle von „Franziska“ nach der Ende 1913 fertiggestellten „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ [KSA 7/II, S. 996].. Wann ist die Premiere?Die Uraufführung von „Simson“ im Lessingtheater in Berlin fand am 24.1.1914 statt. Ich konnte bis jetzt nichts in der Zeitung darüber finden. Ja, Frau Dr. HalbeLuise Halbe (geb. Heck), die Gattin Max Halbes. hat früher angerufen. Sie fahren morgen abend zu seiner Pre|miereDie Berliner Premiere von Max Halbes Stück „Freiheit. Ein Schauspiel von 1812“ (uraufgeführt am 28.9.1913 im Münchner Schauspielhaus) in den Kammerspielen des Deutschen Theaters unter der Regie von Eduard von Winterstein war für den 23.1.1914 angekündigt: „Morgen, Freitag, geht in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Max Halbes Schauspiel von 1812 ‚Freiheit‘ zum erstenmal in Szene. Der Dichter ist in Berlin eingetroffen, um an der Premiere seines Werkes teilzunehmen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 39, 22.1.1914, Abend-Ausgabe, S. (2)] Sie wurde allerdings „wegen Erkrankung eines Hauptdarstellers [...] verschoben“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 38, 23.1.1914, Abend-Ausgabe, S. 7] – zunächst auf „Mitte Februar“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 47, 29.1.1914, Morgen-Ausgabe, S. 8], sie fand dann aber erst am 28.4.1914 statt. nach Berlin u. wollten Dir Karten dazu schicken. Dafür hätten sie gerne Karten zu „Simson“. Ich gab ihr Deine Adresse. Ihre Adresse ist: Charlottenstr. 53, bei Frau SternBertha Stern (geb. Adler) in Berlin (Charlottenstraße 53) war dort Inhaberin eines „Pensionats“ [Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 3150]., wenn ich recht verstanden habe.

Ich hoffe, dass die Probenfür die anstehende Uraufführung von „Simson“ (siehe oben). nicht zu anstrengend sind u. Du keine Unannehmlichkeiten hast! Hast Du Heine’s | schon gesehen? Sage ihnen bitte viele Grüße von mir. Die Abende verbringst Du hoffentlich angenehm. Wie ist’s mit Cassirer?

Gestern war ich mit Jenny im „RosenkavalierTilly Wedekind besuchte mit ihrer Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski am 17.1.1914 im Münchner Hoftheater die Oper von Richard Strauss mit dem Libretto von Hugo von Hofmannsthal (1911): „Der Rosenkavalier. Komödie für Musik in 3 Aufzügen von Hugo v. Hofmannsthal. Musik von Richard Strauß“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 30, 17.1.1914, General-Anzeiger, S. 2].. Ich hatte eingereichtvon Einreichkarte = Freikarte, auf die eine Steuer erhoben wurde.. 1 M. Steuer für beide Plätze XI. Reihe. Sei nicht böse, dass ich oft in’s Theater gehe, ich gehe so gern. Der letzte Act gefiel mir am Besten! Nachher fuhr ich gleich nach Hause. Das Kärtchennicht überlieferte Briefkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 18.1.1914. schrieb Anna Pamela heute Früh. Innigste Küsse, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 18. Januar 1914 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

18.1.14.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.1.1914. und für die erfreulichen Nachrichten. Ich antworte umgehend nur wegen der Cassirer Durieux-Angelegenheitvon Wedekind wahrgenommene Verstimmung Paul Cassirers und seiner Frau Tilla Durieux ihm gegenüber [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914].. Ich würde Dich bitten, in der Sache nichts zu tun. Gestern auf der ProbeWedekind notierte am 17.1.1914 lediglich „Probe“ [Tb]. kam es durch Vermittlung von Dr. Eloesser, dem CompagnonArthur Eloesser war am Berliner Lessingtheater unter der Direktion von Victor Barnowsky Dramaturg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 309]. Barnowskys, zu einer Aussprache, worauf die Probe einen normalen Verlauf nahm. Cassirer ist seit zwei Tagen in Hamburg zum | Begräbnis LichtwarksAlfred Lichtwark, der am 13.1.1914 in Hamburg verstorbene Direktor der Kunsthalle in Hamburg, wurde unter großer Anteilnahme der Kunstszene am 17.1.1914 im Hamburger Stadtteil Ohlsdorf nach einer Trauerfeier in der großen Halle des Krematoriums beigesetzt [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 30, 17.1.1914, Abend-Ausgabe, S. (3)].. Ne Sonst habe ich Dir nichts neues zu berichten. Gestern Abend hoffte ich mit Carl Heine zusammen zu sein, der aber meiner Einladung nicht folgte. Statt dessen war ich zwei Stunden mit Hardekopf und dem Dr. TreumannWedekind hat das abendliche Beisammensein in Berlin mit Ferdinand Hardekopf und dem Kunstmaler Dr. phil. Rudolf Treumann, der in früheren Jahren in München wohnte (Ferdinand Mariastraße 27) [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 576] und mit der Studie „Die Monarchomachen. Eine Darstellung der revolutionären Staatslehren des XVI. Jahrhunderts (1573-1599)“ (Leipzig 1895) promoviert worden ist, am 17.1.1914 notiert: „Nachher mit Hardekopf und Dr. Treumann im neuen Stallmann.“ [Tb] Im Tagebuch hat er auch die früheren Begegnungen mit ihm in der Torggelstube in München festgehalten – am 1.9.1909 („Torgelstube mit Gumpenb. Mühsam Hardekopf und Dr. Treumann“), 23.9.1909 („Torgelst. mit Gump. und Dr. Treumann“), 28.10.1909 („Torgelstube mit Langheinrich Steiger Pepler Treumann“), 1.11.1909 („Krakel wegen Mühsam in der Torgelstube mit Sinsheimer Gumppenberg Pepler Treumann“), 4.11.1909 („Torggelstube mit Steinrück Treumann und Langheinrich“), 1.12.1909 („Tgst. mit Steinrück Jakobi Treumann“), 29.12.1909 („Torggelstube mit Peppler und Dr. Treumann Dr. Rosenthal und Maler Spiro aus Paris“), 1.1.1910 („Torggelstube mit Gumppenberg Treumann und Peppler und Frau“) und 27.1.1910 („Torggelstube mit Peppler Maurach Treumann“). der vor Jahren öfter in der Torggelstube war, zusammen. Beide lassen dich grüßen. Jetzt werde ich versuchen zu Harden zu gehenWedekind hat Maximilian Harden am 18.1.1914 angerufen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.1.1914] – ein Besuch bei ihm fand nicht statt..

Grüße und küsse die Kinder von mir. Mit innigstem Kuß
Dein
Frank.


Schreib es mir bitte rechtzeitig, wenn Du Geld brauchst. Den Brief von Müllernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 16.1.1914. habe ich erhalten.


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Askanischer Platz 1.

Tilly Wedekind schrieb am 19. Januar 1914 in München
an Frank Wedekind

München, 19.I.14.


Geliebtester Frank, herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.1.1914., der mir leider nicht so vergnügt erscheint, wie Deine ersten Briefe.Wedekinds aus Berlin an seine Frau geschriebenen Briefe vom 12.1.1914, 13.1.1914 und 16.1.1914. Hoffentlich hast Du Harden getroffen u. Dich gut mit ihm unterhalten. Vielleicht war Heine verhindert; sicher wird er doch trachten mit Dir zusammen | zu sein. Selbstverständlich tue ich nichts in der Cassirer-Durieux Angelegenheitvon Wedekind wahrgenommene Verstimmung Paul Cassirers und seiner Frau Tilla Durieux ihm gegenüber [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914]., wenn Du es wünschst. Ich fürchte, ich geh Dir bald auf die Nerven, wenn ich Dir täglich soviel schreibe! Heute Vormittag habe ich Einiges besorgt, Nachmittags gelerntdie Titelrolle von „Franziska“ nach der Ende 1913 fertiggestellten „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ [KSA 7/II, S. 996]. u. geschriebenin einem Regiebuch [vgl. KSA 3/II, S. 1310-1319] „zu ‚Erdgeist‘ mit Einträgen für ihren eigenen Bedarf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 237].. Abends werde ich auch noch schreiben u. lesen.

Gesehen hab ich Niemanden. |

Ich hoffe, dass die Probenfür die anstehende Uraufführung von „Simson“ am Berliner Lessingtheater. gutgehen, u. nicht zu anstrengend sind. Wenn Du mir bei Gelegenheit noch etwas Geld schickst, wäre ich Dir sehr dankbar. Ich habe fast 40 M. Elektrisch u. Gas bezahlt, 30 M. dem InstalateurSchreibversehen, statt: Installateur. für die Herrichtung der Gasleitung u. der Elektrischen Leitung in Deinem u. | meinem Zimmer. 5 M. Dr. v. Breyernicht identifiziert. für TurnunterrichtPrivatunterricht, wie Wedekinds Eintrag vom 4.11.1913 nahelegt: „Tilly mit Annapamela in der Turnstunde.“ [Tb], paar M. für das Öfen ausputzen, Holz u. Kohlen kosten auch jetzt viel. Ich zähle das nur auf, damit Du nicht denkst, wir brauchen zuviel. Ich habe nichts Besonderes gekauft. Ich kann aber selbstverständlich einstweilen mein ToilettengeldGeld für Toilette (= Kleidung), Friseur und ähnlichen Bedarf. für den Haushalt hernehmen u. hat das Senden gar keine Eile. 1000 innige Küsse von den Kindern u. mir, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 20. Januar 1914 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Berlin 20.1.14.


Geliebteste Tilly!

Am Sonntag abendWedekind war am 18.1.1914 zu Gast auf einer Abendgesellschaft bei dem Privatgelehrten und Schriftsteller Dr. phil. Julius Elias (Matthäikirchstraße 4) [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 613], saß mit Änne Wolff (geb. Hickethier), seit 1902 verheiratet mit dem Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ Theodor Wolff, am Tisch, traf außer dem Ehepaar Paul Cassirer und Tilla Durieux sowie Victor Barnowsky noch den Chefredakteur der Berliner Tageszeitung „Der Tag“ Paul Marx, mit dem er gegen später das Café Roland (Brunnenstraße 181) [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 417] aufsuchte: „Abendgesellschaft bei Dr. Elias Ich führe Frau Theodor Wolff zu Tisch. Nachher mit Marx im Roland von Berlin.“ [Tb] war ich also zum ersten Mal in Berlin mit Menschen zusammen bei Dr. Elias. Frau Theodor Wolff war meine Tischdame. Außer Cassirers und Barnowsky waren noch einige Leute von der Presse da die ich kannte. Nachdem man sich getrennt, ging imSchreibversehen, statt: ich. mit dem Chefredakteur des „Tag“ noch in ein Café und das war das erste interessante Gespräch, das ich in Berlin hatte. Marx übrigens ein guter Freund von Halbe gab mir direkt einen Auftrag an HardenWelcher Auftrag von Paul Marx auszurichten war, ist nicht ermittelt; möglicherweise ging es um einen erwünschten Beitrag Hardens für den „Tag“ (die Zeitung, in der Alfred Kerr seinen Kollegen Maximilian Harden so oft verunglimpft hatte), da der Chefredakteur Paul Marx sich schon länger wünschte, Harden als regelmäßigen Mitarbeiter des „Tag“ zu gewinnen [vgl. Martin 1996, S. 109f.]. Wedekind hat den Auftrag mündlich ausgerichtet und kam darauf zurück [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 7.2.1914]., den ich, wenn ich Harden zu sehn bekomme, sehr gerne ausrichten werde. Am Nachmittag hatte ich Harden angerufen, | er meinte aber, es sei besser, wenn wir uns an einem anderen Tag sprächen, da wir Sonntag Nachmittag nicht allein sein würden. Am nächsten Morgen probierten wir die drei Akte durchProbe für die anstehende Uraufführung von „Simson“ am Berliner Lessingtheater, wie Wedekind am 19.1.1914 notierte: „Probe, nach der Barnowsky mich bittet Og von Basan zu spielen.“ [Tb]. Barnowsky saß mit seinen Getreuen im Parket. Als es vorbei war erklärte er rund heraus, daß Rottmann unmöglich für Berlin sei, dagegen werde er einen um so besseren JeturAlexander Rottmann spielte in der Uraufführung von „Simson“ am 24.1.1914 im Berliner Lessingtheater nicht die Rolle des Jetor, sondern doch die des Og von Basan. spielen. Ob ich den Og von Basan spielen wolle, er müsse das Stück sonst, da Steinrück auch nicht zu haben sei, verschieben. Ich setzte großen Zweifel darein, ob ich die Rolle lernen könne. Die Probe Die Premiere ist auf Samstag den 24 festgesetzt. So habe ich gestern den ganzen Abend gelerntWedekind notierte am 19.1.1914: „Lerne zu Hause und im neuen Stallmann an Og von Basan.“ [Tb] und jetzt 4 Tage anstrengende Arbeit vor mir. | Soweit hatte ich vor zwei Stunden geschrieben als Dr. Heine kamWedekind notierte am 20.1.1914: „Besuch von Dr. Heine“ [Tb], Carl Heine, Regisseur und Gatte von Beate Heine., dessen Frau in folge eines Todesfalles an einem schweren Nervenchock zu Bett liegt und noch längere Zeit liegen muß. Heine rät mir dringend davon ab die Rolle zu spielen, hauptsächlich der Presse wegen. Er gab mir den Rat Kayßler nach seiner Ansicht zu fragen, der als Vertreter der Hauptrolle am besten wissen müsse, ob Rottmanns Darstellung des Og wirklich so gefährlich wäre. Ich werde Kayßler heute noch aufsuchenWedekind suchte Friedrich Kayßler, den Darsteller der Titelrolle in „Simson“, noch am 20.1.1914 auf: „Unterredung mit Kaysler“ [Tb]; nach diesem Gespräch schrieb er an den Direktor des Lessingtheaters [vgl. Wedekind an Victor Barnowsky, 20.1.1914]..

Nun, geliebte Tilly, die Frage, ob Du zur Premiere kommen willst. Ich weiß nicht ob es wirklich ein Vergnügen für Dich wäre, | mich mit Anderen Theater spielen zu sehen. Wenn Du kommen willst, so sende ich Dir in inliegendem Check M. 300,–, damit es Dir jedenfalls nicht an Geld fehlt. Wenn ich nicht spiele dann habe ich ja in den nächsten Tagen auch sehr wenig mehr zu thun und dann würde es mich sehr freuen, wenn Du kämst. Dann könnten wir auch die Halbepremieredie auf den 23.1.1914 angesetzte Berliner Premiere von Max Halbes Stück „Freiheit. Ein Schauspiel von 1812“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, die aber „wegen Erkrankung eines Hauptdarstellers [...] verschoben“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 38, 23.1.1914, Abend-Ausgabe, S. 7] wurde und erst am 28.4.1914 stattfand. besuchen, wohin ich natürlich nicht gehe, wenn ich zu thun habe. Heute Mittag telegraphierte ich Dirvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.1.1914 (Telegramm). wegen des Schminkkastens. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du ihn umgehend schicken wolltest, am bestens ins Hotel, damit ich auch sicher bin, daß er angekommen ist. Für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.1.1914 und 19.1.1914 (beide Briefe auf Briefkarten geschrieben). sage ich Dir herzlichsten Dank. Wie kannst Du denken, daß sie mir keine Freude wären. Ich schreibe Dir ja genau so viel, wenn Du mir täglich schreibst, so habe ich | doch immer die Beruhigung, daß es Euch an nichts fehlt. Anna Pamelas Brief nicht überlieferte Briefkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 18.1.1914.war mir eine große Freude.

Nun leb wohl, meine geliebte Tilly. Grüße und küsse die Kinder von mir. Mit herzlichstem Gruß und Kuß
Dein
Frank.


Inliegend ein Checkder erwähnte Scheck über 300 Mark.


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Tilly Wedekind schrieb am 20. Januar 1914 in München
an Frank Wedekind

München, 20.I.14.


Geliebter Frank, eben ist Dein Schminkkasten abgegangen u. hoffe ich, dass Du ihn morgen hast. Den Schlüssel hast Du wohl an Deinem Schlüsselbund; ich konnte ihn nicht aufschließen da ich keinen Schlüssel habe. Hoffentlich zerbricht nichts. | Wenn Du Schuhe oder Tricots brauchst, telegraphierst Du vielleicht nochmals. Aber das bekommst Du wohl alles in Berlin. Kannst Du denn die Rolledes Og von Basan in „Simson“ (dann in der Uraufführung am 24.1.1914 im Berliner Lessingtheater doch von Alexander Rottmann gespielt). so rasch lernen, oder ist die Premiere auf später verschoben? Habe gestern abends u. heute Vormittag „Erdgeist“ eingerichtetein Regiebuch „zu ‚Erdgeist‘ mit Einträgen für ihren eigenen Bedarf“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 237]. Wedekind hatte zu dem Regiebuch [vgl. KSA 3/II, S. 1310-1319] am 8.11.1913 „Erdgeist Regiebuch begonnen“ [Tb] und am 25.11.1913 „Regiebuch Erdgeist gearbeitet“ [Tb] notiert., Nachmittags einiges besorgt u. werde jetzt an Erdgeist weiter arbeiten. Sybil Vam/n/e hat sich verheiratetSibyl Vane – das ist Anna Weber (geb. Koebke), Tochter des Theaterdirektors Benno Koebke [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.6.1912], eine „Freundin“ [Wedekind 1969, S. 209, 230] Tilly Wedekinds, inzwischen Schauspielerin am Schauspielhaus in Frankfurt am Main [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 433] und von Otto Weber in Leipzig geschieden – heiratete am 19.1.1914 in Frankfurt am Main den Gerichtsassessor Dr. jur. Paul Grüder und wohnte dort im Gärtnerweg 24, wie die Heiratsurkunde ausweist [vgl. Heiratsregister Frankfurt am Main 1914, Standesamt I, Blatt 40, Nr. 39; https://www.lagis-hessen.de/]; sie wohnte in der „Pension Villa Métropole, mit Garten, Gärtner-Weg 24.“ [Adreßbuch für Frankfurt am Main 1914, Teil III, S. 80]. Dr. jur. Paul Grüder, am 10.3.1911 in Heidelberg promoviert mit der Dissertation „Die strafrechtliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen im geltenden Recht und im Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch“ (Frankfurt am Main 1911), war in Frankfurt am Main (Friedrichstraße 13) [vgl. Adreßbuch für Frankfurt am Main 1914, Teil I, S. 168] und in München (Tengstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 217] gemeldet. mit einem Dr. Paul Grüder; habe ihr in unser | beider Namen telegraphiertTelegramm nicht überliefert; erschlossenes Korrespondentstück: Tilly und Frank Wedekind an Sybil Vane, 20.1.1914..

Den Kindern geht es Gottlob gut, sie waren Vor- u. Nachmittag aus. Sie schicken Dir viele, viele Küsse. Wenn Du willst, könnte ich Dir noch die Wäsche schicken die jetzt gewaschen wurde. Paar Hemden u. Kragen, Unterhosen, ein Nachthemd 6 Paar Socken. Nachthemden müsste man paar | nachkaufen Du hast glaub’ ich nur 5 ordentliche. –

Aber wie Du willst. Nun lebwohl für heute. Fr. Dr. HirthElise Hirth, Gattin des Münchner Verlegers Georg Hirth. traf ich in der Stadt, ihr Mann war sehr krank, erhohltSchreibversehen, statt: erholt. sich jetzt aber wieder. Sie lässt Dich grüßen.

In treuer Liebe umarmt Dich,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 20. Januar 1914 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

frau tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


= liebe tilly barnowsky besteht darauf, dass ich koenig spieledie Rolle des Og von Basan, König der Philisterfürsten in der Uraufführung des „Simson“ am 24.1.1914 im Berliner Lessingtheater (dann doch von Alexander Rottmann gespielt). Wedekind notierte am 19.1.1914: „Probe, nach der Barnowsky mich bittet Og von Basan zu spielen. [...] Lerne zu Hause und im neuen Stallmann an Og von Basan.“ [Tb] Und am 20.1.1914: „Probe. Ich probiere ersten und zweiten Akt. Barnowsky führt Regie.“ [Tb]. bitte deshalb schmuckkasten schicken kostuem geliefert, brief unterwegsvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.1.1914 (Brief). herzlichst = frank.

Frank Wedekind schrieb am 21. Januar 1914 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

= tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


abreise infolge differenzenDifferenzen mit Victor Branowsky, dem Direktor des Berliner Lessingtheaters, wo am 24.1.1914 die Uraufführung von „Simson“ stattfand, über die Darstellung der Rolle des Og von Basan, die Wedekind kurzfristig übernehmen sollte, sie aber nach Beratung mit Carl Heine und Friedrich Kayßler brieflich an den Direktor des Lessingtheaters zurückgegeben hat [vgl. Wedekind an Victor Barnowsky, 20.1.1914]. Damit dürfte dieser kaum einverstanden gewesen sein. Wedekind schickte am 21.1.1914 eine Abschrift des am Vorabend an Victor Barnowsky geschriebenen Briefs an Paul Block, den Feuilletonredakteur des „Berliner Tageblatt“ (dort erschien der Brief an den Direktor des Lessingtheaters als offener Brief), schrieb dem Theaterdirektor einen weiteren Brief [vgl. Wedekind an Victor Barnowsky, 21.1.1914], der nicht überliefert ist und in dem er sich zu seinem Entschluss, kurz vor der „Simson“-Uraufführung von Berlin abzureisen, erklärt haben dürfte, führte ein ausführliches Gespräch mit Arthur Eleosser, Dramaturg am Berliner Lessingtheater, gab mittags das vorliegende Telegramm auf und reiste abends zurück nach München: „Briefe an Paul Blok und Barnowsky. Lange Unterredung mit Dr. Eloesser. Mittag im Hotel. Spaziergang zum Romanischen Café und zurück Abendessen im Hotel Abfahrt nach München“ [Tb]. Wedekind telefonierte am 23.1.1914 über die Differenzen, die ihn zur Abreise von Berlin bewogen haben, wohin zurückzureisen er sich nicht überzeugen ließ: „Zwei Telephongespräche mit Barnowsky die mich bestimmen, nicht nach Berlin zu gehen.“ [Tb] komme morgenWedekind notierte am 22.1.1914: „Ankunft in München.“ [Tb] frueh. bitte zimmer heizen
schoenste gruesse = frank

Tilly Wedekind schrieb am 11. Februar 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

wärst Du so gut, mir in das Couvert etwas Geld zu geben u. es mir in Deine Mappe zu legen? Ich habe die Milch Rechnung, Gas u. Elektrisch, die Zeitung u. die Frühjahrs Mäntel u. Hüte der Kinder bezahlt.

Innigst,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 14. März 1914 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

= tages = tilly wedekind
prinzregentenstrasze 50 muenci/h/en = |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in BerlinWedekind ist am 14.3.1913 von München nach Berlin gereist (zu einem Vortrag am 15.3.1914 für die Kleiststiftung), logierte im Hotel Habsburger Hof und sprach im Lessingtheater über die laufende „Simson“-Inszenierung (Uraufführung: 24.1.1914) mit dem Direktor Victor Barnowsky, der ihn und seine Frau zu einem Gastspiel einlud (im vorliegenden Telegramm mitgeteilt): „Abfahrt nach Berlin. [...] Lessing-Theater Barnowsky.“ [Tb] [...]


26 maerz soll simson mit unsFrank und Tilly Wedekind sollten im „Simson“-Gastspiel am 26.3.1914 (eine weitere Vorstellung am 30.3.1914) im Berliner Lessingtheater [vgl. KSA 7/II, S. 1331] die Rollen des Og von Basan und der Delila spielen. sein. direktion will kostueme fuer dichWedekind notierte am 23.3.1914 zum Delila-Kostüm: „Tilly bestellt Kostüm bei Baruch“ [Tb] – das war wohl bei Hugo Baruch und Companie (Alte Jakobstraße 133) „Fabrik für Theaterausstattungen“ [Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 115], am 25.3.1914: „Generalprobe im Kostüm“ [Tb]. machen laszen, bittet um einsendung deiner maszeMaße für das Delila-Kostüm., ab 23 probenWedekind notierte am 23.3.1914 in Berlin die erste „Probe“ [Tb] für das „Simson“-Gastspiel. in berlin
innigste gruesze = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 14. März 1914 in München
an Frank Wedekind

T. W.


München, 14.III.14.


Geliebter Frank,

hoffentlich hast Du eine angenehme FahrtWedekind ist am 14.3.1913 zu einem Vortrag nach Berlin gefahren: „Abfahrt nach Berlin.“ [Tb] gehabt und geht in Berlin alles nach Wunsch! Von Lilly bekam ich eine KarteDie Karte von Lilli Wedekind (Tochter von Armin Wedekind in Zürich) an Tilly Wedekind ist nicht überliefert.; sie kommt also nicht über München. Mieze ließ uns durch sie sagen, sie hätte sehr bedauert | dass wir die Fahrt nach DresdenFrank und Tilly Wedekind sind auf der Rückfahrt von ihren Gastspielaufenthalten in Königsberg (26.2.1914 bis 3.3.1914) und Bremen (4.3.1914 bis 9.3.1914) nicht über Dresden gereist, um Erika Wedekind zu besuchen, sondern direkt nach München (Ankunft 10.3.1914). nicht ausgeführt hätten. Vielleicht fährst Du also doch über Dresden. Vormittag brachte ich Anna Pamela zur Schule u. holte sie auch wieder ab. Nachmittag sah ich mir „Apollo u. Daphnedas Gemälde „Apoll und Daphne“ (um 1627, etwa 97,5 x 131 cm) von Nicolas Poussin in der Alten Pinakothek München.“ (?) an, es ist sehr, sehr schön! Jenny trank bei uns CaffèeSchreibversehen, statt: Caffée (die sonst bei Tilly Wedekind übliche Schreibweise von Kaffee). u. wir giengen dann 2 Stunden spazieren. Es war herrliches Wetter, die Kinder waren auch bis ½ 6bis 17.30 Uhr. draußen. Zu HenckellKarl Henckell trat am 14.3.1914 um 20 Uhr bei dieser Veranstaltung auf: „Heute Samstag abend finden statt: [...] 8 Uhr im Konzertsaal von Alfred Schmid Nachf., Residenzstraße 7, der vom Institut für soziale Arbeit veranstaltete literarisch-musikalische Abend ‚Soziale Dichtung in Wort und Ton‘. Mitwirkende: Schriftsteller Karl Henckell, Konzertsänger Adolf Schön.“ [Münchner Konzerte und Vorträge. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 135, 14.3.1914, Morgenblatt, S. 3] wäre ich gern gegangen, aber es war mir zu viel, ich bin zu abgespannt. Bin froh, allein zu sein u. Delila lernendie Rolle der Delila in „Simson“ für das geplante Gastspiel bei der Berliner „Simson“-Inszenierung im Lessingtheater (es fand am 26.3.1914 und 30.3.1914 auch statt). zu können. Hoffentlich bist Du nicht böse.

[um 90 Grad gedreht am linken Rand:]

Viele, viele Küsse von den Kindern u. mir, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 15. März 1914 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind berlin hotel habsburgerhof =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Amt Berlin W., Haupt-Telegraphenamt.


Telegramm aus muenchen [...]

geliebter frank herzlichsten dank für das morgens eingetroffene Telegramm mit der Nachricht zu dem anstehenden „Simson“-Gastspiel in Berlin [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1914].werde heute fleissig sein. masseMaße für das Kostüm der Delila in „Simson“, eine Rolle, die Tilly Wedekind angesichts des anstehenden Gastspiels nun fleißig lernte. folgen morgen brief unterwegs = innigst deine tilly.

Tilly Wedekind schrieb am 15. März 1914 in München
an Frank Wedekind

T. W.


Sonntag, 15.III.14.


Geliebter Frank, ich habe Vormittag soviel gelerntdie Rolle der Delila für das anstehende „Simson“-Gastspiel in der Inszenierung des Berliner Lessingtheaters. wie ich konnte u. werde jetzt abends wieder lernen. Es war gut, dass ich den gestrigen Abend auch ausnutzte. Mein MaßMaße für das Delila-Kostüm [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1914]. kann ich erst morgen einschicken, denn wenn es nicht genau ist, hat es keinen Wert.

Nachmittags war nur die Köchin zu Hause, | ich gieng daher mit den beiden Kindern spazieren. Um 5 waren wir wieder zu Hause, sie spielten dann Beide bei mir u. dann brachte ich sie zu Bett. Sie schicken Dir viele Küsse! Gesehen habe ich Niemanden. Hoffentlich gieng heuteWedekind hielt am 15.3.1914 einen „Vortrag im Hotel Esplanade“ [Tb] im Rahmen einer Veranstaltung ihm zu Ehren zugunsten der Kleiststiftung; angekündigt war für 17 Uhr: „Zum Besten der Kleiststiftung. Hôtel Esplanade. [...] Vortrag von Dr. Ludwig Lewin über Wedekind Unter Mitwirkung von Frank Wedekind. Rezitation : Gertrud Eysoldt, Friedrich Kayssler“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 133, 14.3.1914, Morgen-Ausgabe, 5. Beiblatt, S. (4)]. Sie war erfolgreich: „In einem Saal des Hotels Esplanade fand vor einem zahlreichen Publikum gestern nachmittag eine Art Vorfeier zu Wedekinds 50. Geburtstag statt [...]. Dr. Ludwig Lewin wollte den Dichter ehren, und er stellte deshalb mehr ihn als sich in den Vordergrund. Frank Wedekind selbst las zunächst einen Vortrag vor, den er schon einmal in München bei der Kleistfeier gehalten hatte. [...] Nach Wedekinds Vortrag sprach Dr. Ludwig Lewin über den Dichter. Was er sagte, war im zweiten Teil viel bester, als im ersten. [...] Das schönste kam nach den beiden Vorträgen: Vorlesungen aus ‚Franziska‘, ‚Simson‘ und ‚Schloß Wetterstein‘, für die Gertrud Eysold und Friedrich Kayßler gewonnen waren. [...] Der Beifall war sehr groß“ [ger.: Ein Wedekind-Vortrag für die Kleist-Stiftung. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 136, 16.3.1914, Montags-Ausgabe, S. (2-3)]. alles gut u. hattest Du keine Unannehmlichkeiten. Kommst Du hierher zurück u. studieren wir die Rolle hier? Aber das werde ich wohl morgen erfahren. Sei innigst umarmt u. geküsst von Deiner Tilly

Frank Wedekind schrieb am 16. März 1914 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm.

[...]

tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen |


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.

Aufgegeben in Berlin [...]


= ankomme heute abend 9 uhr 30um 21.30 Uhr Ankunft in München, abgeholt um 22 Uhr. Wedekind notierte am 16.3.1914: „Um Mittag Abfahrt von Berlin. [...] Tilly holt mich um 10 Uhr am Bahnhof ab.“ [Tb] gruesse = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 6. Mai 1914 in München
an Frank Wedekind

Mittwochder 6.5.1914. abends.


Innigst geliebter Frank,

hoffentlich hast Du eine recht angenehme FahrtWedekind reiste am 6.5.1914 morgens nach Wien – „Abfahrt von München. Lustige Reisegesellschaft Wien“ [Tb] – zur Vorbereitung des „Simson“-Gastspiels vom 11. bis 13.5.1914 im Johann Strauß-Theater durch die Volksbühne (Direktion: Arthur Rundt), wie angekündigt war: „Frank Wedekinds Schauspiel ‚Simson‘ wird am 11. Mai in Wien zur Aufführung gelangen. Der Direktor der Volksbühne Dr. Rundt hat bekanntlich das Johann Strauß-Theater zu diesem Zweck gepachtet. Frank Wedekind spielt den Og von Basan, Tilly Wedekind die Dalila, den Simson spielt Albert Steinrück.“ [Wedekinds Gastspiel. In: Neues Wiener Abendblatt, Jg. 48, Nr. 116, 28.4.1914, S. 6] Wedekind führte die Regie: „Es ist dies das erstemal, daß der Dichter sich in Wien als Regisseur eines seiner Werke betätigt.“ [Frank Wedekinds „Simson“ im Johann-Strauß-Theater. In: Neues Wiener Tagblatt, Jg. 48, Nr. 128, 10.5.1914, S. 18] gehabt u. geht in Wien alles gut. Das nachgesandte Telegramm von Rundtnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Arthur Rundt an Wedekind, 6.5.1914. – Arthur Rundt war Direktor der Volksbühne in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 680, 684], die im Johann Strauß-Theater „Simson“ inszenierte (siehe oben). hast Du hoffentlich richtig erhalten; ich hatte es geöffnet, weil ich | nicht wusste, ob ich es eventuell gleich beantworten soll.

Wir waren erst mit den Kindern spazieren, dann in der Stadt wegen meines Kopfputzes. Ich bin heute sehr müde u. werde bald zu Bett gehen. Innigst umarmt u. küsst Dich geliebter Frank,
Deine TillyDeine Tilly


Grüße von MarthaMartha Newes war am 5.5.1914 in München angekommen – „Marta kommt“ [Tb]; sie hütete die Kinder nach der Abreise ihrer Schwester am 8.5.1914 abends zu dem Gastspiel nach Wien (siehe oben)., Küsse v. d. Kindern.

Frank Wedekind schrieb am 7. Mai 1914 in Wien folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL TEGETTHOFF
WIEN


Geliebteste Tilly!

Schönsten Dank für Nachsendung des Telegrammesnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Arthur Rundt an Wedekind, 6.5.1914.. Ich hatte eine schöne FahrtWedekind war zur Vorbereitung des „Simson“-Gastspiels vom 11. bis 13.5.1914 im Johann Strauß-Theater in Wien durch die Volksbühne (Direktion: Arthur Rundt) am 6.5.1914 morgens nach Wien abgereist: „Abfahrt von München. Lustige Reisegesellschaft“ [Tb]., gestern Abend habe ich niemand mehr gesehen, saß allein beim PilsenerWedekind notierte am 6.5.1914 in Wien: „Griechenbeisel Perschil“ [Tb], gemeint war das schon früher gerne besuchte Lokal Perschill – Restaurant und Pilsener Bierhaus „zum Kühfuß“ (Naglergasse 1).. Eben besprach ich die heutige NachmittagsprobeWedekind notierte am 7.5.1914: „Nachmittags Probe.“ [Tb] mit Dr. Rundt. Zwei Dinge habe ich vergessen.

1. Die Papiere die sich auf Donalds GrabFrank Wedekind, der sich um das Grab seines Bruders Donald Wedekind auf dem Döblinger Friedhof kümmerte, notierte am 18.5.1914 den Betrag von „34“ Mark für „Donalds Grab“ im Kontobuch. Er hatte am 19.3.1909 in Wien festgehalten: „Bestelle Grabschmuck und Grabstein für Donald.“ [Tb] Den Grabstein hat der Wiener Steinmetzmeister Eduard Hauser angefertigt [vgl. Eduard Hauser an Wedekind, 15.4.1909]; welche Firma für den Grabschmuck beauftragt war, ist nicht ermittelt. Wedekind jedenfalls hatte am 11.6.1913 in Wien vermerkt: „Finde Donalds Grab gänzlich unbepflanzt.“ [Tb] beziehen, dessen Schmuck ich dieser Tage bezahlen muß. Sie B/b/efinden sich in einem gelben Kuvert in dem Brief-Schrank im Fache D oben rechts. |

2. habe ich eine falsche Hose angezogen, die dunkelblaue statt der hellblauen. Die hellblaue hat keinen Namen und kein Datum.

Darf ich dich bitten mir die Papiere über Donalds Grab und die hellblaue Hose hierher bringen zu wollen. Heute Abend werde ich erfahren, ob SonntagWedekind notierte am 10.5.1914: „Simsonprobe“ [Tb], die vierte Probe, an der Tilly Wedekind schon teilnahm; er hatte am 8.5.1914 „Zweite Simsonprobe Nachmittag Dekorationsprobe“ [Tb] sowie am 9.5.1914 „Tilly kommt an. Dritte Simsonprobe“ [Tb] vermerkt. Probe ist oder nicht. Inliegend ein Brief von Bertlnicht überliefert; es dürfte sich um einen Brief von Dagobert Newes an seine Schwester Tilly Wedekind gehandelt haben (ihr Bruder hatte sie wohl schon in Wien vermutet).. Ich hoffe daß es Dir und den Kindern recht gut geht. Küsse die Kinder von mir.

Mit schönsten Grüßen
Dein
Frank.


7.5.14.

Frank Wedekind schrieb am 7. Mai 1914 in Wien folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly! Es wäre möglich daß wir mit nackten Füßen spielen, da die Kostüme sehr bescheiden sind. Ich bitte Dich daher mir außer der blauen Hose und den Papieren noch die braune Schamhose„kurze, um die Hüften eng anliegende Hose.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 242] aus FranziskaFrank und Tilly Wedekind, die sich für „ihre Gastspielreisen [...] einen privaten Kostümfundus angelegt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 242] hatten, haben „Franziska“ zuletzt vom 5. bis 29.9.1913 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu Berlin gespielt, wo ab dem 31.5.1914 auch das nächste „Franziska“-Gastspiel anstand [vgl. KSA 7/II, S. 1223-1234, 1240]. mitzubringen. Am SonntagWedekind notierte am 10.5.1914: „Simsonprobe.“ [Tb] soll Probe sein, am MontagWedekind notierte am 11.5.1914 Generalprobe und Premiere der „Simson“-Inszenierung im Johann Strauß-Theater in Wien: „Simsonprobe [...]. Simsonvorstellung“ [Tb]. Generalprobe, ob aber am Sonntag Probe | mit SteinrückAlbert Steinrück spielte in der „Simson“-Inszenierung im Johann Strauß-Theater in Wien die Titelrolle. sein kann. Ist noch nicht entschieden. Das beste wird sein, Du fährst morgen FreitagTilly Wedekind reiste am 8.5.1914 (Freitag) mit dem Nachtzug nach Wien, wo sie am 9.5.1914 eintraf und an der „Simson“-Probe teilnahm: „Tilly kommt an. Dritte Simsonprobe.“ [Tb] Abend. Ich telegraphiere morgen frühvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.5.1914.. Hoffentlich geht es euch gut

Auf baldiges Wiedersehn also

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank


Frau
Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50

Tilly Wedekind schrieb am 7. Mai 1914 in München
an Frank Wedekind

Donnerstag, 7.V.14.


Geliebtester Frank, hoffe Dich im Besitz meines gestrigen Briefesvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.5.1914.. Auch hoffe ich sehr, dass es Dir gut geht u. Du keine Unannehmlichkeiten hast! Anbei das Telegramm von Putlitznicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Joachim Gans zu Putlitz an Wedekind, 7.5.1914.. Hoffentlich bekomme ich morgen Nachricht, bis wann ich kommen | soll. Habe heute Einiges besorgt u. werde morgen packen.

Frank, es ist mir etwas eingefallen. Ich hoffe, Du fasst es auf wie ich es meine, u. deutest es um Gottes willen nicht anders. Steinrück spielt soviel ich weiß am Samstag hier in den EinacternAlbert Steinrück stand am 9.5.1914 (Samstag) abends in den ersten zwei von drei unter dem Gesamttitel „Die ungleichen Schalen“ (Premiere: 25.4.1914) im Münchner Residenztheater aufgeführten Einaktern Jakob Wassermanns auf der Bühne (in den Hauptrollen in „Gentz und Fanny Elßler“ sowie in „Lord Hamiltons Bekehrung“, nicht in „Hockenjos“) [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 237, 9.5.1914, General-Anzeiger, S. 2]; Frank und Tilly Wedekind hatten die Vorstellung am 2.5.1914 besucht: „Mit Tilly in Wassermanns Einaktern“ [Tb]. Albert Steinrück spielte dann in der Wiener „Simson“-Inszenierung im Johann Strauß-Theater durch die Volksbühne (Premiere: 11.5.1914) die Titelrolle des Simson (Frank Wedekind den Og von Basan, Tilly Wedekind die Delila). Dem Tagebuch zufolge haben in München bereits „Simson“-Proben mit ihm stattgefunden oder waren vorgesehen, so am 30.4.1914 („Steinrück kommt zum Abendessen. Simson Probe auf meinem Zimmer“), 1.5.1914 („Steinrück kommt nicht zur Probe“), 2.5.1914 („Simson Probe mit Steinrück“) und 3.5.1914 („Steinrück kommt nicht zur Probe“). u. wird dann wohl mit dem Nachtzug nach | Wien fahren müssen. Ich möchte daher lieber am Tag fahren u. würde dann, wenn es Dir recht ist, Samstag Mittag mit dem Zug fahren, den Du benutzt hattest. Ich weiß ja nicht ob es so ist, möchte aber doch solchen Zufälligkeiten aus dem Wege gehen. Wenn ich keine andere Nachricht | von Dir bekomme, fahre ich also Samstag Mittag. Ich bitte Dich, eventuell noch zu telegraphieren.

Uns geht es gut u. schicken die Kinder viele Grüße u. Küsse.

Grüße von Martha.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 8. Mai 1914 in Wien folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Königlich Bayerische Telegraphenanstalt


Telegramm. [...]

rp 10 tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =

München.


Aufgegeben in Wien [...]


= bitte wenn moeglich heute abend reisenTilly Wedekind reiste noch am 8.5.1914 mit dem Nachtzug nach Wien, wo sie am 9.5.1914 eintraf: „Tilly kommt an.“ [Tb] braune schamhose„kurze, um die Hüften eng anliegende Hose.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 242] aus franziska Frank und Tilly Wedekind, die sich für „ihre Gastspielreisen [...] einen privaten Kostümfundus angelegt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 242] hatten, haben „Franziska“ zuletzt vom 5. bis 29.9.1913 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu Berlin gespielt, wo ab dem 31.5.1914 auch das nächste „Franziska“-Gastspiel anstand [vgl. KSA 7/II, S. 1223-1234, 1240].mitbringen erwarte antwort wegen zimmer herzlichst = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 8. Mai 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, Freitag, 8.V.14.


Geliebtester Frank,

vielen Dank für Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.5.1914.! Ich werde Dir die beiden SachenPapiere, die sich auf Donald Wedekinds Grab beziehen, und eine hellblaue Hose [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.5.1914 (Brief)]. mitbringen.

Du schreibst: „Mit schönsten Grüßen.“ Ich beklage mich nicht, aber ich zittere davor, was in Dir vorgehen mag. Hast Du etwas gegen mich? Hat Dich unser letztes Gespräch verstimmt? Ich meinte es nicht schlimm. Aber ich sol wollte nur sagen, dass es wohl besser ist, ich behellige Dich | nicht mit den Angelegenheiten von andern Leuten, für die Du Dich dann noch verantwortlich fühlst.

Ich zittere davor, was Du zu meinem gestrigen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.5.1914. sagen wirst. Ich wusste nicht, soll ich davon schreiben, dass ich am Tag fahren will, oder nicht. Aber nachdem mir mit Schrecken der Gedanke eines zufälligen Zusammentreffens kam, fürchtete ich mich vor den Unannehmlichkeiten die das zur Folge haben könnte, u. dachte es ist | besser, ich schreibe darüber. Und einen Grund musste ich doch angeben dafür, dass ich am Tag fahren will.

Ich war die beiden Tage schrecklich müde u. abgespannt. Ich hatte entsetzliche Laufereien wegen des Costümes u. vor Allem wegen des Kopfputzes.

Ich soll jetzt packen, u. frage mich, ob es Dir nicht lieber wäre, wenn ich nicht käme. Wenn die Proben in Wien nicht stimmen, wäre das nicht ein Grund die Sache nicht zu machen? Ich gäbe was darum, | wenn es nicht stattfi/ä/nde.

Ich bin so aufgeregt, dass ich zittere, u. kaum mehr weiß, was ich schreibe. Wenn das Gastspiel ausfällt„bloße Vermutung“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 242], die sich auf keine tatsächlichen Gegebenheiten gründet. Das „Simson“-Gastspiel im Johann Strauß-Theater in Wien fand statt – vom 11. bis 13.5.1914 [vgl. Tb]. Tilly Wedekind fuhr nach der telegrafischen Nachricht „heute abend reisen“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.5.1914] noch am 8.5.1914 mit dem Nachtzug nach Wien, wo sie am 9.5.1914 eintraf., könntest Du ja, bis wir nach Berlin müssenzum Wedekind-Zyklus vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin., eine Reise machen. Bitte das aber nicht als Mangel an Liebe von mir aufzufassen, ich glaube es ist wohl das Gegenteil!

Wenn das so weiter geht, wird es in kurzer Zeit eine schwere Nervenkrankheit bei mir zur Folge haben u. ich fürchte sehr, auch bei Dir.

Den Kindern geht es gut, u. küssen sie Dich.

In treuer, inniger Liebe umarmt Dich,
Deine Tilly.

Tilly Wedekind schrieb am 23. Mai 1914 in München
an Frank Wedekind

München, 23.V. 14.


Geliebter Frank,

hoffentlich hattest Du eine angenehme FahrtWedekind reiste am 22.5.1914 zur Vorbereitung des Gastspiels an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Wedekind-Zyklus vom 31.5.1914 bis 14.6.1914) mit dem Nachtzug nach Berlin: „Abendessen zu Hause Tilly begleitet mich auf den Bahnhof Fahrt nach Berlin“ [Tb]. u. geht in Berlin alles möglichst glatt. Vormittag machte ich einige Besorgungen, Nachmittag musste ich mit der Kleinen Kadidja Wedekind war bei dem Hofrat und Chirurgen Dr. Albert Krecke [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 363], der im Münchner Stadtteil Nymphenburg (Hubertusstraße 30) seit 1914 eine „Chirurgische Heilanstalt“ [Adreßbuch für München 1915, Teil III, S. 37] betrieb, in Behandlung, vor dem 23.5.1914 dem Tagebuch zufolge am 28.4.1914 („Mit Fanny Kadidja und Tilly bei Hofrat Krecke“) und 29.4.1914 („Tilly fährt mit Fanny K zu Krecke zur Röntgenbestrahlung“); woran sie litt, ist nicht ermittelt.nochmals | zu Hofrat Grece Krecke. Er war mit ihr zufrieden. Dann haben wir mit Anna Pamela u. Anna Anna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]einen friedlichen Nachmittag im Nymphenburger Park verbracht. Jetzt werde ich baden u. dann schlafen gehen. Gestern Abend war es sehr schön am Bahnhof! Küsse von den Kindern. Innigst, Deine Tilly |


P.S. Ich vergaß zu fragen, wo der Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 22.5.1914. ist, den Du an Mama geschrieben hast? Ich kann ihn nicht finden. Vielleicht hast Du ihn mit, dann giebst Du ihn wohl direct auf. Ich werde | eben noch ein paar Zeilennicht überliefert. an Mama schreiben.

Innigst,
Tilly


Das Telegramm an Putlitznicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Joachim Gans zu Putlitz, 22.5.1914. Das von Tilly Wedekind dann aufgegebene Telegramm an den Stuttgarter Hoftheaterintendanten dürfte Frank Wedekind vor seiner Abreise von München (am 22.5.1914 mit dem Nachtzug nach Berlin) formuliert haben. habe ich abgeschickt.

Tilly Wedekind schrieb am 24. Mai 1914 in München
an Frank Wedekind

München, Sonntag.

24.V.14.


Geliebter Frank,

heute war ein ziemlich verregneter Tag, Nachmittags waren wir zu Hause. Erst las ich, dann um 5 Uhrum 17 Uhr. kam Jenny mit Hypolit und verlebten wir einen sehr gemütlichen Nachmittag. | Am MontagPremiere des „Marquis von Keith“ war im Rahmen des Wedekind-Zyklus vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin am 1.6.1914 (Montag), davor aber die Premiere von „Franziska“, wie im von Tilly Wedekind gelesenen „Berliner Tageblatt“ (siehe unten) auch angekündigt war: „In den Kammerspielen des Deutschen Theaters beginnt am Sonntag, 31. Mai, der Wedekind-Zyklus mit der Premiere von ‚Franziska‘, der am Montag eine Neueinstudierung des ‚Marquis von Keith‘ folgt.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 53, Nr. 258, 23.5.1914, Abend -Ausgabe, S. (2)], las ich, soll schon „Marquis“ sein? Aber da würde ja eine Probe für mich genügen! Morgen erfahre ich ja vielleicht von Dir, wann ich kommen muss. Die paar Tage habe ich jedenfalls noch genug zu tun.

Ich las auch die Notiz„Zu Frank Wedekinds 50. Geburtstag bereiten Freunde und Verehrer des Dichters eine Spende vor, die als eine den Namen des Dichters tragende Stiftung Verwendung finden soll. Außerdem wird eine literarische Ehrengabe vorbereitet, in der namhafte Schriftsteller ihre Meinung für oder wider Wedekind aussprechen und begründen werden. Endlich besteht der Plan, eine Wedekind-Plakette herstellen zu lassen, um auch künstlerisch die Erinnerung an den 50. Geburtstag des Vielumstrittenen festzuhalten.“ [Wedekind-Ehrungen. In: Berliner Tageblatt, Jg. 53, Nr. 258, 23.5.1914, Abend-Ausgabe, S. (3)] über die geplante Ehrung für Dich! Ich | habe sie mir aufbewahrt. Das ist mein Mann! Und ich mache ihm nichts wie Unannehmlichkeiten! Alle wollen Dich ehren u. Dir etwas schenken u. was kann ich Dir geben?

Hätte man doch nur immer sein inneres Gleichgewicht, dann könnte man einander so | viel mehr sein! Warum hat man das so selten u. quält sich u. andere. Das innere Gleichgewicht, ich glaube fast, dass es auch Dir fehlt, nicht nur mir. Wie erlangt man es, um anderen auch wirklich man/l/ eine Freude machen zu können?

Innigsten Kuss, Deine Tilly.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 24. Mai 1914 in München
an Frank Wedekind

Sonntagder 24.5.1914.:


Geliebter Frank,

wir sitzen im englischen Garten. Ich möchte Dich nur etwas fragen. Dr. Friedenthal Dr. jur. Joachim Friedenthal (Georgenstraße 53) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 175], Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ in München, bereitete als Ehrengabe zu Wedekinds 50. Geburtstag das von ihm herausgegebene „Wedekindbuch“ (1914) vor.hat antelephoniert. In das Buch von ihm sollen zur Biographie„Frank Wedekind. Sein Leben und Werk. Eine Monographie von Joachim Friedenthal“ [Friedenthal 1914, S. 1-121]. ausser einigen Bildern von DirIm „Wedekindbuch“ sind sechs Fotos von Frank Wedekind abgedruckt: „Frank Wedekind“ [Friedenthal 1914, vor S. 1], „Wedekinds Jugendbildnis aus dem Jahr 1889“ [ebd., nach S. 12], „Wedekind in der Elf-Scharfrichter-Zeit“ [ebd., nach S. 18], „Wedekind vor 10 Jahren“ [ebd., nach S. 84], „Frank Wedekind“ [ebd., vor S. 123], „Wedekind aus den letzten Jahren“ [Friedenthal 1914, nach S. 244]., auch ein paar Bilder von mirIm „Wedekindbuch“ sind drei Fotos von Tilly Wedekind abgedruckt: „Tilly Wedekind als Kadidja in ‚Die Zensur‘“ [Friedenthal 1914, nach S. 252], „Tilly Wedekind als Prinzessin Alma in ‚König Nicolo‘“ [ebd., nach S. 266], „Tilly Wedekind als Lamia in ‚Der Stein der Weisen‘“ [ebd., nach S. 284]. hineinkommen. | Ich weiß aber nicht ob Dir das recht ist, u. bitte Dich mir paar ZeilenWedekind antwortete seiner Frau [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.5.1914 (Brief)] und schrieb auch direkt an Friedenthal [vgl. Wedekind an Joachim Friedenthal, 26.5.1914]. darüber zu schreiben. Dann könnte ich ja Einige hinschicken.

Uns geht es gut, hoffe von Dir dasselbe. Innigst umarmt u. küsst Dich,
Deine Tilly


Bußerln(süddeutsch) Küsse. Pamela

Frank Wedekind schrieb am 25. Mai 1914 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Königlich Bayerische Telegraphenanstalt


Telegramm. [...]


= rp = tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =

München.


Aufgegeben in Berlin [...]


= geliebte tilly wenn moeglich heute abend abreisen wenn nicht mehr moeglich dann mittwoch abend bitte antwortvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.5.1914. wegen zimmer innigst = frank.

Frank Wedekind schrieb am 25. Mai 1914 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

ELITE HOTEL


BERLIN N. W.
AM BAHNHOF FRIEDRICHSTR.


Montag Morgen

25.5.14.


Geliebte Tilly!

Eben erhalte ich Deine beiden lieben Kartenbriefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.5.1914; Tilly und Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 24.5.1914 (beides Briefkarten).. Am Samstag hatten wir Probe von FranziskaWedekind notierte am 23.5.1914 (Samstag): „Franziskaprobe“ [Tb]; „Franziska“ war das erste Stück, das im Rahmen des Wedekind-Zyklus vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin Premiere hatte (mit seiner Frau in der Titelrolle und ihm als Veit Kunz sowie unter seiner Regie) – am 31.5.1914 [vgl. Tb], erstmals „in der Fassung der ‚Bühnenausgabe in gebundener Rede‘“ [KSA 7/II, S. 1158].. Am gleichen Tag reisten die meisten Beteiligten nach Budapest, von wo sie erst Donnerstag oder Freitag zurückkommen. Gestern SonntagWedekind notierte am 23.5.1914 (Sonntag): „Im Kaiser Friedrichmuseum und alten Museum. Nachmittag gelernt Wintergarten.“ [Tb] Er besuchte vormittags das Kaiser Friedrich-Museum und das Alte Museum, lernte dann für das anstehende Gastspiel seine Rolle in „Franziska“ (siehe oben) und besuchte abends das Varietétheater Wintergarten, wo um 20 Uhr zu sehen war: „Neues Programm! Radjah in ihren Tänzen. Johnson u. Dean. Ragtime Sextett. Jeanette Denarber mit ihrem Ballon und einer Auslese hervorragender Kunstkräfte!“ [Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 59, Nr. 237, 23.5.1914, Morgen-Ausgabe, S. 12] war keine Probe. Vormittags war ich im Museum, abends im Wintergarten. Jetzt soll Probe von KeithWedekind notierte am 25.5.1914 (Montag): „M. v. Keithprobe“ [Tb]; „Marquis von Keith“ war das zweite Stück, das neueinstudiert unter seiner Regie im Rahmen des Wedekind-Zyklus vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin Premiere hatte (mit ihm in der Titelrolle und seiner Frau als Anna, verwitwete Gräfin Werdenfels) – am 31.5.1914 [vgl. Tb]. sein. Nun ist meiner Ansicht nach Franziska | das Entscheidende des ganzen Zyklus. Ich würde dich daher bitten vor allem dich möglichst viel mit dem Text zu beschäftigen. Es ist zu fürchten daß die Andern mit dem Text auf sehr gespanntem Fuß stehen. Ich habe gestern auch den ganzen Tag gelernt. Ich werde jetzt BlumenreichAlbert Blumenreich war Regisseur und Schauspieler am Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 30f.]. auffordern alles auf Franziska zu konzentrieren. Vielleicht kann ich Dir heute Nachmittag mitteilenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.5.1914 (Telegramm)., was erreicht ist und wann die nächste Probe von FranziskaWedekind notierte am 26.5.1914 „Franziskaprobe“ [Tb] und am 28.5.1914 dann „Tilly kommt aus München Franziskaprobe“ [Tb]. stattfindet.

Mit der Aufnahme Deiner BilderIm „Wedekindbuch“ sind drei Fotos von Tilly Wedekind abgedruckt: „Tilly Wedekind als Kadidja in ‚Die Zensur‘“ [Friedenthal 1914, nach S. 252], „Tilly Wedekind als Prinzessin Alma in ‚König Nicolo‘“ [Friedenthal 1914, nach S. 266], „Tilly Wedekind als Lamia in ‚Der Stein der Weisen‘“ [Friedenthal 1914, nach S. 284]. in Friedenthals BuchJoachim Friedenthal (Georgenstraße 53) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 175] bereitete als Ehrengabe zu Wedekinds 50. Geburtstag das von ihm herausgegebene „Wedekindbuch“ (1914) vor. bin ich sehr einverstanden. Schick ihm, was Dir verwend|bar scheint. Ich werde ihm mittheilenvgl. Wedekind an Joachim Friedenthal, 26.5.1914., von welchen Bildern Clichés schon vorhanden sind.

Ich freue mich sehr daß es Dir und den Kindern gut geht. Küsse sie von mir

Mit innigstem Kuß
Dein Frank


Anapamela herzlichen Dank für ihre Bußerln(süddeutsch) Küsse; Zitat aus dem Gruß von Pamela Wedekind: „Bußerln“ [Tilly und Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 24.5.1914]., die ich erwidere.

Tilly Wedekind schrieb am 25. Mai 1914 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

frank wedekind berlin elite hotel bahnhof friedrichstr. =


Telegraphie des Deutschen Reichs.
Berlin W, Haupt-Telegraphenamt


Telegramm aus muenchen [...]


geliebter frank abreise heute unmoeglich da nicht gepackt reise dann mittwochder 27.5.1914. Tilly Wedekind reiste mit dem Nachtzug zum Gastspiel in Berlin, wo sie am 28.5.1914 eintraf: „Tilly kommt aus München“ [Tb]. abend innigst = tilly

Frank Wedekind schrieb am 26. Mai 1914 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

ELITE HOTEL


BERLIN N. W.
AM BAHNHOF FRIEDRICHSTR.


Dienstagder 26.5.1914. Morgen!


Geliebteste Tilly

Eben erhalte ich Deinen Kartenbriefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.5.1914 (zweiter Brief, auf Briefkarten geschrieben). der mir eine große Freude war, nicht wegen der Schmeicheleien die Du mir sagst, sondern nur weil Du über unsere Angelegenheiten nachgedacht zu haben scheinst. Darüber können wir hier genug sprechen. oderSchreibversehen, statt: sprechen oder. auch nicht, wenn es Dir peinlich ist. Nun nur rasch eines. Vor Deiner Abreise vergiß folgendes nicht. Aus meinem Schreibtisch den vorletzten Schlüssel nehmen, der | rechts an den Nägeln hängt. Damit die Doppelthür am neuen Büchergestellschrank aufschließen. In dem Schrank liegt ein Paket in grauem oder braunem Packpapier, etwa 20 cm breit hoch und lang. Dieses Paket heraus nehmen und dem Mädchen Anna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]sagen dasSchreibversehen, statt: daß. es vielleicht abgeholt wird. Das Paket enthält die Klischés zu Deinen BildernWedekind hat Joachim Friedenthal, der das „Wedekindbuch“ (1914) mit Abbildungen plante, darüber informiert [vgl. Wedekind hat Joachim Friedenthal, 26.5.1914]..

Über die PhotographieTilly Wedekind hat einem ihrer beiden am 24.5.1914 auf Briefkarten an Frank Wedekind geschriebenen Briefe eine Fotografie ihrer Töchter beigelegt (vermutlich dem zweiten Brief). von Anna Pamela und Fanny Kadidja habe ich mich sehr gefreut. Grüße und küsse beide von mir. Heute Vormittag und Donnerstag Vormittag ist FranziskaprobeWedekind notierte am 26.5.1914 „Franziskaprobe“ [Tb] und am 28.5.1914 „Tilly kommt aus München Franziskaprobe“ [Tb]; mit „Franziska“ nahm der Wedekind-Zyklus vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin seinen Auftakt.. Deshalb hätte ich gern gehabt, daß Du heute | schon dagewesen wärest, da mir Franziska weitaus das wichtigste Stück scheint. Also auf Donnerstag früh!

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 26. Mai 1914 in München
an Frank Wedekind

T. W.


Dienstag, 26.V.14.


Geliebter Frank,

heute habe ich gepackt u. bin ziemlich fertig. Gestern wäre es nicht möglich gewesen abzureisen. Ich kam erst nach 6 Uhr mit Anna Pamela von ihrer Turnstunde zurück u. hatte noch nichts gerichtet. Für Abends hatte ich schon Frau Dr. Pariser versprochen zu kommen. Als ich | das Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.5.1914 (Telegramm). bekam, hätte ich am Liebsten abgesagt; dafür war ich aber heute umso fleißiger. Herr u. Frau Dr. Pariser giengen mit mir in die Odeon Bar essen, da sie lieber auswärts essen wollten. Es war fast leer da, ich sah niemand bekannten. Aber es war eine sehr netter Abend, sie sind wirklich liebe einfache Menschen. Sie lassen Dich herzlich grüßen. Vielen, herzlichen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.5.1914 (Brief).; ich werde so fleißig wie möglich sein! Viele Küsse von den Kindern! Innigen Kuss, Deine Tilly


[auf Seite 1 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Morgen abendTilly Wedekind reiste am 27.5.1914 mit dem Nachtzug zum Gastspiel vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters nach Berlin, wo sie am 28.5.1914 eintraf: „Tilly kommt aus München“ [Tb]. fahre ich also.

Tilly Wedekind schrieb am 27. Juni 1914 in München
an Frank Wedekind

T. W.


München, Samstag, 27.VI.14.


Mein geliebter Frank,

ein Tag wäre also vorüberTilly Wedekind hat den 27.6.1914 ohne ihren Mann in München verbracht, nachdem sie ihn am Abend zuvor verabschiedet hatte, wie Frank Wedekind am 26.6.1914 notierte: „Koffer gepackt Tilly begleitet mich auf den Bahnhof. Abfahrt nach Florenz.“ [Tb] Dem Kontobuch zufolge hat er die „Fahrkarten nach Florenz“ am 25.6.1914 gekauft, einen Tag nach dem vorgezogenen Bankett zu seinem 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München am 24.6.1914, das angesichts seiner krisenhaften Ehe einen für ihn irritierenden Verlauf genommen hat [vgl. Vinçon 2014, S. 252] und ihn zu der allein unternommenen Reise veranlasste.. Es ist nichts Besonderes zu berichten. Vormittag besorgte ich Einiges für die Kinder. Nachmittags tanzten die Törsleff KinderEs tanzten am 27.6.1914 in den Münchner Kammerspielen Gudrun, Rigmor und Svend Törsleff (6, 11 und 12 Jahre alt, Kinder von Maja und Lauritz Christian Törsleff), wie die Presse berichtete: „Eine Privat-Tanzaufführung der Geschwister Törsleff fand am Samstag nachmittag in den Münchner Kammerspielen statt, um den Gönnern und Freunden dieser talentierten Kinder wieder Proben ihrer Fortschritte zu geben. Man kennt das anmutige Geschwistertrio schon von anderen Vorführungen, wie von Einlagen in Theaterstücken, her. Aus dem Spiel der Kinderstube, aus dem Reigen zu dreien, hat sich nach und nach dank der Mithilfe erster Kräfte […] eine Virtuosität kindlicher Anmut, ein selbstverständlicher Ausdruck mimischen und rhythmischen Spiels entwickelt“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 327, 28.6.1914, General-Anzeiger, S. 3]. Pamela und Kadidja Wedekind hatten am 25.1.1914 eine solche Vorstellung besucht, wie ihr Vater notierte: „Die Kinder bei den Tänzen der Kinder Törsleff.“ [Tb] in den Kammerspielen. Ich wollte Anna Pamela mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] schicken u. mit der Kleinen in den | engl. Garten gehen. Doch bat sie mich, mit ihr zu gehen, so giengen wir zusammen. Den Menschen ist nicht zu entgehen. Fr. Dr. Pariser wollte mich oder vielmehr uns für heute Abends einladen, Kaysler’s und Martens sind bei ihrErna Pariser hatte den Schauspieler Friedrich Kayßler und dessen zweite Ehefrau, die Schauspielerin Helene Fehdmer, beide bis 31.8.1914 am Berliner Lessingtheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 309], dann ab 1.9.1914 am Deutschen Künstlertheater in Berlin engagiert [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 297], sowie Kurt Martens zu Gast., ich hatte natürlich absolut keine Lust. Dafür überließ ich ihren KindernErna Parisers Töchter Agnes Therese Pariser (gut 21 Jahre alt) und Hilde Pariser (fast zwölf Jahre alt); mit ihnen besuchten Tilly Wedekind und ihre Tochter Pamela Wedekind am 27.6.1914 die Tanzveranstaltung mit den Törsleff-Kindern (siehe oben), wie ein späterer Brief belegt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914 (Brief)]. Karten zu den Törsleff, ich hatte vier. Frau TörsleffMaja Törsleff, dänische Malerin, Tänzerin und Musikerin, wohnte wie ihr Mann Christian Törsleff (ebenfalls Däne), Hofopernsänger a.D. und Gesangslehrer, in München in der Königinstraße 2 [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 115], war dort aber zum 6.6.1914 abgemeldet und ab 6.7.1914 in der Liebherrstraße 10 angemeldet [vgl. Einwohnermeldekarte Maja Törsleff, Stadtarchiv München]; unter dieser als Atelier ausgewiesenen Adresse Liebherrstraße 10 annoncierten ihr Mann und sie [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 345, 8.7.1914, General-Anzeiger, S. 2]. gab ich die 20 M.

Mit Anna Pamela trank ich Caffée im Hofgarten, jetzt haben BeideSchreibversehen, statt: beide. Kinder gebadet.

Meine Lebenslust ist noch nicht wieder gekommen. Ich bin auch noch zu müde. Ich wünsche Dir alles Gute.

[auf Seite 1 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

In treuer Liebe, Deine Tilly


[auf Seite 1 am oberen Rand:]

Küsse von den Kindern.

Tilly Wedekind schrieb am 27. Juni 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis und Zitat in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 29.6.1914 aus München:]


Du hast vielleicht nur den Brief mit den Telegrammen erhalten, wo ich nur: Herzlichst, Deine Tilly, draufschrieb? Ich [...] wollte Dir nur schnell die Telegramme schicken, weil eine Rückantwort dabei war. Am selben Abend, also Samstag [...]

Frank Wedekind schrieb am 27. Juni 1914 in Florenz folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Al Signora
Tilly Wedekind
Prinzregentenstrasse 50
München
Germania


Geliebteste Tilly! Ich wohne richtig Hotel Excelsior, Via(ital.) Straße; Schreibversehen, statt: Lungarno (Promenade am Arno). Amerigo VespuciSchreibversehen, statt: Vespucci. 10. Die ReiseWedekind reiste zwei Tage nach dem vorgezogenen Bankett zu seinem 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München, das angesichts seiner krisenhafte Ehe einen für ihn irritierenden Verlauf nahm [vgl. Vinçon 2014, S. 252], am 26.6.1914 allein ab nach Florenz: „Koffer gepackt Tilly begleitet mich auf den Bahnhof. Abfahrt nach Florenz.“ [Tb] verlief sehr ruhig. Ein stummer Engländer leistete mir Gesellschaft. Am Abend besah ich die StadtWedekind notierte am 27.6.1914 im Tagebuch Ankunft und Unterkunft („Ankunft in Florenz. Hotel Excelsior“) sowie zwei Stationen einer Besichtigung der Stadt („Im Dom Apollotheater“). sitze jetzt allein bei Pilsnerin einem Lokal beim Pilsner Bier, bei dem er die vorliegende Bildpostkarte schrieb; möglicherweise die Birreria Mucke (Inhaber: Bruno Mucke) in Florenz (Via Lamberti 5), die bayrisches Bier ausschenkte und die er die Abende vom 28. bis 30.6.1914 aufsuchte [vgl. Tb].. Hoffentlich geht es Dir und den Kindern gut.

Innigste Küsse Dir und den Kindern
Dein Frank. |


Firenze – Palazzo del Podestà o del Bargello (incominciato nel 1255)


Dank für Nachsendung der beiden Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Münchner Künstlertheater an Wedekind, 25.6.1914; Schauspielhaus Düsseldorf an Wedekind, 25.6.1914. Die beiden verschollenen Briefe dürften inhaltlich in Verbindung gestanden haben. Der eine Absender – das Münchner Künstlertheater (Direktion: Georg Fuchs und František Zavřel) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 563], das vom Schauspielhaus Düsseldorf für ein Sommergastspiel gepachtet worden ist, zu dessen Eröffnung am 2.7.1914 das Künstlertheater eingeladen und ein Programm präsentiert hat [vgl. Allgemeine Zeitung, Jg. 117, Nr. 28, 11.7.1914, S. 447f.] – geht aus einer späteren Postkarte hervor [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914]; der andere Absender – das Schauspielhaus Düsseldorf (Direktion: Louise Dumont-Lindemann und Gustav Lindemann) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 414] – ist nur vermutet, liegt aber durch Korrespondenz im Zusammenhang nahe [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914]..

Tilly Wedekind schrieb am 28. Juni 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Sonntag, 28.VI.14.


Mein innigst geliebter, theuerster Frank,

Du glaubst gar nicht, wie ich mich nach Dir sehne! Schon die letzten Abende als wir zusammen aßen, dachte ich, dass ich nun allein hier sitzen werde u. mir wurde sehr schwer ums Herz. Wenn Du weg bist, um mich fühlen zu lassen, was Du für mich bist, dann hast Du das erreicht. In meinem ganzen Leben, habe ich mich nicht so elend gefühlt. Ich weiß, alles was ich bin u. habe, ist nur von Dir. Allein bin ich gar nichts. So klein komme ich mir vor! Und wenn sich die Menschen für mich interessieren | so geschieht das nur, weil ich Deine Frau bin. Vielleicht wäre es besser, ich schickte Dir solche Briefe nicht, sondern legte sie weg, damit Du sie mir nicht „vor die Füße“ werfen brauchst. Ich will Dir auch nicht die Stimmung damit verderben; aber allerdings, wenn es dem Einen weniger gut geht, dann geht es dem Andern dafür umso besser. Ich meine, dass ich damit Deine Stimmung also eher hebe. Sonst sitzen wir um die Zeit in Deinem Zimmer u. ich lese Dir vor. Allein habe ich zu gar nichts Lust, zu Allem werde ich nur durch Dich angespornt. Ich gehe wie im Traum umher, u. fühle mich immer nur entsetzlich müde. Was ist mir das Leben ohne Dich! |

Heute war ich den ganzen Tag im englischen Garten mit den Kindern. Vormittag laßSchreibversehen, statt: las. ich da die Zeitung, Nachmittags kam dann noch Jenny mit Hypolit, die telephoniert hatte. Es wäre besser gewesen sie wäre nicht gekommen, denn wovon soll ich reden, wenn ich nicht von Dir rede? Sie hat sich sicher sehr gelangweilt. Die Kinder waren umso lustiger, es war eine Freude ihnen zuzusehen. Jetzt habe ich sie zu Bett gebracht. Morgen fahre ich mit beiden Kindern u. dem MädchenAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] nach Possenhofen zu Fr. Dr. PariserErna Pariser und ihr Ehemann Dr. phil. Ludwig Pariser wohnten in München (Georgenstraße 30) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 504], aber „in den Sommermonaten zeitweise in Possenhofen am Nordwestufer des Starnberger Sees“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 207]., da morgen FeiertagPeter und Paul am 29.6.1914 (der vor allem katholische Feiertag ist kalendarisch festgelegt). ist u. Anna Pamela keine Schule hat. Vielleicht wird es mir da etwas besser. Gestern abends schrieb ich noch einen | Brief an Deine Mutternicht überliefert., u. Anna Pamela schrieb auch ein paar Zeilen.

Ja richtig, der Maler BauerKarl Bauer, auf Dichterbildnisse spezialisierter Maler und Grafiker in München (Ungererstraße 8, Atelier: Rambergstraße 5) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 32], porträtierte Wedekind; der „Steindruck Karl Bauers von 1914“ [Kutscher 3, S. 281] ist als Reproduktion erhalten [vgl. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karl_Bauer_Frank_Wedekind.jpg]. hat antelephoniert, Du hattest ihm ja versprochen heute zu kommen. Ich sagte ihm, dass Du verreist bist, u. ihm vielleicht schreiben würdest.

Verzeih’ diese entsetzliche, lange Epistellängerer Brief., aber mit niemandem kann ich reden; u. mir ist wohler, wenn ich wenigstens so etwas von Dir habe. Mir scheint, Du bist mir näher, wenn ich an Dich schreibe! Die Kinder schicken Dir viele Küsse!

Innigst küsst Dir Mund u. Hände,
Deine dankbare Tilly


Ich bin sehr müde u. gehe gleich zu Bett.

Tilly Wedekind schrieb am 29. Juni 1914 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

TELEGRAMMA

[...]


NACHTS FRANCK WEDEKIND FLORENZ HOTEL EXCELSIOR

FIRENZE |


[...] Ufficio Telegrafico DI FIRENZE


[...] MUENCHEN [...]


GELIEBTER HABE TAEGLICH AUSFUEHRLICH GESCHRIEBENseit Wedekinds Abreise nach Florenz am 26.6.1914 zwei Briefe am 27.6.1914 und einen Brief am 28.6.1914. WARUM DIESER PLOETZLICHE ENTSCHLUSSnach Paris zu reisen, wie Wedekind seiner Frau telegrafierte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914]. IN SORGE INNIGST = DEINE TILLY

Frank Wedekind schrieb am 29. Juni 1914 in Florenz folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

CARTOLINA POSTALE ITALIANA
(CARTE POSTALE D’ITALIE)


Al Signora
Tilly Wedekind
Prinzregentenstr. 50
München


Montag 29.6.14.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine liebe Karteeine Briefkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1914]., die ich heute früh erhielt und für die NachsendungenWedekind hatte sich bereits für Nachsendungen bedankt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.6.1914].. Hier ist gar nichts los, ich fahre deshalb möglichst bald nach ParisWedekind reiste am 1.7.1914 von Florenz ab und fuhr über Mailand nach Paris: „fahre [...] bis Mailand. [...] Abfahrt nach Paris“ [Tb]. | Außerdem ist war gestern Sonntag und heute ist FeiertagPeter und Paul am 29.6.1914 (der vor allem katholische Feiertag ist kalendarisch festgelegt). so daß nicht einmal etwas zu sehen ist. Gestern AbendWedekind notierte am 28.6.1914: „Follie Estive Nachher mit Will Vesper und dem Sohn von Hans Hopfen bei Mucke“ [Tb]. Er besuchte das Varieté-Theater Follie Estive (Viale Duca di Genova), wo er den Schriftsteller Will Vesper getroffen haben dürfte, der 1913/14 ein Jahr in Florenz (Piazza di Bellosguardo 2) lebte, und verbrachte den restlichen Abend mit ihm und einem Sohn des Schriftstellers Hans von Hopfen anschließend in der Birreria Mucke (Via Lamberti 5). traf ich Will Vesper, der hier wohnt. Bekannte hätte ich also schon aber es fehlt alles Leben. – An Dumont-Lindemann habe ich Dank-Telegrammenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Wedekind an Louise Dumont und Gustav Lindemann, 29.6.1914 (wohl die Antwort auf ihren nur als Telegrammentwurf vom 24.6.1914 überlieferten Glückwunsch), Wedekind an Schauspielhaus Düsseldorf, 29.6.1914 (wohl die Antwort auf den ebenfalls nur als Telegrammentwurf vom 24.6.1914 überlieferten Glückwunsch); in den verschollenen Telegrammen wohl auch der Dank für die Einladung zur Eröffnung des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses am Münchner Künstlertheater (siehe unten). geschickt. Vielleicht hast Du Gelegenheit die Eröffnung 2. Juli„Das Düsseldorfer Schauspielhaus hatte das Münchner Künstlertheater für die Sommermonate 1914 gepachtet.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 248] Die Eröffnungsveranstaltung zum Auftakt des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses am 2.7.1914 im Münchner Künstlertheater, bei der Shakespeares Schauspiel „Der Sturm“ gezeigt wurde und die „vor geladenem Publikum stattfand“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 117, Nr. 28, 11.7.1914, S. 448], war angezeigt: „Die Eröffnungs-Festvorstellung für geladene Gäste heute Donnerstag, 2. Juli, beginnt ausnahmsweise schon um 7 Uhr. Die Aufführung von ‚Sturm‘ am Freitag, 3. Juli, sowie alle späteren Aufführungen beginnen regelmäßig erst um 8 Uhr.“ [Münchner Künstler-Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 335, 3.7.1914, Vorabendblatt, S. 2] Das gezeigte Premierenstück war für das öffentliche Publikum im Münchner Künstlertheater so angezeigt: „Direktion: Düsseldorfer Schauspielhaus. [...] Der Sturm. Ein festliches Spiel in zwei Aufzügen von William Shakespeare. Musik von Anton Beer-Walbrunn.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 338, 4.7.1914, Vorabendblatt, S. 2] mitzumachen. Es soll mich freuen wenn Du hingehst. Die Einladungnicht überlieferter Einladungsbrief; erschlossenes Korrespondenzstück: Münchner Künstlertheater an Wedekind, 25.6.1914. Veranstaltet war der Eröffnungsabend des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses (Direktion: Louise Dumont-Lindemann und Gustav Lindemann) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 414] am 2.7.1914 im Münchner Künstlertheater von den „Leitern des Künstlertheaters“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 117, Nr. 28, 11.7.1914, S. 447]; das waren die Direktoren Georg Fuchs und František Zavřel [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 563], auf deren Initiative das Münchner Künstlertheater die Einladungsbriefe verschickt haben dürfte – einer davon an Wedekind. habe ich leider zerissenSchreibversehen, statt: zerrissen.. Küsse die Kinder von mir.

Mit innigem Kuß
Dein Frank

Frank Wedekind schrieb am 29. Juni 1914 in Florenz folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Königlich Bayerische Telegraphenanstalt

Telegramm. [...]


tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen

München.

Aufgegeben in Firenze [...]


= herzlichen dank fuer briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1914. antwort unterwegsvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914 (Postkarte). erbitte weitere nachsendungenWedekind hatte sich bereits für in Florenz erhaltene Nachsendungen aus München bedankt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.6.1914] – weitere sollten nun nach Paris geschickt werden. nach parisWedekind fuhr dem Tagebuch zufolge am 1.7.1914 von Florenz über Mailand nach Paris („fahre [...] bis Mailand. [...] Abfahrt nach Paris“) und logierte dort im Grand Hôtel (Boulevard des Capucines 12), an der Pariser Oper gelegen. grand hotel pres l operapres l’Opéra (frz.) = an der Oper. innigst = frank

Tilly Wedekind schrieb am 29. Juni 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Montag, 29.VI.14.


Mein einziger, innigst geliebter Frank,

Du bist also nach Paris! Lebwohl, wann werden wir uns wiedersehen?

Dieser plötzliche Entschlussnach Paris zu reisen, wie Wedekind seiner Frau telegrafierte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914]. bedeutet nichts Gutes für mich. Es wird mir schwer, Dir alles zu sagen, was ich denke u. fühle. Meine Empfindungen zu Papier zu bringen. Verzeih’ mir deshalb u. beurteile es nicht anders als es gemeint ist. Ich gönne Dir alles Gute, unterhalte Dich, – ich werde warten, mit namenlosem Schmerz werde | ich warten.

Was habe ich Dir in dem ersten Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. München, 27.6.1914. geschrieben? Oder haben Dich Deine Gedanken dazu gebracht, plötzlich weiter zu reisen? Weitere „NachsendungenZitat aus Wedekinds Telegramm vom 29.6.1914 an seine Frau (siehe oben).“ nach Paris? Dann willst Du vielleicht gar keine Briefe von mir? Verzeih mir meine Briefe. Ich bin so blöde von dem vielen Weinen, ich weiß nicht mehr, was ich schreibe. – Vielleicht ist alles gar nicht so schlimm, vielleicht ist es aber auch noch viel schlimmer.

Vielleicht verliere ich Dich, verliere ich alles! Was habe ich getan, um diesen Jammer zu verdienen!

Die Onanieim zeitgenössischen Verständnis „unnatürliche Befriedigung des Geschlechtstriebes, schwächt den Körper und schädigt den sittlichen Charakter“ [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 2. Leipzig 1911, S. 309]. hat mein Leben zerstört. | Sie hat meinen Geist u. meinen Charakter getrübt. Warum bin ich nicht als Kind gestorben, bevor ich das alles wusste!

Frage einen Nervenarzt, er kann Dir vielleicht Aufschluss geben über meine „Theilnahmslosigkeit“ meine „Interesselosigkeit“. Geistig minderwertig! Und Du glaubst ich täte nicht alles gern was Du wünschest, wenn ich es nur könnte!!

Ich weiß was Du unter meiner Apathie gelitten, weiß es nur zu gut. Empfand es oft eben so quälend, wie Du selbst, u. konnte nichts dagegen machen. „Willst Du nicht endlich etwas sagen, Tilly“? Wie oft habe ich das gehört. | Ich sage es jedem der es hören will, wie schrecklich für Dich meine Schwerfälligkeit ist. Die Leute nennen es falsche BescheidenheidSchreibversehen, statt: Bescheidenheit. von mir, u. doch sehe ich ihnen an, dass sie mich auch sehr schwerfällig finden.

Mein theuerster Frank, Du wirst in Paris alles finden, was ich bin, u. viel besser noch! Ich werde vielleicht überflüssig. Denn was habe ich sonst noch zu geben? Begreifst Du da nicht meine Engherzigkeit? „Wenn Du 14 Tage ohne mich gelebt hast“

Warum sitze ich eigentlich hier u. warte auf alles, was noch über mich kommt? Geliebter, ich bin feige u. klein u. mutlos! | Ich bitte Dich um Erbarmen! Aber Du schreibst,: „innigst, Frank.Zitat aus Wedekinds Telegramm vom 29.6.1914 an seine Frau (siehe oben).[“] Vielleicht ist doch alles nicht so schlimm, andere Leute fahren auch nach Paris. Habe ich noch nicht alles verloren? Bleibt mir noch etwas, wenn auch nur ein Theil? So glücklich wie ich in Berlin warAnspielung auf die gemeinsame Zeit in Berlin in den Jahres 1905 bis 1908, insbesondere nach der Heirat am 1.5.1906., werde ich nie mehr sein! Ich danke Dir für diese schöne, glückliche Zeit, Geliebter! Ich danke Dir für alles was Du mir gegeben hast! Ich küsse Dir die Hände für alles was ich von Dir habe!

Sage mir doch um Gottes Willen was ich tun soll, um diese Zeit zu ertragen! | Ich hatte ja gar nichts anderes erwartet, als, dass Du diesen Sommer wieder einige Wochen weg fährst. Du warst voriges Jahr in RomWedekind ist am 19.6.1913 allein nach Rom gereist und blieb dort bis zum 11.7.1913 [vgl. Tb]., u. ich habe mich darein gefunden. Du warst im Januar 14 Tage in BerlinWedekind war vom 11. bis 21.1.1914 ohne seine Frau in Berlin [vgl. Tb]. u. ich konnte mich doch die Zeit über beschäftigen. Aber warum musste es jetzt so kommen! Warum musste Deiner AbreiseWedekind, der dem Kontobuch zufolge am 25.6.1914 „Fahrkarten nach Florenz“ gekauft hat, reiste zwei Tage nach dem vorgezogenen Bankett zu seinem 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München am 24.6.1914, das angesichts seiner krisenhafte Ehe einen für ihn irritierenden Verlauf nahm [vgl. Vinçon 2014, S. 252], am 26.6.1914 allein ab nach Florenz: „Koffer gepackt Tilly begleitet mich auf den Bahnhof. Abfahrt nach Florenz.“ [Tb] dieser entsetzliche Tagder Abend des 24.6.1914, an dem das Bankett zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München stattfand – er endete mit einem Eklat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.7.1914].. vorausgehen?! Immer noch höre ich alles was Du gesagt hast. „Ich will auch wieder jemand triumphierend in die Augen sehen.“ Du kannst nun vielen triumphierend in die Augen sehen, vielen! Allen! |

Auch mir. Denn ich bin elend ohne Dich! Vollständig niedergedrückt! Und werde Dir dankbar sein für jedes gute Wort! Vielleicht habe ich es wirklich nicht hoch genug geschätzt, was ich hatte, darum habe ich es verloren. Aber niemandem habe ich Anlass gegeben zu triumphieren!

Aber nun haben sie, was sie wollten. Wie werden sich die Menschen freuen! Sie haben es soweit gebracht als sie wollten.

Wie hasse ich alle diese bösen Menschen! Ob sie einem gut oder böse gesinnt, sie bringen immer nur Unfrieden! Ich will niemanden mehr sehen, es | wird das Beste sein, ich stelle mich krank. Wohl fühle ich mich ja wirklich nicht!

Es wird spät. Die Mädchen schlafen. Also habe ich auch Gott sei Dank nicht diese kalten, bösen, neugierigen Blicke zu fürchten. Alle diese Feinde um mich, wie werden sie lachen!

Ich bin Gott sei Dank wenigstens allein u. kann weinen.

Ich kann in Deine Zimmer gehen, Deine Stühle ansehen, Deinen Schreibtisch, Dein Bett. –

Ich werde die Mädchen fortschicken u. mich an die Kinder klammern. Das ist ein Trost. Die Menschen sind schrecklich! Allein sein, immer an das Alles denken, da werde ich verrückt! |


T. W.


Jetzt kommt mir ein entsetzlicher Gedanke! Du hast vielleicht nur den Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1914. mit den Telegrammenwohl zwei Telegramme, die als Telegrammentwürfe überliefert sind; vgl. Louise Dumont und Gustav Lindemann an Wedekind, 24.6.1914; vgl. Schauspielhaus Düsseldorf an Wedekind, 24.6.1914. erhalten, wo ich nur: Herzlichst, Deine Tilly, draufschrieb? Ich gieng gerade mit Anna Pamela zu den Törsleff KindernGudrun, Rigmor und Svend Törsleff (6, 11 und 12 Jahre alt, Kinder von Maja und Lauritz Christian Törsleff) tanzten am 27.6.1914 in den Münchner Kammerspielen, wie die Presse berichtete: „Eine Privat-Tanzaufführung der Geschwister Törsleff fand am Samstag nachmittag in den Münchner Kammerspielen statt, um den Gönnern und Freunden dieser talentierten Kinder wieder Proben ihrer Fortschritte zu geben. Man kennt das anmutige Geschwistertrio schon von anderen Vorführungen, wie von Einlagen in Theaterstücken, her. Aus dem Spiel der Kinderstube, aus dem Reigen zu dreien, hat sich nach und nach dank der Mithilfe erster Kräfte […] eine Virtuosität kindlicher Anmut, ein selbstverständlicher Ausdruck mimischen und rhythmischen Spiels entwickelt“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 327, 28.6.1914, General-Anzeiger, S. 3]. Tilly Wedekind hat diese Vorstellung mit ihrer Tochter Pamela besucht. u. wollte Dir nur schnell die Telegramme schicken, weil eine Rückantwortmit dem Kürzel „rp“ für ‚réponse payée‘ (frz.) = ‚Rückantwort bezahlt‘ versehenes Telegramm. dabei war. Am selben | Abend, also Samstag, den ersten den ich allein war, schrieb ich Dirvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1914., gestern schrieb ich Dirvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.6.1914., heute schrieb ichden vorliegenden Brief..

Mir klopft das Herz vor Schreck! Wie soll das nur werden?!

Ich gehe jetzt den Brief aufgeben u. telegraphierenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914. Das Telegramm wurde um 23.55 Uhr aufgegeben..

Ich küsse Dich innigst Du geliebter Frank,
Deine treue, dankbare Tilly


Tilly Wedekind schrieb am 29. Juni 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 30.6.1914 aus München:]


[...] gestern [...]. Ich gab 2 gleiche Telegrammedas vorliegende erschlossene Korrespondenzstück und eine weiteres nach Florenz aufgegebenes Telegramm [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914 (Telegramm)]. [...] auf ([...] Florenz u. Paris) [...]

Tilly Wedekind schrieb am 30. Juni 1914 in München
an Frank Wedekind

T. W.


München, MonDienstag Früh, 30.VI.14.


Mein innigst geliebter, theuerster Frank,

ich danke Dir, Geliebter, für Deine liebe Kartedie Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.6.1914].! Sie klingt nicht gereizt u. meine Aufregung war vielleicht, so Gott will, umsonst. Vielleicht hast Du doch meinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.6.1914. erhalten u. haben Dich andere Gründe zur Abreise bestimmt. DasSchreibversehen, statt: Dass. ich ängstlich u. schreckhaft bin, ist aber kein Wunder. |

Nachdem ich gestern stundenlang aufgeregt in den Zimmern herumgelaufen war, geweint u. geschrieben hatte, kam mir der Gedanke wegen des Briefes. Ich fuhr zur Hauptpost gab 2 gleiche Telegrammevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914 (Telegramm) – überliefert ist nur dieses nach Florenz geschickte Telegramm – sowie ein weiteres nicht überliefertes Telegramm; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914. u. den Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914 (Brief). auf (die Telegr. Florenz u. Paris) u. legte mich dann sehr müde zu Bett.

Geliebter, ich will versuchen ruhig u. vernünftig zu sein, zu lesen u. mich zu beschäftigen wie andere normale Menschen auch. Noch ist ja nichts verloren, wenn Du mich nicht fallen lässt.

In treuer, innigster Liebe umarmt Dich u. küsst Dich
Deine Tilly |

[auf Seite 1 am oberen Rand:]

Küsse von den lieben Kindern!

Tilly Wedekind schrieb am 30. Juni 1914 in München
an Frank Wedekind

T. W.


Dienstag abends, 30.VI.14.


Innigst Geliebter,

sehnsüchtig hoffe ich morgen gute Nachrichten von Dir zu bekommen! Wenn Du Mati siehstFrank Wedekinds Schwester Emilie (Mati) Wedekind lebte mit ihrem Mann Eugène Perré in Neuilly-sur-Seine in der Nähe von Paris., grüße sie natürlich herzlichst von mir. Heute war ich mit Anna Pamela im Ungerer Bad. Ich würde ihr gerne das Schwimmen beibringen. Hoffentlich | hält dies herrlich schöne Wetter an.

Die MarkenBriefmarken. auf den nachgeschickten Sachen habe nicht ich geklebt, sondern das wurde auf der Post gemacht. Da ich die Marken-SpracheAnspielung „auf den Brauch [...], Briefmarken in unterschiedlicher Anordnung auf das Kuvert zu kleben, um auf diese Weise eine symbolische Nachricht zu übermitteln.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 251] nicht kenne, klebe ich die Marken lieber gerade darauf. – Den Kindern geht es Gottlob gut, BeideSchreibversehen, statt: beide. sind vergnügt u. schicken Dir viele Küsse. Mittags will die Kleine immer zu Dir. Anna Pamela freut sich sehr auf’s Schwimmen. Lebwohl, geliebter, einziger Frank, denk nicht mit Groll an mich! Deine dankbare Tilly

Frank Wedekind schrieb am 30. Juni 1914 in Florenz folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly! Ich telegraphiertevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914 (Telegramm). nur deshalb gestern schon weil es unsicher ist, sich die Post von hier aus nachschicken zu lassen. Voraussichtlich fahre ich morgen, MittwochWedekind reiste dem Tagebuch zufolge am 1.7.1914 (Mittwoch) aus Florenz ab („fahre [...] bis Mailand [...] Abfahrt nach Paris Schlaflose Nacht“) und traf am 2.7.1914 (Donnerstag) in Paris ein („Ankunft in Paris“). Mittag und bin dann Donnerstag Nachmittag in Paris. Hier ist es zehn Mal langweiliger als in München, etwas zu arbeiten ist unmöglich. Ich muß Dir Postkarten schreiben, weil es weder im Hotel noch auf der Hauptpost Schreibzeug giebt. Deshalb kann ich auch das Geschäftliche, Mietzins e.ct. kaum erledigen. Herzlichen Dank | für Dein Telegrammvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914 (Telegramm). Küsse die Kinder von mir. In Paris hoffe ich etwas arbeiten zu können.

Mit innigstem Kuß in Liebe
Dein Frank


Dienstag früh 30.6.14

Übrigens erhielt ich außer den Nachsendungen bis jetzt nur einen Kartenbriefeine Briefkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.6.1914]. von Dir.


CARTOLINA POSTALE ITALIANA
(CARTE POSTALE D’ITALIE)

Germania


Al Signora
Tilly Wedekind
Prinzregentenstrasse 50
München
Monaco

Tilly Wedekind schrieb am 1. Juli 1914 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

TÉLÉGRAMME
RÉPUBLIQUE FRANÇAISE. POSTES ET TÉLÉGRAPHES.


[...] = RP 10 = FRANK WEDEKIND PARIS
GRAND HOTEL PRES L’OPERApres l’Opéra (frz.) = an der Oper. =

[...] |


[...]

MUENCHEN [...]

GELIEBTER BIS, JETZT NUR KARTEdie Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.6.1914]. UND TELEGRAMMvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914 (Telegramm). ERHALTEN, HABE DIR 5 BRIEFESeit Wedekinds Abreise nach Florenz hat seine Frau ihm täglich geschrieben. GESCHRIEBEN ICH BITTE DICH UM EIN WORT! IN LIEBE = DEINE TILLY.

Frank Wedekind schrieb am 1. Juli 1914 in Florenz folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Florenz, Mittwoch 1. Juli 1914.


Meine geliebte Tilly!

Herzlichsten Dank für Deinen lieben Brief vom 28.vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.6.1914. Er ist mir eine große Freude, nicht etwa weil Du schreibst, daß Du ohne mich nichts bist. Erstens ist das nicht wahr, wie Du sehr wohl weißt, gottlob! Und zweitens hätte ich Dich nicht geheiratet wenn es so wäre. Er/D/er Brief ist mir eine Freude weil ich aus jedem Wort sehe, daß etwas in Dir vorgeht, daß Du über etwas nachdenkst, daß Du nicht stillstehst und einschläfst, auf einmal wieder nicht weißt, wo Du Dich befindest | und ich genötigt bin, den Polizisten zu spielen den Schulmeister, den ekelhaften Kerl, der in den Augen der Umgebung lächerlich wird. Ich verlange nicht mehr von Dir als jeder anständige Mensch in meiner Stellung von dir verlangt und was ich von jeder andern Frau verlangen müßte. Dazu bin ich leider angestellt, damit Du das bei mir lernst, was Du brauchst wenn Du Deine Stellung nicht verlieren willst, wenn ich nicht mehr da bin.

Was meine persönlichen Ansprüche sind, was eine andere Frau mir nicht geben würde und was ich nicht fordern kann, das ist Dein Tanz, dein Theaterspielen | und vieles andere. Wenn Du also jetzt wirklich an mich denkst und weißt nicht was Du thun sollst, dann über Deinen CzardasCzárdás (Csárdás), ungarischer Volkstanz. Wedekind schrieb 1914 ein Lied „Scardas“ [KSA 1/III, S. 210; vgl. KSA 1/IV, S. 1046-1048]. oder laß Dir Bolerospanischer „Solotanz in gemäßigtem Tempo, bei dem sich der Tänzer selbst mit Gesang und Kastagnetten oder Tamburin begleitet“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 251]. oder Tarantella„neapolitanischer Tanz in schnellem, sich ekstatisch steigerndem Tempo, der – begleitet von Gesang, Tamburin und Kastagnetten – meist von Frauen allein getanzt wird“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 251]. Wedekind bezeichnet im vorliegenden Brief sein Lied „Das ist einfach wundervoll“ [KSA 1/III, S. 258], das zu seinen seit 1910 entstehenden Tanzliedern gehört [vgl. KSA 1/III, S. 521-524], als Tarantella; ihn faszinieren „temporeiche, rhythmisch akzentuierte, bewegungs- und körperbetonte Tänze“ [KSA 1/III, S. 521]. (Das ist einfach wundervoll...) einstudieren.

Mein Zug geht in zwei StundenWedekind notierte am 1.7.1914: „Mittags auf dem Bahnhof“ [Tb]; er fuhr von Florenz über Mailand nach Paris.. Unterwegs werde ich Dir voraussichtlich nicht schreiben. Morgen denke ich in Paris zu sein.

Gestern AbendWedekind notierte am 30.6.1914: „Am Abend bei Will Vesper Piazza Bello Squardo 2. mit ihm und seinen beiden Frauen. Nachher mit ihm bei Mucke.“ [Tb] Wedekind war bei dem Schriftsteller Will Vesper und dessen Frau, der Buchillustratorin Käte Waentig, die 1913/14 ein Jahr in Florenz (Piazza di Bellosguardo 2) lebten, zu Gast (mit dabei Margarete Demmering, die erste Ehefrau des Komponisten Hermann Zilcher) und besuchte anschließend mit Will Vesper die Birreria Mucke (Inhaber: Bruno Mucke) in Florenz (Via Lamberti 5). war ich bei Wil Vesper auf seiner Villa zum Abendessen. Er wohnt wundervoll. Ich glaube aber nicht, daß wir es auf die Dauer in solcher Weltabgeschiedenheit aushalten würden. Nachher begleitete er mich | in die Stadt wo wir noch bis 1 Uhr zusammensaßen.

Grüße und küsse die Kinder von mir Wil Vesper hat Kinder im gleichen AlterWill Vesper hatte mit seiner ersten Frau Käthe Waentig einen Sohn, Albrecht (geboren 1909), und drei Töchter: Ulrike (geboren 1907), Renate (geboren 1911) und Marlene (geboren 1913)., so oft ich mit ihnen sprach dachte ich an Anna Pamela und Fanny Kadidja

Und nun leb wohl geliebte Tilly. Laß es Dir an nichts fehlen, ich freue mich, wenn Du unter Menschen gehst.

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 1. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mittwoch abends, 1.VII.14.


Innigst geliebter, theuerster Frank,

Gott sei Dank habe ich eben Deine Karte von gesterneine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.6.1914]., Dienstag, erhalten. Ich war schon in großer Aufregung u. telegraphiertevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 1.7.1914 – das Telegramm ist mit dem Kürzel „RP“ für ‚réponse payée‘ (frz.) = ‚Rückantwort bezahlt‘ versehen. heute mit Rückantwort nach Paris. Nun wirst Du ja morgen alles vorfinden. Ich schrieb Dir 5 Briefe darunter 3 KartenbriefeBriefkarten. u. 2 andere. Einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.6.1914., den ich Sonntag abends schrieb, schickte ich Montag Früh nach Florenz. Den hast Du ja wohl auch noch heute vor Deiner Abreise erhalten. Ich war die ganzen Tage gedrückt u. in fortwährender Spannung. | Des Morgens lief ich aus dem Bett gleich nachsehen, ob etwas für mich gekommen ist. Unterwegs telephonierte ich nach Hause, ob etwas da sei. Nun Gott sei Dank, jetzt kann ich das erste Mal wieder frei aufathmen! Wenn nur nichts zwischen uns liegt, Geliebter, Einziger, dann will ich ja glücklich u. zufrieden sein!

Ja, ich war trotzdem mit den Kindern spazieren, ich sah auch Frl. Marion die sich von mir verabschiedete u. Sybil Vane, die auf der Durchreise hier war, aber es kam mir alles wie im Traum vor. Ich dachte dabei immer nur, wie es mit uns werden | soll! Nein, es giebt Nichts u. Niemanden auf der Welt für den ich alle diese Empfindungen aufbringen könnte! Da bin ich wirklich nicht theilnamslosSchreibversehen, statt: teilnahmslos. u. apathisch! Wenn ich für andere Dinge nur den 100. Theil dieses Interesses aufbringen könnte, dann könntest Du mit mir zufrieden sein Geliebter!

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Du in Paris alles findest was Du brauchst, u. Dich dort wohler fühlst als in Florenz! Frau Eysold telephonierte mich heute an u. bat mich, mit ihr morgen in den „Sturm“ zu gehenzu der Eröffnungsveranstaltung zum Auftakt des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses am 2.7.1914 im Münchner Künstlertheater, bei der Shakespeares Schauspiel „Der Sturm“ gezeigt wurde; angezeigt war: „Die Eröffnungs-Festvorstellung für geladene Gäste heute Donnerstag, 2. Juli, beginnt ausnahmsweise schon um 7 Uhr. Die Aufführung von ‚Sturm‘ am Freitag, 3. Juli, sowie alle späteren Aufführungen beginnen regelmäßig erst um 8 Uhr.“ [Münchner Künstler-Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 335, 3.7.1914, Vorabendblatt, S. 2]. Ich sagte ihr, ich erwartete eine Nachricht, | bevor ich die nicht hätte, wäre es mir unmöglich etwas abzumachen. Sie begriff das vollkommen u. war sehr lieb u. herzlich. Ich glaube, Du wirst nichts dagegen haben, wenn ich mit ihr gehe. Sie wollte dann Nachmittags zu mir zum Thee kommen, ich schreibe ihr vielleicht paar Zeilen, ob sie nicht Mittags bei mir essen will. Sie ist nämlich heute schon in München, wohnt bei der AugsburgGertrud Eysoldt wohnte während ihres Aufenthalts in München bei Dr. jur. Anita Augspurg (Kaulbachstraße 12, Gartenhaus, 1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 19], wo sich auch das Büro des Bayerischen Landesverbandes und der Münchner Ortsgruppe für Frauenstimmrecht befand [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil II, S. 320].. Ich freue mich jetzt wirklich, sie zu sehen u. werde mich sehr um sie bemühen.

Wenn ich irgend etwas für Dich besorgen kann, schreib’ es mir bitte! Übrigens das Gedicht von Heine mit den „Pilastern“Pilaster = in der Architektur ein flach aus der Wand hervortretendes pfeilerartiges Formelement, hier: Busen; in Heinrich Heines Gedicht „Der weiße Elephant“ aus den „Historien“ im „Romanzero“ (1851) heißt es: „Wie sich die Gliedermassen wölben / Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben / Anmuthig und stolz zwei hohe Pilaster / Von blendend weißem Alabaster.“ [Heinrich Heine: Romanzero. Hamburg 1851, S. 12] ist „der weiße Elephant“ das meinte ich neulich.

Lass’ Dich tausendmal innigst küssen Du mein geliebter, einziger Frank,! Deine dankbare Tilly.


[auf Seite 1 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

BusserlnKüsse. von Fanny Kadidja u. Anna Pamela die Dir auch schreibt.Hinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 1.7.1914.

Tilly Wedekind schrieb am 2. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstag, 2.VISchreibversehen, statt: VII..14.
nach dem Theaternach der Eröffnungsveranstaltung zum Auftakt des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses am 2.7.1914 im Münchner Künstlertheater, bei der Shakespeares Schauspiel „Der Sturm“ gezeigt wurde..


Mein einziger, mein geliebter Frank,

leider kann ich den Brief erst morgen Früh aufgeben, denn es ist schon spät. Aber ich will doch nicht zu Bett gehen, ohne Dir zu schreiben. Morgen sind es acht Tage, dass Du wegfuhrst; vielleicht bekomme ich morgen einen Brief! Wenn Du wüsstest wie ich mich danach sehne! Ich hoffe, dass es Dir recht gut geht, u. Du auch ein kleines Bischen so an mich denkst, wie ich an Dich. |

Die Kinder sind Gottlob wohl u. vergnügt u. schicken Dir viele BusserlnKüsse.. Anna Pamela macht das Schwimmen viel Freude! Die Kleine wünschte sich eine Fahne, weil andere Kinder auch welche hatten u. fragte mich täglich 2 – 3 mal, ob ich sie schon habe!

Frau Eysold konnte leider Mittags nicht kommen, weil sie mit dem Kleinenmit dem vierjährigen Peter Eysoldt, dem Sohn von Gertrud Eysoldt (seit dem 20.12.1899 von Max Martersteig geschieden) und dem Maler Benno Berneis (Heirat am 16.11.1915 in Berlin), der in München wohnte (Nymphenburgerstraße 78) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 49]. Einiges besorgen wollte. Wir trafen uns im Theater. Ich bemühte mich krampfhaft ihr in Allem zu folgen was sie sprach. Ich sagte wohl einige Dutzend Male hintereinander: ja, ja,. Ich war so mit ihr be|schäftigt, dass ich kaum jemand andern sah oder grüßen konnte, obwohl viele Bekannte da waren. Ich fürchte, ich hab’ vielleicht auch jemand beleidigt. – Wie kommt es nur, dass mir alles so schwer wird! Wie hat die Frau über alles nachgedacht, sich mit allem beschäftigt! Nur als wir von den Kindern sprachen, verstand ich sie vollkommen u. fühlte ich mich ihr nah.

Durch Infolge eines furchtbares/n/ Gewitters musste die Vorstellung unterbrochen werden, u. dauerte daher viel länger als ich dachte. Es fing schon um 7 Uhrum 19 Uhr, wie angekündigt war: „Die Eröffnungs-Festvorstellung für geladene Gäste heute Donnerstag, 2. Juli, beginnt ausnahmsweise schon um 7 Uhr. Die Aufführung von ‚Sturm‘ am Freitag, 3. Juli, sowie alle späteren Aufführungen beginnen regelmäßig erst um 8 Uhr.“ [Münchner Künstler-Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 335, 3.7.1914, Vorabendblatt, S. 2] an u. sollte um ½ 10um 21.30 Uhr. ungefähr aus sein, so wurde es 1123 Uhr.. Frau Eysold | brachte mich im Auto bis vor’s Haus. Sie wird mir schreiben oder telephonieren, dann besuche ich sie mit den Kindern in Gräfelfingetwa 16 Kilometer von München gelegener Vorort, wo es eine Villenkolonie gab..

Wenn ich nur wüsste, geliebter Frank, wie Du über alles denkst was uns betrifft! Was hätte ich alles zu lernen u. nachzuhohlenSchreibversehen, statt: nachzuholen. um nur einiger Maaßen den Platz auszufüllen an dem ich stehe. Es ist so viel, dass ich gar nicht den Mut habe anzufangen. Der Unterschied zwischen mir u. andern dummen Gänsen ist nur der, dass ich es weiß, dass ich eine bin.

Ich werde mich aber noch in Deinen Augen sehr herabsetzen.

Sei tausendmal innigst geküsst
von Deiner
Tilly


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Übrigens war das heute glaub ich ein ziemlicher Durchfalldie Aufführung von Shakespeares „Sturm“ durch das Schauspielhaus Düsseldorf am Münchner Künstlertheater (siehe oben)..

Tilly Wedekind schrieb am 3. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Freitag, 3. Juli 1914.


Mein innigst geliebter Frank,

herzlichsten, innigsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.7.1914.! Er hat mich so froh u. glücklich gemacht. Heute war eigentlich der erste wirklich schöne Tag seit Du fort bist. Vormittag habe ich eine Stunde lang getanzt, bis jetzt war mir das nämlich nicht möglich. Aber jetzt will ich fleißig sein. Die Tochter von Prof. Hubernicht identifiziert; ihr Vater Karl Huber war „Tanzlehrer“ [Adreßbuch für München 1914, Teil II, S. 569] in München (Schrammerstraße 2) und betrieb dort (Residenzstraße 19) seit Jahren unter wechselnden Adressen [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1900, Teil I, S. 250] ein „Tanzlokal“ [Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 292], das war der Tanzsaal einer Tanzschule. Wedekind hatte am 19.6.1914 notiert: „Besuch bei Tanzlehrer Huber“ [Tb], am 20.6.1914: „Tilly erhält Tanzunterricht durch Professor Huber“ [Tb]; er notierte am 23.10.1915 in der Torggelstube in geselliger Runde dabei ein „Frl. Huber“ [Tb], vielleicht die Tochter des Tanzlehrers. war nämlich schon da u. fragte was mit den Stunden ist. Ich sagte ihr ich sei nicht wohl u. würde schreiben. | Heute schrieb ich eine Kartenicht überliefert. u. sie telephonierte gerade früher an, dass sie morgen mit ihrem Vater um 11 Uhr kommen werde. Ich freue mich, dass die Tochter kommt, sie ist ein sehr symphatischesSchreibversehen, statt: sympathisches. u. sehr hübsches Mädchen. Wie kommen die Eltern zu dem Kind?!

Mir ist es lieber am Vormittag, weil Nachmittag Anna Pamela keine Schule hat u. wir dann bei schönem Wetter schwimmen gehen. Sie macht wirklich schon ein Bischen Fortschritte, ich glaube sie lernt es bald. Heute schwammen wir in der WürmUngerer’s Würmbad (Am Kanal 1), eine auch Ungererbad genannte private Badeanstalt (Inhaber: August Ungerer) [vgl. Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 581], war an der Würm gelegen (am sogenannten Würmkanal), an dem durch München fließenden Fluß., weil das Bassin frisch eingelassen wurde. Ich hielt sie gar nicht | sehr fest am Gürtel u. sie machte die TempoSchreibversehen, statt: Tempi. sehr schön. Auch haben wir uns gut unterhalten zusammen u. gelacht. Seit Du fort bist, war ich nämlich sehr schweigsam u. einsilbig. Sie machte einen guten Witz. Ich sagte, ich hätte der Badefrau kein Trinkgeld gegeben. Sie sagte: „Ja Trinkgeld, dass sie da’saufen.“ Sie meinte, dass sie sich besäuft. Übrigens ist sie, glaub ich nach Dir, am anregenstenSchreibversehen, statt: anregendsten. für mich. Man kann sich wirklich gut mit ihr unterhalten.

Die Kleine vergisst immer wieder, dass Du fort bist. Immer will sie in Dein Zimmer u. als ich ihnen Gutenacht | sagte u. sagte ich geh’ jetzt essen, sagte sie „und der Papi?“

Wer ist Will Versper? Ist das sehr ungebildet, dass ich das nicht weiß?

Wie hat Dir Florenz eigentlich sonst gefallen?

Als wir aus dem Bad giengenSchreibversehen, statt: gingen., kam gerade Dr. Martens. Ich sagte ihm, dass Du in Paris bist, er lässt Dich grüßen. Jetzt werde ich recht fleißig tanzen, weil ich weiß, dass es Dir Freude macht.

Viele BusserlnKüsse. von den Kindern, tausend Küsse in treuer Liebe,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 3. Juli 1914 in Paris folgenden Brief
an Tilly Wedekind

GRAND HÔTEL
12. Boulevard des Capucines
Paris


Adresse Télégraphique
GRANOTEL-PARIS
Téléph Central 35 48
35 49 – 35 50


Le 3. Juli 1914Wedekind notierte am 3.7.1914: „Brief an Tilly“ [Tb]..


Meine geliebte Tilly!

Herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.6.1914.. Ich bin mir immer noch sehr unklar. Am Fest zu meinem 50. Geburtstag in vollster Öffentlichkeit die ärgste BeleidigungNach den Reden auf dem Bankett am 24.6.1914 zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München wurde das Couplet „Ich bin Menelaus der Gute“ [vgl. https://portal.dnb.de/audioplayer/do/show/1104280507] (Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy, deutsche Übersetzung von Camillo Walzel und Julius Hopp) aus Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ („La Belle Hélène“, 1864) gespielt, nach Wedekinds Tischrede, wie Erich Mühsam, einer der Gäste, sich erinnerte: „als Wedekind schloß, da lag doch eine nachdenkliche Ergriffenheit über der Gesellschaft und hätte vielleicht dem ganzen Abend den Charakter gegeben, wäre nicht eine bizarre Überraschung eingetreten, so jäh [...] und so komisch, daß der feierliche Ernst der Festteilnehmer urplötzlich in gewaltiges Gelächter umschlug. Als der Dichter [...] wieder Platz nahm, setzte das Orchester ein, und mitten in die Stimmung getragener Festlichkeit [...] spritzte das Offenbachsche Couplet: ‚Ich bin Menelaos der Gute – laus der Gute, laus der Gute...‘“ [Mühsam 2003, S. 180] Wedekind fasste es „als Anspielung auf Tillys angebliche Untreue auf und fühlte sich als betrogener Ehemann vor der Festgesellschaft verhöhnt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249]. Das Lied war „jedermann geläufig“, erinnerte sich Tilly Wedekind, und meinte: „Irgend jemand muß das arrangiert haben, jemand, dem bekannt war, daß Frank fürchtete, als alternder Ehemann einer jungen Frau lächerlich zu wirken.“ [Wedekind 1969, S. 162] Wedekind notierte am 24.6.1914: „50 Geburtstagsbankett Ich bin der König Menelaus der Gute“ [Tb]. die einem Mann gesagt werden kann. Aber ich werde nicht mehr schimpfen. Ich habe in München viel zu viel geschimpft. Ich sehe keinerlei Verpflichtung ein so ekelhafter Mensch zu werden wie man es durch solche Erlebnisse werden muß. Ich habe heute übrigens die feste Überzeugung daß „Der König Menelaus der Gute“ ebenso Gerhäusers Regiekunst war wie die Paul Eger AngelegenheitAnspielung auf den Abend am 16.4.1914 mit Emil Gerhäuser im Stuttgarter Ratskeller: „Mit Tilly im RK. Gerhäuser kommt [...] und fragt mich nach Paul Eger“ [Tb]; als „Provokation“ fasste Wedekind diese Frage „in Anwesenheit Tillys auf deren ersten Liebhaber Paul Eger“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] auf. in Stuttgart und die AbsageWedekinds von der Zensur verbotenes Stück „Schloß Wetterstein“ sollte durch den Neuen Verein im Rahmen der Feier am 24.6.1914 zu seinem 50. Geburtstag uraufgeführt werden [vgl. KSA 7/II, S. 948], woraus nichts wurde: „Das Festbankett, das gestern abend im Hotel Bayerischer Hof Frank Wedekind zu Ehren veranstaltet wurde, sollte ursprünglich in Verbindung mit einer Aufführung von ‚Schloß Wetterstein‘ stehen. Durch die späte Absage einer Künstlerin ließ sich leider die Aufführung nicht ermöglichen.“ [Vorfeier von Wedekinds 50. Geburtstag. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 321, 26.6.1914, Vorabendblatt, S. 3] Diese Künstlerin war „Frau Ottilie Gerhäuser“, die „wegen persönlicher Verhinderung ihre Zusage, in der Aufführung von ‚Schloß Wetterstein‘ [...] mitzuwirken, zurückgezogen“ habe. „Da ein Ersatz für die wichtige Rolle der Leonore bei der Kürze der Zeit [...] nicht möglich ist, sieht sich der Neue Verein zu seinem Bedauern, jedoch im vollsten Einverständnis mit dem Dichter und sämtlichen Mitwirkenden, gezwungen, [...] von der Aufführung abzusehen. Das Wedekind-Bankett wird hiervon in keiner Weise berührt.“ [Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 312, 21.6.1914, Vorabendblatt, S. 3] seiner Frau in Schloß Wetterstein – alles die natürliche Rache dafür, daß du seine Frau in der ReginabarFrank und Tilly Wedekind waren am 22.8.1913 mit Emil und Ottilie Gerhäuser in der Regina-Bar im Regina-Palast-Hotel (Maximilianplatz 5) in München: „Mit Gerhäuser und Frau soupieren wir in der Reginabar“ [Tb]; dort „hatte Tilly sich zu einer Anspielung auf die eheliche Untreue von Emil Gerhäuser hinreißen lassen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] in München gegen ihn aufgehezt aufgehetzt hast indem Du seine Eheliche | Treue ge verdächtigtest. Sie weiß ja woran sie ist, geht aber nicht in Gesellschaft um damit geärgert zu werden.

Ich lege hier einen Check über M. 675,– bei und bitte Dich ihn bei Schrödersbei der Vermieterin Amalie Schröder – ihr Gatte Wilhelm Schröder ist am 4.3.1913 verstorben; Eigentümer der Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 waren seine „Erben“ [Adreßbuch für München 1914, Teil II, S. 499]. gegen Quittung abzugeben.

Bei meiner Ankunft gestern Abend fand ich Deine Briefe hier vor. Weil ich aber selber absolut die Sachlage nicht kenne kann ich wenig darauf antworten. Ich sehe auch noch nicht ein wie ich mir/t/ jemandem über die Geschichte sprechen w/s/olle/t/n/e/. Dich würde ich bitteSchreibversehen, statt: bitten. nicht etwa mit Deinen Freundinnen darüber zu sprechen sondern höchstens mit Bertlmit dem Schwager Dagobert Newes, Tilly Wedekinds Bruder..

Die Fahrt von Florenz hierher war trotz der großen Hitze ganz erträglich. Auf dem Bahnhof in Florenz traf ich Carl VollmöllerWedekind notierte am 1.7.1914 in Florenz die Begegnung mit dem Schriftsteller Karl Gustav Vollmoeller: „Mittags auf dem Bahnhof treffe ich Carl Volmöller fahre mit ihm bis Mailand.“ [Tb] der nach Mailand fuhr. Heute ist er gleichfalls hier im Grand Hotel und fährt morgen nach London, wo seine FrauMaria Carmi, Schauspielerin und Tänzerin, seit 1904 in erster Ehe mit Karl Gustav Vollmoeller verheiratet. in einer Panto|mimedas Ballett „Josephs Legende. Handlung in einem Aufzuge“ (Text: Harry Graf Kessler und Hugo von Hofmannsthal) mit Musik von Richard Strauss, das nach der Uraufführung am 14.5.1914 in Paris am Theatre Royal Drury Lane in London zu sehen war. von Richard Strauß auftritt

Eben versuchte ich Mati anzurufenWedekind notierte am 3.7.1914 in Paris: „Telephoniere mit Mati, fahre zu ihr hinaus“ [Tb]; seine Schwester Emilie (Mati) Wedekind, seit 1910 mit Eugène Perré verheiratet, wohnte mit ihrem Mann in Neuilly-sur-Seine in der Nähe von Paris. bekam aber keine Verbindung Jetzt fahre ich vielleicht per Auto zuSchreibversehen, statt: zu ihr. hinaus.

Sonst weiß ich Dir nichts zu schreiben. Mit herzlichsten Grüßen
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 4. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstag, 4. Juli 1914.


Mein geliebter Frank,

bald eine Stunde sitze ich vor dem Schreibtisch. Was soll ich Dir schreiben ohne Gefahr zu laufen missverstanden zu werden? Ich habe Dir alle meine Empfindungen enthüllt, Dir gezeigt was Du mir bist, ich habe in äusserster Verzweiflung alles hingeschrieben was mich quälte u. Du schreibst:Es folgt ein Briefzitat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.7.1914]. „Sonst weiß ich Dir nichts zu schreiben. Mit herzlichsten Grüßen.“ Wodurch habe ich Dich wieder gereizt? Dieser Brief klingt so ganz anders, als der aus Florenz.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.7.1914. Du sagtest in Zensur:Es folgt frei zitiert ein Zitat aus der 1. Szene des Einakters „Die Zensur“ (1908), Figurenrede des Literaten Walter Buridan (in den gemeinsamen Auftritten mit seiner Frau oft von Wedekind gespielt): „Ich habe nicht zwanzig Jahre um meine persönliche Freiheit gekämpft, um mein Dasein in Angst und Entsetzen zu verbringen!“ [KSA 6, S. 215] „Ich habe keine Lust mein Leben in Angst u. Entsetzen zu verbringen.“ Ich glaube | nicht, dass Du mehr Angst u. Entsetzen erlebst wie ich. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe immer mein Bestes getan, mehr kann man nicht. Wenn es trotzdem Deiner Meinung nach nicht immer das Richtige war, woher sollte ich Dich so gut kennen, woher sollte ich wissen was in d Deinen Augen das Richtige ist?!

Ich glaube Dir, dass Du nicht mehr verlangst als jeder andere auch. Ich glaube ja aber auch nicht, dass es mir in einem andern Fall besser gegangen wäre, im Gegentheil! Dass die Hauptursache an allen Fehlern die ich machte meine Verschlafenheit ist, weiß ich; ich habe schon genug Tränen vergossen über diese unselige Eigenschaft. | Du schreibstEs folgt recht frei zitiert ein Briefzitat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.7.1914]. „Du bist Dir noch sehr unklar, u. kennst die Sachlage nicht.“ Ich weiß nicht genau was Du damit meinst. Dagegen willst Du mit niemanden darüber sprechen. Wie sollst Du dann aber klar werden? Deine Annahme, dass Gerhäuser sich auf diese Weise rächen will, ist ja wohl möglich. Ich habe mich damals in der ReginabarFrank und Tilly Wedekind waren am 22.8.1913 mit Emil und Ottilie Gerhäuser in der Regina-Bar im Regina-Palast-Hotel (Maximilianplatz 5) in München: „Mit Gerhäuser und Frau soupieren wir in der Reginabar“ [Tb]; dort „hatte Tilly sich zu einer Anspielung auf die eheliche Untreue von Emil Gerhäuser hinreißen lassen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] anders ausgedrückt als ich wollte, es hat mir nachher sehr leid getan. Aber sollte Gerhäusers Wut genügen uns auseinander zu bringen, nachdem wir mehr als 8 Jahre soviel für einander aufgeboten haben? Was nützt es dann, wenn man sich bemüht immer das Rechte zu tun, dann ist man ja vor nichts sicher, Dann liegt ja unser Wohl u. Wehe nicht in unsrer Hand! |

Ich müsste meine Briefe abschreiben, denn so quäle ich mich nachher immer, denke immer nach was ich wohl alles geschrieben haben könnte, dassSchreibversehen, statt: das. Dir missfallen hat.

Gestern war ich glücklich, da hatte ich Deinen lieben Brief vom 1. Juli aus Florenz.

Heute ist wieder alles vorbei!

Nein ich spreche mit Niemandem darüber. Wenn ich früher oft von Dir zu andern sprach, so habe ich mich immerUmstellung, aus: immer mich (durch die Ziffern „2“ bei „immer“ und „1“ bei „mich“ markiert). dabei angeklagt; ich habe mich oft herabgesetzt in den Augen anderer!

Jetzt habe ich nur Sehnsucht nach Dir. Was nützt es mir, wenn ich wirklich mit Bertl darüber sprechen würde, er wird mich nicht verstehen, was soll er mir sagen? Es kommt doch nur darauf an was wir uns zu sagen haben. Wenn | wir uns nicht verständigen können über das, was wir gemeinsam erleben, was kann da ein Dritter raten oder hef/l/fen? Wie soll man einem Dritten überhaupt die Situation klar machen? Damit er nicht etwas falsch sieht! Und wer sagt, dass ich es richtig sehe. Wer sagt, dass Du es richtig siehst? Du könntest ja auch mit Mati darüber sprechen. Aber wird sie uns helfen können?

Frank, Geliebter, wenn Du nicht willst, dass ich es Dir schreibe, wie elend mir ist, dann werde ich es nicht mehr tun. Ich will Dir nicht die Stimmung verderben. Vielleicht ist es Dir wohler, wenn Du nichts mehr von mir hörst. Ich brauche Dir ja nur von den Kindern zu schreiben. Wie oft missversteht | man sich wenn man miteinander spricht, da kann ein Wort den Irrtum klar machen, aber mit Briefen ist es so schwer!

Wenn mir etwas leid tut, dann ist es das, dass ich, als ich in die Spree sprang„Nach einem nächtlichen Streit mit Frank am 16.2.1906 sprang Tilly [...] in die Spree. Der Vorfall [...] war der äußere Anlass für die Eheschließung am 1.5.1906“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 255] in Berlin. nicht ertrunken bin! Dann wäre alles vorbei. Wer weiß was man noch vor sich hat, bis man wieder so weit ist!

Und soviel hätte ich Dir noch zu sagen! So vieles, was Dir meine Liebe beweisen soll! Aber wie kann ich wissen, wie Du es auffasst. Jedes Mal frage ich mich, soll ich den Brief nicht lieber zerreissen?!

Diese Tage sind schrecklich. Mann soll sich um alles Mögliche bekümmern, | u. es ist mir alles so gleichgültig, wenn Du mir nicht gut bist!

Ich lasse eben alles gehen, wie es geht. Morgen wird auch vorbei gehen, u. übermorgen auch. Ich habe keine Lust irgend etwas zu wollen. Ich will auch nicht zu meinen Eltern. Anna Pamela soll zur Schule gehen, bis die Schule schließt. Ich werde tanzen, weil Du es willst. Meine Stimmung ist natürlich nicht danach. Die Kleine sollte geimpft werden. Sie ist nun bald 3 Jahre, jetzt wäre die Jahreszeit günstig, das Kind ist wohl. Dann kommt August, wo wir spielen sollenAnspielung auf den anstehenden Wedekind-Zyklus an den Münchner Kammerspielen, der am 25.7.1914 begann und am 1.8.1914 wegen des Beginns des Ersten Weltkriegs abgebrochen wurde., ob wir es tun werden weiß ich ja nicht. Dann kommt der Herbst, vielleicht schlechtes Wetter, Erkältungen. Ich habe bei Hofrat Krecke bei dem Hofrat und Chirurgen Dr. Albert Krecke [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 363], der in München (Hubertusstraße 30) seit 1914 eine „Chirurgische Heilanstalt“ [Adreßbuch für München 1915, Teil III, S. 37] betrieb.angefragt, aber | er impft überhaupt nicht. Er sagt, das machen jetzt nur Kinderärzte. Soll ich mich nach einem erkundigen? Oder soll ich bei Hauschildbei dem praktischen Arzt Dr. Johannes Hauschildt (Nikolaistraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 248]. anfragen? Sag’ mir bitte wie ich es machen soll. Sonst lasse ich es jetzt. Einmal wird sie ja wohl geimpft werden müssen.

Den Check gab ich bei Schröderbei der Vermieterin Amalie Schröder – ihr Gatte Wilhelm Schröder ist am 4.3.1913 verstorben; Eigentümer der Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 waren seine „Erben“ [Adreßbuch für München 1914, Teil II, S. 499]. ab u. habe auch die Quittung. Soll ich sie Dir eingeschrieben schicken, oder soll ich sie aufheben? Das „Forum“ schickt 50 M.Hinweis auf einen nicht überlieferten Begleitbrief; erschlossenes Korrespondenzstück: Wilhelm Herzog an Wedekind, 3.7.1914. für Deinen BeitragWedekinds Essay „Schriftsteller Ibsen und ‚Baumeister Solneß‘“ [KSA 5/II, S. 176-188], zuerst 1895 unter dem Titel „Schriftsteller Ibsen (‚Baumeister Solness‘)“ [KSA 5/II, S. 131-144] veröffentlicht, dann überarbeitet 1902 und 1906 gedruckt [vgl. KSA 5/III, S. 754-758], erschien im vierten Heft von Wilhelm Herzogs neuer Zeitschrift „Das Forum“ [vgl. Frank Wedekind: Schriftsteller Ibsen und „Baumeister Solneß“. Ein kritischer Essay. In: Das Forum, Jg. 1, Heft 4, Juli 1914, S. 201-218], deren erstes Heft im April 1914 im Forum-Verlag in München herauskam. in Heft 4 über „Baumeister Solneß“. Soll ich sie schicken?

Ich hoffe von Herzen, dass es Dir gut geht, wenn ich etwas dazu beitragen kann, sag’ es mir bitte!

Viele BusserlnKüsse. von den Kindern.

Innigst küsst Dich, Deine traurige Tilly


Deine Karte von Montageine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.6.1914]. habe ich erst heute erhalten nachdem ich die von Dienstageine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.6.1914]. u. den Brief vom 1.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.7.1914. schon hatte. |


T. W.


P. S. Wie ist die Situation eigentlich? Welche Sachlage kennst Du nicht? Man hat dieses Lied gespieltdas Couplet „Ich bin Menelaus der Gute“ aus Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ nach den Reden auf dem Bankett am 24.6.1914 zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.7.1914].. Kann das nicht ein Zufall sein? Und wenn es Gerhäusers Rache ist, so weisst Du ja, dass er sich rächt weil ich seine Frau gegen ihn aufhetzte, wie Du sagst. Ich denke nach u. denke nach! In Berlin | fragte ein Zuschauern den andern, Deine wievielte Frau ich wohl sei. Müsste ich darüber nicht auch ausser mir sein? Und wer weiß, was sie sonst noch alles reden. Aber was kann man dagegen machen! Ich habe keine Veranlassung gegeben!

Kann nur mein Tod Dir beweisen dass Du mir Alles bist?

Um 6 Uhr18 Uhr. fing ich an Dir zu schreiben, jetzt ist es ½ 1122.30 Uhr.. Gute Nacht! Innigst,
Tilly |


T. W.


II. Noch etwas. Sollten nicht Cassirer u. Durieux in die Sache verwickelt sein? Die Durieux war in Stuttgart. Sie erzählte Gerhäuser von den UnannehmlichkeitenWährend der Proben zur Uraufführung des „Simson“ (24.1.1914) im Lessingtheater in Berlin gab es eine von Wedekind wahrgenommene Verstimmung von Tilla Durieux (und ihres Gatten Paul Cassirer) ihm gegenüber [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914]; sie spielte die weibliche Hauptrolle der Delila. Wedekind, der kurzfristig die Rolle des Og von Basan übernehmen sollte, reiste wegen Differenzen mit Victor Barnowsky, dem Direktor des Lessingtheaters, am 21.1.1914 – drei Tage vor der Uraufführung – schließlich aus Berlin ab. bei den „Simson“ Proben. Er erzählte ihr vielleicht von dem unerquicklichen Abendder Abend am 22.8.1913 in der Regina-Bar in München (siehe oben). in der Reginabah/r/. Sie kamen überein, dasSchreibversehen, statt: dass. ich aus dem Weg geschafft werden müsse. Dann steht nichts im Weg, dass sie mit Dir in Deinen Stücken | spielt. Und Frau Gerhäuser glaubt auch nicht mehr an das, was ich l/e/igentlich nicht gesagt habe, wenn ich erledigt bin. Reinhardt sagte von der DurieuxTilla Durieux war von 1903 bis 1911 in Berlin als Schauspielerin an Bühnen unter der Direktion Max Reinhardts tätig, zunächst am Neuen und Kleinen Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 245; Neuer Theater-Almanach 1905, S. 292], dann am Deutschen Theater in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 272; Neuer Theater-Almanach 1911, S. 293]; sie wechselte dann an das Berliner Theater (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 280] und schließlich an das Lessingtheater (Direktion: Otto Brahm, dann Victor Barnowsky) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 299; Neuer Theater-Almanach 1914, S. 309]. sie habe Lust am Bösen, weil es das Böse ist. Ja es scheint mir sehr wohl möglich, dass es so ist.

Vielleicht ist das aber auch beginnender Verfolgungswahn. Nun lebwohl, Du wirst vielleicht keine Lust haben das alles zu lesen.

In Liebe
Deine Tilly



Frank Wedekind schrieb am 4. Juli 1914 in Paris folgenden Brief
an Tilly Wedekind

GRAND HÔTEL
12. Boulevard des Capucines
Paris


Adresse Télégraphique
GRANOTEL-PARIS
Téléph Central 35 48
35 49 – 35 50


Le 4. Juli 1914.


Innigst geliebte theuerste Tilly!

HerlichenSchreibversehen, statt: Herzlichen. Dank für Deinen lieben schönen Brief vom Donnerstag 2. Julivgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1914. Jedes Wort darin ist mir eine Freude. Gestern AbendWedekind notierte am 3.7.1914 den Besuch bei seiner jüngsten Schwester Emilie (Mati) Wedekind, die mit ihrem Mann Eugène Perré in Neuilly-sur-Seine lebte: „Telephoniere mit Mati, fahre zu ihr hinaus Besuche mit ihr la Fete de Neully Les Vaches de Bois Taverne de l’Univers“ [Tb]. war ich bei Mati. Wir gingen zusammen auf den Jahrmarkt von Ney/u/illy und sind Karussel gefahren. Eugene kam erst um Mitternacht von der Reise zurück, so habe ich ihn noch nicht gesehn. Mati ist äußerst vergnügt, ich merkte es schon als sie ans Telephon kam. Dabei erzählte sie | mir Geschichten von ihrem Mann vor denen Dir die Haut schaudern würde. Ich habe ihr nichts von unseren Schwierigkeiten erzählt, besonders da sie am Sonntag also morgen nach Lenzburg fährt. Heute AbendWedekind notierte für den Abend des 4.7.1914: „Diner mit Perres am Boulevard Sebastopol. Follie Marigny Revue Auf Lesbos. Wir fahren in die Brasserie Spiess. Gemütliche Unterhaltung.“ [Tb] werde ich mit beiden zusammen sein.

Ich denke geliebte Tilly ob wir nicht im September vielleicht zusammen auf 8 Tage hierherEine gemeinsame Reise nach Paris wurde nicht realisiert. kommen können. Paris ist wirklich vollkommen für Dich geschaffen, Du würdest hier am meisten profitieren, weil Du den Blick dafür hast. Ich bleibe noch bis zum vierzehnten hier, ziehe aber wahrscheinlich morgen oder übermorgen in ein | anderes HotelHotel Madison (Rue des Petits Champs 48)., denn hier im Grand Hotel ist es entsetzlich. Ich Mati empfahl mir das andere Hotel ich habe aber den Namen noch nicht behalten, ich werde Dir rechtzeitig telegraphieren. Mati freute sich sehr über Deinen Gruß, den ich ihr sofort bestellte, über Annapamelas Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 1.7.1914., den sie las und über das Bild von beiden Kindernnicht überliefert; das Foto lag entweder einem der beiden letzten Briefe Tilly Wedekinds oder dem Brief Pamela Wedekinds vom 1.7.1914 bei.. Sie ist lustiger und sieht besser aus als ich sie je gekannt habe, dabei scheint sie in entsetzlich kleinlichen | Verhältnissen zu leben, aber vielleicht gerade deshalb, es wird ihr wohl nicht schwer über der Situation zu stehn. An ihren Otto BertschingerJugendschwarm von Wedekinds jüngster Schwester [vgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 17.5.1904 und 22.7.1904]. denkt sie wie an einen Halbgott zurück, was ihren Mann aber gar nicht zu genieren scheint.

Ich habe derweil zwei Pakete Zeitungsausschnitte über das Geburtstagsfest erhalten. d/D/en König MenelausNach den Reden auf dem Bankett am 24.6.1914 zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München spielte die Kapelle das Couplet „Ich bin Menelaus der Gute“ [vgl. https://portal.dnb.de/audioplayer/do/show/1104280507] (Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy, deutsche Übersetzung von Camillo Walzel und Julius Hopp) aus Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ („La Belle Hélène“, 1864); „mitten in die Stimmung getragener Festlichkeit [...] spritzte das Offenbachsche Couplet: ‚Ich bin Menelaos der Gute – laus der Gute, laus der Gute...‘“ [Mühsam 2003, S. 180] Wedekind fasste es „als Anspielung auf Tillys angebliche Untreue auf und fühlte sich als betrogener Ehemann vor der Festgesellschaft verhöhnt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249]. Das Lied war „jedermann geläufig“, erinnerte sich Tilly Wedekind, und meinte: „Irgend jemand muß das arrangiert haben, jemand, dem bekannt war, daß Frank fürchtete, als alternder Ehemann einer jungen Frau lächerlich zu wirken.“ [Wedekind 1969, S. 162] Wedekind notierte am 24.6.1914: „50 Geburtstagsbankett Ich bin der König Menelaus der Gute“ [Tb]. fand ich nirgends erwähnt. Das beruhigt mich einiger maßen, denn ich habe wirklich wenig Lust mich jetzt mit irgend jemandem zu schießen.

Vorgestern Abend war ich in den | Follies Bergere, ein dummes StückWedekind notierte am 2.7.1914: „Follies Berguers Sansculottes Mesdame“ [Tb] – er sah im Pariser Varieté-Theater Folies Bergère (Rue Richer 32) um 20.30 Uhr die Premiere der Revue „Sans culotte, Medames“ von Valentin Tarault, Georges Lignereux und Jean Kolb [vgl. Le Petit Parisien, Jg. 39, Nr. 13760, 2.7.1914, S. 4]. wurde gespielt aber hübsche Kostüme. Ich schlug Mati vor heute Abend noch irgendso wohin zu gehen aber sie hat wenig Sinn dafür. Ich möchte mir jetzt gerne das wichtigste alles ansehen, damit, wenn wir im September hierherkommen, wir nicht erst herumsuchen müssen.

Grüße und küsse die Kinder von mir. Annapamela soll mir wieder einmal einen Brief schreiben. Und jetzt leb wohl geliebte Tilly

Mit innigem Kuß
Dein
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 5. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Hoffentlich hat Dich mein gestriger Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.7.1914. nicht verstimmt.


T. W.


München, Sonntag, 5.VII.14.


Mein innigst geliebter Frank,

verzeih’ wenn ich Dir heute nur ein Kärtchender auf zwei Briefkarten geschriebene vorliegende Brief. schreibe. Ich bin schon sehr müde u. gehe dann gleich ins Bett. Dein lieber, lieber Brief von gestern d. 4. Julivgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.7.1914. hat mich wieder etwas beruhigt u. hat mir sehr, sehr wohl getan! Ja wenn wir im Herbst zusammen nach Paris fahren würden, das wäre freilich sehr schön! Ich freue mich sehr, dass Du Mati so vergnügt angetroffen hast. Es ist schade | dass sie gerade jetzt nach Lenzburg geht. Wie geht es übrigens Mama? Ich habe geschriebenTilly Wedekinds Brief an ihre Schwiegermutter Emilie Wedekind in Lenzburg ist nicht überliefert., aber noch nichts gehört. Von zu Hause höre ich auch absolut nichts, komme allerdings auch nicht dazu zu schreiben, weil ich immer nur an Dich schreibe.

Vormittags habe ich getanzt, Nachmittags war ich mit den Kindern. Jenny kam auch mit Hypolit u. die Sandl, die ich schon eine Ewigkeit nicht gesehen hatte. Überhaupt werde ich möglichst selten eine allein einladen. So zu Dritt spricht | man über allgemeine Dinge u. nicht über seine eigenen Angelegenheiten. Die Kinder waren sehr, sehr lieb. Erst spielten sie Ball, dann fuhren sie Carussel, die Kleine saß auch schon auf einem Pferd. Zu Hause tanzten sie nach dem GramophonSchreibversehen, statt: Grammophon. Wedekind notierte am 19.6.1914 in München: „Ich kaufe ein Grammophon.“ [Tb] u. Anna Pamela sang uns alle ihre Schullieder vor. Dann brachte ich die Kleine zu Bett, während die Großen unter Jenny’s Aufsicht zeichneten u. dann aßen wir mit den BeidenSchreibversehen, statt: beiden. Großen | zu Abend. Das war ein besonderes Fest für Anna Pamela, dass sie bei Tisch Abendessen durfte. Für die Kleine ist sie rührend besorgt, fasst sie beim Spazieren gehen immer an der Hand, damit ihr nichts geschieht. Morgen lerne ich Bolerospanischer „Solotanz in gemäßigtem Tempo, bei dem sich der Tänzer selbst mit Gesang und Kastagnetten oder Tamburin begleitet“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 251]., der CzardasCzárdás (Csárdás), ungarischer Volkstanz. Wedekind schrieb 1914 ein Lied „Scardas“ [KSA 1/III, S. 210; vgl. KSA 1/IV, S. 1046-1048]. geht schon besser, ich habe noch einige sehr hübsche Schritte dazu gelernt.

Anna Pamela schreibt Dir morgennicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1914. wieder. Beide Kinder schicken Dir viele BusserlnKüsse..

Innigst küsst Dich,
Deine Tilly


[am linken Rand, um 90 Grad gedreht:]

Anbei die AnweisungPostanweisungsformular.. Wenn Du unterschreibst kann ich’s abholen.

Frank Wedekind schrieb am 6. Juli 1914 in Paris folgenden Brief
an Tilly Wedekind

GRAND HÔTEL
12. Boulevard des Capucines
Paris


Adresse Télégraphique
GRANOTEL-PARIS
Téléph Central 35 48
35 49 – 35 50


Le 6 Juli 1914.


Meine geliebte Tilly!

Herzinnigen Dank für Deinen lieben ausführlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.7.1914. vom 4. Wenn ich auf Deinen früheren Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.7.1914 (oder ein noch früherer Brief). nicht ausführlich eingegangen, so hat er mir (uns) deshalb doch gut gethan; Ich möchte jetzt vor allem das Sachliche erledigen. Laß Fanny Kadidja so bald als möglich bei Dr. RommelHofrat Dr. Otto Rommel, „Spezialarzt“ für Kinderkrankheiten und „leitender Arzt“ des „Säuglingheims München“ [Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 572], bei dem Kadidja Wedekind schon einmal in Behandlung war [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.11.1911]. impfen. Wenn Du recht fleißig tanzest bist Du immer sicher mir Freude zu machen. Geld | und Quittung bitte ich mir nicht zu schicken. Wenn Du Geld brauchst, schreib es mir. Ich dachte gestern den ganzen Tag an Bertl. Er könnte Dir alles das klar machen, was Du bei f mir für Verfolgungswahn hältst. Denn ob er seiner Bank wirklich Geld unterschlägt oder ob er nur in den Verdacht kommt es getan zu haben, das bleibt in der Wirkung das Gleiche: Seine Carrière ist ruiniert, auch wenn er seine Unschuld so einwandfrei wie nur möglich beweisen kann.

Voraussichtlich ziehe ich heute Mittag in ein anderes Hotel: Hotel Madison | 48 rue des petits Champs, Paris. Bitte, mir die Post dorthin zu schicken. VorgesternWedekind besuchte am 4.7.1914 seine jüngste Schwester Emilie (Mati) und deren Mann Eugène Perré in Neuilly-sur-Seine in der Nähe von Paris. war ich zu MittagWedekind notierte am 4.7.1914 das Mittagessen bei Schwester und Schwager in Neuilly-sur-Seine: „fahre zum Dejeuner zu Perres.“ [Tb] bei Perrés. Wir unterhielten uns ausgezeichnet. Eugene ist ein kluger liebenswürdiger gebildeter Mensch. AbendsWedekind notierte am 4.7.1914 das Abendessen mit Schwester und Schwager in einem Restaurant in Paris: „Diner mit Perres am Boulevard Sebastopol.“ [Tb] aßen wir in der Stadt und gingen dann ins TheaterWedekind notierte am 4.7.1914 den Theaterbesuch mit Schwester und Schwager in Paris: „Follie Marigny Revue Auf Lesbos.“ [Tb] In den Veranstaltungsprogrammen ist für das Abendprogramm des Varieté-Theaters Folies-Marigny (Avenue des Champs-Élysées) am 4.7.1914 kein spezieller Titel genannt (Wedekinds Notiz insofern eine inhaltliche Charakterisierung, die auf lesbische Liebe anspielt); dort begann um 20.30 Uhr: „Le Revue de Marigny“ [Paris-Midi, Jg. 8, Nr. 1244, 4.7.1914, S. (4)], das war ein Programm mit den US-amerikanischen Vaudeville-Stars Willie Solar, Evelyn Nesbit, Jack Cliffort und Anne Dancrey, die besonders hervorgehoben wurden [vgl. Le Figaro, Jg. 60, Nr. 185, 4.7.1914, 3. Blatt, S. 6].. Nachher noch in eine Brauereiein Bierausschank, eine Bierstube oder eben eine ‚brasserie‘ (frz.), wie Wedekind, der mit Schwester und Schwager in Paris das Wiener Café-Restaurant Spiess (Boulevard Montmartre 20) besuchte, am 4.7.1914 notierte: „Wir fahren in die Brasserie Spiess. Gemütliche Unterhaltung.“ [Tb], wo wir sehr behaglich bis 2 Uhr plauderten. Heute fährt Mati nach Lenzburg.

Gestern war ein kalter unfreundlicher Tag. Das mag auch an meiner Stimmung schuld sein. Wenn Du davon sprichst Dich umbringen zu wollen, so ist das Unsinn | da alle Verheirateten diese Konflikte durchmachen und erledigen müssen und die Frau in meisten den besten Fällen absolut nicht begreifen kann um was es sich denn eigentlich handelt. Übrigens wären uns die Unannehmlichkeiten natürlich erspart geblieben, wenn es uns nicht sehr gut ginge. Du glaubst Du habest es weiß Gott wie schlecht bei mir und merkst dabei den giftigen Neid nicht, der Dich von allen Seiten umlauert und alles einsetzt, um mich gegen dich aufzuhetzen, und zwar nicht etwa durch Verleumdungen und Lügen, sondern durch eine Art die unser | Zusammensein aus äußerlichen Gründen unmöglich machen soll.

Laß Dich dadurch aber nicht abhalten zu tanzen. Es hat mich sehr gefreut, daß Du im TheaterTilly Wedekind hatte am 2.7.1914 die Eröffnungsveranstaltung zum Auftakt des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses im Münchner Künstlertheater besucht, bei der Shakespeares Schauspiel „Der Sturm“ gespielt wurde [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1914]. warst. Hört man irgend etwas über das Simson-VerbotDie Polizeidirektion München hatte eine geplante „Simson“-Aufführung im Münchner Schauspielhaus, das eine Freigabe des Stücks bereits am 13.3.1914 beantragt hatte, am 12.6.1914 verboten (obwohl von 21 Mitgliedern des Zensurbeirates, von denen Gutachten eingeholt wurden, nur 5 dezidiert für ein Aufführungsverbot plädierten); daraufhin legte die Direktion des Münchner Schauspielhauses Beschwerde ein – die Zensurbehörde hat das Aufführungsverbot durch einen Beschluss des Bayerischen Innenministeriums gleichwohl am 4.7.1914 bestätigt [vgl. KSA 7/II, S. 1331f.]. „In München blieb ‚Simson‘ zu Wedekinds Lebzeiten ungespielt.“ [KSA 7/II, S. 1331]? Grüße und küsse Anapamela und Fanny Kadidja. Anapamela soll mir doch schreiben was sie den ganzen Tag treibt. Sei innigst geküßt und umarmt, geliebte Tilly, von Deinem
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 6. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Montag, 6.VII.14.


Innigst geliebter Frank,

von heute giebt es nicht viel zu erzählen. Vormittag hatte ich Tanzstunde, zu der jetzt immer Fräulein Huberdie Tochter des Tanzlehrers Karl Huber [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.7.1914]. mitkommt. Wir übten erst CzardasCzárdás (Csárdás), ungarischer Volkstanz. Wedekind schrieb 1914 ein Lied „Scardas“ [KSA 1/III, S. 210; vgl. KSA 1/IV, S. 1046-1048]. dann Bolerospanischer „Solotanz in gemäßigtem Tempo, bei dem sich der Tänzer selbst mit Gesang und Kastagnetten oder Tamburin begleitet“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 251].. Bolero ist lange nicht so anstrengend, aber dafür complicierter, besonders die Pirouetten. (Ist es so richtig geschrieben?) Nachmittags war ich wieder mit Anna Pamela im Schwimmbad. Ich hielt sie nur ganz lose u. es gieng schon sehr schön. Jedenfalls ist sie sehr mutig. Die beiden Sachen füllen den Tag eigentlich vollständig aus, denn vom Ungerer-Bad hin u. her | ist es ziemlich weit. Auch ist das Tanzen sowohl wie das Schwimmen ziemlich anstrengend u. ermüdend.

Heute erhielt ich übrigens auch einen Brief von meinen Elternnicht überliefert. aus Berchtesgaden. Es gefällt ihnen sehr, sie sind sehr zufrieden u. laden mich natürlich auch ein mit den Kindern zu kommen.


abends 11 Uhr.

Inzwischen war ich in einer „ProtestversammlungErich Mühsam hat dem Polizeispitzelbericht vom 7.7.1914 zufolge die Protestversammlung gegen die Zensur am 6.7.1914 in der Schwabinger Brauerei München (Leopoldstraße 82) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 651; Teil II, S. 375], das „damals größte Schwabinger Lokal“, das Platz „für über 700 Personen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 257] bot, einberufen (Beginn: 20.20 Uhr, Ende: 22.45 Uhr): „Betreff: Versammlung in der Schwabinger Brauerei, Leopoldstr. 82, einberufen von Erich Mühsam. Auftragsgemäss überwachte ich [...] die in der Schwabinger Brauerei von Erich Mühsam veranstaltete Protestversammlung gegen die Theaterzensur mit dem Thema: Die Bevormundung des Geistes durch den Säbel.“ [KSA 7/II, S. 1385] gegen die Polizeizensur“ in der Schwabinger Brauerei in der Mühsam sprachIm Polizeispitzelbericht über die Protestversammlung gegen die Zensur (siehe oben) heißt es: „Erich Mühsam legt zunächst die Gründe dar, welche zur Einberufung der Protestversammlung geführt haben und betont, dass es neben andern Vorgängen ganz besonders das Verbot des ‚Simson‘ von Wedekind gewesen wäre.“ [KSA 7/II, S. 1385] Die Presse berichtete: „Erich Mühsam hatte das Referat übernommen und forderte in teilweise sehr wirksamer Rede zum nimmermüden Kampf gegen die polizeiliche Kunst- und Theaterzensur auf. Denn sie stützt sich nicht auf Gesetze, sondern ist auf dem Verordnungswege [...] langsam eingeführt worden. Auch über den Zensurbeirat, insbesondere über Herrn Geheimrat v. Possarts Beurteilung von Wedekinds ‚Simson‘, fielen scharfe Worte, die bei der Versammlung lauten demonstrativen Beifall fanden. [...] Um im Kampfe gegen die Zensur erfolgreich zu sein, genüge nicht eine Willenskundgebung, meinte der Redner, es müsse gehandelt werden. Er selbst schlug zwei Wege vor [...]. Der eine wäre, nach dem Muster der Berliner Filmfabrikanten, die wegen der hohen Zensurkosten einen Streik durchgeführt hatten, einen Streik der Theaterdirektoren zu inszenieren. Der andere Weg ist dazu angetan, die Krone zu treffen, ihre Einkünfte zu schmälern und dadurch eine Pression auszuüben, bis die Kunst- und Theaterzensur aufgehoben werde. Das Mittel hiezu sieht der Redner in einem Boykott des königl. Hofbräu Hauses, der umso leichter durchzuführen wäre, als die Münchener deshalb nicht einen Tropfen Bier entbehren müßten, da ja die anderen Brauereien mit Vergnügen Ersatzstoff liefern würden.“ [Protestversammlung gegen die Polizeizensur. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 344, 8.7.1914, Vorabendblatt, S. 4] u. zwar wieder mit Frau Eysold. Wir hatten uns nicht verabredet, ich wusste nicht dass sie hier ist, sie wusste nicht ob ich gehen wolle. Jenny war verabredet Fr. Dr. Pariser ist nicht hier, so wusste ich nicht, soll ich gehen | oder nicht. Es interressierteSchreibversehen, statt: interessierte. mich sehr, denn ich hoffte etwas über Dich zu hören. Ich fuhr mal hin um es mir anzusehen, stand unentschlossen am Eingang u. war eben im Begriff wieder zu gehen, als Frau Eysold kam. Nun giengen wir natürlich zusammen u. ich habe noch nie eine so interessante Versammlung mitgemacht. Es wurde sehr viel über „Simson“ gesprochenDie Presse meldete: „Das Aufführungsverbot von Wedekinds dramatischem Gedicht ‚Simson‘ war der Anstoß zu einer stark besuchten Protestversammlung am Montag abend in der Schwabinger Brauerei.“ [Protestversammlung gegen die Polizeizensur. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 344, 8.7.1914, Vorabendblatt, S. 4] Erich Mühsam äußerte sich in seiner Rede (siehe oben) dezidiert zum „Simson“-Verbot [vgl. KSA 7/II, S. 1331f.], das auch in der Resolution (siehe unten) zentral war. u. vor Allem gegen die Zensur überhaupt. Zum Schluss wurde eine Resolution gegen die ZensurErich Mühsam veröffentlichte die von ihm zur Abstimmung vorgelegte Resolution, die auch in der Tagespresse publik gemacht wurde [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 344, 8.7.1914, Vorabendblatt, S. 4], im Rahmen seines Artikels „Wider die Zensur!“ in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift; sie lautet: „Die am 6. Juli in der Schwabinger Brauerei tagende Versammlung beschließt folgende Kundgebung: Die polizeiliche Theaterzensur ist ein Rudiment vormärzlicher politischer Zustände. Sie bewirkt die Unterbindung einer Verständigung zwischen den geistig Schaffenden und dem Volk. Sie bedeutet eine Bevormundung des kunstfreundlichen Publikums, die die Versammlung als überflüssig, schädlich und unwürdig bezeichnen muß. Die Münchener Zensurbehörde insbesondere handhabt ihr Amt in einer Weise, die unausgesetzt Mißtrauen und Verbitterung erregt. Das Verbot des dramatischen Gedichts ‚Simson‘ von Frank Wedekind muß, nachdem das Werk in Wien und Berlin ohne Beanstandung aufgeführt worden ist, wie beabsichtigte Schikane wirken. Die Versammlung protestiert nachdrücklich gegen dieses Verbot und verurteilt gleichzeitig das Verhalten des Zensurbeirates in der Angelegenheit. Die Versammlung erwartet, daß die dem Zensurbeirat angehörenden Herren angesichts des subalternen Charakters und der Einflußlosigkeit ihrer Tätigkeit unverzüglich auf ihr Ehrenamt verzichten und sich solidarisch den gegen die Zensur gerichteten Bestrebungen ihrer Standes- und Bildungsgenossen anschließen werden. Die Versammlung hält eine starke Volksbewegung für zeitgemäß und geboten, die die völlige Abschaffung der als überlebt und kulturwidrig erwiesenen Polizeizensur zum Ziele hat.“ [Kain, Jg. 4, Nr. 4, Mitte Juli 1914, S. 57] mit großer StimmenmehrheitErich Mühsam zufolge ist die von ihm zur Abstimmung vorgelegte Resolution „mit überwältigender Majorität“ [Kain, Jg. 4, Nr. 4, Mitte Juli 1914, S. 57] angenommen worden, nämlich „mit ungefähr 4/5-Mehrheit“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 344, 8.7.1914, Vorabendblatt, S. 4]. angenommen. Es waren fast keine Bekannten, hauptsächlich Schwabinger JugendDem Polizeispitzelbericht zufolge war die Protestversammlung gegen die Zensur (siehe oben) „von 3-400 Personen besucht. Es waren in der Mehrzahl Studenten, Damen und ein grosser Prozentsatz Kaufmannsgehilfen im Alter von 19 bis 21 Jahren.“ [KSA 7/II, S. 1386] u. ich glaube auch viele Münchner Spießbürger. Frau Eysold sagte zu Mühsam Einiges, dassSchreibversehen, statt: das. er dann in seiner Schlussrede zu verwerten suchte. | Ich hatte einen lichten Augenblick u. sagte ihr, ich bewundere es, wie sie ohne selbst zu sprechen die ganze Versammlung beeinflusst habe. Sie brachte mich im Auto nach Hause. Ich wollte nicht, dass sie sich meinethalben bemüht, aber sie sagte sie tut es gern, weil sie mich lieb habe. Ich sagte, dass ich leider noch nichts getan habe um das zu verdienen. Sie sagte ungefähr, sie liebe mich eben, weil ich so sei wie ich bin. Ich erzählte ihr, dass ich glücklich war sie zu treffen, weil ich nicht wusste ob ich da hingehen könne oder nicht. Sie meinte, ich könne überall hingehen, sie bewundere jedes Mal meine Haltung.

Ich fühle mich ja ihr gegenüber wie ein unmündiges Kind, freue mich aber wirklich sehr über | ihre Herzlichkeit. Sie liebt mich ja wohl nur, weil ich Deine Frau bin. Aber wieviel könnte ich von ihr lernen! Nur fürchte ich, dass sie wenn sie mich näher kennen lernt, vielleicht nicht mehr soviel Interesse an mir nimmt. Doch bin ich glücklich mal mit einer Frau zu verkehren, von der auch Du viel hältst.

Herzlichsten Dank für Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 6.7.1914 (Telegramm).! Ich wäre ja sehr froh, wenn Du in 8 Tagen wieder hier wärst, Geliebter, will Dir aber nicht zureden. Schließlich tust Du ja doch auch, was Du willst. In 8 Tagen ist auch Anna Pamela’s Schulschluss.

Ich bin sehr froh, dass Du durch die ZeitungsausschnittePresseberichte über das vorgezogene Bankett am 24.6.1914 zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.7.1914]. beruhigt bist, es war eben doch | wohl ein Zufall. Ich begreife nur nicht, weshalb Du Dich deswegen mit Jemand schießen„Replik auf Wedekinds Formulierung“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 258] im zuletzt erhaltenen Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.7.1914]. müsstest.

Nun will ich aber schlafen gehen. Morgen heisst es wieder fleißig üben. Ich hoffe, Du bist einverstanden damit, dass ich zu Mühsam’s Vortrag gieng u. bete zu Gott, dass es keine Missstimmungen zwischen uns giebt.

Sei tausendmal innigst geküsst geliebter, theuerster Frank, von Deiner Tilly


P.S. Kann ich die Steuer anbeiDem Brief liegt die Anlage nicht mehr bei. erledigen?

Frank Wedekind schrieb am 6. Juli 1914 in Paris folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Königlich Bayerische Telegraphenanstalt

Telegramm. [...]


tilly wedekind prinzregentenstrasse 50 munchen

München.


Aufgegeben in Paris [...]


= wohne hotel madison 48 rue des petits champs herzlichste grusse = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 7. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Dienstag, 7.VII.14.


Theuerster, innigst geliebter Frank,

tausend Dank für Deinen lieben Brief vom 6.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 6.7.1914 (Brief). Das ist so schön, dass die Briefe von Paris nach München so schnell hin u. her gehen. Dadurch fühle ich mich Dir näher u. das macht mich glücklich! Heute hat es den ganzen Tag geregnet. Doch im Besitz Deines Briefes hat mich das nicht allzusehr gestört. Vorige Woche konnte mich die schönste Sonne nicht glücklicher machen. Bei wirklich ernsten Gemütsbewegungen hat das Wetter glaub’ ich auch keine Bedeutung mehr für mich.

EinigsSchreibversehen (oder individuelle Schreibweise), statt: Einiges. beunruhigt mich in Deinem Brief. Du | schreibst von Bertl: ob er wirklich Geld unterschlägt oder nur in den Verdacht kommt, seine Carrière ist ruiniert. Erstens bin ich nicht in den Verdacht gekommen. Und 2. wäre es sehr fraglich, wenn z. B. der Bankdirector einen anonymen Brief erhält, ob das Bertl’s Stellung auch nur im Geringsten erschüttern würde. Gewiss wird es neidische Menschen genug geben, die uns für ihr Leben gern schaden würden. Ich glaube auch absolut nicht, dass ich es so schlecht bei Dir habe. Aber viele andere haben es doch auch nicht schlecht u. haben ausserdem auch mit ihren Angelegenheiten genug zu tun. Aber schließlich möchte doch keiner mit dem andern tauschen u. die Leute werden sich | auch nicht immer nur mit uns beschäftigen, wenn wir auch vielleicht sehr interessant sind. Ich glaube wirklich, dass man das leicht selbst überschätzt, u. sich die Leute gar nicht so lange damit aufhalten. Am Meisten ärgert die Menschen natürlich, das gerade das, dass wir so zu einander halten. Was ist die einzige Antwort darauf? Dass wir umso fester zueinander halten. Dann werden sie uns schließlich in Ruhe lassen. Dann werden sie sogar vielleicht so etwas wie Achtung davor haben. Wenn Du meinst, dass Bertl mir die Dinge klarer machen kann, er hat glaub’ ich ab Mitte August UrlaubTilly Wedekinds Bruder Dagobert Newes „kam nicht im August nach München. Gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er eingezogen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 258]. u. würde sicher gern zu uns kommen. Er schätzt u. liebt Dich sehr u. mich auch u. er ist objectif/v/e. |

Ich habe getanzt Vormittag, an meine Eltern geschriebenTilly Wedekinds Brief an ihre Eltern Eduard und Mathilde Newes ist nicht überliefert., aber weder Zusage noch Absage, da ich ja nicht weiß wann Du kommst. Nachmittags war ich mit beiden Kindern in der Stadt. Für Fanny Kadidja hab’ ich ein Regenmäntelchen gekauft, damit sie bei dem vielen schlechten Wetter nicht immer im Wagerl(bayrisch) kleiner Wagen, Kinderwagen. fahren oder getragen werden werden muss, Anna Pamela brauchte wieder GaloschenÜberschuhe., da ihre alten über kein Paar Schuhe gehen die ihr passen.

Die Kleine wird also dieser Tage geimpft werden. Ich habe telephonisch angefragt u. erhalte morgen Bescheid.

Es kann sein, dass alle oder viele Verheirateten das durchzumachen haben, aber es gehen ja auch genug Ehen auseinander u. es gehen ja auch genug daran zu Grunde, besonders Frauen. |

Das Simson-VerbotNachdem die Polizeidirektion München eine am Münchner Schauspielhaus geplante „Simson“-Aufführung am 12.6.1914 verboten und die Direktion des Münchner Schauspielhauses dagegen Beschwerde eingelegt hatte [vgl. KSA 7/II, S. 1331f.], bestätigte die Zensurbehörde das Aufführungsverbot durch einen Beschluss des bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 4.7.1914: „Das K. Staatsministerium des Innern hat die Verhandlungen oberaufsichtlich geprüft. Ein Grund zur Aufhebung der angefochtenen Entschließung wurde hiebei nicht wahrgenommen. Die Beschwerde wird daher kostenfällig abgewiesen.“ [KSA 7/II, S. 1385] ist also leider aufrecht erhalten worden. Ich schicke Dir morgen den Ausschnittein Zeitungsausschnitt der Meldung aus den „Münchner Neuesten Nachrichten“ über das „Simson“-Verbot [vgl. Wedekinds „Simson“ und die Zensur. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 344, 8.7.1914, Vorabendblatt, S. 2-3], die im Vorabendblatt gedruckt bereits am 7.7.1914 erschienen ist. aus den „Münchner Neuesten“. Frau Dr. Pariser telephonierte mir eben darüber, u. auch Dr. FriedenthalDr. jur. Joachim Friedenthal, Schriftsteller, Redakteur, Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ in München (Georgenstraße 53) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 175], hatte auf der Protestversammlung gegen die Zensur am 6.7.1914 in der Schwabinger Brauerei in München für die Annahme der von Erich Mühsam zur Abstimmung vorgelegten Resolution gestimmt, wie der Polizeispitzelbericht festhält [vgl. KSA 7/II, S. 1386]. Friedenthal berichtete im „Berliner Tageblatt“ über das „Simson“-Verbot (siehe oben) und die Protestversammlung: „Unser Korrespondent telegraphiert uns aus München: Wedekinds ‚Simson‘ ist jetzt in München endgültig verboten worden. Der Bescheid werde von der letzten Instanz, dem Staatsministerium des Innern, heute veröffentlicht, und selbst die übliche Probevorführung wurde, wie das Schreiben mitteilt, nicht für nötig befunden. Gestern fand eine überaus stark besuchte Versammlung statt, in der der Schriftsteller Erich Mühsam als Redner die Tatsache dieses Verbots kennzeichnete und verurteilte. Nach einer lebhaften Diskussion wurde in einer Resolution die ‚Bevormundung des Geistes als überflüssig, schädigend und unwürdig erklärt.‘ Eine starke Bewegung für die Abschaffung der Zensur überhaupt wurde als dringend geboten erachtet.“ [Wedekinds „Simson“ für München endgültig verboten. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 339, 7.7.1914, Abend-Ausgabe, S. (3)] hatte angerufen. Frau Dr. Pariser ist durch das schlechte Wetter wieder in die Stadt geflüchtet, auch gehen sie erst vom 15. ab vollständig hinaus, ich dachte schon vom 1. Bis jetzt sind sie nur immer über Sonntag paar Tage draußenErna Pariser und ihr Ehemann Dr. phil. Ludwig Pariser wohnten in München (Georgenstraße 30) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 504], aber „in den Sommermonaten zeitweise in Possenhofen am Nordwestufer des Starnberger Sees“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 207].. Es soll heute drinstehen, das Ministeriumdas in München ansässige bayerische Staatsministerium des Innern (Theatinerstraße 21), das das „Simson“-Verbot für München bestätigt hatte (siehe oben). habe die Berufung abgelehnt. Die Redaction soll hinzufügenIm redaktionellen Bericht der „Münchner Neuesten Nachrichten“ über das „Simson“-Verbot heißt es abschließend: „Was in Berlin und Wien erlaubt ist ‒ in diesen Städten wurde ‚Simson‘ anstandslos gegeben ‒ ist also nach Meinung unserer Behörden für München schädlich. Der Akt geistiger Bevormundung, der durch die neue Entscheidung der Zensur gegeben worden und jetzt durch ein bayerisches Ministerium unterstrichen worden ist, wird die unter der Mehrzahl der Gebildeten verbreitete Meinung über die Existenzberechtigung einer behördlichen Zensur in literarisch-dramatischen Dingen wieder einmal mehr in negativem Sinne bestärken.“ [Wedekinds „Simson“ und die Zensur. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 344, 8.7.1914, Vorabendblatt, S. 2-3], dass sich, nachdem Simson in Berlin u. WienWedekinds Versdrama „Simson oder Scham und Eifersucht“ wurde am 24.1.1914 im Lessingtheater in Berlin uraufgeführt [vgl. KSA 7/II, S. 1331, 1338-1350] und hatte am 11.5.1914 im Johann Strauß-Theater in Wien Premiere [vgl. KSA 7/II, S. 1331, 1371-1373]. war, die Berechtigung der Zensur in negativem Sinn bestätigt hat. Die gestrige Versammlungdie von Erich Mühsam initiierte Protestversammlung gegen die Zensur am 6.7.1914 in der Schwabinger Brauerei in München, an der Tilly Wedekind teilgenommen hat [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1914]. hat wohl darauf noch keinen Einfluss ausgeübt, denke ich mir, wenn es heute schon drinsteht. |

Anbei ein Brief von Anna Pamelanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1914.. Ich sagte ihr, sie soll Dir schreiben was sie den ganzen Tag treibt. Aber ihre Briefe sind vorläufig noch sehr kurz u. bündig. Aber ich denke, ich lasse sie schreiben was ihr selbst einfällt. Es hat doch keinen Wert wenn ich es ihr dictiere. Neulich trafen wir ihr Fräuleinnicht identifiziert; „ihre Klassenlehrerin“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 259] am Institut Savaète – Höhere Mädchenschule mit Pensionat (Ludwigstraße 7), das Pamela Wedekind besuchte. im Ungerer Bad. Sie sagte mir, sie sei sehr zufrieden mit ihr, sie habe sich sehr gebessert, wir würden eine Freude mit dem Zeugniss haben.

Nun lebwohl für heute, Geliebter, es ist schon wieder spät geworden.

Sei innigst, innigst geküsst!
Deine Tilly |


Fr. Dr. Pariser, Dr. Friedenthal lassen Dich grüßen. Fr. EysoldGertrud Eysoldt hat an der Protestversammlung gegen die Zensur in der Schwabinger Brauerei in München am 6.7.1914 teilgenommen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1914]. natürlich auch. Wenn Du ihr vielleicht eine Karte schreiben willst ihre Adresse ist hier: Kaulbachstr. 12, Gartenhaus. „Frauenstimmrecht“. Sie wohnt glaubt ich in der Wohnung der AugsburgGertrud Eysoldt wohnte während ihres Aufenthalts in München bei Dr. jur. Anita Augspurg (Kaulbachstraße 12, Gartenhaus, 1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 19], wo sich auch das Büro des Bayerischen Landesverbandes und der Münchner Ortsgruppe für Frauenstimmrecht befand [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil II, S. 320], außerdem die Redaktion der von Anita Augspurg herausgegebenen Zeitschrift „Frauenstimmrecht“ (Redaktionsadresse in den Heften angegeben). u. ist wohl viel herinwohl im Sinn von ‚dort drinnen‘ (= dort anzutreffen)..

Es umarmt Dich innigst, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1914 in Paris folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL MADISON
48, RUE DES PETITS CHAMPS
(ANGLE DE L’AVENUE DE L’OPÉRA)
TÉLÉGRAMMES: MADISOTEL – PARIS


PARIS 8. Juli 1914.


Meine geliebte Tilly!

HerlichstenSchreibversehen, statt: Herzlichsten. Dank für Deine lieben KartenBriefkarten. und Briefe. Inliegend die PostanweisungTilly Wedekind hatte ihrem Ehemann zum Unterschreiben ein Postanweisungsformular geschickt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.7.1914]., die ich Dich bitte zu erheben. Ich habe mich sehr gefreut daß Du in der Versammlung warst, ebenso über alles andere was Du mir schreibst. Zum Schluß aber schreibst Du:Es folgt ein Satz, der ein Briefzitat ist [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1914]. Ich begreife nur nicht wie du Dich deswegen mit Jemandem schießen müßtest. Weswegen? Weil ich als betrogener Ehemann verspottet werde, oder, wie in Stuttgart | mit deinen früheren LiebesgeschichtenAnspielung auf den Abend am 16.4.1914 mit Emil Gerhäuser im Stuttgarter Ratskeller: „Mit Tilly im RK. Gerhäuser kommt [...] und fragt mich nach Paul Eger“ [Tb]; als „Provokation“ fasste Wedekind diese Frage „in Anwesenheit Tillys auf deren ersten Liebhaber Paul Eger“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] auf. aufgezogen werde. Wenn Du das nicht begreifst, liebe Tilly, dann hat es keinen Zweck für mich nach München zurückzukommen. Zugleich mit Deinem letzten Brief erhielt ich den BerichtDie Zeitschrift „Zeit im Bild“ veröffentlichte unter einem Pseudonym einen Bericht mit einem großen Foto der Festgesellschaft über das vorgezogene Bankett am 24.6.1914 zu Wedekinds 50. Geburtstag (24.7.1914) im Bayerischen Hof in München, in dem es heißt: „Einmal gab es auch Humor im Großen. Anlaß: Die Tafelkapelle. Jemand hatte seinen Toast [...] ausgebracht: Da intonierten die Musiker vergnügt und schäkerisch: ‚Ich bin der alte Menelaos‘. Das war alles.“ [Heribert: Wedekindbankett. In: Zeit im Bild. Moderne illustrierte Wochenschrift, Jg. 12, Nr. 27, 2.7.1914, S. 1395]. aus „Zeit im Bild“ in dem der „Gute König MenelausNach den Reden auf dem Bankett am 24.6.1914 zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München spielte die Kapelle aus Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ das Couplet „Ich bin Menelaus der Gute“ [vgl. https://portal.dnb.de/audioplayer/do/show/1104280507]; „mitten in die Stimmung getragener Festlichkeit [...] spritzte das Offenbachsche Couplet: ‚Ich bin Menelaos der Gute – laus der Gute, laus der Gute...‘“ [Mühsam 2003, S. 180] Wedekind fasste es „als Anspielung auf Tillys angebliche Untreue auf und fühlte sich als betrogener Ehemann vor der Festgesellschaft verhöhnt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249]. Wedekind notierte am 24.6.1914: „50 Geburtstagsbankett Ich bin der König Menelaus der Gute“ [Tb].“ ausdrücklich erwähnt wird. Das beweist, daß reichlich darüber gesprochen wird. Ich verwende aber den Ertrag meines Lebens nicht darauf lächerlich zu werden. Leider hast Du dafür nicht das geringste Gefühl und Verständnis. Ich habe aber auch keine Lust mehr, Dir dieses Verständnis beizubringen.

Mit bestem Gruß
Dein Frank


Bitte, kein Telegramm!


[Kuvert:]


Allemagne

Madame Tilly Wedekind
Prinzregentenstrasse 50
München |


HOTEL MADISON
48, RUE DES PETITS CHAMPS
(ANGLE DE L’AVENUE DE L’OPÉRA) PARIS

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1914 in Paris folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL MADISON
48, RUE DES PETITS CHAMPS
(ANGLE DE L’AVENUE DE L’OPÉRA)
TÉLÉGRAMMES: MADISOTEL – PARIS


PARIS 8.7.14


Meine liebe Tilly!

Die Menschen arbeiten mit den stärksten Mitteln daran, um mich gegen Dich aufzuhetzen. Sie rechnen dabei damit daß Du nichts merkst, weil Dir diese Mittel unverständlich sind. In der ReginabarAnspielung auf den Abend am 22.8.1913 mit Emil und Ottilie Gerhäuser in der Regina-Bar im Regina-Palast-Hotel (Maximilianplatz 5) in München: „Mit Gerhäuser und Frau soupieren wir in der Reginabar“ [Tb]; dort „hatte Tilly sich zu einer Anspielung auf die eheliche Untreue von Emil Gerhäuser hinreißen lassen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] hatten Gerhäuser und seine Frau gemerkt daß ich nicht mehr für Dich einstehe, daß ich gegen Dich aufgebracht war. Sie sagten sich: Jetzt braucht man nur noch auf den Knopf zu drücken, dann fliegt das Gebäude in die Luft. Das wurde auf die durchtriebenste Weise im RatskellerAnspielung auf den Abend am 16.4.1914 mit Emil Gerhäuser im Stuttgarter Ratskeller: „Mit Tilly im RK. Gerhäuser kommt [...] und fragt mich nach Paul Eger“ [Tb]; als „Provokation“ fasste Wedekind diese Frage „in Anwesenheit Tillys auf deren ersten Liebhaber Paul Eger“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] auf. | in Stuttgart besorgt. Die Berechnung war, daß wir uns derart verzanken wer/daß/ Du abreist und die Gerhäuser dann die Gräfin Werdenfels spieltOttilie Gerhäuser hatte die Rolle der Gräfin Anna von Werdenfels im „Marquis von Keith“ in Nürnberg (Premiere: 31.10.1903) gespielt, Tilly Wedekind spielte sie bei den Gastspielen in Stuttgart (Premieren am 9.5.1912 und 19.4.1914) und seitdem in allen weiteren Auftritten mit ihrem Mann in diesem Stück.. Gerhäuser war ehrlich enttäuscht daß Du Deine Drohung abzureisen nicht verwirklichtest. Der König MenelausNach den Reden auf dem Bankett am 24.6.1914 zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München spielte die Kapelle aus Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ das Couplet „Ich bin Menelaus der Gute“ [vgl. https://portal.dnb.de/audioplayer/do/show/1104280507]; „mitten in die Stimmung getragener Festlichkeit [...] spritzte das Offenbachsche Couplet: ‚Ich bin Menelaos der Gute – laus der Gute, laus der Gute...‘“ [Mühsam 2003, S. 180] Wedekind fasste es „als Anspielung auf Tillys angebliche Untreue auf und fühlte sich als betrogener Ehemann vor der Festgesellschaft verhöhnt“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249]. Wedekind notierte am 24.6.1914: „50 Geburtstagsbankett Ich bin der König Menelaus der Gute“ [Tb]. in München sollte dann dem Faß den Boden ausschlagen. In beiden Fällen schmeichelt man Deiner Eitelkeit um mich um so entschiedener gegen Dich aufzubringen und um Deine Abwehr um so dümmer zu gestalten. Daß Du die Schimpflichkeit meiner Situation absolut nicht begreifst, das wissen die Leute und bauen darauf. Sie haben durch Deine Reden in der Reginabar die Beweise, daß Du dich in einer Situation | befindest die Du von allen Seiten falsch beurteilst. Sie verfolgen das Ziel Dich in Konflikte zu bringen, denen Du nicht gewachsen bist. Sie sagen sich: Zwingen wir den Wedekind sich ihretwegen zu duellieren, dann wird er sich doch nicht für jemanden schießen, der gar nicht weiß was ein Duell ist. Alles ist genau darauf berechnet was Du mir jeden Tag entgegnest, daß Du das mich nichtSchreibversehen, statt: Du das nicht (oder: Du mich nicht). begreifst, daß Du mich für verrückt und verfolgungswahnsinnig hältst.

Dieser Brief enthält keinen Vorwurf. Er hat nur den Zweck Dich aufzuklären. Ich erwarte keine Umgehende Antwort, da uns abgezwungene Phrasen | nichts helfen können. Laß Dir deshalb ruhig Zeit mit der Antwort. Ich habe derweil an Gerhäuser geschriebenHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Emil Gerhäuser, 8.7.1914., daß ich seine Thätigkeit zu würdigen weiß. Ich schrieb ihm nur, damit mir nicht zum 24 Julizu Wedekinds 50. Geburtstag am 24.7.1914. eine neue Ladung an den Kopf fliegt.

Sage Anna Pamela herzlichsten Dank für ihren schönen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 6.7.1914.. Küsse die Kinder herzlich von mir.

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank.


[Kuvert:]


Allemagne

Madame
Tilly Wedekind
Prinzregentenstrasse 50
München |


TanzenTilly Wedekind nahm Tanzunterricht (siehe ihre Korrespondenz mit Frank Wedekind seit dem 1.7.1914). nicht unterbrechen

Gruß Frank


HOTEL MADISON
48, RUE DES PETITS CHAMPS
(ANGLE DE L’AVENUE DE L’OPÉRA) PARIS

Frank Wedekind schrieb am 8. Juli 1914 in Paris folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Königlich Bayerische Telegraphenanstalt


Telegramm. [...]


tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 = muenchen

München.


Aufgegeben in Paris [...]


= zweiten briefWedekind schrieb unter dem Datum des 8.7.1914 einen ersten Brief (Uhrzeit im Poststempel Paris auf dem Kuvert: 12 Uhr), sandte dann das vorliegende Telegramm (um 16.49 Uhr in Paris aufgegeben), in dem er auf den zweiten Brief verwies, den er am 8.7.1914 schrieb (Uhrzeit im Poststempel Paris auf dem Kuvert: 18.30 Uhr). abwarten gruss. = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 8. Juli 1914 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

TÉLÉGRAMME
RÉPUBLIQUE FRANÇAISE. POSTES ET TÉLÉGRAPHES.


[...] FRANK WEDEKIND PARIS HOTEL MADISON 48 RUE DES PETITS CHAMPS =

[...] |


MUENCHEN [...]


WAS IST DENN UM GOTTESWILLEN = INNIGST TILLY

Tilly Wedekind schrieb am 8. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mittwoch, 8.VII.14.


Mein innigst geliebter Frank,

heute habe ich keine Nachricht von Dir erhalten, aber Du wirst ja auch nicht soviel Zeit zum Schreiben haben. Hoffentlich ist nichts Anderes der Grund, und bekomme ich morgen einen Brief. Heute Vormittag habe ich Einiges besorgt, Nachmittags las ich, bis um 5 Uhrum 17 Uhr. Dr. RommelDr. Otto Rommel, „Spezialarzt“ für Kinderkrankheiten und „leitender Arzt“ des „Säuglingheims München“ [Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 572], der Kadidja Wedekind impfte. kam u. die Kleine impfte. Sie war sehr brav, weinte gar nicht u. war die ganze Sache in ein paar Minuten vorüber. Nun muss man halt achtgeben, hoffentlich geht es ohne Störung vorbei. Nächste Woche wird Dr. Rommel nochmal nach|sehen. Bis zum Abheilen dauert es doch 10 – 14 Tage, könnte ich also vorläufig auf keinen Fall zu meinen Eltern. Vielleicht können wir sie nach unserm Gastspiel hierder Wedekind-Zyklus an den Münchner Kammerspielen, der am 25.7.1914 begann und kriegsbedingt am 31.7.1914 vorzeitig abgebrochen wurde., besuchen. Vor dem Abendessen tanzte ich noch eine Stunde u. jetzt bin ich so müde, dass ich am Liebsten gleich zu Bett gienge.

Hier schicke ich Dir die Ausschnittewie angekündigt Zeitungsauschnitte über das Aufführungsverbot von „Simson“ in München [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1914], darunter ein Bericht der „Münchner Neuesten Nachrichten“ [vgl. Wedekinds „Simson“ und die Zensur. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 344, 8.7.1914, Vorabendblatt, S. 2-3].. Den aus den „Neuesten“ hab’ ich von unsrer HausmeisterinChristine Schreier (Dachauerstraße 135), ausgewiesen als „Hausmeisterin“ [Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 640], die als solche Frank und Tilly Wedekinds Münchner Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 nachweislich betreute (siehe die Korrespondenz Tilly Wedekinds mit ihrem Mann seit dem 18.6.1912).. Hoffentlich regst Du Dich nicht zu sehr auf über das Verbot.

Vom Künstlertheater (Dumont-Lindemann) erhielten wir heute eine offene Postkartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Louise Dumont und Gustav Lindemann an Frank und Tilly Wedekind, 7.7.1914. ‒ Louise Dumont und Gustav Lindemann leiteten das Düsseldorfer Schauspielhaus und gastierten gerade mit ihrem Ensemble an dem von ihnen den Sommer über gepachteten Münchner Künstlertheater. die ich las. Sie kündigten Dir den Besuch ihres RegisseursFritz Holl, Regisseur und Schauspieler an Schauspielhaus Düsseldorf unter der Direktion von Louise Dumont-Lindemann und Gustav Lindemann [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 391f.]. an. Ich telephonierte, dass Du verreist seist. Da der Regis|seur aber aus Starnberg herein kam, konnten sie ihn nicht rechtzeitig verständigen u. er kam doch. Als er hörte Du seist nicht hier, fragte er, ob er mich nicht sprechen könne. Ich empfing ihn u. er fr/s/agte, er käme hauptsächlich um zu fragen, weshalb sich der AbschlussErhalten ist ein in „München“ aufgesetzter, auf „Juli 1914“ datierter Vertrag, in dem Frank und Tilly Wedekind sich verpflichten, in der Zeit vom 1. bis 10.9.1914 und 12. bis 19.9.1914 „am Düsseldorfer Schauspielhaus im Rahmen des Ensembles des Düsseldorfer Schauspielhauses zu gastieren. Zur Aufführung sind vorgesehen: ‚Erdgeist‘ ‚Marquis v. Keith‘ sowie ‚Stein der Weisen‘ zusammen mit ‚Kammersänger‘ Herr und Frau Wedekind spielen in jedem dieser Werke jeweils die beiden Hauptrollen.“ [Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf, Dumont-Lindemann-Archiv, SHD 8008-2] Der Vertrag ist allerdings nicht unterschrieben. Das in Aussicht genommene Gastspiel am Schauspielhaus Düsseldorf fand nicht statt. verzögere. Ich sagte, ich wisse nicht ob Du für September überhaupt abschließen willst u. dann hättest Du vor Allem wegen der Besetzung Bedenken gehabt, da das Schauspielhaus doch hier gastieren. Er bat D/m/ich Dir mitzutheilen, dass es genau so besetzt würde wie zu anderer Zeit auch, 2. Besetzung gebe es bei ihnen nicht, das dürften sie auch schon wegen ihres Düsseldorfer Publikum’s nicht tun. Allerdings habe er „Marquis v. Keith“ bei nochmaligem Lesen als zu schwierig erkannt u. | wollte er Dir vorschlagen zu „Erdgeist“ eventuell „Stein der Weisen“ u. „Kammersänger“ zu geben, da das in Berlin doch einen so großen ErfolgIm Rahmen des Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 wurden das Versdrama „Der Stein der Weisen“ und der Einakter „Der Kammersänger“ am 9.6.1914 an einem Abend gespielt, wie Wedekind notierte: „Berliner Premiere von Stein der Weisen [...] Kammersängervorstellung“ [Tb]. Die Doppelvorstellung wurde von der Kritik gewürdigt: „Das Gastspiel des Dichters, Regisseurs und Schauspielers Frank Wedekind [...] brachte gestern neben dem neuen, burgtheaterfähig gewordenen ‚Kammersänger‘ den noch unbekannten ‚Stein der Weisen‘. Der ‚Kammersänger‘ [...] bereitet immer noch ein prickelndes Vergnügen. Für die ernsthafte Zusammensetzung des Publikums ist es indessen ein charakteristischer Beweis, daß der ‚Stein der Weisen‘ einen viel stärkeren Beifall fand. [...] Dem Unvorbereiteten kann diese ‚Geisterbeschwörung‘ [...] nicht viel bedeuten. Für den Wedekind-Kenner und -Studenten ist sie als Beitrag zu ihm von großem Wert.“ [Fritz Engel: Wedekind-Gastspiel. In Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 288, 10.6.1914, Morgen-Ausgabe, S. (2)] „Das Publikum bezeugte dem Dichter seine Achtung mit einer über das gewohnte Maß hinausgehenden Wärme, die nach den bekannten, den Abend beschließenden ‚Kammersänger‘-Szenen noch um einige Grade zunahm.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 59, Nr. 265, 10.6.1914, Morgen-Ausgabe, S. 7] gehabt habe. Ich sagte ich würde Dir das schreiben, ausserdem kommst Du vorauss. nächste Woche zurück u. würdest dann schon das Weitere veranlassen. Der Regisseur hätte die Sache in Düsseldorf zu leiten u. die Vorproben zu halten, von denen er ungefähr 10 für jedes Stück in Aussicht stellte.

Ich lege Dir die Karten beinicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Fritz Holl an Wedekind, 8.7.1914 (wohl eine Visitenkarte, die der Regisseur des Düsseldorfer Schauspielhauses bei seinem Besuch bei Tilly Wedekind hinterlassen haben dürfte) – sowie die genannte Postkarte (siehe oben) von Louise Dumont und Gustav Lindemann an Frank und Tilly Wedekind., Du kannst Dir es ja dann überlegen. Jedenfalls machte das Ensemble im „Sturm“ einen sehr schlechten EindruckTilly Wedekind besuchte am 2.7.1914 im Münchner Künstlertheater die Eröffnungsveranstaltung zum Auftakt des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses, bei der Shakespeares Schauspiel „Der Sturm“ gezeigt wurde; die Inszenierung hat ihr nicht gefallen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1914]., alle Vorstellungen die wir früher sahen waren besser.

Eben erhalte ich Dein Telegramm:Es folgt ein Zitat der telegrafierten Mitteilung [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.7.1914 (Telegramm)]. zweiten BriefWedekind schrieb unter dem Datum des 8.7.1914 einen ersten Brief (Uhrzeit im Poststempel Paris auf dem Kuvert: 12 Uhr), sandte dann das genannte Telegramm (um 16.49 Uhr in Paris aufgegeben, um 20 Uhr in München eingetroffen), in dem er auf den zweiten Brief verwies, den er am 8.7.1914 schrieb (Uhrzeit im Poststempel Paris auf dem Kuvert: 18.30 Uhr). abwarten gruß, Frank. Oh Gott was ist das nun wieder, nun soll ich die ganze Nacht warten bis diese Briefe kommen! Diese Aufregungen halte ich nicht mehr lange aus, meine Gesundheit ist schon sehr angegriffen.

[am linken Rand, um 90 Grad gedreht:]

In treuer Liebe, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 9. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstag, 9.VII.14.


Geliebter Frank,

ich rannte heute wie eine Wahnsinnige den ganzen Tag in meinem Zimmer herum u. schrieb einen 6 Seiten langen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.7.1914. an Dich, den ich aber nicht abzuschicken wage.

Jetzt habe ich Deine beiden Briefedie beiden von Wedekind am 8.7.1914 an seine Frau geschriebenen Briefe.. Ich wage nicht mehr zu antworten aus Angst vor Missverständnissen. |

Ich glaube alles u. begreife alles. Das schrieb ich ja auch in einem meiner Briefe. Ausserdem muss ich Dich daran erinnern, dass ich die Erste war, die die Sache in StuttgartAnspielung auf den Abend am 16.4.1914 mit Emil Gerhäuser im Stuttgarter Ratskeller: „Mit Tilly im RK. Gerhäuser kommt [...] und fragt mich nach Paul Eger“ [Tb]; als „Provokation“ fasste Wedekind diese Frage „in Anwesenheit Tillys auf deren ersten Liebhaber Paul Eger“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] auf. für einen Racheact Gerhäuser’s hielt. Ich sagte gleich als wir aus dem Ratskeller giengenSchreibversehen, statt: gingen., das war die Rache für das, was ich in der ReginabarAnspielung auf den Abend am 22.8.1913 mit Emil und Ottilie Gerhäuser in der Regina-Bar im Regina-Palast-Hotel (Maximilianplatz 5) in München: „Mit Gerhäuser und Frau soupieren wir in der Reginabar“ [Tb]; dort „hatte Tilly sich zu einer Anspielung auf die eheliche Untreue von Emil Gerhäuser hinreißen lassen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249] sagte. Du glaubtest erst nicht daran, u. Du hieltest es für eine Schmeichelei. Ich sagte, er weiß schon was er mir damit antut.

[am linken Rand, um 90 Grad gedreht:]

Ich wollte ihm noch sagen, nun seien wir quitt. |

II. Und nun noch Eines. Wie denkst Du Dir meine Abwehr besser? Sage mir das um Gotteswillen!

Ich will nichts mehr hinzufügen, denn wer weiß ob Du nicht alles für PhrasenBriefzitat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.7.1914 (zweiter Brief)]. hältst. Ich werde Dir getreulich jeden Tag über die Kinder berichten, solange es mir möglich.

Die Wohnung verlasse ich vorläufig nicht. Wer weiß, ob ich noch lange das Bett verlassen kann. Ich fürchte, ich werde bald ganz zusammen | brechen unter diesen Erlebnissen.

Von TanzenTilly Wedekind nahm Tanzunterricht (siehe ihre Korrespondenz mit Frank Wedekind seit dem 1.7.1914). kann leider vorläufig keine Rede sein, ich musste die heute schon wegschickenden Tanzlehrer Karl Huber und dessen Tochter [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.7.1914 und 6.7.1914]..

Frank, glaubst Du nicht, dass eine mündliche Aussprache doch besser wäre?

Den Kindern geht es Gottlob Beiden gut u. schicken sie Dir viele Küsse.

In treuer Liebe,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 9. Juli 1914 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 9.7.1914 aus München:]


[...] ich [...] schrieb einen 6 Seiten langen Brief an Dich, den ich aber nicht abzuschicken wage.


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 10.7.1914 aus München:]


Gestern schrieb ich übrigens 12 Seiten nicht 6 [...]


[3. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 11.7.1914 aus München:]


Ich [...] sende Dir [...] den Brief [...] lieber nicht [...]

Tilly Wedekind schrieb am 10. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Freitag, 10.VII.14.


Geliebter Frank,

das ist der 3. Bogender dritte Briefbogen; der erste und zweite Briefbogen dürfte am Vortag beschrieben und nicht abgesandt worden sein (siehe unten). den ich beginne. Was soll ich schreiben, ohne durch irgend ein Wort die Sache noch schlimmer zu machen, wenn das möglich ist.

Wie mag es Dir gehen,? mit/Mir/ geht es nicht gut.

Gestern schrieb ich übrigens 12 SeitenHinweis auf einen bereits am Vortag erwähnten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.7.1914] nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.7.1914. nicht 6 u. abends noch 4 Seitenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.7.1914.. Aber was nützt das?

Was kann ich tun um diese schimpfliche Situation zu ändern?

Dass Du Dich aber doch auch irren kannst, siehst Du aus der Tatsache, dass Du ganz vergessen hast, dass ich zuerst von Gerhäuser’s Rache sprachAnspielung auf den Abend am 16.4.1914 mit Emil Gerhäuser im Stuttgarter Ratskeller: „Gerhäuser [...] fragt mich nach Paul Eger“ [Tb], eine Wedekind provozierende Frage „in Anwesenheit Tillys“ nach ihrem „ersten Liebhaber Paul Eger“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249], den Frank und Tilly Wedekind als Rache werteten auf den Vorfall am 22.8.1913 in der Münchner Regina-Bar [vgl. Tb] – dort „hatte Tilly sich zu einer Anspielung auf die eheliche Untreue von Emil Gerhäuser hinreißen lassen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 249]. Soviel ich weiß, war ich es die sagte, wenn ich abreise hat er seinen Zweck erreicht u. die Gerhäuser | spielt die Gräfin WerdenfelsOttilie Gerhäuser hatte die Rolle der Gräfin Anna von Werdenfels im „Marquis von Keith“ in Nürnberg (Premiere: 31.10.1903) gespielt, Tilly Wedekind spielte sie bei den Gastspielen in Stuttgart (Premieren am 9.5.1912 und 19.4.1914) und seitdem in allen weiteren Auftritten mit ihrem Mann in diesem Stück..

Und nun sagst Du mir das alles, weil Du denkst, ich merke nichtsEs folgt ein Briefzitat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.7.1914 (zweiter Brief)]. „weil mir diese Mittel unverständlich sind.“ Du sagstEs folgt ein Briefzitat [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.7.1914 (zweiter Brief)]. „ich befinde mich in einer Situation die ich von allen Seiten falsch beurteile.“ Und dabei habe ich zuerst so geurteilt wie Du jetzt.

Sage mir Frank wo ist da ein Ausweg? Langsam verwirren sich meine Begriffe; ich bin den ganzen Tag in meinem Zimmer u. kann mich zu nichts mehr entschließen.

Allen die was von mir wollen u. antelephonieren, sage ich sie sollen mich in Ruhe lassen.

Heute keine Nachricht, was wird morgen kommen? Ich lebe in einer fortwährenden Angst.

Frank, auf diese Weise, werden wir uns zu Grunde richten u. es nimmt kein gutes Ende! |

Meine Schwester Martha schrieb in ihrem Brief von Sonntagnicht überliefert. ob sie auf der Durchreise hierher kommen dürfte. (Sie ist nach Frankfurt eingeladenMartha Newes, inzwischen Schauspielerin am Albert-Theater (Direktion: Edgar Licho) in Dresden [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 384], „war wegen eines Engagements nach Frankfurt eingeladen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 262]..) Als ich Dienstag antworteteHinweis auf ein nicht überliefertes Korrespondenzstück. sagte ich ja, ich würde mich freuen. Sie wusste damals nicht genau, ob sie über München kommt. Heute kam ein Telegrammvon Martha Newes, nicht überliefert. u. um 5 Uhr kam sie. Morgen Mittag um 2 fährt sie weiter. Ich bin froh, wenn sie wieder fort ist. Ich kann u. darf ja nicht mit ihr reden, so ist mir ihre Anwesenheit nur eine Qual.

Ich hoffe, Du bist nicht böse, wenn sie die eine Nacht in Deinem Zimmer schläft, Du hast es ja auch das letzte Mal erlaubt.

Den Kindern geht es Gottlob gut, morgen ist Anna Pamela’s letzter Schultag. Der Kleinen wechselten wir heute ihren Verband, doch ist noch nichts zu sehen u. merkt man noch nichts. | Beide waren Nachmittags mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] spazieren. Sie sind sehr lieb.

Leb wohl geliebter Frank, sei innigst geküsst.

Deine Tilly


Die Kinder freuten sich sehr über die Tante MarthaTilly Wedekinds Schwester Martha Newes..

Frank Wedekind schrieb am 10. Juli 1914 in Paris folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL MADISON
48, RUE DES PETITS CHAMPS
(ANGLE DE L’AVENUE DE L’OPÉRA)
TÉLÉGRAMMES: MADISOTEL – PARIS


PARIS 10.7.14.


Innigst geliebte Tilly!

Herzlichsten Dank für Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 8.7.1914.. Mit dem Gastspielein Gastspiel am Schauspielhaus Düsseldorf (Direktion: Louise Dumont und Gustav Lindemann) unter der Regie von Fritz Holl [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 8.7.1914], das nicht zustande kam. Erdgeist, Stein d. Weisen Kammersänger in Düsseldorf wäre ich meinerseits sehr einverstanden. Ich möchte den Leuten nur nicht gleich schreiben, da sie sonst beim Abschluß die Gage drücken werden. Wenn Du jemanden, Dumont, Lindemann oder Herrn Holl siehst, dann kannst Du ja Deine Befürwortung in Aussicht stellen. Voraussichtlich reise ich hier | Montag oder DienstagWedekind reiste am 13.7.1914 (Montag) ab: „Abfahrt von Paris“ [Tb]. Abend ab, wäre also Dienstag oder Mittwoch Abend in München. Wenn Du noch Geld brauchst, dann laß es mich bitte umgehend wissen, im Notfall per Telegramm. Gestern AbendWedekind verbrachte dem Tagebuch zufolge („Telephoniere an Eugen esse mit ihm zu Abend Blv Sebastopol 35 Wir sehen in der Olympia die Revue an. Gehen in die Brasserie Chateau d’Un bis zwei Uhr“) den Abend des 9.7.1914 mit seinem Schwager Eugéne Perré, mit dem er zunächst ein Restaurant (Boulevard Sébastopol 34) besuchte, anschließend die Music-Hall Olympia, wo ein Programm „La Revue des Femmes“ [Le Journal du soir, Jg. 10, Nr. 2181, 9.7.1914, S. (4)] zu sehen war und abschließend ein Bierlokal. war ich wieder mit Eugen zusammen. Wir trafen uns um 7 Uhr in einem Restaurant, gingen dann zusammen ins Theater und nachher zu einem Glas Bier. Heute Abend fährt er nach LenzburgEugène Perré, dessen Frau Emilie (Mati) Wedekind bereits am 6.7.1914 von Paris nach Lenzburg gefahren ist [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 6.7.1914], fuhr zu seiner Schwiegermutter, zu Emilie Wedekind, die außerdem Besuch von ihrer Tochter Erika Wedekind mit Familie – Eva und Walther Oschwald – hatte., wo gegenwärtig auch Mieze mit Familie weilt. Eugène wird in BrestenbergSchloss Brestenberg in Seengen, etwa 12 Kilometer südlich von Lenzburg. einquartiert um Mama keine Arbeit zu machen. Mama scheint es übrigens ganz gut zu gehen.

Diese Woche habe ich wunderschöne FahrtenWedekind unternahm dem Tagebuch zufolge am 6.7.1914 einen Ausflug nach Saint-Cloude etwa 10 Kilometer südwestlich von Paris an der Seine gelegen („St. Cloud Rückfahrt mit dem Dampfboot“) und besuchte am 7.7.1914 den Schlosspark von Versailles („Versailles“). | am Nachmittag nach St. Cloud und Versailles gemacht, beides prachtvolle Parks in der Art von Nymphenburg aber unvergleichlich schöner gelegen. Ich fuhr auf der Seine mit dem Dampfschiff jeweilen nach Paris zurück. Abends war ich immer im TheaterWedekind besuchte dem Tagebuch zufolge am 7.7.1914 („Theatre Moderne espêce de Cabaret“) eine Art Cabaret (unklar, welche Bühne), am 8.7.1914 („Athéné Je ne trompe pas mon Mari“) die Komödie „Je ne trompe pas mon mari!“ (‚Ich betrüge meinen Mann nicht‘) von Georges Feydeau und René Peter im Théâtre l’Athénée [vgl. Le Figaro, Jg. 60, Nr. 189, 3. Blatt, 8.7.1914, S. 5] und war am 9.7.1914 mit seinem Schwager im Olympia (siehe oben).. Wenn wir in Düsseldorf gastiert haben, können wir in wenigen Stunden hierherfahren. Wenn wir nur 3 oder 4 Tage hier bleiben können hat sich die Reise reichlich gelohnt.

Also auf ein recht baldiges glückliches | Wiedersehen! Grüße und küsse die Kinder von mir.

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank.


[Kuvert:]


Allemagne


Madame
Tilly Wedekind
Prinzregentenstrasse 50
München |


HOTEL MADISON
48, RUE DES PETITS CHAMPS
(ANGLE DE L’AVENUE DE L’OPÉRA)
PARIS

Tilly Wedekind schrieb am 11. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Samstag, 11.VII.14.


Innigst geliebter Frank,

ich danke Dir sehr für Deinen Brief von Freitag dem 10.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 10.7.1914. Ich habe den ganzen Tag in meinem Zimmer auf diesen Brief gewarte/t/, u. immer an Dich geschrieben. Ich bin sehr froh, dass Du Dienstagder 14.7.1914, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München.“ [Tb] oder Mittwoch zurückkommen willst, sende Dir daher den Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.7.1914. auch lieber nicht, damit wir uns nicht missver|stehen. Vielleicht können wir uns mündlich doch besser verständigen.

Von ganzem Herzen hoffe ich, dass meine beiden letzten Schreiben, die Kartenein auf Briefkarten geschriebener Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.7.1914]. u. der Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 10.7.1914., nicht Deine Stimmung wieder gestört haben!

An Bertl schrieb ich heuteTilly Wedekind schrieb in dem nicht abgesandten Brief an ihren Bruder: „Mein lieber Bertl, herzlichsten Dank für Deinen letzten Brief. Seitdem haben sich die Dinge sehr geändert, so dass ich mich nicht entschließen konnte zu schreiben. Aber bevor ich alles verloren gebe, möchte ich doch noch dieses letzte Mittel versuchen und mich mit Dir aussprechen. Du bist auch nach Frank’s Meinung der Einzige, der mir alles klar machen könnte. 2 Tage nach dem Fest am 24. Juni reiste Frank nach Florenz. Dort blieb er aber nur 4 Tage, dann fuhr er nach Paris, wo er jetzt noch ist. Bei dem Fest ereignete sich etwas wofür ich absolut nichts kann, dass aber Frank’s Meinung, er werde durch mich lächerlich, neuerdings Nahrung gab. Es handelt sich um eine Kette von Dingen, die ich Dir hier unmöglich alle aufzählen kann. Ich würde Dir gern ausein[ander]setzen wie die Dinge liegen. Freilich wäre es auch wichtig, dass Du Frank’s Meinung hörst. Denn jeder sieht die Sache nur von seinem Standpunkt an, u. für einen Dritten ist es schwer das richtige Bild zu bekommen, wenn er nicht beide Teile hört. Aber dafür ist der Dritte objective. Du kannst uns vielleicht helfen, denn wir leiden Beide sehr darunter! [...] Ich möchte Dir nur von vornherein versichern, dass ich Dich in keinem Fall für das Ergebnis verantwortlich machen will. Du wirst nach bestem Wissen u. Gewissen urteilen, das weiß ich. Du liebst und schätzt sowohl Frank wie mich.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 269] auch, werde aber nun den Brief nicht wegschicken.

Ich freue mich sehr, dass Du in Paris soviel Schönes gesehen hast, u. freue mich auf Deine Erzählungen. |

Martha fuhr heute Mittag wieder weg. Den Kindern geht es Gottlob gut. Anna Pamela wollte Nachmittags so gern schwimmen gehen, so schickte ich sie mit dem Mädchen. Nachher war sie noch bei AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] u. der Kleinen im englischen Garten. Beide schicken Dir viele Küsse u. freuen sich schon sehr auf Dich.

Ich hoffe in Deinem Sinne zu handeln, wenn ich jetzt nicht mehr ausführlich ant|worte, da Du doch Dienstag oder Mittwoch kommst.

Ich fürchte auch zu sehr, Dir damit die letzten Tage in Paris zu verderben.

Wenn Du Dienstag oder Mittwoch kommst, reiche ich schon noch mit dem Geld; ich habe nämlich viel bezahlt, auch für mich. Ich kann Dir die Verrechnung vorlegen.

Anna Pamela hat jetzt immer Hunger. Sie sagte eben, sie sei ein Vielfraß. Hoffentlich auf baldiges, glückliches Wiedersehn! Mit innigstem Kuss, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Sonntag, 12.VII.14.


Innigst geliebter Frank,

wenn Du schon morgen abends fährst, erhältst Du diese KarteBriefkarte. wohl nicht mehr. Aber wenn Du erst Dienstagder 14.7.1914, an dem Wedekind bereits in München eintraf: „Ankunft in München.“ [Tb] Er ist am 13.7.1914 von Paris abgereist. fährst, möchte ich Dich nicht ohne Nachricht lassen. Ich war heute den ganzen Tag an der Luft, was mir sehr wohl tat. Vormittags war ich mit Anna Pamela an der Isar spazieren. Nachmittags nahmen wir | eine Droschke u. fuhren zum AumeisterGastwirtschaft mit großem Biergarten am nördlichen Rand des Englischen Gartens.. Beide Kinder, AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125] u. ich. Von dort giengenSchreibversehen, statt: gingen. wir zu Fuß bis zur Fähre, fuhren hinüber u. giengenSchreibversehen, statt: gingen. an der Isar bis nach Hause. Die Kleine hielt sich sehr tapfer. Die Droschke u. die Fähre waren ein großes ErlebnissSchreibversehen, statt: Erlebnis. für sie. Anna Pamela genoss es mit Bewusstsein. Beiden geht es sehr gut, u. sind sie sehr lieb.

Auf ein baldiges, glückliches Wiedersehen freut sich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Juli 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Sonntag Früh, 12.VII.14.


Innigst geliebter Frank,

anbei ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Richard Weinhöppel an Wedekind, 11.7.1914. – Es handelte sich vermutlich um ein Telegramm von Wedekinds altem Freund Richard Weinhöppel, das einen Todesfall in der engeren Familie von Änne Weinhöppel, der Ehefrau des Freundes, mitgeteilt haben dürfte und früh morgens am 12.7.1914 von München nach Paris nachgesandt Wedekind noch am selben Tag spät abends erreicht haben könnte, so dass er sogleich brieflich kondolierte [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 12.7.1914]., das noch gestern abends kam. Ich wusste nicht, ob es sehr wichtig, deshalb öffnete ich es. Vielleicht erhälstSchreibversehen, statt: erhältst. Du es noch.

Ich gehe jetzt mit den Kindern spazieren. Es ist herrliches Wetter. | Vielleicht erhohleSchreibversehen, statt: erhole. ich mich etwas bis Du kommst.

In treuer Liebe,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 13. Juli 1914 in Paris folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Königlich Bayerische Telegraphenanstalt


Telegramm. [...]


tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 = munchenprinzregentenstrasse 50 = munchen

München.


Aufgegeben in Paris [...]


= komme morgen dienstagder 14.7.1914, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München.“ [Tb] abend zwischen sechs und acht uhr18 und 20 Uhr. herzlichste gruesse = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 4. August 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, sei nicht bös, ich muss wegen der JennyWedekind notierte drei Tage nach Kriegsbeginn am 4.8.1914: „Frau von Sadkowska ausgewiesen Tilly giebt ihr 150 M.“ [Tb] Tilly Wedekinds Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski, die mit ihrem Mann, dem Maler Stanislaus von Sadkowski, und dem Sohn Ferdinand in München (Renatastraße 19) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 584] wohnte, „wurde wegen ihrer polnisch-russischen Herkunft als feindliche Ausländerin zu Beginn des Ersten Weltkrieges ausgewiesen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 264] ihrer Sachen nochmal in der Wohnung nachsehen. Es wird heute gepackt u. dann bin ich die Sache endgültig los. Unsre Koffer sind schon hier. | Auf Wiedersehen Mittags.

Innigst,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 26. September 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

München, Samstag, 26. Sept. 14.


Geliebter Frank,

heute morgenWedekind notierte am 26.9.1914 in München seine Reise nach Salzburg, um sich dort mit seinem Sohn Friedrich Strindberg zu treffen (und sich mit ihm auszusprechen): „Tilly begleitet mich auf den Bahnhof Fahrt nach Salzburg. Hotel de l’Europe. Treffe Friedrich Strindberg bei Tisch. Mittag in der Traube. Spaziergang auf den Mönchsberg Aussprache.“ [Tb] Wedekind reiste am 27.9.1914 zurück nach München. war es viel zu früh, der Zug hatte noch 10 Minuten Aufenthalt. Ich hoffe von Herzen, dass Du nicht zu große UnannehmlichkeitenWedekind fuhr nach Salzburg, um mit seinem Stiefsohn Konfliktlösungsgespräche zu führen (siehe seine Korrespondenz mit Friedrich Strindberg). hast! Vormittags holte ich Anna Pamela von der Schule ab u. besorgte dann Einiges. Nachmittags war ich mit den Kindern spazieren. Im englischen Garten trafen wir Fr. Dir. SchrumpfJohanna Marianne Schrumpf (geb. Thon Freiin von Dittmer), die zweite Ehefrau von Ernst Schrumpf (Heirat am 30.1.1907 in Dresden), bis Sommer 1914 Direktor des Münchner Volkstheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 564], der einen von ihm gegen den Chefredakteur der Zeitschrift „Der neue Weg“ (offizielles Organ der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger) wegen Beleidigung angestrengten Prozess am 8.6.1914 verlor [vgl. Ein Münchner Theaterprozeß. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 290, 9.6.1914, Vorabendblatt, S. 3-4]; der Prozess hat „einen für Direktor Schrumpf moralisch vernichtenden Ausgang genommen“ [Münchner Stadtanzeiger, Jg. 26, Nr. 24, 13.6.1914, S. 1], da er „sexuelle Verfehlungen des Direktors an den Damen seines Ensembles“ [Erich Mühsam: Schrumpf. In: Kain, Jg. 4, Nr. 3, Mitte Juni 1914, S. 37] bestätigte. mit ihren Kindern. Hoffentlich hast Du in Salzburg | recht schönes Wetter! Den Kindern geht es gut u. sind sie sehr vergnügt. Hoffentlich bekommst Du die Karte bald. Innigst umarmt u. küsst Dich,

Deine Tilly


Von den Kammersp. wollte man Deine AdresseDie Anfrage der Münchner Kammerspiele bezog sich vermutlich auf die Veröffentlichung von Wedekinds am 18.9.1914 in den Münchner Kammerspielen gehaltenen Kriegsvortrag am 27.9.1914 im „Berliner Tageblatt“ [vgl. KSA 5/III, S. 493-499].; ich war nicht da.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Salzburg.
Hotel de l’Europe.


Abs: Wedekind
München
Prinzregentenstr. 50 III.

Frank Wedekind schrieb am 27. September 1914 in Salzburg folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


tilly wedekind prinzregentenstrasze 50
muenchen =

München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.


Telegramm aus Salzburg [...]


ankome heute abendWedekind (er war am 26.9.1914 nach Salzburg gereist, um dort mit seinem Sohn Friedrich Strindberg zu sprechen) notierte am 27.9.1914 zu seiner Rückkehr nach München: „Rückfahrt. Tilly holt mich ab. Torggelstube“ [Tb]. zehn uhr22 Uhr. koenen dann auswaerts essen herzlychst = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 3. Oktober 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, eben kam noch das Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Alfred Reucker an Wedekind, 3.10.1914. – Wedekind suchte Alfred Reucker, Direktor des Stadttheaters (verbunden mit dem Pfauentheater) in Zürich [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 598], am 5.10.1914 auf: „Besuch im Theater bei Reucker“ [Tb] – wohl um ein in Aussicht genommenes Gastspiel [vgl. Wedekind an Alfred Reucker, 24.7.1914] zu besprechen. Der Direktor des Stadttheaters in Zürich dürfte in seinem nicht überlieferten Telegramm das vermutlich zunächst auf den 4.10.1914 (Wedekinds Ankunftstag in Zürich) angesetzte Gespräch auf den 5.10.1914 verschoben haben (das würde die spätere Uhrzeit der Abreise erklären, die im vorliegenden Zettel angesprochen ist).. Ich öffnete es, weil ich mir dachte, es könnte was Wichtiges sein. Falls Du also lieber um 12.40 erst fährstWedekind fuhr am 4.10.1914 von München nach Zürich: „Tilly und Annapamela begleiten mich auf den Bahnhof. [...] Ankunft in Zürich.“ [Tb], brauchst Du nur einen Zettel aussen an Deine gepolsterte | Thür stecken, dann wecken wir Dich nicht. Nach LenzburgWedekind fuhr am 6.10.1914 von Zürich nach Lenzburg [vgl. Tb]; er dürfte vorgehabt haben, bereits einen Tag früher dorthin zu reisen, und hat wohl wegen seiner Besprechung mit Alfred Reucker am 5.10.1914 (siehe oben) umdisponiert. könnte man ja schließlich nochmal telegraphieren. Alles Übrige ist erledigt, nur das Gepäck muss erst morgen Früh aufgegeben werden.

Gute Nacht, schlaf gut, innigen Kuss Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 4. Oktober 1914 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

POST CARD
CARTE POSTALE – POSTKARTE


Address – Adresse – Adresses


Herrn
Frank Wedekind
Schweiz. Zürich
Hotel Bellevue.


Communication – Mitteilungen – Correspondance


Sonntag abends. 4.X.14.


Geliebter Frank,

hoffentlich hast Du eine angenehme FahrtWedekind ist am 4.10.1914 nach Zürich gefahren [vgl. Tb]. gehabt, u. ist das Wetter gut. Anna Pamela beruhigte sich bald, wir giengenSchreibversehen, statt: gingen. zu Fuß nach Hause. Nachmittags waren wir auch spazieren, beide Kinder waren sehr vergnügt.

Viele Grüße u. Küsse von uns Dreien, |

Anna Pamela, Fanny Kadidja
u. Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 5. Oktober 1914 in Zürich folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly!

Hoffentlich trifft euch diese Karte gesund und munter. Nach einer sehr ruhigen FahrtWedekind ist am 4.10.1914 von München nach Zürich gereist. traf ich hier ein ohne irgend welche GrenzscherereiBefürchtung angesichts des am 1.8.1914 begonnenen Ersten Weltkriegs.. Im Coupéabgeschlossenes Eisenbahnabteil (im Unterschied zum Großraumabteil). bis Lindau ein Soldat, der 17 Schlachten mitgemachtWedekind notierte zu seiner Reise am 4.10.1914 die Begegnung mit dem an der Westfront verwundeten Soldaten im Zug: „Der Verwundete der 17 mal im Feuer gestanden.“ [Tb] hatte und zur Erhohlung nach Lindau geschickt war. Mein erster Weg war zu meinem Bruderzu Armin Wedekind, Arzt in Zürich (Feldeggstraße 45) [Adressbuch der Stadt Zürich für 1915, Teil I, S. 590], wie Frank Wedekind am 4.10.1914 notierte: „Ankunft in Zürich. Bahnhofstraße. Limmatquai zu Armin“ sowie „Abends mit Armin Waadtländer Weinstube und auf Safran.“[Tb], der mich einlud bei ihm zu wohnen. MorgenWedekind reiste am 6.10.1914 zu seiner Mutter Emilie Wedekind nach Lenzburg, wo sich seine Schwester Emilie (Mati) Wedekind aufhielt, die in Neuilly-sur-Seine bei Paris wohnte. oder übermorgen denke ich nach Lenzburg zu fahren. Mama und Mati soll es sehr gut gehen. Jetzt werde ich Direktor Reucker meine AufwartungWedekind notierte vormittags am 5.10.1914: „Besuch im Theater bei Reucker“ [Tb] – er war mit Alfred Reucker, Direktor des Stadttheaters (verbunden mit dem Pfauentheater) in Zürich [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 598], verabredet, um ein in Aussicht genommenes Gastspiel [vgl. Wedekind an Alfred Reucker, 24.7.1914] zu besprechen. machen. Es ist herrliches Wetter und Zürich hat sich sehr verschönert, aber Polizeistunde um | 11 Uhr. Deine Grüße an Emma und die MädchenLilli, Eva und Charlotte Wedekind, die Töchter von Armin und Emma Wedekind. habe ich ausgerichtet. Alle lassen Dich herzlich grüßen. Briefe bitte ich nur nach Lenzburg zu schicken. Mit innigen Küssen Dir, geliebte Tilly, Annapamela und Fannykadidja Dein Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50

Tilly Wedekind schrieb am 5. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Montag. 5.X.14


Geliebter Frank,

hoffentlich geht es Dir recht gut! Nachmittags war es hier sehr schön. Neues giebt es nicht; ich habe gelesen, geschrieben u. war auch ein Bischen spazieren.

Von zu Hause habe ich den 1. ausführlichern BerichtDer Brief aus Graz über Tilly Wedekinds an der Ostfront verwundeten Bruder Dagobert Newes ist nicht überliefert.. Bertl kroch mit durchschossenem KnieWedekind notierte am 16.9.1914 über seinen Schwager Dagobert Newes: „Bertl liegt am Knie verwundet in Brünn“ [Tb]; und am 18.11.1914: „Bertl kommt von Graz. Er geht am Stock, zeigt mir seine Wunde. Schuß durchs Knie.“ [Tb] Die Presse in Graz meldete verspätet in einer Liste „Verwundete und kranke Offiziere“ über den Leutnant der Reserve: „Newes Dagobert, Lt., IR 100 (Graz), Schuß in den linken Fuß.“ [Grazer Tagblatt, Jg. 24, Nr. 296, 12.11.1914, 2. Morgenausgabe, S. 7] 300 Meter weit im Kugelregen nach einem Wald! Martha hat in | Dresden schon Wohnung gefundenTilly Wedekinds Schwester Martha Newes hatte als Schauspielerin ein Engagement am Albert-Theater in Dresden und dort nun eine Wohnung bezogen (Villiersstraße 19) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 384]; sie hat in Dresden Frank Wedekinds Schwester Erika Wedekind besucht., u. Mieze besucht die uns grüßen lässt. Die Kinder u. ich, wir schicken Dir innige Küsse,

Deine Tilly


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Zürich. Schweiz.
Hotel Bellevue.

Tilly Wedekind schrieb am 6. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Dienstag, 6.X.14.


Geliebtester Frank,

herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.10.1914. die mich sehr erfreut! Hoffentlich hält das schöne Wetter an u. fühlst Du Dich weiter recht wohl! Nur die Polizeistunde um 11 Uhr23 Uhr. das ist ja nun gar nichts für Dich. Die Kinder sind wohl u. munter; heute war sehr schlechtes Wetter. Nachmittags war ich mit Anna Pamela bei der Dame nebenanGutta Oberndorfer (geb. Macholl) war seit 1906 mit dem Universitätsprofessor Dr. med. Siegfried Oberndorfer verheiratet, Prosektor (Leiter der pathologischen Abteilung) am städtischen Krankenhaus München-Schwabing, und wohnte im Haus nebenan (Prinzregentenstraße 48) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 493]., Fr. Prof. Oberndorfer. Es war sehr nett. Frl. OrnelliDie Münchner „Hofballett-Solotänzerin“ Anna Hörnlein (Agnesstraße 56) „genannt Ornelli“ [Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 281, 497], die Primaballerina im Ballett des Münchner Hoftheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 504], gab Tanzunterricht, den sie dann auch annoncierte: „Künstlerisch geleitete Kurse für rhythmisch ästhetische Körperbildung sowie für Tanz und gesellschaftliche Formen [...] Einzelunterricht jederzeit Anna Ornelli Königl. Hofsolotänzerin.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 513, 8.10.1916, General-Anzeiger, S. 2] war auch bei mir, | doch ist’s mit den Tanzstunden noch nicht ganz in Ordnung. Emma u. den Mädchen herzl. Dank für I/i/hre Grüße, die ich vielmals erwiedereSchreibversehen, statt: erwidere.. Ebenso Mama u. Mati. Wir Dreie umarmen u. küssen Dich innigst,
Deine Tilly


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau. Schweiz.

Frank Wedekind schrieb am 7. Oktober 1914 in Lenzburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

7.10.14. Innigst geliebte Tilly! Hoffentlich geht es Euch gut und seid Ihr gesund und wohl. Meine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.10.1914. aus Zürich wirst Du erhalten haben. Ich war zwei TageWedekind war vom 4. bis 6.10.1914 in Zürich [vgl. Tb]. dort, wohnte bei Armin und war abends mit ihm zusammenFrank Wedekind verbrachte dem Tagebuch zufolge die Abende des 4.10.1914 („Abends mit Armin Waadtländer Weinstube und auf Safran“) und 5.10.1914 („Mit Armin im Seehof“) mit seinem Bruder Armin Wedekind in Zürich.. Direktor ReuckerWedekind hat Alfred Reucker, Direktor des Stadttheaters (verbunden mit dem Pfauentheater) in Zürich [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 598], am 5.10.1914 aufgesucht: „Besuch im Theater bei Reucker“ [Tb]. läßt sich Dir empfehlen. Gestern Abend fuhr ich hierherWedekind fuhr am 6.10.1914 von Zürich nach Lenzburg: „Fahrt nach Lenzburg. Mati erwartet mich am Bahnhof. Abend mit Mama und Mati.“ [Tb], heute ist schönstes Wetter, voraussichtlich bleibe ich bis Samstagder 10.10.1914. Wedekind blieb bis zum 11.10.1914 in Lenzburg: „Nachmittag nach Zürich. Wohne Hotel Pelikan.“ [Tb] hier. Mama und Mati lassen Dich, Anna Pamela und Fanny Kadidja herzlichst grüßen. Mati ist soweit sehr vergnügt. Gearbeitet habe ich noch nichts, aber das ist ja auch nicht nötig. Briefe bitte ich Dich nur hier nach Lenzburg zu senden. Jetzt werde ich einen SpaziergangWedekind notierte am 7.10.1914: „Spaziergang bis zum zweiten Thor. Nach Tisch mit Mati auf dem Schloß in allen Räumen. Spaziergang mit Mati ins Wyl“ [Tb]. über das Schloß machen und am Nachmittag | voraussichtlich nach Aarau fahren. Küsse die Kinder von mir. Mit innigenSchreibversehen, statt: innigem. Kuß für Dich, geliebte Tilly
Dein Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo
del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstraße 50

Tilly Wedekind schrieb am 7. Oktober 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mittwoch, 7.X.14.


Geliebtester Frank,

von Herzen hoffe ich, dass es Dir so geh/u/t geht wie uns. Hoffentlich hast Du meine Karteneine Bildpostkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.10.1914] und eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.10.1914] an das Hotel Bellevue au Lac in Zürich adressiert, eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.10.1914] nach Lenzburg. erhalten, 2 schrieb ich an’s Hotel Bellevue 1 nach Lenzburg. Deine Karte von Montagvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.10.1914. erhielt ich schon gestern, die Post scheint also sehr gut zu funktionieren. Nun bist Du ja vielleicht schon bei Mama und hast sie sowohl wie Mati hoffentlich recht wohl angetroffen.

Heute Vormittag gieng ich mit den/r/ Kleinen | Anna Pamela abholen von der Schule. (Die Mädchen putzen die Wohnung gründlich.) Es war ein sehr schöner Tag u. die Kinder waren sehr lieb. Die Kleine plauderte unaufhörlich (was sie ja offenbar von mir hat.) Anna Pamela hatte Nachmittags nochmals Schule, Religionsstunde einmal die Woche.

Die Zeitungen lese ich eifrigAnspielung auf „die Kriegsnachrichten [...]. Die in der Presse verbreiteten Annahmen, dass der Krieg bald beendet werden könnte, entpuppten sich rasch als Illusion.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 267], aber man muss sich wohl noch in Geduld fassen. Das „Forum“ kam auchDie im Forum-Verlag in München erscheinende Zeitschrift „Das Forum“ – herausgegeben von Wilhelm Herzog – erschien seit April 1914 (das erste Heft enthält Wedekinds Essay „Weltlage“ und einen Aufruf „Für Frank Wedekind“). Das August-Heft 1914 wurde aufgrund von Herzogs kriegskritischem Leitartikel „Patrioten gegen Patrioten“ sofort konfisziert, „die gesamte Auflage [...] vernichtet“ und gegen Herzog „‚Anklage wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrat‘ erhoben“ [Müller-Feyen 1996, S. 91]; die nächsten Hefte (Heft 5/6 von August/September 1914, Heft 7 von Oktober 1914, das Tilly Wedekind vermutlich vorlag) konnten zwar wieder erscheinen, aber auch diese „Folgehefte seiner Zeitschrift belegten Herzogs demonstratives und unerschrockenes Engagement gegen den Krieg.“ [Müller-Feyen 1996, S. 96] u. waren recht interressanteSchreibversehen, statt: interessante. Artikel darin.

Für Abends bat Frl. RitscherHelene Ritscher (Widenmayerstraße 50) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 565], Schauspielerin und Mitglied des Münchner Hofschauspiels [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503], die Tilly Wedekind und Blanka Marion für den Abend des 7.10.1914 zu sich eingeladen hat. mich u. Frl. Marion zu kommen, da sie allein ist. Ich wollte eigentlich in „Wallensteins Lager„Wallensteins Lager“ (der erste Teil von Friedrich Schillers „Wallenstein“-Trilogie) wurde am 7.10.1914 am Münchner Hoftheater gespielt [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 514, 7.10.1914, General-Anzeiger, S. 2]. | werde nun aber ein andermal gehen. Sonst ist herzlich wenig Interessantes im Theater. Hast Du in Zürich etwas gesehen?

Sei mir nicht böse, wenn ich nicht ausführlicher schreibe, aber es giebt gar nichts Neues. Morgen werde ich mit Frau Dr. Pariser wegen der TanzstundeTilly Wedekind nahm Tanzunterricht bei der Primaballerina des Hofballetts Anna Ornelli [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.10.1914]. sprechen.

Unterhalte Dich recht gut geliebter Frank, u. grüße Mama u. Mati herzlichst!

Von Lenzburg fährst Du wohl nach Aarau? Die Kinder schicken Dir innige Küsse, auch für GroßmutterEmilie Wedekind. u. Tante Mati,.

Innigst umarmt u. küsst Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 8. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Donnerstag, 8.X.14.


Innigst geliebter Frank,

heute war ich den ganzen Tag mit den Kindern spazieren, es war ein herrlicher Tag! Gestern abends war ich mit Frl. Marion bei Frl. Ritschergemeinsam mit Blanka Marion bei der Schauspielerin Helene Ritscher (Widenmayerstraße 50) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 565], Mitglied des Münchner Hofschauspiels [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503]. u. war es sehr gemütlich. Sie war sehr lustig (Frl. Ritscher) u. erzählte viel von ihren VerwundetenHelene Ritscher „sprach sehr wahrscheinlich von Schauspieler-Kollegen“ vom Münchner Hoftheater, die „als Verwundete [...] vom Schlachtfeld zurückkehrten.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 269]. Hr. Dr. HuberDr. phil. Friedrich Markus Huebner in München (Franz Josephstraße 11) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 299], der die neu gegründete Münchner Zeitschrift „Zeit-Echo. Ein Kriegstagebuch der Künstler“ redaktionell betreute; er war ihr eigentlicher „Initiator“ und „erster Schriftleiter [...] von Oktober 1914 bis April 1915.“ [Hubert Roland: Leben und Werk von Friedrich Markus Huebner (1886-1964). Vom Expressionismus zur Gleichschaltung. Münster 2009, S. 57] „Das erste Heft erschien am 21.10.1914.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 270] Die Presse berichtete: „‚Zeitecho, ein Kriegstagebuch der Künstler‘, heißt eine neueste kleine Halbmonatsschrift, die im Graphik-Verlag, München, G.m.b.H., erscheint. [...] Das erste Heft enthält schriftstellerische Beiträge von Michael Georg Conrad, Eduard Graf Keyserling, Rainer Maria Rilke, Annette Kolb [...]. Zu den Mitarbeitern gehören außer diesen u. a.: die Schriftsteller Theodor Däubler, Max Halbe, Thomas Mann, Frank Wedekind [...]. Als Herausgeber zeichnet Otto Haas-Heye; verantwortlich für die Schriftleitung ist F. M. Huebner“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 570, 6.11.1914, Morgenblatt, S. 2]. Wedekind hat in der Zeitschrift nicht publiziert. heißt er glaub’ ich, hat telephoniert. Er hätte mit Dir wegen eines Artikels gesprochen für seine Zeitschrift. Das 1. Heft erscheint bald, sie hätten Deinen Artikel gern dafür gehabt, doch wäre die Sache sehr eilig. Wo hast Du übrigens die ExemplareWedekinds am 18.9.1914 in den Münchner Kammerspielen gehaltener Kriegsvortrag ist am 21.9.1914 im „Berliner Börsen-Courier“ unter dem Titel „Kriegsworte Frank Wedekinds (Vortrag des Dichters, gehalten in der Vaterländischen Feier der Münchner Kammerspiele)“ [KSA 5/II, S. 520-524] sowie am 27.9.1914 im „Berliner Tageblatt“ in anderer Fassung unter dem Titel „Deutschland bringt die Freiheit“ [KSA 5/II, S. 525-529] erschienen [vgl. KSA 5/III, S. 496f.]. Deines | letzten Vortrags? Ich hätte ihn so gern gelesen!

Freue mich sehr auf Deine Nachrichten aus Lenzburg, habe bis jetzt nur die Karte vom 5.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.10.1914.

Innigste Küsse von uns Dreien, Deine Tilly


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau. Schweiz.

Tilly Wedekind schrieb am 9. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Freitag, 9.X.14.


Geliebtester Frank,

heute Deine Karte vom 7.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.10.1914. erhalten, wofür ich Dir herzlichst danke! Du schreibst, Du bleibst bis Samstag dort, nun weiß ich nicht, ob dieser oder nächster Samstag gemeint ist. Jedenfalls schreibe ich lieber, damit Du nicht ohne Nachricht bist. Hoffe, dass Du meine übrigen Nachrichten erhalten hast, ich schrieb täglich. Ich freue mich sehr, dass es Dir gut geht u. erwiedereSchreibversehen, statt: erwidere. Mama’s u. Mati’s Grüße herzlistSchreibversehen, statt: herzlichst.. |

Uns geht es auch allen gut, wir waren spazieren u. haben Besorgungen gemacht. Im Theater war ich noch nicht.

Sei innigst geküsst von uns Dreien,
Deine Tilly


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau. Schweiz.

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 10. Oktober 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, Samstag, 10.X.14.


Innigst geliebter Frank,

hoffentlich hast Du alle meine Nachrichten erhalten. Ich habe täglich geschrieben.

Uns geht es sehr gut u. hoffe ich von Herzen von Dir dasselbe. Ich denke, morgen werde ich wohl auch wieder Nachricht von Dir bekommen. Ich habe eine Karte aus Zürichvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.10.1914. u. eine aus Lenzburgvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 7.10.1914. erhalten. Wie war es in Aarau? Du wirst wohl öfter hinfahren, oder wohl auch paar Tage dort bleiben. Heute dachte ich schon | es käme vielleicht Nachricht wann Du kommst; so hast Du wohl mit Samstag den nächsten gemeint. Hier giebt es nicht Neues, ich verfolge natürlich eifrig die Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Das giebt Einem genug zu denken und habe ich bis jetzt kein Verlangen gehabt irgendwo hinzugehen. In verschiedenen Kino’s sind Aufnahmen vom Kriegsschauplatzvon den Kinos in der Presse annonciert, so „die neuesten Aufnahmen vom Kriegsschauplatz“ im Welt-Kinematograph (Kaufingerstraße 14), „Neueste Berichte vom Kriegsschauplatz“ im Imperial-Theater (Schützenstraße 1a), „Neueste Aufnahmen vom Kriegsschauplatz in 18 Bildern“ in Zach’s Lichtspielen (Rumfordstraße 10), „Neue hochaktuelle Kriegsbilder aus Ostpreussen“ in den Sendlingertor-Lichtspielen, in der Anzeige detailliert und nummeriert aufgelistet, die zuletzt aufgeführte Aufnahme unter dem Titel „Lieb Vaterland magst ruhig sein (deutsche Panzerschiffe)“ – so auch im Programm der Kammer-Lichtspiele (Kauffingerstraße 28): „Allerneueste Aufnahmen vom Kriegsschauplatz. 1. Der durch die Russen zerstörte Bahnhof Rössel. 2. Feldpostbetrieb bei der Armee von Hindenburg. 3. Bilder aus einem Verpflegungsmagazin. 4. Eine Feldküche während der Eisenbahnfahrt in Tätigkeit. 5. Vor den Russen geflüchtete Landleute kehren in ihre Heimat zurück. 6. Ein von den Belgiern geräumter Schützengraben. 7. Deutsche und österreichische Lastautomobile in Belgien. 8. Ein belgischer Herrensitz als Quartier eines deutschen Stabes. 9. Ein vergnügtes Mittagessen an einem Ruhetag. 10. Unsere blauen Jungens. 11. Abfahrt Sr. Exzellenz Fml. Wurm zu einer Besprechung mit Exz. v. Appel. 12. Begegnungen d. Exzellenzen bei Jordan gegenüb. Eucevo. 13. Eine Fahrt durch Feindesland. 14. Panorama vom Höhenzug, auf welchem am 8. September gegen feindliche Truppen in guten Verschanzungen gekämpft wurde. 15. Stilleben. 16. Fernsignalpatrouille vom 5. Dragoner-Regiment gibt Meldung ab. 17. Totalansicht des Pionierfeldlagers an der Drina. 18. Stadt Domnau (Ostpr.), ein Dokument russischer Zerstörungswut. 19. Domnau, Bürgermeister May, welcher russischer Gefangenschaft entkommen, leitet den Durchzug der zurückgebliebenen Flüchtlinge. 20. Von Russen zerstörte Kirche in Allenburg (Ostpr.). 21. Von Russen verwüstete Stadt Darkehmen (Ostpr.). 22. Verwundeten-Fürsorge unter dem Protektorat der Prinzessin Aug. Wilhelm. 23. Der Berliner Sängerbund veranstaltete ein patriotisch. Konzert am Königsplatz in Berlin. 24. Die tapfere Besatzung des deutsch. Unterseebootes U9 wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. 25. Kapitänleutnant Otto Weddingen, der Kommandant des U9. 26. ‚Lieb Vaterland magst ruhig sein!‘“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 520, 10.10.1914, General-Anzeiger, S. 2], das wäre wohl das Interessanteste.

Gesehen habe ich einige bekannte Damen, so Frau SchwanekeElisabeth Luise Schwanneke (geb. Völk), Gattin des Münchner Hoftheaterschauspielers Viktor Schwanneke [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503]., Frl. Marion. Haupt|sächlich war ich mit den Kindern. Ich werde heute Abend einiges lesen, um es morgen den Kindern zu erzählen, AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. hat Ausgang. Die Mädchen haben die Woche die Wohnung geputzt u. gewaschen etz.

Gestern kam aus Grazvon Tilly Wedekinds Eltern Eduard und Mathilde Newes aus Graz. ein kleines Kistchen Birnen, was bei den Kindern u. mir große Freude erregte.

Jetzt haben Beide gebadet, darum schrieb Anna Pamela nicht mehrlediglich den Gruß (siehe unten).. Für morgen liniere ichTilly Wedekind hat auf der Seite 4 des vorliegenden Briefs mit Bleistift Linien als Schreibrahmen für den Gruß ihrer Tochter Pamela an den Vater gezogen und kündigt dies nun für Briefkarten an. ihr ein Kärtchen.

Nun sei innigst umarmt u. geküsst von mir u. den Kindern.

Und behalt uns lieb. Deine Tilly |


Lieber Papa, viele BußerlnKüsse. von SchwesterlSchwesterchen (Kadidja Wedekind). und mir,
Deine Pamela.

Tilly Wedekind schrieb am 11. Oktober 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Sonntag, 11.X.14.


Innigst geliebter Frank,

heute war ein prachtvoller Herbsttag, die schönsten Stimmungen an der Isar u. im englischen Garten. Kalt strahlende Sonnen u. die bunten Blätter. Ich war Vor- u. Nachmittag mit den Kindern spazieren, Vormittag mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], Nachmittag allein. Ich erzählte | Anna Pamela ein Andersen MärchenHans Christian Andersens Märchen „Der Freundschaftsbund“ (1842) spielt in Delphi mit Blick auf den Parnass: „der Ort war geheiligt aus alten Zeiten, selbst der Name erinnert daran, er wird ja Delphi genannt! Die dunkeln, ernsten Berge lagen alle mit Schnee bedeckt, der höchste, der am längsten in der rothen Abendsonne schimmerte, war der Parnaß“ [H. C. Andersen’s Sämmtliche Märchen. Einzige vom Verfasser besorgte deutsche Ausgabe. 27. Aufl. Leipzig 1886, S. 320]., das in Delphi spielt auf dem ParnassGebirgsstock bei Delphi, in der griechischen Mythologie der Musenberg, das Reich der Dichtkunst.. Es gefiel ihr sehr, u. hat sie nun wohl gewaltigen Respect vor meinem Wissen. Die Kleine war entzückt von den/r/ untergehenden Sonne u. dem farbigen Himmel. Zu Hause haben sie noch Kastanien versteckt u. gesucht. Beide waren sehr lieb u. schicken Dir viele Küsse. In treuer Liebe umarmt u. küsst Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Montag, 12.X.14.


Innigst geliebter Frank,

heute war ich das erste Mal im TheaterPaul Heyses historisches Schauspiel „Colberg“ (1865) wurde am Münchner Hoftheater inszeniert (Premiere: 5.10.1914), was das Lob der Presse fand: „Heyse hat die späte Genugtuung, daß endlich sein Colberg in einer patriotisch bewegten Zeit wieder aufgeführt wird, leider nicht mehr erlebt. Der Dichter hat darin die bekannte Episode von der Belagerung der Festung Colberg durch Napoleon und die Franzosen im Jahre 1807 und deren Befreiung durch Gneisenau und den trefflichen Bürger Nettelbeck in fünf kraftvollen Akten behandelt“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 117, Nr. 14, 10.10.1914, S. 604]; die Vorstellung am 12.10.1914 begann um 19.30 Uhr (Ende gegen 22 Uhr) [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 522, 11.10.1914, General-Anzeiger, S. 2]. u. zwar in „Colberg“ im Hoftheater. Es war sehr schön; mag sein, dass man zu anderer Zeit kritischer wäre. Jetzt wirkt es jedenfalls stark. Vormittag war ich zu Hause, Nachmittags besorgte ich Einiges. Aber auch heute kam keine Nachricht von Dir u. ich weiß noch gar nicht, ob Du meine Karten u. Briefe bekommen hast. Das beunruhigt mich sehr! |

Aus Berlin kam ein Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Unbekannt an Wedekind, 11.10.1914 (Absender nicht identifiziert). ohne Adresse des Absenders. Doch kann ich ihn nicht nachschicken ohne ihn zu öffnen.

Viele Küsse von uns Dreien,
Deine Tilly


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau. Schweiz.

Tilly Wedekind schrieb am 13. Oktober 1914 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Schweiz. Telegraphen- und Telephonverwaltung. – Administration des télégraphes et des téléphones suisses. – Amministrazione deitelegrafi e dei telefoni svizzeri.


Telegramm – Télégramme – Telegramma
von – de – da
München [...]


Wedekind
Lenzburg. Schweiz.


Geliebter sehr beunruhigt da seit 4 Tagen ohne Nachricht habe taeglich geschrieben.

Innigst: Tilly.

Frank Wedekind schrieb am 13. Oktober 1914 in Lenzburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Herzlichsten Dank für Deinen Brief von Mittwochvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.10.1914. und die Karten von Donnerstag und FreitagPostkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 8.10.1914 und 9.10.1914].. Deine Karten ins Hotel Bellevueeine Bildpostkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.10.1914] und eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.10.1914]. Die Zustellung der beiden Korrespondenzstücke hat sich um mehrere Wochen verzögert. habe ich leider nicht erhalten. Als ich von Zürich nach Lenzburg gieng waren sie noch nicht da. Jetzt war ich wieder zwei Tage in ZürichWedekind reiste am 11.10.1914 nach Zürich und am 13.10.1914 zurück nach Lenzburg [vgl. Tb]., habe aber nicht mehr gefrag angefragt. Ich freue mich sehr daß es Euch allen Dreien gut geht und daß ihr gesund und munter seitSchreibversehen, statt: seid.. Gestern und vorgestern war ich wieder in Zürich und sprach mit Reucker über eine Aufführung von WettersteinFrank Wedekind verbrachte den Abend des 11.10.1914 in Zürich in Gesellschaft seines Bruders Armin Wedekind (und dessen Töchtern Lilli und Charlotte) mit Alfred Reucker, dem Direktor des Stadttheaters (verbunden mit dem Pfauentheater) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 598]: „Seehof mit Reucker Armin Lilli Lotti. Forellenmahlzeit. Reucker will Schloß Wetterstein mit uns spielen.“ [Tb] Die Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ fand gut drei Jahre später am 15.11.1917 im Pfauentheater in Zürich statt.. Er läßt sich dir bestens empfehlen. Ich denke Anfang nächster Woche, MontagWedekind reiste am 19.10.1914 (Montag) von Lenzburg über Zürich zurück nach München [vgl. Tb]. oder Dienstag zurückzukommen. Heute fahre ich voraussichtlich mit Mati nach Aarau. Also laß es Dir gut gehn, mich freut | es wenn Du ins Theater gehst. Die Angelegenheit mit Dr. HübnerDr. phil. Friedrich Markus Huebner hatte bei Wedekinds Frau nachgefragt, wie es mit einem Beitrag Wedekinds für die neue Münchner Zeitschrift „Zeit-Echo. Ein Kriegstagebuch der Künstler“ aussehe [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 8.10.1914]. Wedekind hat in der Zeitschrift nicht publiziert. hat nicht viel Bedeutung. AllerdingSchreibversehen, statt: Allerdings. habe ich jetzt keine Lust etwas für ihn zu schreiben. Grüße und küsse die Kinder von mir. Mit herzlichstem Kuß Dein
Frank.


Lenzburg 13.10.14.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50

Frank Wedekind schrieb am 13. Oktober 1914 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


tilly wedekind prinzregentenstrasze 50 muenchen =


München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.


Telegramm aus Lenzburg [...]

geliebteste tilly war wieder drei tageWedekind reiste am 11.10.1914 nach Zürich und am 13.10.1914 zurück nach Lenzburg [vgl. Tb]. in zuerich nachricht unterwegsvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 (Postkarte).
herzlichst = frank wedekind.

Tilly Wedekind schrieb am 13. Oktober 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Dienstag abends.
13.X.14.


Innigst geliebter Frank,

noch immer keine Nachricht! Ich grüble nach was wohl die Schuld sein könnte! Ich habe Dir täglich lieb u. herzlich geschrieben. Habe Dir auch Einiges nachgeschickt, unter anderm einen Brief aus Österreichnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Unbekannt an Wedekind, 10.10.1914 (Absender nicht ermittelt).. Er kam offen hierher„Woran Tilly Wedekind vielleicht nicht dachte, war, dass Briefe, vor allem, wenn sie aus dem Ausland eintrafen, während des Krieges von der staatlichen Postüberwachung geöffnet wurden. Dadurch verzögerte sich oft die Zustellung im In- und Auslandsverkehr.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 272f.], war vielleicht nicht richtig | zugeklebt, so steckte ich das Couvert zusammen u. schickte es weiter. Wenn vielleicht das der Grund ist, weiß ich nicht mehr was ich sagen soll! – Hier sind hauptsächlich Drucksachen für Dich da; ausser dem erwähnten, geschlossenen Brief von Berlinnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Unbekannt an Wedekind, 11.10.1914 (Absender nicht ermittelt). /noc/h 2 anderenicht überlieferte Briefe; erschlossene Korrespondenzstücke: Gustav Müllerheintz an Wedekind, 12.10.1914 und Bayerische Vereinsbank an Wedekind, 12.10.1914. – Gustav Müllerheintz war Direktor des Neuen Schauspielhauses in Königsberg [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 468], das er am 3.10.1914 eröffnet hatte; er war der Nachfolger von Josef Geißel. Die Bayerische Vereinsbank hatte ihren Sitz in München (Promenadestraße 14) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 40] und verwaltete das Konto „Ehrengabe Frank Wedekind“ (siehe unten).n; einem/r/ vom Schauspielhaus in Königsberg, einem/r/ von der Bayrischen Bank. |

II.
Auf die beiden hatte ich schon die Adresse geschrieben, als mir einfiel, dass ich sie nicht geschlossen schicken kann. Da es aber beide Geschäftsbriefe waren, öffnete ich sie. Privatbriefe würde ich nicht öffnen. Der Director aus Königsberg schreibt dass er krank u. daher Deine Vorrede„nicht einwandfrei zu ermitteln. Möglicherweise könnte es sich um die ‚einleitenden Worte‘ Wedekinds, ‚Deutschland bringt die Freiheit‘, handeln, die er anlässlich der ‚Vaterländischen Feier‘ in den Münchner Kammerspielen am 18.9.1914 vorgetragen hatte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 273]. nicht halten konnte. Die Bayrische | Bank wartet auf Deine Bestimmung wegen des RestesRestsumme des für die Ehrengabe zu Wedekinds 50. Geburtstag (siehe unten) auf das hierfür eingerichtete Konto bei der Bayerischen Vereinsbank eingegangenen Gesamtbetrags. „Die eingelaufene Summe von 6433 Mark gab Wedekind zu gleichen Teilen an Georg Busse-Palma, Peter Altenberg, Franz Evers, Hanns v. Gumppenberg, Arno Holz und Paul Scheerbart“ [Kutscher 3, S. 175f.]. der Ehrengabe Frank WedekindDer zuerst in der „Zukunft“ (später noch in weiteren Zeitschriften) erschienene Aufruf zu einer Geldsammlung als Ehrengabe zu Wedekinds 50. Geburtstag lautete: „Am vierundzwanzigsten Juli 1914 wird Frank Wedekind fünfzig Jahre alt. Um diesem Dichter, der als einer unserer bedeutendsten Dramatiker um die Freiheit seines Schaffens bis auf den heutigen Tag schwer kämpfen und leiden mußte, einen schwachen Entgelt hierfür und besonders ein Zeichen öffentlicher Verehrung zu bieten, hat sich das unterzeichnete Komitee gebildet. An alle Freunde der Persönlichkeit und des Werkes von Frank Wedekind ergeht die Bitte, sich durch Stiftung einer Summe zu der geplanten Ehrengabe, die dem Dichter an seinem Geburtstag überreicht werden soll, an dieser Feier zu betheiligen und in ihren Kreisen dafür zu wirken. Die Zahlung der Beiträge, zu denen das Komitee mit tausend Mark den Grund gelegt hat, wird an das Check-Konto ‚Ehrengabe Frank Wedekind‘ der Bayerischen Vereinsbank in München, Promenadestraße 1, erbeten. Quittung über die Beiträge erfolgt im ‚Neuen Merkur‘ (Verlag Georg Müller) und im ‚Zwiebelfisch‘ (Verlag Hans von Weber). Herbert Eulenberg. Maximilian Harden. Friedrich Kayßler. Thomas Mann. Kurt Martens. Georg Müller. Baron von Putlitz, General-Intendant. Felix Salten. Hans von Weber.“ [Die Zukunft, Jg. 22, Nr. 35, 30.5.1914, S. 303] . Ich dachte Beides sei nicht eilig, besonders weil ich hoffte, Nachricht zu bekommen wann Du kommst. Das sind nun 4 Tage u. ich habe noch keine.

Ich bitte Dich inständig um Nachricht, so ist das Leben unerträglich.

Küsse von den Kindern u. mir.

In Liebe
Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Dienstagder 13.10.1914. ½ 11 abends22.30 Uhr..


Innigst geliebter Frank,

Gott sei Dank kam eben Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 (Telegramm)., ich danke Dir herzlichst! Hoffentlich hat die Unterschrift„Nach Kriegsbeginn wurde im Postverkehr verordnet, dass bei Telegrammen mit vollem Namen gezeichnet wurde. Tilly irritierte es, dass statt nur mit ‚Frank‘ das Telegramm mit ‚Frank Wedekind‘ unterzeichnet war.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 273] nichts Schlimmes zu bedeuten. Aber ich bin gleich wieder ein anderer Mensch, wenn ich Nachricht von Dir habe! Uns geht es gut, hoffe Dir ebenso. Ich telegr. Wedekind, damit eventuell auch Mama oder Mati das Telegr.vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1914 (Telegramm). öffnen könnten | wenn Du nicht da bist. Gute Nacht für heute. Anna Pamela wirft die Karte ein, wenn sie morgen zur Schule geht. Das Innigste von uns Dreien, Tilly


Grüße Mama u. Mati.


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau. Schweiz.

Frank Wedekind schrieb am 14. Oktober 1914 in Lenzburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Herzlichsten Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 10.10.1914 und 11.10.1914. von Samstag und Sonntag. Meine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 (Postkarte). von gestern wirst du erhalten haben, ebenso mein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 (Telegramm).. Ich komme also Sonntag oder MontagWedekind reiste am 19.10.1914 (Montag) von Lenzburg über Zürich zurück nach München [vgl. Tb]. zurück und werde noch telegraphieren. Hier geschieht nichts. In Aarau war ich noch gar nicht, habe aber gut gearbeitetWedekind hatte am 21.9.1914 den Plan zu einem Bismarck-Drama gefasst, mit der Quellenlektüre zu dem historischen Stoff in München begonnen und sie in Lenzburg fortgesetzt [vgl. KSA 8, S. 657, 666-668, 697f.].. Das Wetter ist andauernd herrlich wie bei euch. Ich gehe möglichst viel spazieren theils mit Mati, theils allein. Die Zürcherdie Familie des Bruders Armin Wedekind in Zürich. haben mir herzliche grüßeSchreibversehen, statt: Grüße. an Dich aufgetragen. Dasselbe thun Mama und Mati. Eugène geht es bis jetzt gut. Er bewacht einen Bahnhofnicht ermittelt; Wedekinds Schwager Eugène Perré war als Franzose auf der Seite der Entente im Krieg eingesetzt.. Dein Alma-BildDas Foto ist im „Wedekindbuch“ veröffentlicht: „Tilly Wedekind als Prinzessin Alma in ‚König Nicolo‘“ [Friedenthal 1914, nach S. 266]; zugleich ist es als Bildpostkarte reproduziert worden. im Salon habe ich einrahmen lassen. Deine | neuen Postkarteneine davon die Bildpostkarte, die Tilly Wedekind als Prinzessin Alma aus „König Nicolo“ zeigt (siehe oben). Wedekind notierte im Tagebuch am 4.8.1914 das Abholen von Fotos („Hole Tillys neue Bilder von Hoffmann“) im Münchner Photographischen Atelier von Heinrich Hoffmann (Georgenstraße 39), am 10.8.1914 deren Reproduktion als Bildpostkarten („Bestelle Postkarten bei Hoffmann nach den neuen Photographien“) und am 11.8.1914 die Rahmung einiger Fotos („Bringe Bilder zum Einrahmen“). Er hat die neuen Bildpostkarten mit in die Schweiz genommen. gefielen Mati sehr. Sie würde sich freuen, wenn Du ihr welche schicken wolltest. Jetzt sei herzlich gegrüßt und geküßt von
Deinem Frank


Herzlichste Küsse an die Kinder.


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del
mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau
Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50.

Tilly Wedekind schrieb am 15. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Donnerstag, 15.X.14.


Innigst geliebter Frank,

heute stand ich um 7 Uhr auf, um gleich wenn die Post kommt nach Deiner Karte zu sehen. Ich war sehr glücklich, dass endlich Nachricht kamvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 (Postkarte).. Hoffentlich geht es Dir in jeder Beziehung recht gut u. hast Du keinen Grund verstimmt zu sein. Die Post ins Hotel BellevueDie an das Hotel Bellevue au Lac in Zürich adressierte Bildpostkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.10.1914] und Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.10.1914] haben Wedekind nicht erreicht. ist sicher längst gekommen. Ab 6.ab dem 6.10.1914. habe ich ja alles nach Lenzburg geschickt. Ich war gestern u. heute mit den Kindern, gestern war der kleine Muzti (v. Kniling)wohl Helmut von Knilling, der 6 ½ Jahre alte Sohn des bayrischen Kultusministers (Staatsminister für Kirchen und Schulangelegenheiten) Eugen von Knilling und seiner Frau Marie von Knilling (geb. Berr), die in München wohnten [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 342]. u. Hansi GlümerHans Blaustein, der 11 Jahre alte Sohn der Schauspielerin Marie Blaustein, genannt Glümer, in München (Mannhardtstraße 3) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 61], aus ihrer Ehe mit Paul Martin. bei den Kindern. Sie waren sehr lustig, ganz aus dem Häuschen. Abends | las ich zur Beruhigung noch eine Geschichte vor. Einmal war ich mit Anna Pamela bei Erna Pariser wo es sehr gemütlich war. Grüße Mama u. Mati. Wir freuen uns auf Dein Kommen! Küsse v. d. Kindern. Mit innigem Kuss für Dich geliebter Frank,
Deine Tilly


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau. Schweiz.

Tilly Wedekind schrieb am 16. Oktober 1914 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Freitag, 16.X.14.


Innigst geliebter Frank,

über Deine beiden Karten vom 14.eine Postkarte Wedekinds an seine Frau [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.10.1914] und eine nicht überlieferte Postkarte (oder Bildpostkarte) an seine älteste Tochter; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 14.10.1914. für Anna Pamela u. mich bin ich sehr glücklich u. danken wir Dir innigst! Hier ist auch herrliches Wetter u. sind wir viel im Freien. Es geht uns sehr gut u. wir freuen uns auf Dein Kommen! Alle die lieben Grüße erwiedereSchreibversehen, statt: erwidere. ich auf’s Herzlichste u. werde ich Mati demnächst die KartenBildpostkarten mit Fotos von Tilly Wedekind in Bühnenrollen als Motiv, darunter ein Foto von ihr als Prinzessin Alma in „König Nicolo“ [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.10.1914]. schicken. | Anna Pamela freut sich sehr über Deine Karte. Sei innigst umarmt u. geküsst von uns Dreien u. frohes Wiedersehn!

Deine Tilly


Abs: Wedekind
München. Prinzregentenstr. 50 III.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau. Schweiz.

Frank Wedekind schrieb am 16. Oktober 1914 in Lenzburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

16.10.14 Innigst geliebte Tilly! Eben erhalte ich Deine Karte vom 12eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.10.1914]. und den Brief vom 13.auf eine Briefkarte geschrieben [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1914 (Brief)]. Herzlichsten Dank. Meine Kartenzwei Postkarten [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 und 14.10.1914]. und das Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 (Telegramm). wirst Du derweil bekommen haben. Ich freue mich sehr, daß es euch allen gut geht. HeuteWedekind notierte am 16.10.1914 den Besuch mit seiner Schwester bei dem alten Schulfreund Arnold Hirzel (seit 1892 Lehrer für alte Sprachen an der Bezirksschule in Aarau und seit 1900 dort Rektor) in Aarau: „Mit Mati nach Aarau. [...] Zum Café bei Arnold Hirzel“ [Tb]. fahren Mati und ich zu Arnold Hirzel nach Aarau. Das Wetter ist so schön daß ich diese Zeilen im freienSchreibversehen, statt: Freien. unter den LindenVor Emilie Wedekinds Wohnhaus im Steinbrüchli standen Linden, unter die man sich setzen konnte; zu sehen auf einer Bildpostkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.6.1912]. schreibe. Ich freue mich auch daß Du im TheaterTilly Wedekind hat am 12.10.1914 im Münchner Hoftheater Paul Heyses Schauspiel „Colberg“ besucht [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.10.1914]. warst. Da ich Sonntag oder MontagWedekind reiste am 19.10.1914 (Montag) von Lenzburg über Zürich zurück nach München [vgl. Tb]. zurückkomme, bitte ich Dich mir | keine fremden Briefe mehr zu schicken, wenn sie nicht sehr dringend sind. Grüße und küsse die Kinder von mir. Mit herzlichstem Kuß
Dein
Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau
Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstraße 50

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 17. Oktober 1914 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg.
Canton Aargau.
Schweiz.


17.X.14.


Innigst geliebter Frank,

herzl. Dank für Dein liebes Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.10.1914.! Falls Du MontagWedekind fuhr am 19.10.1914 (Montag) zurück nach München. fährst, schicken wir Dir hier noch innige Grüße, u. freuen uns auf ein frohes Wiedersehn! Heut kommen Frl. Ritscher u. Frl. Marion. Innigst umarmen u. küssen wir Dich, Deine Tilly |


München. Prinzregentenstrasse mit Schackgalerie.


Pamela

Frank Wedekind schrieb am 17. Oktober 1914 in Lenzburg folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


tilly wedekind
prinzregentenstrasze 50 muenchen =


München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.


Telegramm aus Lenzburg Aargau [...]


geliebte herzlichen dank fuer kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1914 (Postkarte). komme voraussichtlich montagWedekind fuhr am 19.10.1914 (Montag) zurück nach München. abend unterschrift ist vorschriftWedekinds letztes Telegramm (wie auch das vorliegende) war mit seinem vollen Namen gezeichnet, nicht nur mit seinem Vornamen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.10.1914 (Telegramm)], worüber seine Frau irritiert war [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1914 (Postkarte)]. „Nach Kriegsbeginn wurde im Postverkehr verordnet, dass bei Telegrammen mit vollem Namen gezeichnet wurde.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 273] innigste gruesse = frank wedekind

Frank Wedekind schrieb am 19. Oktober 1914 in Zürich folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


= tilly wedekind prinzregentenstrasse 50 muenchen =


München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.


Telegramm aus Zürich [...]


ankomme halb elf uhr22.30 Uhr. Frank Wedekind fuhr am 19.10.1914 von Lenzburg über Zürich, wo er seinen Bruder Armin Wedekind sah, zurück nach München, wo er spät abends eintraf und seine Frau ihn am Hauptbahnhof abholte: „Fahrt nach Zürich Armin sen. Am Bahnhof. Spaziergang mit ihm Fahrt nach München sehr angenehm. [...] Tilly holt mich ab. Wir bleiben zu Hause.“ [Tb] herzlichst = frank wedekind

Tilly Wedekind schrieb am 1. November 1914 in München
an Frank Wedekind

TILLY WEDEKIND |


Geliebter Frank, würdest Du also so gut sein, uns um ½ 2 Uhrum 13.30 Uhr. Wedekind notierte am 1.11.1914 (Totensonntag, Allerheiligen): „Mit Tilly und Annapamela am Waldfriedhof und in Hinterbrühl.“ [Tb] abzuholen? Ich richte Anna Pamela bis dahin fertig.

Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 10. November 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, Fräulein MarionBlanka Marion, die mit Joachim Friedenthal liierte Chorsängerin vom Münchner Theater am Gärtnerplatz [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 510], war etwa seit Ende 1913 mit Tilly Wedekind befreundet. Frank Wedekind notierte am 10.11.1914: „Frl Marion bei Tilly“ [Tb]. hat angerufen, ich wollte gern mit ihr in die Stadt gehen.

Auf Wiedersehen Mittags.

Herzlichst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. November 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich habe Einiges zu besorgen u. möchte nicht so spät fortgehenFrank Wedekind notierte für den Abend des 12.11.1914 den Besuch seines Bruders Armin Wedekind und dessen Tochter Eva Wedekind, mit denen er gemeinsam mit Tilly Wedekind in das Hoftheater-Restaurant ging: „Am Abend kommen Armin sen. und Eva von Zürich. HTR. Armin Eva Tilly ich“ [Tb]. Auf Wiedersehen Mittags. Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 27. November 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich möchte Dich nicht gern wecken, weil Du vielleicht recht spät zu Bett bist. Ich habe Einiges zu besorgen, auf Wiedersehen Mittags.

Innigst, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 30. November 1914 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly!

Geh doch morgen sofort in die Apotheke und hol Dir ein Paket
Sanatogen„diätetisches Nährpräparat, geruch- und geschmackloses weißes Pulver, bestehend aus 95 Proz. Kaseïn und 5 Proz. glyzerinphosphorsaurem Natrium.“ [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 2. Leipzig 1911, S. 602] Das eiweiß- und mineralstoffhaltige Gehirntonikum wurde 1898 von dem Berliner Unternehmen Bauer und Companie entwickelt, in seinen Sanatogen-Werken in Berlin (Friedrichstraße 123) [vgl. Berliner Adreßbuch 1915, Teil I, S. 123] hergestellt und weltweit verkauft. Eine Werbeanzeige empfiehlt „Sanatogen als Kräftigungsmittel 1. bei Nervenleiden 2. bei Rekonvaleszenz und Schwächezuständen aller Art [...] 5. bei Bleichsucht und Blutarmut [...] 7. bei Frauenleiden“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 545, 24.10.1914, Vorabendblatt, S. 4].
oder eine Flasche
Hämatogen„Hommels H., ein eisenhaltiges Blutpräparat, das außerdem phosphorsauren Kalk, phosphorsaures Kalium, Glyzerin, Eiweiß und Alkohol enthält, dient gegen Bleichsucht.“ [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 1. Leipzig 1911, S. 752] Das Blut bildende Kräftigungsmittel ist von Dr. med. Adolf Hommel, der von 1880 bis 1884 an der Universität Zürich Medizin studiert hatte, entwickelt worden; er gründete 1890 in Zürich die Firma Nicolay und Companie, ab 1908 die Aktiengesellschaft Hommel’s Haematogen [vgl. Markus Bürgi: Hommel, Adolf. In: Historisches Lexikon der Schweiz. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014413/2008-01-08/, abgerufen am 23.12.2022], die das Präparat seit 1890 vertrieb; eine Annonce wirbt: „Schwächliche, Blutarme, Nervöse gebrauchen mit großem Erfolg Dr. Hommel’s Haematogen.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 135, Nr. 1273, 31.8.1914, Mittagsblatt, S. (3)] (Dr. Hommels)

Ich weiß nicht mehr wie der Syrup hieß, den uns Dr. Hauschild seinerzeit verschriebenMedikament nicht ermittelt. Dr. med. Johannes Hauschildt war mindestens seit 1904 Wedekinds Hausarzt in München (nachweislich bis Anfang 1914), ab 1907 auch der seiner Frau und seiner Kinder., aber es war englisches Fabrikat und wird jetzt kaum mehr | zu haben sein. Sanatogen hat Mieze früher genommen und war sehr zufrieden damit. Hämatogen schmeckt nicht gut, ist aber seit vierzig Jahren erprobt. Beide Präparate heben die Stimmung und stärken den ApetitSchreibversehen, statt: Appetit.. Das hast du dringend nötig. Beginn also bitte sofort mit einem der Beiden. Schaden können sie dir gar | nichts sondern nur nützen. Ich hoffe daß Du schon davon genommen hast, wenn ich aufwache.

In herzinnigster Liebe
Dein
Frank.

Frank Wedekind schrieb am 1. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebte Tilly! Wie geht es Dir. Hoffentlich hast Du kein Fieber mehr. Ich habe meine Temperatur noch nicht gemessen. Kann ich vielleicht die neuen Schlafpulver haben. Herzlichst | wünscht Dir eine ruhige Nacht. Mit innigem Kuß
Frank

Frank Wedekind schrieb am 5. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly!

Herzlichsten Dank. Mir geht es recht gut. Allerdings halte ich es für besser daß Du jetzt nicht zu mir kommstDas Fieber der Anfang Dezember 1914 an Grippe erkrankten Tilly Wedekind war gesunken und sie hat ihrem Mann mitgeteilt: „Ich möchte schon so gern zu Dir“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.12.1914]., sonderSchreibversehen, statt: sondern. lieber | noch zu Bett bleibst, weil ich vollkommen wehrlosWedekinds Abwehrkräfte waren geschwächt; er war dann vom 6. bis 11.12.1914 schlicht „krank“ [Tb], wie er über diesen Zeitraum notierte. bin und sicherlich auch InfluenzaGrippe. bekäme.

Also schlaf gut.
Innigst
Dein Frank.

Frank Wedekind schrieb am 5. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebte Tilly Herzlichen Dank für Deine lieben Nachrichtenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.12.1914. Es freut mich daß es Dir und den Kindern so gut geht. Auch ich fühle mich ganz wohl. Gemessen habe ich mich heute heutedurch Abriss Papierverlust und somit unvollständiges Wort auf dem Papier, weshalb Wedekind es vorangehend nochmals schrieb. Abend noch nicht da ich vor Tisch schlief. Morgen | Mittag möchte ich am liebsten Caramel AuflaufSchreibversehen, statt: Karamell-Auflauf. Diesen hatte Tilly Wedekind als Mahlzeit für den 6.12.1914 angeboten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.12.1914].. Von Herzen wünsche ich Dir gut zu schlafen und gründliche Erholung. Aber eil Dich nicht mit dem Aufstehn. Ich bin | ganz gut versorgt. Das Bett wurde sehr gut gemacht. Also morgen auf Wiedersehen.

Mit innigstem Kuß
Dein
Frank |


Bitte schick mir doch die leichteren Schlafpulver, damit ich mehr als eines nehmen kann.

Tilly Wedekind schrieb am 5. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank wie geht es Dir denn,? Man hört gar nichts von Dir, Du klingelst garnicht.

Meine TemperaturTilly Wedekind war Anfang Dezember 1914 an Grippe erkrankt und hatte Fieber. ist wieder gesunken hoffentlich steigt sie nicht wieder damit ich morgen aufstehen kann. Ich möchte schon so gern zu Dir. Möchtest Du morgen bischen Haschée oder kleine Bratwürstchen dürftest Du auch haben sagte SkanzoniWedekind notierte am 5.12.1914: „Bleibe zu Bett. Hofrat von Skanzoni kommt am Abend“ [Tb]. Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels war praktischer Arzt, Spezialarzt für Chirurgie und betrieb eine Chirurgische Privatheilanstalt (Werneckstraße 16) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 590].. |

Von Fisch haben sie nichts gesagt sonst hätte ich gedacht eine Forelle. Oder willst Du lieber wieder einen Auflauf, vielleicht Karamel AuflaufSchreibversehen, statt: Karamell-Auflauf.? Dank Dir noch für die Zeitung.

Hier einige Post, wenn Du’s lesen magst. Hoffentlich schläfst Du gut.

Innigst
Deine Tilly


Die Kinder waren sehr lustig, werden wohl morgen aufstehen.

Tilly Wedekind schrieb am 6. Dezember 1914 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Innigst geliebter Frank, ich danke Dir sehr für alles! Wie geht es denn Dir? Ich habe kein Fieber, Du hoffentlich auch nicht! Es ist mir grässlich, dass ich Dir nicht alles bischen angenehmer machen kann, aber mit dem Schnupfen kann ich doch nicht bei Dir sein. So ist’s am BestenSchreibversehen, statt: besten. im Bett zu bleiben, um mög|lichst bald wieder gesund zu sein. Es tut mir leid, dass der Auflauf heuteWedekind hat sich als Mittagsmahlzeit für den 6.12.1914 wie angeboten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.12.1914] Karamell-Auflauf gewünscht [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.12.1914 (zweite Mitteilung)]. nicht so gut war, ich habe gestern die Kochbücher nachgesehen. Sienicht identifiziert; die Köchin oder „Wedekinds Haushälterin.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 279] hat ihn das erste Mal gemacht; nächstes Mal wird er sicher besser.

Schlaf recht gut Geliebter u. sei innigst geküsst von
Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich gehe mit den Kindern. Vielleicht bist Du eingeschlafen, ich möchte Dich nicht wecken.

Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 14. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich gehe wieder mit den Kindern. Auf Wiedersehen Mittags.

Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 15. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich gehe mit den Kindern fort, hoffe aber dass Du wieder eingeschlafen bist u. will Dich nicht wecken. Hoffentlich geht es Dir gut. Herzlichst Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 16. Dezember 1914 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter, ich gehe mit den Kindern; hoffentlich hast Du gut geschlafen.

Innigst Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 24. Dezember 1914 in München
an Frank Wedekind

Meinem
geliebten Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 11. Januar 1915 in München
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich vergaß, Dich um Geld zu bitten, ich brauche leider welches! Würdest Du so gut sein u. mir etwas in das Couvert u. dasselbe in die Briefmappe auf Deinem Schreibtisch legen? Innigsten Dank u. Kuss,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 27. Januar 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, möchte Dich nicht wecken, da ich nicht weiß ob Du nicht spät eingeschlafen bist. Ich besorge ein paar Kleinigkeiten für die Kinder.

Herzlichst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 7. Februar 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich bin nur mit den Kindern ins Klosterunklar, was gemeint ist; in der Liste „Klöster und klösterliche Institute“ [Adreßbuch für München 1915, Teil III, S. 15f.] sind einige der Einrichtungen für Krankenpflege ausgewiesen, aber keine für Wäsche. wegen der Wäsche, komme dann wieder zurück, falls der Verband gewechseltWedekind notierte am 7.2.1915: „Tilly verbindet mich.“ [Tb] „Nachdem Wedekind im Anschluss an die Blinddarmoperation am 9.1.1915 aus dem Krankenhaus entlassen worden war, wurde die Wunde bis zum 5.2.1915 jeden zweiten Tag von Dr. Scanzoni [...] verbunden. Diese Aufgabe übernahm Tilly [...] erstmals am 7.2.1915“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 280], dann wieder am 7.2.1915, 11.2.1915, 25.2.1915 und 28.2.1915 [vgl. Tb]. werden soll. Herzlichst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 1. März 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter, Pamela u. ich gehen noch ein Bischen spazieren, sind bis spätestens ½ 617.30 Uhr. wieder da. Innigst
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 2. März 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, bei Landauerbei Otto Landauer Geschäftshaus für Damenmoden (Kaufingerstraße 26), Inhaber: Leo und Franz Landauer [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 378]. sind Modelle zu sehen, die möchte ich mir gern anschauen, will Dich aber nicht wecken. Dann hole ich Anna Pamela von der Schule ab. Auf Wiedersehen Mittags. Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 3. März 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter, ich vergaß, Dich um Geld zu bitten. Würdest Du mir etwas in das Couvert auf Deinen Schreibtisch legen, unter den Briefbeschwerer? Dank Dir sehr! Innigen Kuss

Frank Wedekind schrieb am 11. April 1915 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Mit den herzlichsten Glückwünschen zu Deinem GeburtstagWedekind notierte am 10.4.1915 „Blumen für Tilly gekauft“ [Tb] und am 11.4.1915 „Tillys Geburtstag“ [Tb] – seine Frau wurde 29 Jahre alt.,
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 7. Mai 1915 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


7. Mai.15.


Mein lieber, guter, teurer, einziggeliebter Frank,

könnte ich Dir doch mit den zärtlichsten Namen alles sagen, was ich für Dich empfinde! Ich muss an Dich schreiben, denn ich kann doch an nichts anderes denken. Als ich eben am Heimwegvon der Klinik, wo ihr Mann lag, zur Wohnung in der Prinzregentenstraße 50. Wedekind lag seit dem 14.4.1915 in der Privatheilanstalt Josephinum (Schönfeldstraße 16) [vgl. Adressbuch für München 1915, Teil I, S. 310], wo er am 15.4.1915 zum zweiten Mal operiert worden ist (die erste Blinddarmoperation war am 29.12.1914); er blieb dort bis zum 9.6.1915: „Aus der Heilanstalt Josephinum entlassen, fahre mit Tilly nach Haus.“ [Tb] alles überdachte was Du gesagt hast, da wurde mir sehr schwer u. bang um’s Herz! Wie kannst Du nur so hoffnungslos sein, als ob es mit Dir schlimm stände. Das würdest Du zuerst mir anmerken, denn ich könnte es nicht vor Dir verbergen. Es ist freilich eine schreckliche Zumutung an Deine Geduld nun noch eine Zeitlang zu|warten zu müssen, bis Du ganz gesund bist. Aber Du wirst gesund Frank, Lieber, Geliebter, Einziger!

Und Du wirst mir dann einen Fußtritt geben, ich weiß es u. doch ersehne ich es, dass Du endlich wieder Herr Deiner Kräfte bist. Es tut mir so furchtbar weh, Dich leiden zu sehen. Auf den Knieen Frank bitte ich Dir ab, womit ich Dich in meiner Dummheit u. Gedankenlosigkeit gekränkt haben sollte. Wenn ich wirklich mit Schuld trage an dem was Du auszustehen hast, dann verdiente ich, dass man mir einen Stein um den Hals bindet u. mich im Meer versenkt wo es am tiefsten ist. Dann verdiente ich, dass mir meine | beiden, lieben Kinder genommen würden,. d/D/ass ich an den Straßenecken stehen u. betteln müsste.

Dein Bild steht vor mir, Du stehst aufrecht hinter dem Tisch, u. Du siehst mich vorwurfsvoll an. Immer wenn ich es ansehe, sehe ich den Vorwurf in Deinen Augen.

Warum willst Du nicht, dass ich länger bei Dir bin? Wie ich Dich pflegen, Dir vorlesenWedekind notierte am 6.5.1915: „Tilly liest mir bis zum Verlassen der Klinik vor: Onkel Benjamin. Aus Alt-Ischl Euripides Iphigenie in Tauris Göthe Iphigenie in Tauris Schiller: Briefe über Don Carlos Rezension über Egmont.“ [Tb] Im Tagebuch finden sich krankheitsbedingt vom 16.4.1915 bis 1.5.1915, vom 7. bis 23.5.1915, vom 25.5.1915 bis 8.6.1915, vom 17.6.1915 bis 8.8.1915, vom 10. bis 15.8.1915 sowie vom 17. bis 29.8.1915 keine Einträge. durfte fand ich darin Erleichterung, bildete mir ein Dir etwas zu helfen. Den übrigen Tag kann ich doch auch nichts tun, bin nicht fähig irgend etwas zu tun.

Geliebter Frank, ich bin ja so schrecklich unglücklich, dass ich so dumm u. faul u. unfähig bin, kein Mensch kann mehr unter sich leiden | wie ich unter mir leide. Je klarer ich mir aber über mich werde, desto weniger kann ich mich aufraffen. Solchle Menschen wie mich, müsste man erschlagen.

Und alles was ich sagen könnte, sieht vielleicht wie eine Anklage gegen Dich aus, u. soll doch nur Selbstanklage sein.

Ich wünsche Dir eine andere Frau u. den Kindern eine andere Mutter.

Aber Lieber, Liebster versprich mir, dass Du noch ein klein wenig Geduld haben willst; dann wirst Du endlich gesund u. kommst wieder zu Kräften. Und wenn es nur wäre, um mir den Fußtritt zu geben –

Ich küsse Dir Mund u. Hände!

Deine Dir ewig dankbare
Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 8. Mai 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, sei mir nicht böse, wenn ich Vormittag nicht komme. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], das offenbar auch für andere Aufgaben als die Kinderbetreuung eingesetzt war. soll die Wäsche vorrichten zum bügeln u. da es ganz schön ist, will ich’s wagen u. mit der Kleinen bischen an die Luft gehen.

Wenn es Dir recht ist, komme | ich Nachmittag zwischen ½ 4 u. 4 Uhrzwischen 15.30 und 16 Uhr.. Innigst küsst Dich Geliebter,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 12. Juni 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, wir fahren also mit den Kindern in den zoologischen Garten. Auf Wiedersehen Mittags.

Innigst,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. Juni 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, wir gehen spazieren, ich möchte Dich nicht gern zu früh wecken. Auf Wiedersehn Mittags.

Innigst, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 17. Juni 1915 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Liebe Tilly

Bitte mich zu wecken wenn der Arztunklar, welcher Arzt gemeint ist. Die nicht heilen wollende Operationswunde Wedekinds, der am 9.6.1915 aus der Privatheilanstalt Josephinum entlassen worden ist, wurde in den nächsten Tagen ambulant in der Klinik verbunden; vom 17.6.1915 bis 29.8.1914 finden sich – abgesehen vom 16.8.1915, an dem er notierte: „Zum ersten Mal aufgestanden“ [Tb] – keine Einträge im Tagebuch. kommt –

Frank

Tilly Wedekind schrieb am 23. Oktober 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, es tut mir leid, dass ich Dich vor dem Theater nicht mehr sah. Nachmittags wollte ich Dich nicht mehr stören, als wir weggiengenSchreibversehen, statt: weggingen.. Auf Wiedersehen nach dem TheaterWedekind notierte am 23.10.1915: „Tilly mit Anna Pamela in Hänsel und Gretel im Hoftheater.“ [Tb] Seine Frau und seine Tochter besuchten die Inszenierung des Märchens „Hänsel und Gretel“ am Königlichen Hof- und Nationaltheater, die Vorstellung begann um 19.30 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 542, 23.10.1915, Morgenblatt, S. 3]. Wedekind selbst war dem Tagebuch zufolge am 23.10.1915 zunächst im Café Luitpold („Café Luitpold“), dann in der Torggelstube („T.St. mit Reßner Martens Halbe Friedenthal Anneliese Frl. Huber“)..

Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 15. November 1915 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich habe Einiges zu besorgen, möchte Dich aber nicht gern wecken. Aus NürnbergEmil Meßthaler, Eigentümer des Intimen Theaters in Nürnberg [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 518], dürfte versucht haben, Wedekind telefonisch zu erreichen, nachdem er ihm bei einem Besuch in München ein Gastspiel in Nürnberg angeboten hat. Wedekind notierte am 11.11.1915 in München ein Treffen mit Emil Meßthaler (und Joachim Friedenthal) im Café Luitpold: „C.L. mit Friedenthal und Meßthaler. Meßthaler ventiliert Gastspiel Nürnberg“ [Tb]. Unklar ist, wann Emil Meßthaler von München abreiste und zurück in Nürnberg war, von wo aus er telefonisch wohl zu erfahren suchte, wie es mit dem in Aussicht genommenen Gastspiel stehe, ob Wedekind zusage. Es kam nicht zustande. wollte man Dich wieder sprechenHinweis auf mehr als einen Versuch, Wedekind telefonisch zu erreichen.. Du möchtest das Fernamt anrufen, dann wirst Du verbunden.

Innigst, Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 24. Dezember 1915 in München
an Frank Wedekind

Meinem geliebten Frank!

Weihnachten 1915.

Tilly Wedekind schrieb am 16. Januar 1916 in Budapest folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

ZÁRT-LEVELEZÖ-LAP


Czim Herrn
Frank Wedekind
Budapest
Erzsébet-KörútErzsébet körút (ungar.) = Elisabeth-Boulevard, Teil des großen Boulevard (Nagykörút) in Budapest, Adresse des Hotels Royal (Elisabeth-Boulevard 45-47), in dem Frank und Tilly Wedekind während ihres Gastspiels in Budapest (siehe unten) logierten. Hotel Royal |


Sonntag.


Geliebter Frank,

möchte Dir nur schnell mitteilen was ich an Trinkgeldern gab, damit Du nicht doppelt giebst. Wie ich mit dem Gepäck abfuhrWedekind, der mit seiner Frau seit dem 29.12.1915 zu einem Gastspiel vom 1. bis 15.1.1916 in Budapest war [vgl. Tb], notierte am 16.1.1916: „Frühstück auf meinem Zimmer. Tilly packt die Koffer und fährt nach Wien.“ [Tb], standen alle da. Dem Mädchen 3 Kr. | dem Diener 1 Kr. Den Hausknechten für die Koffer 2 Kr. Dem Portier 1 Kr. Dem an der Haustür 60 Hl. Ich hoffe, dass es so recht ist. Auf Wiedersehen morgenWedekind notierte am 17.1.1916 die Rückreise von Budapest nach München über Wien und Salzburg: „Prachtvolle Fahrt mit Mittagessen im Zug. Ankunft in Wien [...] Auf dem Bahnhof treffe ich Tilly [...] Im Schlafwagen bis Salzburg. Rasche Paßrevision.“ [Tb] abend um ½ 10um 21.30 Uhr. am Westbahnhof! Innigen Kuss,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 19. Januar 1916 in München
an Frank Wedekind

Liebster, auf der Post hätten S/s/ie für’s nachsendenHinweis auf ein nicht überliefertes Telegramm: erschlossenes Korrespondenzstück: Großherzogliches Hof- und Nationaltheater Mannheim an Wedekind, 19.1.1916. – Das vorliegende Billet lag dem Telegramm bei, das Tilly Wedekind ihrem Mann nachsandte, der am 19.1.1916 nach Mannheim zu dem dort anstehenden Gastspiel gereist ist, bei dem am 22.1.1916 „König Nicolo“ gespielt wurde, wie im Tagebuch festgehalten ist („Generalprobe von Nicolo. Vorstellung von Nicolo“), und am 24.1.1916 „Erdgeist“ („Generalprobe von Erdgeist. Erdgeistvorstellung“), obwohl das Mannheimer Hoftheater zuerst telegrafiert hatte, „Erdgeist“ werde nicht gespielt [vgl. Großherzogliches Hof- und Nationaltheater Mannheim an Wedekind, 18.1.1916]. Das hier zur Debatte stehende Telegramm dürfte die Nachricht vom Vortag revidiert und mitgeteilt haben, „Erdgeist“ werde doch gespielt. Das erfuhr Wedekind auch vor Ort; er notierte am 19.1.1916: „Mittag begleitet mich Tilly zum Bahnhof. Fahre allein nach Mannheim. Parkhotel. Im Theater erfahre ich von Regisseur Weichert daß Erdgeist doch gespielt wird.“ [Tb] Richard Weichert, Regisseur am Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters in Mannheim [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 493], führte bei dem Gastspiel Wedekinds die Regie. 5 M. verlangt, nachdem sie’s geöffnet hatten u. die Anzahl der Wortein dem Telegramm, das dem vorliegenden Billet beigelegt war (siehe oben). „Das Telegramm zeichnet sich aus durch Worttarif: Je kürzer, desto günstiger ist es.“ [Holzheid 2011, S. 102] sahen. So sende ich’s lieber Express. Ich freu’ mich sehr darüberüber die nun doch angesetzte „Erdgeist“-Aufführung im Rahmen des Gastspiels am Mannheimer Hoftheater (siehe oben). Tilly Wedekind spielte die Lulu, Frank Wedekind den Dr. Schön – für beide fand die Presse lobende Worte. Sie gebe „die Lulu voraussetzungslos, dieses schöne, lauernde, triebhafte Tier, von erstarrender Monotonie seelischen Erlebens, spürsinnig, nachtwandlerisch sicher in ihrer Sinnlichkeit. Keine Gemeinheit, sondern Natur. [...] In eben dem Maß, wie diese Lulu animalisch, triebhaft gefaßt wird, vergeistigt sich der Dr. Schön in der Darstellung Wedekinds; er wird durchsichtiger. Der Gewaltmensch, der brutale Genießer und Verächter des Gegebenen, wirkt sich in ihm kaum physisch aus. Es ist die überragende geistige Schärfe und Kälte, das zu Ende Denken, was ihn die Wirklichkeit bezwingen läßt.“ [KSA 3/II, S. 1244; „Badische Neueste Nachrichten“, 25.1.1916] „Ihren Gatten im Spiel ergänzend, zeigte Tilly Wedekind ihre angenehme, nicht aufdringliche Kunst. [...] Die Lulu im ‚Erdgeist‘ stand dieser schlanken biegsamen Gestalt ausgezeichnet: sie war ganz das in unbewußter egoistischer Initiative handelnde Weib.“ [O.M.G.: Großh. Hof- und Nationaltheater Mannheim. In: Badische Landeszeitung, Jg. 75, Nr. 42, 26.1.1916, Abendblatt, S. (2)] Über ihn hieß es: „hier in der Tragödie vom Kampf der Geschlechter, vom vergeblichen Aufbäumen des Mannes gegen das dämonische, das animalische ins Geistige zerrende Tigerweib Lulu schöpfte der Dichter die letzten Reste menschlichen Fühlens und leidenden Genießens aus seinem Chefredakteur Doktor Schön“, ihr attestiert man „Leidenschaftlichkeit des Spieles“ und „Schlagkraft der Sprache“ [Rudolf Karl Goldschmit: Wedekind am Mannheimer Hoftheater. In: Karlsruher Tagblatt, Jg. 113, Nr. 26, 27.1.1916, 2. Blatt, S. 5].. |

Innigsten Kuss von Deiner Tilly


TILLY WEDEKIND

Frank Wedekind schrieb am 19. Januar 1916 in Mannheim folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


[...] Tilly Wedekind
Prinzregentenstrasse 50


München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.


Telegramm aus Mannheim [...]


bitte sachen zu erdgeist mitbringenKostüme und Requisiten für „Erdgeist“ – die Tragödie sollte außer „König Nicolo“ (Vorstellung am 22.1.1916) im Rahmen des Gastspiels von Frank und Tilly Wedekind am Großherzoglichen Hof- und Nationaltheater Mannheim nun doch gespielt werden, nachdem ihre Aufführung zunächst telegrafisch abgesagt worden war [vgl. Großherzogliches Hof- und Nationaltheater Mannheim an Wedekind, 18.1.1916]. Frank Wedekind war am 19.1.1916 nach Mannheim gefahren: „Mittag begleitet mich Tilly zum Bahnhof. Fahre allein nach Mannheim. Parkhotel. Im Theater erfahre ich von Regisseur Weichert daß Erdgeist doch gespielt wird.“ [Tb] Richard Weichert, Regisseur am Mannheimer Hoftheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 493], führte die Regie. Nach nur einer „Erdgeist Probe“ [Tb] am 21.1.1916 fand die Generalprobe und die „Erdgeist“-Vorstellung am 24.1.1916 statt: „Generalprobe von Erdgeist. Erdgeistvorstellung.“ [Tb] Das Gastspiel war ein Erfolg: „Frank und Tilly Wedekind sicherten an zwei Gastspielabenden dem hiesigen Theater ein nahezu ausverkauftes Haus.“ [O.M.G.: Großh. Hof- und Nationaltheater Mannheim. In: Badische Landeszeitung, Jg. 75, Nr. 42, 26.1.1916, Abendblatt, S. (2)] Die Presse bemerkte aber auch: „Wedekind zur Kriegszeit ist in den Augen vieler, die ihn kennen und erst recht derer, die ihn nicht kennen, sondern nur hassen und verspotten, ein Wagnis für den Bühnenleiter. Der erste Teil der Lulutragödie ‚Erdgeist‘ mutet dem Theater sogar eine recht schwere Belastungsprobe zu. Aber da nun Wedekind am liebsten seinen Doktor Schön spielt, so führte man ihm zu Ehren am Montag auch den Erdgeist auf.“ [Rudolf Karl Goldschmit: Wedekind am Mannheimer Hoftheater. In: Karlsruher Tagblatt, Jg. 113, Nr. 26, 27.1.1916, 2. Blatt, S. 5] heidelberg umsteigenTilly Wedekind reiste am 20.1.1916 von München über Heidelberg zum Gastspiel (siehe oben) nach Mannheim und traf um 20 Uhr dort ein, wie ihr Mann notierte: „Nachmittag geschlafen Um 8 Uhr hole ich Tilly vom Bahnhof Abendessen im Hotel.“ [Tb] herzlich grüsst
frank

Tilly Wedekind schrieb am 26. Januar 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter, hier die Verrechnung rückwärts.

Ich wollte ich könnte alles was Du durchmachst auf mich nehmen!

Schlaf gut, Deine Tilly |

Karte    32.70

Gepäck  7. –

              39.70

[rechts daneben notiert:]

Auto 3.50

v. den 10. – M.

Frank Wedekind schrieb am 27. März 1916 in Lenzburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo
del mittente. – Testo.


Innigst geliebte Tilly!

Mit Armin fuhr ich gesternFrank Wedekind, dessen Mutter Emilie Wedekind am 25.3.1916 in Lenzburg gestorben ist, fuhr am 26.3.1916 von München über Lindau und Zürich – von dort gemeinsam mit seinem Bruder Armin Wedekind – nach Lenzburg: „Sechs Uhr aufgestanden. Tilly begleitet mich zum Bahnhof. [...] Schererei in Lindau. Mit Armin von Zürich nach Lenzburg. Schöne Fahrt. Er erzählt Mamas Tod.“ [Tb] Nachmittag von Zürich hierher, traf Mieze Walter und EmmaFrank Wedekinds Schwester Erika Wedekind, ihr Mann Walther Oschwald und Emma Wedekind, Armin Wedekinds Gattin. hier. Den Abend verbrachten Mieze, Walter und ich im Steinbrüchliim Wohnhaus der verstorbenen Emilie Wedekind in Lenzburg, in dem sie von 1892 bis zu ihrem Tod gelebt hatte.. Vor|aussichtlich fahre ich mit Mieze und Walter am Freitag zurück nach München. Wahrscheinlich fahren die beiden gleich weiter nach Dresden. Alle lassen Dich herzlich grüßen. Gustav Henckell war in MünchenGustav Henckel besuchte zwei Vorstellungen im Rahmen des Wedekind-Zyklus an den Münchner Kammerspielen vom 12.2.1916 bis 11.3.1916, eine Vorstellung des „Erdgeist“ (Premiere am 26.2.1916, weitere Vorstellungen am 27.2.1919, am 1., 4. und 11.3.1916), in der Tilly Wedekind die Lulu spielte, und eine Vorstellung des „Marquis von Keith“ (Premiere am 12.2.1916, weitere Vorstellungen am 13., 16., 17., 22. und 24.2.1916 sowie am 2., 5. und 8.3.1916), in der sie die Anna von Werdenfels spielte. in Erdgeist und Keith Du hast ihm ausgezeichnet gefallen. Das nähere über unsere Ankunft in München telegraphiere ich Dir dann. Hoffentlich geht es euch gut. Küsse die Kinder von mir. Mit innigsten Grüßen Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 27. März 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Lenzburg. Canton Aargau.
Schweiz


Abs: Wedekind, München
Prinzregentenstr. 50


27.III.16.

Mein geliebter Frank, meine Gedanken waren heute immer bei Dir u. Deinen Geschwistern. Ich war Nachmittags mit den | Kindern in der Kirche, u. wir dachten an die gute, alte GroßmutterEmilie Wedekind, die am 25.3.1916 in Lenzburg gestorben ist – Frank Wedekind ist am 26.3.1916 zur Beisetzung seiner Mutter in die Schweiz gereist.. Ich gieng Vor- u. Nachmittag mit den Kindern, da AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. zu bügeln hatte u. Franziska„als Haushaltshilfe erstmals namentlich erwähnt.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 285] Dein Zimmer putzte. Gesehen habe ich niemanden. Dr. Friedenthal hat angerufen u. wollte Dich heute treffen; da sagte ich ihm, dass Du verreist bist u. dass Deine Mutter gestorben ist. Er lässt Dich grüßen u. Dir t/s/ein Beileid aussprechen. Wann kommst Du wieder Geliebter? Kommt Mieze über München? Sei von Herzen geküsst, auch v. d. Kindern, Deine Tilly


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Sonst nichts Neues.

Frank Wedekind schrieb am 29. März 1916 in Lenzburg folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

28/9/.3.16

Geliebteste Tilly! Über die BeisetzungEmilie Wedekind wurde in Aarau eingeäschert, die Urne in Lenzburg beigesetzt. Wedekind notierte am 27.3.1916 (Montag) über die Beisetzung seiner Mutter: „Armin junior kommt. Während des Mittagessens wird der Sarg abgeholt. In Zwei Wagen nach Aarau. Verbrennung. [...] Rückfahrt [...]. Abend Mieze Emma Walter und ich beim Bier. Mieze erzählt die Geschichte von Mamas Testamenten.“ [Tb] Er notierte am 29.3.1916 (Mittwoch): „Mit Mieze zum Stadtweibel wegen der Asche [...]. Die Asche wird irrtümlich ins Haus gebracht und stört den Kafé [...]. Beisetzung der Asche auf dem Kirchhof während des Abendläutens. Mieze Emma Frau Maier, ich und die Totengräber des Weibel.“ [Tb] Ein Stadtweibel ist in der Schweiz ein Amtsdiener. am Montag erzähle ich Dir wenn ich zurück bin. GesternWedekind notierte am 28.3.1916 über seinen Ausflug nach Zürich: „Walter fährt nach Basel zu seiner Mutter ich nach Zürich. Probe von Ratkliff im Theater. [...] Rückfahrt nach Lenzburg.“ [Tb] Wedekind sprach im Stadttheater in Zürich mit dem Direktor des Theaters Alfred Reucker über ein Gastspiel – während einer Probe der Oper „Ratcliff“ (1914) von Volkmar Andreae (nach Heinrich Heines Tragödie „William Ratcliff“), die am 30.3.1916 am Stadttheater Schweizer Premiere hatte [vgl. Volkmar Andreaes Oper „Ratcliff“ im Stadttheater. In: Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 12, Nr. 90, 31.3.1916, 2. Blatt, S. (2)]. war ich in Zürich, sprach mit Reucker, habe aber vorläufig nichts erreicht. Übermorgen FreitagWedekind notierte am 31.3.1916 über seine Rückfahrt nach und Ankunft in München: „Armin begleitet uns auf den Bahnhof. Fahrt nach Zürich [...]. Sehr behagliche Fahrt über den Bodensee nach München ohne besondere Paßschwierigkeiten. Mieze Walter Tilly und ich beim Bier Hotel Grünwald.“ [Tb] Frank und Tilly Wedekind sowie Erika Wedekind und Walther Oschwald kehrten in München im Hotel Grünwald (Hirtenstraße 25) [vgl. Adreßbuch für München 1916, Teil I, S. 224] ein. fahren wir also voraussichtlich. Wenn du uns abholst, gehen wir dann zusammen noch auf eine Stunde ins Hotel Grünwald. Am andern Vormittag kommen dann Walter und Mieze zu uns. Um ein Uhr geht ihr Zug nach Dresden weiter. Hoffentlich | geht es Dir und den Kindern gut. Morgen sind noch allerhand Scherereienwohl den Nachlass seiner Mutter betreffend; Wedekind notierte am 30.3.1916: „Dr. Widmer und Stadtschreiber kommen Inventarisation.“ [Tb] zu erledigen. Küsse die Kinder von mir und sei herzlichst geküßt von Deinem
Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale


Frau Tilly Wedekind
Prinzregentenstr 50
München

Tilly Wedekind schrieb am 29. März 1916 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

S.H. Herrn
Frank Wedekind
Zürich V.
Seefeldstr.


Abs: Wedekind München. Prinzregentenstr. 50


29.III.16. Mein geliebter Frank,

leider habe ich keine andere Karte u. will Dir doch gern heute noch schreiben. Frankfurter hat teleph.Eugen Frankfurter, Theateragent in Nürnberg, hat in München wegen in Aussicht genommener Gastspiele oder Vorträge Wedekinds angerufen. DasSchreibversehen, statt: das Gastspiel. Ein Gastspiel oder Vortrag Wedekinds in Hannover fand nicht statt.s für April ist auf Herbst verschoben, da Hannover jetzt nicht abschließen kann. Aber wegen StuttgartEin Gastspiel oder Vortrag Wedekinds in Stuttgart fand nicht statt. wollte er Antwort. Nachrichten kamen keine von dort. Ich giengSchreibversehen, statt: ging. nicht in den Vortragangesichts der abendlichen Uhrzeit (21 bis 22 Uhr) im Poststempel der vorliegenden Bildpostkarte wohl ein Vortrag an diesem Abend des 29.3.1916. Das dürfte diese unter „Konzerte und Vorträge“ für 20 Uhr angekündigte Veranstaltung gewesen sein: „Heute Mittwoch abend finden statt: 8 Uhr in den Vier Jahreszeiten der Kammerkunstabend von Mirjam Horwitz und Erich Ziegel von den Münchner Kammerspielen. Am Klavier Professor Hermann Zilcher.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 162, 29.3.1916, Morgenblatt, S. 2] Geboten wurden von Erich Ziegel „Vorlesung eigener Werke“, von seiner Frau Mirjam Horwitz: „Christliche, jiddische und deutsche Volkslieder.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 157, 26.3.1916, Vorabendblatt, S. 6], mir kam vor es geht | nicht gut. Sei von Herzen umarmt innigst Geliebter, von Deiner Tilly


MÜNCHEN Maximilianbrücke

Frank Wedekind schrieb am 31. März 1916 in Zürich folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


= tilly wedekind
prinzregentenstrasze 50 muenchen =


München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt München.


Telegramm aus Zürich [...]


= ankommen heute abend 10 uhr 45 bitte abholenum 22.45 Uhr am Münchner Hauptbahnhof. Wedekind notierte am 31.3.1916 seine Reise von Lenzburg über Zürich zurück nach München: „Fahrt nach Zürich [...] Sehr behagliche Fahrt über den Bodensee nach München ohne besondere Paßschwierigkeiten. Mieze Walter Tilly und ich beim Bier Hotel Grünwald.“ [Tb] Frank und Tilly Wedekind sowie Erika Wedekind und Walther Oschwald kehrten abends in München wie geplant [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1916] im Hotel Grünwald (Hirtenstraße 25) [vgl. Adreßbuch für München 1916, Teil I, S. 224] ein. essen im zug mieze faehrt gruehÜbertragungsfehler, statt: frueh. weiter herzinnig = frank

Tilly Wedekind schrieb am 7. April 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich möchte Dich nicht gern wecken. Ich habe einige ReperaturenSchreibversehen, statt: Reparaturen. abzuholen u. Einiges zu besorgen. Auf Wiedersehen Mittags.

Innigst, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 9. April 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Geliebter Frank,

etwas hat Dich wieder verstimmt.

Weil ich sagte ich lass’ Harden grüßenWedekind, der am 10.4.1916 nach Berlin reiste, hatte unter anderem vor, sich dort mit Maximilian Harden zu treffen, was allerdings erst am 21.4.1916 der Fall war: „Zu Mittag bei Harden.“ [Tb]? Vielleicht war es überflüssig, aber nichts weiter als eine Redensart.

Oder weil ich kein Geld hatte? Du fragtest ob ich mehr brauche, ich sagte, Du kannst mir’s ja morgen geben! Wie ich oft schon sagte, – es hat ja Zeit bis morgen. Nur um Dich nicht länger aufzuhalten.

Hier eine Aufstellung von dem was wir gebraucht ha|ben. Für mich selbst habe ich 9 M. gebraucht, für ReperaturenSchreibversehen, statt: Reparaturen. meiner Uhr u. Perlen u. Handschuhe waschen, da wir kein Benzin haben.

Aber vielleicht ist es wieder etwas ganz anderes.

Ich schreibe es nur dies als Erklärung falls es nur ein Missverständniss sein sollte. Damit Du nicht überflüssig darüber nachdenkst.

Mein Lebenszweck ist es ja wohl mein Leben lang darüber nachzudenken was Dich verstimmt hat.

Nun Gute Nacht.

Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 11. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

11.4.16 Mittag


Geliebteste Tilly! Nach sehr ruhiger FahrtWedekind notierte am 10.4.1916 über seine Reise von München nach Berlin: „Ruhige Fahrt nach Berlin.“ [Tb] ging ich gestern AbendWedekind notierte für den Abend des 10.4.1916 in Berlin: „Union-Kino. Pschorrbräu.“ [Tb] Das Union-Theater, Inhaber: Union-Theater GmbH, hatte mehrere Kinos – Friedrichstraße Ecke Taubenstraße, Alexanderplatz, Moritzplatz, Unter den Linden 21, Nollendorfplatz 4, Hasenheide, Reinickendorfer Straße 14, Kurfürstendamm 26, Weinbergsweg, Hauptstraße 49 in Schöneberg [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil IV, S. 195]. Welchen Film – „Der Schirm mit dem Schwan!“ und „Seine Braut!“ (sie wurden aufeinander folgend gezeigt), „Liebespech“ oder „Glaubensketten“ – Wedekind in einem von den „Unionstheatern“ [Die Films der Woche. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 184, 9.4.1916, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (2)] der dort laufenden „Lustspielwoche“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 187, 11.4.1916, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (1)] sah, ist unklar; angekündigt war: „Die U. T. haben in dieser Woche in der Mehrzahl sich ein Lustspielprogramm zusammengestellt. In dem ‚Schirm mit dem Schwan‘ zeigt sich Henny Porten [...]; es wurde herzlich gelacht, noch herzlicher bei der Paulig-Posse ‚Seine Braut‘, deren Handlung [...] von [...] drastischer Komik ist. In anderen U. T. steht ‚Liebespech‘ [...] auf dem Programm, während in noch anderen der Film ‚Glaubensketten‘ weiter gezeigt wird.“ [Filmwoche. In: Berliner Volks-Zeitung, Jg. 64, Nr. 184, 9.4.1016, Morgen-Blatt, 1. Beiblatt, S. (2)] Nach dem Kino dürfte Wedekind das Pschorrbräu-Restaurant Gebhardt und Stutzenbacher (Friedrichstraße 165) [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 759] aufgesucht haben. ins Uniontheater Kino und nach einem Trunk Bier zu Bett. Heute Dreimaskenverlag, wo man mir sagt daß das Geld abgeschicktWedekind, der am 11.4.1916 seinen Besuch beim Drei Masken Verlag in Berlin (Nollendorfstraße 13/14) – „Dreimaskenverlag“ [Tb] – festhielt, hat im Kontobuch die Summe von 1000 Mark wohl nachträglich am 10.4.1916 unter den Einnahmen notiert: „Drei Masken Vorschuß“ [Mü, L 3512]. Er bestätigte das brieflich [vgl. Wedekind an Drei Masken Verlag, 3.5.1916]. sei. Bitte mir dreihundert Mark zu schicken. Außerdem schick mir bitte die beiden Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Kurt Hezel an Wedekind, 12.2.1916 und 25.3.1916. von Kurt Hetzel, die in meinem Briefkästchen auf dem Schreibtisch stecken. Eben hatte ich eine umfassende UnterredungWedekind notierte am 11.4.1916: „Besuch bei Glasenapp Polizeipräsidium.“ [Tb] Curt von Glasenapp, inzwischen Oberregierungsrat [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 805], seinerzeit Gast bei Wedekinds Heirat am 1.5.1906 in Berlin, war als Leiter der Abteilung für Theater im Berliner Polizeipräsidium [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil II, S. 57] verantwortlich für die Zensurverbote von Wedekinds Dramen. Wedekind hat den Besuch mit ihm wohl verabredet [vgl. Wedekind an Curt von Glasenapp, 5.4.1916]. mit ORR Glasenapp, der sich Dir empfehlen läßt. Dann | war ich im Deutschen TheaterbureauWedekind notierte am 11.4.1916: „Deutsches Theater mit Kahane gesprochen“ [Tb]; er sprach mit Arthur Kahane, Dramaturg am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) zu Berlin (Schumannstraße 12-13a), an dessen Arbeitsplatz im Deutschen Theater: „Dramturgisches Bureau.“ [Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 287].. Heute AbendWedekind notierte am 11.4.1916: „Abend Der eingebildete Kranke Ballet.“ [Tb] Wedekind sah in den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) um 20 Uhr die Inszenierung von Molières Komödie „Der eingebildete Kranke“ (1673) mit anschließendem Ballett: „Kammerspiele. 8: Der eingebildete Kranke. Hierauf: Ballett.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 187, 11.4.1916, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (1)] Max Reinhardt sprach er nicht; er hatte allerdings ein „Gespräch mit Else Bassermann über Erdgeist.“ [Tb] Else Bassermann (geb. Schiff), Schauspielerin am Berliner Lessingtheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 295], die mit Wedekind per Du war [vgl. Else Schiff an Wedekind, 21.3.1916], sprach mit ihm wohl über eine mögliche „Erdgeist“-Inszenierung am Lessingtheater [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.4.1916], die dann am Theater in der Königgrätzer Straße (Premiere: 4.11.1916) realisierte wurde. im „Eingebildeten Kranken“ werde ich voraussichtlich Reinhardt sprechen. Hoffentlich geht es Dir und den Kindern gut.

Innigste Küsse. Dein Frank.


[am unteren Rand Seite 1 nachträglich:]

Herzlichste Glückwünsche zu deinem GeburtstagTilly Wedekind hatte am 11.4.1916 ihren 30. Geburtstag, der wegen Frank Wedekinds Reise nach Berlin am 8.4.1916 in München vorgefeiert wurde: „Wir feiern Tilly Geburtstag.“ [Tb]


Postkarte

I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstr. 50 3r

Tilly Wedekind schrieb am 11. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel an dem Zool. Garten


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50


Mein lieber, geliebter Frank,

hoffentlich hast Du eine angenehme FahrtWedekind reiste am 10.4.1916 nach Berlin: „Tilly begleitet mich auf den Bahnhof Ruhige Fahrt nach Berlin.“ [Tb] gehabt u. fühlst Dich in Berlin | wohl! Gestern war ich nicht aus. Ich hatte zu Hause Verschiedenes zu tun; Nachmittags las ich die Zeitungen. Die Kinder waren mit AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. spazieren. Nach Tisch übten wir auch auf der Guitarre. In Berlin giebt es viel Interessantes zu sehen das wird Dich hoffentlich zerstreuen. War Martens denn im Zug u. habt Ihr Euch im Speisewagen getroffen? Mittwoch abends gehe ich mit Fr. Dr. Pariser zu dem LiederabendDer Liederabend der Koloratursopranistin und Münchner Hofopernsängerin Hermine Bosetti [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 502] fand am 12.4.1916 um 20 Uhr im Hotel Vier Jahreszeiten statt; angekündigt war: „Der Liederabend der Kammersängerin Hermine Bosetti findet Mittwoch, 12. April, in den Jahreszeiten statt.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 177, 6.4.1916, Morgenblatt, S. 2] Dann war angezeigt: „Heute Mittwoch abend finden statt: 8 Uhr in den Vier Jahreszeiten der einzige Liederabend der Kammersängerin Hermine Bosetti. Am Klavier Wolfgang Ruoff.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 188, 12.4.1916, Morgenblatt, S. 2] von der Bosetti. Viele BusserlnKüsse. v. d. Kindern. In dankbarer Liebe umarmt Dich, Deine Tilly


11.IV.16. Früh.

Tilly Wedekind schrieb am 12. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel.


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München


Mein geliebter Frank, das Telegramm an das Hotelnicht überliefert. Tilly Wedekind dürfte das Telegramm an das Eden-Hotel in Berlin (Kurfürstendamm 246), in dem ihr Mann dann logierte, gleich nach seiner Abreise von München am 10.4.1916 aufgegeben haben: „Tilly begleitet mich auf den Bahnhof [...] Fahrt nach Berlin. Eden Hotel.“ [Tb] kam doch rechtzeitig, ich hatte es gleich aufgegeben. Hast Du ein hübsches Zimmer u. bist | Du zufrieden? Hoffentlich ist Deine Stimmung gut u. fühlst Du Dich wohl! Den Kindern geht es sehr gut; gestern war wieder ein schöner Tag, sie waren spazieren. Ich half in der Küche mit einen Apfelstrudel machen, Nachmittags war ich bei Frau Mannbei Mimi Mann (geb. Kanova), seit dem 27.8.1914 verheiratet mit Heinrich Mann; das Ehepaar hat am 1.4.1916 eine neue Wohnung bezogen (Leopoldstraße 59, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 446]. die leidend ist u. zu Bett liegt. Dann besorgte ich noch einige Vorräte„Die Lebensmittel wurden im Kriegsjahr zusehends knapper; die wichtigsten Nahrungsmittel gab es nur gegen Lebensmittelmarken“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 289].. Hoffentlich siehst Du viele nette, anregende Menschen, mit denen Du Dich unterhalten kannst. Ich denke sehr viel an Dich. In treuer Liebe umarmt Dich, Deine Tilly


12.IV.16. Früh.

Tilly Wedekind schrieb am 12. April 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

12.IV.16. Mittags.


Geliebter Frank,

eben Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.4.1916. von gestern Mittag erhalten. Ich danke Dir sehr, auch für Deine Glückwünschezu Tilly Wedekinds 30. Geburtstag am 11.4.1916.!

Das Geld kam1000 Mark vom Drei Masken Verlag in Berlin, die am 10.4.1916 unter den Einnahmen im Kontobuch notiert sind: „Drei Masken Vorschuß“ [Mü, L 3512]. auch heute u. sende ich gleichzeitig mit diesemSchreibversehen, statt: diesem Brief. 300 M. per Postanweisung. Das Übrige werde ich aufheben. Hier sind die Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Kurt Hezel an Wedekind, 12.2.1916 und 25.3.1916. von Kurt | Hetzel. Du wirst ja wohl von Berlin nach Dresden u. Leipzig fahren.

Mein Vater schrieb mir gesternDer Brief von Eduard Newes an seine Tochter ist nicht überliefert., heute kam ein Brief von MarthaDer Brief von Martha Newes an ihre Schwester ist nicht überliefert..

Viele BusserlnKüsse. von den Kindern. Sei innig geküsst lieber, geliebter Frank, von Deiner Tilly

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 13. April 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 13.4.16.


Mein liebster, geliebter Frank,

heute bekam ich keine Nachricht. Ich hoffe nur, dass Du guter Stimmung bist! Ich habe gestern noch alles abgeschickt was Du wolltest, das Geld und die Briefe300 Mark und zwei Briefe von Kurt Hezel [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.4.1916 (Briefkarte)].. Abends schickte ich noch einen Brief vom Frankfurter Stadttheaternicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schauspielhaus Frankfurt am Main an Wedekind, 11.4.1916. – Das Frankfurter Schauspielhaus (Intendant: Max Behrend, Spielleitung: Karlheinz Martin) gehörte zu dem Vereinigten Stadttheater in Frankfurt am Main [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 399, 403]. nach. Gestern Nachmittags war ich bei Frau Glümer zum Thee eingeladenbei der Schauspielerin Marie Glümer – das ist Marie Blaustein (Mannhardtstraße 3) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 63] – vom Münchner Schauspielhaus [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 505], wo Tilly Wedekind die Schauspielerinnen Mirjam Horwitz und Lucy von Jacobi von den Münchner Kammerspielen [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 506] traf., ich traf Frau Horwitz u. Fr. v. Jacobi dort. Abends war ich mit Frau Dr. Pariser im Bossetti ConzertDer Liederabend der Münchner Hofopernsängerin Hermine Bosetti [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 502] fand am 12.4.1916 um 20 Uhr im Hotel Vier Jahreszeiten statt, wie angezeigt war: „Heute Mittwoch abend finden statt: 8 Uhr in den Vier Jahreszeiten der einzige Liederabend der Kammersängerin Hermine Bosetti. Am Klavier Wolfgang Ruoff.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 188, 12.4.1916, Morgenblatt, S. 2] Er war ein Erfolg: „Aus der Gabenfülle ihres bedeutenden, neuerlichen Rühmens kaum bedürftigen gesanglichen und vortraglichen Könnens schöpfte Kammersängerin Hermine Bosetti an ihrem Liederabend, den die Zuhörer in der gewohnten Begeisterung und lauten Gunstbezeigung aufnahmen. Wo Anmut, Grazie, unbeschwerte Leichtigkeit und Schelmerei mit Liebreiz der Stimme zu einem bestrickenden, durch keinerlei falsche Züge gestörten Gefühls- und Darstellungsbild sich einen, ist Frau Bosettis Kunst am stärksten und wirkungssichersten. Da ergibt man sich ihr ohne Zaudern und mit hellem Vergnügen.“ [Aus den Münchner Konzertsälen. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 191, 14.4.1916, Vorabendblatt, S. 3]. Es war wunderschön. Sie sang Schumann, Schubert, Wolf u. Strauß. |

Herr Dr. Pariser erwartete uns nachher u. wir aßen zusammen zu Abend. Sie waren sehr lieb, wir sprachen von der Bosetti, von der Politik u. natürlich von Dir. Wir hätten Dir gerne eine Karte geschrieben, doch war keine ordentliche zu bekommen. Heute u. morgen bin ich mit den Kindern zusammen, weil die Mädchen„die Hausangestellten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 290] Anna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], und Franziska, die „Haushaltshilfe“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 285]. Wäsche haben. Samstag Nachmittag tanzt HillyGemutmaßt wurde hier eine nicht nachweisbare „Münchner Tanzlehrerin“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 290]. Es handelte sich aber um die bald vierzehnjährige Hilde Pariser, genannt Hilly, die am 15.4.1916 in einer privaten Veranstaltung (öffentlich nicht angezeigt) in München tanzte, eine Tochter von Erna und Ludwig Pariser, die später eine berühmte Primaballerina und Ballettmeisterin war. So auch bei Fritz Strich: „Tanzabend von Hilly Pariser.“ [GB 2, S. 373], ich gehe mit Pamela zusehen.

Bassermann u. Wegener gastieren hierAlbert Bassermann, Schauspieler vom Berliner Lessingtheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 307], gastierte am Münchner Hoftheater, wo er in Goethes „Faust“ die Rolle des Mephistopheles spielte [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 192, 14.4.1916, General-Anzeiger, S. 2] und am Münchner Residenztheater in Shakespeares „Othello“ die Titelrolle: „Herr Albert Bassermann als Gast.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 190, 13.4.1916, General-Anzeiger, S. 2] Paul Wegener, Schauspieler vom Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 302], gastierte am Münchner Volkstheater (siehe unten).. Aber im Hoftheater ist es zu teuer. Ich wäre gern mit Pamela zu „Räuber“ gegangen im VolkstheaterIm Münchner Volkstheater (Direktion: Otto Beck) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 506] stand am 15.4.1916 um 19.30 Uhr auf dem Programm: „Letztes Gastspiel: Paul Wegener vom Deutschen Theater in Berlin. Die Räuber. Schauspiel in 5 Auszügen von Schiller.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 194, 15.4.1916, General-Anzeiger, S. 2] Paul Wegener spielte in Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ die Rolle des Franz. aber das ist gerade Samstag wo wir zu Hilly sollen. |

II. Nach Tisch üben Pamela u. ich auf der GuitarreWedekind hatte am 27.1.1914 „Tilly lernt Guitarre“ [Tb] notiert, am 21. bis 23.3.1916 dann „Anna Pamela Guitarrenstunde“ [Tb]. damit wir nicht während Deiner Abwesenheit alles verlernen. Ich hab’s jetzt auch heraus, wie man stimmen muss. Dann lehre ich sie noch einige Kinderlieder am Klavier mit Begleitung. Sie begreift sehr rasch.

Nächste Woche werde ich sehen ob Fr. Baronin WedellBegegnungen mit Lida von Wedell gab es zuvor dem Tagebuch zufolge am 12.3.1916 im Hoftheater-Restaurant („HT.R. mit Tilly [...] und Baronin Wedel“) und am 21.3.1916 („Zum Thee bei Baronin Wedel mit Tilly“); sie zeichnete Tilly Wedekind am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“). Lida von Wedell zeichnete aber auch Frank und Tilly Wedekind, darunter Karikaturen zu ihren Auftritten in „Marquis von Keith“ und „Hidalla“, zeitgenössisch veröffentlicht zum Auftakt des Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu Berlin [vgl. Wedekind in der Karikatur. Zum Gastspiel Frank und Tilly Wedekinds im Deutschen Theater in Berlin. Zeichnungen von Lida Baronin v. Wedell, München. In: Der Welt-Spiegel. Illustrierte Halbwochenschrift des Berliner Tageblatts, Nr. 48, 15.6.1916, S. 3]. ein Bild von mir beginnen kann. Ist es Dir recht?

Von Herzen wünsche ich Dir alles Gute mein Liebster und umarme Dich innigst!

Deine Tilly |


Lieber Papa!

Wie geht es Dir? Uns geht es gut. Die Schule ist schon am 15. aus. Wir haben 14 Tage Ferien. Viele Grüße u. Küsse von
Kadidja u. Pamela!


den 13. April.

Tilly Wedekind schrieb am 14. April 1916 - 15. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

14.IV.16.


Geliebter Frank,

heuteder 14.4.1916 (Freitag). war ein regnerischer Tag, ich war nur Vormittags mit den Kindern spazieren. Nachmittags spielten sie zu Hause. Es geht I/i/hnen gut. Gestern u. heute kam keine Nachricht von Dir. Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir zwei Zeilen schreiben wür|dest wie es Dir geht.

Es umarmt Dich innig
Deine Tilly.


Heuteder 15.4.1916 (Samstag)., Samstag Früh, wieder keine Karte.


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50
50


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel

Frank Wedekind schrieb am 14. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50/3


Geliebteste Tilly! Innigen Dank für Deine beiden Kartenzwei Postkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.4.1916 und 12.4.1916]. und die Übersendungeine Briefkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.4.1916], der die beiden Briefe von Kurt Hezel beilagen. der Briefe Hetzelsnicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Kurt Hezel an Wedekind, 12.2.1916 und 25.3.1916., die ich vorderhand nur der Adresse wegen brauche um ihm zu antworten für den Fall daß ich über Leipzig fahre. Drei prachtvolle VorstellungenWedekind notierte am 11.4.1916: „Abend Der eingebildete Kranke Ballet.“ [Tb] Er sah in den Kammerspielen des Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) um 20 Uhr die Inszenierung von Molières Komödie „Der eingebildete Kranke“ (1673) mit anschließendem Ballett: „Kammerspiele. 8: Der eingebildete Kranke. Hierauf: Ballett.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 187, 11.4.1916, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (1)] Die Hauptrolle spielte Max Pallenberg, Regie führte Max Reinhardt. – Wedekind notierte am 12.4.1916: „Königgrätzerstraße Traumspiel von Strindberg“ [Tb]. Er sah August Strindbergs Drama „Ein Traumspiel“ (1902, deutsche Buchausgabe 1916 im Verlag Georg Müller), das erstmals deutschsprachig im Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard, Rudolf Bernauer) in Berlin zu sehen war (Premiere: 17.3.1916), in der Vorstellung am 12.4.1916 um 19.30 Uhr [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 189, 12.4.1916, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (2)]. In Hauptrollen waren Willy Appelt, Irene Triesch und Ludwig Hartau zu sehen, Regie führte Rudolf Bernauer, die musikalische Leitung hatte Rudolf Moesgen. – Wedekind notierte am 13.4.1916: „König Lear mit Wüllner“ [Tb]. Er sah im Rahmen des Shakespeare-Zyklus am Deutschen Theater in Berlin am 13.4.1916 um 19.30 Uhr die Premiere von „König Lear“ [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 191, 13.4.1916, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (1)] mit Ludwig Wüllner in der Hauptrolle unter der Regie von Max Reinhardt. habe ich gesehen: Eingeb. Kranke, | Traumspiel von Strindberg und Lear mit Wüllner. Reinhardt war noch nicht zu sprechenWedekind sprach mit Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters in Berlin und der Kammerspiele des Deutschen Theaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 287, 289], am 17. und 19.4.1916 [vgl. Tb]., jetzt bin ich auf dem Weg zu BarnowskyWedekind notierte am 14.4.1916: „Unterredung mit Barnowsky wegen Erdgeist.“ [Tb] Er sprach mit Victor Barnowsky, Direktor des Berliner Lessingtheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 294], über eine mögliche „Erdgeist“-Inszenierung, die aber nicht zustande kam.. An Bekannten sah ich nur Dr. LewinWedekind notierte am 12.4.1916 im Zusammenhang mit seinem Theaterbesuch (siehe oben) seine Begegnung mit Ludwig Lewin: „treffe Dr. Lewin.“ [Tb]. Martens war nicht im Zugin dem Zug, mit dem Wedekind am 10.4.1916 nach Berlin reiste; seine Frau hatte angenommen, er sei mit Kurt Martens gereist [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.4.1916].. Ich wohne hier sehr gut, habe ein reizendes kleines Zimmer, jetzt werde ich mich auch nach Harden umsehen, eventuell nach Cassirer. Erreicht habe ich noch gar nichts, aber den II AktWedekind notierte im Tagebuch in Berlin am 11.4.1916 („Pschorrbräu an Eulenspiegel gearbeitet“), 12.4.1916 („Wilhelmshallen Eulenspiegel gearbeitet“) und 13.4.1916 („Eulenspiegel gearbeitet [...] Eulenspiegel 2. Akt fertig geschrieben“) seine Arbeit am 2. Akt der Komödie „Till Eulenspiegel“, eine Umarbeitung von „Oaha“ [vgl. KSA 8, S. 398f., 406-410]. von Eulenspiegel fertig umgearbeitet. Wichtig waren meine beiden Besprechungen mit GlasenappWedekind notierte am 11.4.1916 „Besuch bei Glasenapp Polizeipräsidium“ [Tb] und am 12.4.1916 „Unterredung mit Glasenapp“ [Tb]. Curt von Glasenapp war als Leiter der Abteilung für Theater im Berliner Polizeipräsidium [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil II, S. 57] verantwortlich für die Zensurverbote von Wedekinds Dramen. über die Aufführungsmöglichkeiten meiner sämmtlichen Stücke. Hoffentlich geht es Euch allen gut und langweilst Du Dich nicht. Küsse die Kinder von mir. Mit innigstem Kuß Dein Frank

Tilly Wedekind, Ludwig Pariser, Erna Pariser und Pamela Wedekind schrieben am 15. April 1916 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel.


Herzlichste Grüße nach Hilly’s schönem TanzabendDie nicht öffentliche Veranstaltung am 15.4.1916, bei der Hilde Pariser tanzte, als Tanznachmittag angekündigt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.4.1916], begann um 18 Uhr [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.4.1916 (Brief)]., Deine Tilly =Das „=“-Zeichen ist mit einem Oval umschlossen (Bedeutung unklar, vielleicht als Streichung intendiert).


Recht schöne Grüsse u. hoffentl. auf baldges Wiedersehen
Ihr Ludwig Pariser


Schade, daß Sie nicht dabei waren, und herzlichen Gruß
von Erna Pariser. |


MÜNCHEN Armeemuseum


Grüße Pamela!

Frank Wedekind schrieb am 15. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


I H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


15.4.16

Innigst geliebte Tilly! Eben erhalte ich Deinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.4.1916. vom 13. Bis vorgestern Abend hatte ich gar keine Nachricht von Dir. Das Geld300 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.4.1916; Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.4.1916 (Briefkarte)]. habe ich gestern erhalten. Reinhardt habe ich noch nicht gesehenWedekind sah Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters in Berlin und der Kammerspiele des Deutschen Theaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 287, 289], am 17. und 19.4.1916 [vgl. Tb]., hatte aber gestern Abend lange Unterredung mit BarnowskyWedekind notierte am 14.4.1916: „Unterredung mit Barnowsky wegen Erdgeist.“ [Tb] Er sprach mit Victor Barnowsky, Direktor des Berliner Lessingtheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 294], über eine mögliche „Erdgeist“-Inszenierung, die aber nicht zustande kam.. Möglich daß ich Simson und KeithWedekinds „Simson“ und „Marquis von Keith“ kamen im Rahmen des Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin zur Aufführung. hier in Berlin | herausbringe. Bassermann und WegnerAlbert Bassermann, Schauspieler vom Berliner Lessingtheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 307], gastierte am Münchner Hoftheater, Paul Wegener, Schauspieler vom Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 302], gastierte am Münchner Volkstheater – Tilly Wedekind hat beide Gastspiele nicht besucht [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.4.1916]. hättest Du Dir wohl ansehen können. Heute hoffe ich mit Harden zusammenWedekind war mit Maximilian Harden erst am 21.4.1916 zusammen [vgl. Tb]. zu sein. Die ersten Tage der nächsten Woche bleibe ich jedenfalls noch hier, da Jeßner Ein Treffen Wedekinds in Berlin mit Leopold Jessner, Direktor des Neuen Schauspielhauses in Königsberg und dort zugleich Oberspielleiter [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 465], gemeinsam mit Ludwig Lewin und Carl Heine kam nicht zustande.hierherkommt und ich mit ihm, Dr. Lewin und Carl Heine etwas zustande zu bringen hoffe. Ich habe mir hier einen neuen Gürtel„Wedekind hatte nach seiner Blinddarm-Operation, da die Operationswunde nicht abheilen wollte, sich einer Nachoperation zu unterziehen. Da es auch danach zu keiner völligen Abheilung kam und er weiterhin Beschwerden hatte, trug er seit September 1915 einen Leibgürtel (Bruchbinde), der mehrmals neu gefertigt werden musste.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 292] machen lassen, der mir um vieles bequemer ist und mir und Dir sicherlich manchen Ärger erspart hätte. Ich behellige Dich nicht gerne damit, ich schreibe es nur, damit du meine Widerwärtigkeiten nicht für Einbildungen hältst. Sei innigst geküßt und küsse die Kinder von mir
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 15. April 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

15.IV.16.

Nachmittag.


Mein innigst geliebter Frank,

heute Mittag kam Deine liebe, von mir heißersehnte Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.4.1916.! Ich kann nicht verlangen, dass Du mir täglich schreibst. Aber ruhiger bin ich schon, wenn ich auch nur paar Zeilen von Dir bekomme. Ich freue mich sehr darüber, dass Du schöne Vorstellungen gesehen hast u. ich hoffe, dass Du nun auch | angenehme Gesellschaft findest. Wirst Du die Eysold nicht sehen oder Adele? Fräulein Marion war gestern abends bei mir. Wir unterhielten uns sehr angeregt; sie ist ein ganz gescheidtesSchreibversehen, statt: gescheites. Mädchen u. hat ihr Leben sehr tapfer in die Hand genommen. Das gefällt mir sehr an ihr.

Nächste Woche werde ich wohl die Baronin WedellLida von Wedell sollte Tilly Wedekind porträtieren [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.4.1916] – sie zeichnete sie dann dem Tagebuch zufolge am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“). Lida von Wedell zeichnete aber auch Frank und Tilly Wedekind, darunter Karikaturen zu ihren Auftritten in „Marquis von Keith“ und „Hidalla“, zeitgenössisch veröffentlicht zum Auftakt des Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu Berlin [vgl. Wedekind in der Karikatur. Zum Gastspiel Frank und Tilly Wedekinds im Deutschen Theater in Berlin. Zeichnungen von Lida Baronin v. Wedell, München. In: Der Welt-Spiegel. Illustrierte Halbwochenschrift des Berliner Tageblatts, Nr. 48, 15.6.1916, S. 3]. sehen. |

II. Jetzt will ich die Zeitungen lesen u. um 6 Uhrum 18 Uhr. Tilly Wedekind besuchte mit ihrer Tochter Pamela am 15.4.1916 eine nicht öffentliche Tanzveranstaltung von Hilde (Hilly) Pariser, Tochter des befreundeten Ehepaars Erna und Ludwig Pariser. gehe ich mit Pamela zur Hilly.

Ich langweile mich absolut nicht, im Gegentheil die Zeit ist immer zu kurz.

Das Geld hast Du bekommen? Pamela brachte sehr gute Noten | heim u. ein Fleißbillet. Bis 1. Mai haben sie Ferien. Am Montag kommen einige Freundinnen zu ihr. Die Kleine klopfte neulich bei Dir an u. sagte: „Bitte, Papa komm’ zu Tisch.“ Sie dachte nicht daran dass Du fort bist.

Sei innig von mir geküsst Geliebter!
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 16. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
W. Berlin W.
Eden Hotel
am Zoologischen Garten


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50


Liebster, einziger Frank, danke Dir sehr für Deine lieben Karten an Pamela u. michvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.4.1916 – und eine nicht überlieferte Postkarte (oder Bildpostkarte): erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 15.4.1916.! Ich verstehe gar nicht, dass meine Kartendie am Dienstag [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.4.1916] und Mittwoch [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.4.1916] abgeschickten Postkarten. solange brauchen. Die 1. schickte ich Dienstag Vormittag die 2. | Mittwoch Vormittag. Ich bin so froh wenn es Dir gut geht u. habe nie angenommen, dass es Einbildungen sind, wenn Du verstimmt warst. – Frank, könntest Du mir einen Anhaltspunkt geben wie ich die Guitarre stimmen soll. Da sind wir in Verlegenheit. Man kann ja eine nach der anderen stimmen wenn man am 5. Bund wo der Einschnitt ist die vorherige niederdrückt. Nur g muss man am 4. Bund drücken um h zu stimmen. Aber das tiefe E, woran hält man sich da? Das Klavier stimmt nicht, das e auf der Stimmpfeife ist so hohSchreibversehen, statt: hoch.. Bitte sag es mir!

Unternimm’ nur alles was Dir Freude macht u. sei innigst geküsst von mir Lieber!
Deine Tilly.


Viele BusserlnKüsse. v. d. Kindern. Sonntagder 16.4.1916. Mittag

Frank Wedekind schrieb am 16. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


I.H
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


16.4. 16.

Innigst geliebte Tilly! Eben erhalte ich Deine Kartedie auf den 14.4.1916 datierte Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.-15.4.1916]. vom 14. Ich habe außer Mittwoch und Donnerstag, wo ich noch gar keine Nachricht von Dir hatte jeden Tag an Dich geschrieben. Offenbar braucht ja die Post zwei Tage. Gestern nachdem ich Dir eben geschriebenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.4.1916. hatte traf ich | RathenauWedekind notierte am 15.4.1916: „Treffe Rathenau auf der Potsdamer Straße.“ [Tb] auf der Potsdamer Straße und werde heute AbendWedekind notierte am 16.4.1916: „Abends [...] bei Rathenau.“ [Tb] Maximilian Harden ist nicht bei Walther Rathenau (Königsallee 65 im Grunewald) [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 2326] erschienen; er hatte abgesagt, sein Kommen aber doch in Aussicht gestellt [vgl. Maximilian Harden an Wedekind, 15.4.1916]. mit Harden bei ihm sein. Mit BarnowskyWedekind notierte am 14.4.1916: „Unterredung mit Barnowsky wegen Erdgeist.“ [Tb] Er sprach mit Victor Barnowsky, Direktor des Berliner Lessingtheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 294], über eine mögliche „Erdgeist“-Inszenierung, die aber im Lessingtheater nicht zustande kam. geht die Sache gut aber noch keine Entscheidung. Es wird mich sehr freuen wenn Fr. v. Wedel ein schönes Bild von Dir macht (Ballet- oder LamiakostümTilly Wedekind trug in „Erdgeist“ und in „Die Zensur“ ein Ballettkostüm [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 293], in „Der Stein der Weisen“ trug sie in der Rolle der Lamia ein kurzes Kleid, „das die Arme frei läßt“ [KSA 6, S. 256]. Ob Lida von Wedell sie so zeichnete, ist nicht ermittelt.. So ungeniert wie möglich!) Gestern war ich bis drei Uhr Mittags im MuseumWedekind notierte am 15.4.1916: „Bis drei Uhr in der Nationalgalerie“ [Tb]. „Die National-Galerie, östlich vom Neuen Museum an der Spree, [...] enthält Gemälde, Kartons, farbige Zeichnungen berühmter deutscher Maler und Plastiken angesehener Bildhauer des 19. Jahrhunderts. Im I. Geschoß befinden sich [...] die [...] deutschen Modernen. Im II. Geschoß [...] die Schulen aus der Mitte des Jahrhunderts. Im III. Geschoß die Bildwerke aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts, [...] ferner Gemälde moderner ausländischer Künstler“ [Berliner Adreßbuch 1916, Teil II, S. 312].. Abends habe ich gearbeitet. Was am Theater sehenswürdig ist habe ich gesehen. Kauf Dir die Zukunft und lies den Artikel „Mördergrube.“ Der kann uns den Frieden bringenWedekind, der am 15.4.1916 notiert hat: „Abend im Pschorrbräu Hardens Mördergrube gelesen“ [Tb], las den Artikel „Die Mördergrube“, der das ganze aktuelle Heft der von Maximilian Harden herausgegebenen Zeitschrift „Die Zukunft“ einnimmt, mit Zitaten französischer und deutscher Pressestimmen zur Weltkriegslage durchsetzt ist und in dem es abschließend heißt: „Keinen Willensstrom wird unsere Sintfluth so lenzlich schwellen wie den Völkerdrang nach unerschütterbar fest in die Erde, den Herzenshimmel eingemauerten Frieden. […] Dieses Krieges Ziel muss Weltwende sein. Aus Indiens, Israels, Griechenlands Weisheitborn tränkte Jesus die Seele. Und der aus hundert Wundmalen blutende Heiland hat den Buddha, hat Jahwe und Platon besiegt.“ [Die Zukunft, Jg. 24, Nr. 28, 15.4.1916, S. 29-54, hier S. 54]. Mit Dr. Heine und HolitscherWedekind hat Carl Heine und Arthur Holitscher während seines gegenwärtigen Aufenthalts in Berlin nicht getroffen. bin ich noch gar nicht zusammengewesen und werde das die nächsten Tage tun. Morgen abend gehe ich mit Rathenau in den Klub 1914Wedekind notierte am 17.4.1916 seinen abendlichen Besuch in der Deutschen Gesellschaft 1914 (ohne Walther Rathenau zu erwähnen, traf er außer Max Reinhardt, Theodor Wolff, Erich Reiß und Walter von Rummel den Vorsitzenden des sogenannten Klubs, Wilhelm Solf): „Nachher Klub. Exz. Solf Reinhardt Theodor Wolff Erich Reiß Baron Rummel.“ [Tb] Wedekind hat die Räume der Deutschen Gesellschaft 1914 in Berlin (Wilhelmstraße 67), für die ihr Mitbegründer Walther Rathenau ihn als Mitglied gewonnen hat [vgl. Martin 1996, S. 132; vgl. Wedekind an Walther Rathenau, 5.10.1915], erstmals am 17.4.1916 aufgesucht und hielt sich seitdem bei seinen Besuchen in Berlin oft dort auf.. Grüße die Kinder und küsse sie von mir. Mit innigstem Kuß
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 17. April 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

17.IV.16.


Innigst geliebter Frank, heute Mittag kam Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.4.1916. von gestern. Ich habe täglich geschrieben. Die „Zukunftwurde geschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung des „Zukunft“-Heftes an Wedekinds Adresse; erschlossenes Korrespondenzstück: Buchhandlung Heinrich Jaffe an Wedekind, 17.4.1916. – Geschickt wurde allerdings ein falsches Heft [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.4.1916]., von Jaffée, ich werde den Artikel lesen. Gestern Nachmittag war ich mit den Kindern in „Robert u. Bertram“ sie unterhielten sich ausgezeichnet. Es war auch eine sehr gute AufführungTilly Wedekind besuchte mit ihren Töchtern Pamela und Kadidja im Münchner Volkstheater am 16.4.1916 von 16 bis 18 Uhr die Posse „Robert und Bertram“ von Gustav Raeder (1856): „Nachmittags-Vorstellung zu ermäßigten Preisen: Robert und Bertram oder Die lustigen Vagabunden. Posse in vier Abteilungen von Gustav Raeder.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 196, 16.4.1916, General-Anzeiger, S. 2] Die Presse urteilte über die Inszenierung: „Räders lustiges Vagabundenstück ‚Robert und Bertram‘ ist in seiner Art eine klassische Posse. Gewiß, die Witze des Stückes, seine harmlose Satire, seine Situationskomik sind alt, aber immer wirksam, und schließlich: auch die neuesten Schwänke, welche ja im Grunde nichts Neues bringen, leben von den gleichen Witzen, Kniffen und Tricks. So kann man sich denn, zumal in einer so frischen Aufführung, wie sie das Volkstheater bringt, die alte Posse gut ansehen.“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 119, Nr. 14, 1.4.1916, S. 177]. Heute sind | einige kleine Freundinnen bei ihnen.

Verzeih’ dass ich den Brief vom Schutzverbandnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller an Wedekind, 15.4.1916. – Der Brief dürfte dem vorliegenden Brief beigelegen haben. öffnete. Ich dachte es seien vielleicht Karten drin, weil Will Vesper heute bei Steini/e/cke einen VortragWill Vespers Vortrag am 17.4.1916 im Kunstsaal Steinicke (Adalbertstraße 15), seit 1914 als Veranstaltungsort für Lesungen und Vorträge betrieben von dem Münchner Buchhändler Carl Georg Steinicke [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 715], war angekündigt: „Will Vesper liest Montag, 17. April, abends 8 Uhr zum Besten des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller im Kunstsaal Steinicke eigene Dichtungen“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 189, 13.4.1916, Vorabendblatt, S. 2]. hat. Eben telegraphiert mirDas Telegramm von Dagobert Newes an seine Schwester ist nicht überliefert. Bertl, ob es uns recht sei wenn er Osterdienstagam 25.4.1916. Wedekinds Schwager traf dann bereits am 22.4.1916 bei seiner Schwester in München ein [vgl. Tilly Wedekind, Dagobert Newes an Frank Wedekind, 22.4.1916]. nach München kommt. Ich werde ihm telegraphieren, dass Du in Berlin bist u. ich mich freuen würde ihn | zu sehen. Ich weiß ja nicht, wie lange Du fortbleiben willst. Wenn Du zu Ostern hier bist, könnte er ja auswärts wohnen. Wenn es Dir aber lieber ist, kann ich ihm auch noch absagen. Er scheint jetzt über Wien u. Graz zu fahren.

Ich freue mich so sehr über jede Deiner Karten!

Am Donnerstag kommen die B. Wedell | u. Fr. Dr. Pariser zu mir. Ich werde sehen, dass wir ein BildLida von Wedell porträtierte Tilly Wedekind dem Tagebuch zufolge am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“). beginnen, bis jetzt hatte ich halt meistens die Kinder bei mir, weil die Mädchen„die Hausangestellten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 290] Anna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], und Franziska, die „Haushaltshilfe“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 285]. Wäsche hatten.

Lass’ es Dir recht gut gehen mein liebster Frank u. sei innigst von mir umarmt
Deine Tilly


Viele BusserlnKüsse. von den Kindern die eben Kleinigkeiten verlosen.

Frank Wedekind schrieb am 17. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


Innigst geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Deinen lieben Kartenbriefein auf Briefkarten geschriebener Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.4.1916]. und für die Karte vom Hilly-Abendeine Bildpostkarte [vgl. Tilly Wedekind, Ludwig Pariser, Erna Pariser, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 15.4.1916]. Hilde (Hilly) Pariser, Tochter von Erna und Ludwig Pariser, hat am 15.4.1916 in nicht öffentlich angezeigter Vorstellung getanzt.. Gestern AbendWedekind notierte am 16.4.1916: „Abends mit Hermann Strübe (Burte) bei Rathenau. Mit Strube nach Hause gefahren.“ [Tb] Er lernte bei seinem Besuch im Grunewald bei Walther Rathenau (Königsallee 65) [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 2326], bei dem Maximilian Harden nicht erschien, den Schriftsteller und Maler Hermann Burte (eigentlich: Hermann Strübe) kennen, der sich als alemannischer Mundartdichter einen Namen gemacht hatte, aber auch durch den völkisch grundierten Roman „Wiltfeber der ewige Deutsche. Die Geschichte eines Heimatsuchers“ (1912) und das Drama „Katte“ (1914). war ich bei Rathenau. Harden kam nicht, dagegen ein anderer sehr interessanter Mann. | Heute AbendWedekind notierte am 17.4.1916: „Vortrag im Klub“ und „Nachher Klub. Exz. Solf Reinhardt Theodor Wolff Erich Reiß Baron Rummel.“ [Tb] Er hatte Aussicht auf eine Lesung seines Dramas „Bismarck“ in der Deutschen Gesellschaft 1914, die er aufsuchte und abends dort (außer Max Reinhardt, Theodor Wolff, Erich Reiß und Walter von Rummel) Wilhelm Solf traf, den Vorsitzenden des sogenannten Klubs. Wedekind sandte ihm am Tag darauf sein Drama und bedankte sich für die Zusage sowie für die am 18.4.1916 telefonisch erhaltene Mitteilung [vgl. Tb] des Vortragstermins der „Bismarck“-Lesung [vgl. Wedekind an Wilhelm Solf, 18.4.1916], die am 15.5.1916 in der Deutschen Gesellschaft 1914 stattfand. gehen wir wegen einer Bismarck Vorlesung in den Klub 1914. Wann die Vorlesung stattfinden soll weiß ich noch nicht. Ich denke jetzt daß ich die Ostertageder 23.4.1916 (Ostersonntag) und der 24.4.1916 (Ostermontag), an dem Wedekind von Berlin abreiste, allerdings nicht nach Dresden: „Fahrt nach München.“ [Tb] voraussichtlich in Dresden verbringen werde. Ich freue mich sehr daß es Dir und den Kindern gut geht und hoffe, Ihr werdet das schöne Wetter ausnutzen. Von BarnowskyWedekind, der am 14.4.1916 eine „Unterredung mit Barnowsky wegen Erdgeist“ [Tb] hatte, über eine mögliche „Erdgeist“-Inszenierung, die aber im Lessingtheater nicht zustande kam, hatte von Victor Barnowsky, Direktor des Berliner Lessingtheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 294], keine definitive Zusage. Carl Meinhard und Rudolf Bernauer (siehe unten) haben „Erdgeist“ dann inszeniert. erhielt ich noch keinen weiteren BescheidtSchreibversehen, statt: Bescheid. und kann deshalb meine anderen Gastspielpläne noch nicht betreiben. Wenn er bis morgen nichts hören läßt werde ich mit Meinhardt BernauerCarl Meinhard und Rudolf Bernauer, die beiden Direktoren, die in Berlin das Berliner Theater, das Theater in der Königgrätzer Straße und das Komödienhaus leiteten [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 280f.]. Wedekind hat sie während seines Aufenthaltes in Berlin zwar nicht mehr gesprochen, sie haben „Erdgeist“ aber im Theater in der Königgrätzer Straße inszeniert (Premiere: 4.11.1916). beginnen. Innigste Küsse Dir und den Kindern Dein Frank

Frank Wedekind schrieb am 18. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


Dienstagder 18.4.1916.. Innigst geliebte Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine beiden Kartenbriefezwei auf Briefkarten geschriebene Briefe [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.4.1916 und 17.4.1916]. und das Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wilhelm Solf an Wedekind, 17.4.1916. und die Karteeine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.4.1916].. Ich freue mich sehr daß es Euch gut geht. Gestern AbendWedekind notierte am 17.4.1916 seinen abendlichen Besuch in der Deutschen Gesellschaft 1914, dessen Vorsitzenden Wilhelm Solf er dort traf: „Nachher Klub. Exz. Solf“ [Tb]. Wilhelm Solf sagte Wedekind eine „Bismarck“-Lesung in der Deutschen Gesellschaft 1914 zu, dem sogenannten Klub. war ich im Klub. Solf wollte mir heute morgen Nachricht gebenWilhelm Solf teilte Wedekind den 15.5.1916 als Termin für die „Bismarck“-Lesung in der Deutschen Gesellschaft 1914 am 18.4.1916 telefonisch mit: „Solf telephonirt daß Vortrag am 15 Mai Montag stattfindet.“ [Tb] Daraufhin dankte Wedekind ihm brieflich [vgl. Wedekind an Wilhelm Solf, 18.4.1916]. wann die Bismarck-Vorlesung stattfinden solle. Ich wartete aber vergebens | darauf. Heute AbendWedekind notierte am 18.4.1916 sein Treffen mit Eugen Robert: „Paulanerbräu mit Dr. Robert“ [Tb]. bin ich mit Dr. Robert zusammen. Danach wird es sich richten, ob ich nach Dresden gehe oder nicht. Bei Reinhart, den ich gestern im KlubWedekind traf Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters in Berlin, der Kammerspiele des Deutschen Theaters und des Volkstheaters (Theater am Bülowplatz) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 287, 289], am 17.4.1916 in der Deutschen Gesellschaft 1914 [vgl. Tb]. sprach scheinen sich keine Gastspiele machen zu lassen. Barnowsky kann mir noch keine definitive Antwortvon Victor Barnowsky, Direktor des Berliner Lessingtheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 294], über eine mögliche „Erdgeist“-Inszenierung. geben. Voraussichtlich bleibe ich bis Samstag hier, da Theodor Wolff und Harden bis dahin noch mit mir zusammen seinWedekind war dem Tagebuch zufolge mit Theodor Wolff am 19.4.1916 („Abends bei Borchardt mit [...] Theodor Wolff [...]. Mit Wolff [...] nach Hause gegangen“) und 20.4.1916 („Mittag im Klub mit Theodor Wolff“), mit Maximilian Harden am 21.4.1916 („Zu Mittag bei Harden“) zusammen. wollen.

Das untere E auf der Guitarrevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.4.1916. würde ich ruhig nach dem Klavier stimmen. Es freut mich daß Ihr Euch in R. und Bertram gut unterhaltenbei der Nachmittagsvorstellung von Gustav Raeders Posse „Robert und Bertram“ am 16.4.1916 im Münchner Volkstheater [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.4.1916]. habt. Küsse die Kinder von mir.

Mit innigstem Kuß
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 18. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Zoologischem Garten


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München.


18.IV.16. Mittags.


Mein innigst, geliebter Frank, herzlichst danke ich Dir für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.4.1916.. Ich schickte Dir gestern noch das Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wilhelm Solf an Wedekind, 17.4.1916. | von Staatsr. SolfDr. phil. Wilhelm Solf in Berlin, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft 1914, war ausgewiesen: „Wirklicher Geheimer Rat, Staatssekretär des Reichskolonialamts, Exzellenz“ [Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 2836]. nach, ich dachte mir wenn Du in den Klubin die Deutsche Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67). Wedekind war am 18.4.1916 zum Abendessen „im Klub“ [Tb]. gehst ist es vielleicht wichtig. Heute hat das Thaliatheater aus Hamburg angerufenDie telefonische Anfrage des Hamburger Thalia-Theaters (Direktion: Hermann Röbbeling) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 437], das im Kriegsjahr 1916 unter der Regie von Erich Ziegel Wedekinds Schwank „Der Liebestrank“ (Premiere: 13.11.1916) inszenierte [vgl. KSA 2, S. 1112f.], „bezog sich vermutlich auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten Verwundeter, Invalider und Soldatenwitwen, Veranstaltungen mit Spendensammlungen, die im Deutschen Reich während des Krieges üblich wurden.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 298]. Ich sagte ihnen Deine Berliner Adresse. Es handelt sich um eine Wohltätigkeits Vorstellung.

Die Kindern costümierten sich gestern u. stellten Märchenbilder. Auch spielte ich ihnen Rotkäppchen vor. So wurde es zu spät um in Will Vesper’s VortragWill Vespers Lesung am 17.4.1916 um 20 Uhr im Kunstsaal Steinicke in München zugunsten des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 189, 13.4.1916, Vorabendblatt, S. 2]. zu gehen, woran ich erst gedacht hatte. Das Wetter ist bei uns nicht besonders windig u. regnerisch. Hoffentlich wird es zu Ostern besser. Wenn Du zu Ostern nicht hier bist, hast Du wohl nichts dagegen wenn Bertl kommt?

Innigste Küsse Dir Geliebter v. Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 19. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. Eden Hotel
b./ Zoologischem Garten.


Abs: Wedekind, München.
Prinzregentenstr. 50


Mittwochder 19.4.1916.. Mittags.

Mein innigst Geliebter, herzlichen Dank für Deine gestrige Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.4.1916.. Hoffentlich siehst Du noch alle Leute die Dich interessieren. Was | Th. Wolff gestern, vielmehr vorgestern im B.T.Theodor Wolff, Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“, schrieb unter der Verfassersigle T.W. in seinem politischen Leitartikel: „In einigen Tagen werden dreihundert Jahre vergangen sein, seit der große Shakespeare starb. Es ist anzunehmen, daß die gebildete Menschheit, durch Drahthindernisse getrennt und durch Stickgase auseinandergehalten, dem unzerstörbaren Genie einmütig huldigen wird. Wir werden das in Deutschland herzhafter und ungezwungener tun können als die Leute in den romanischen Ententeländern, denen Shakespeare doch immer ein fremdes, gewaltsames, ungezähmtes und anormales Fabelwesen bleibt. [...] Das wesentliche Ziel bleibt, die deutsche Ostgrenze zu schützen, und dieser Schutz wird um so besser sein, je weniger er uns mit fremden Pflichten belastet und je weniger er unsere Bewegungen hemmt. [...] Wir halten es ebensowenig für unsere Mission, irgendwelche Völker oder Volksteile zu erlösen, wie uns die Unterdrückung fremden selbständigen Staatslebens verlockend dünkt. Aber wir lehnen auch dankend ab, wenn man von außen, vom feindlichen Lager her, uns mit einer Befreiung begnaden will. [...] Glaubt man wirklich, ein starkes und großes Volk wie das deutsche lasse sich seine Existenzformen, wie einen Covercoat, vom fremden Schneider liefern, und sei zu behandeln wie ein Negerstaat? Viele von uns wissen ganz genau, was fehlt, was gefordert und was bekämpft werden muß, und sie wissen auch, daß nicht für jeden Schaden eine Kaste die Verantwortung trägt. Aber wir müssen die Arbeit schon allein besorgen, so gut oder so schlecht wie es nun eben geht. [...] Und da mitten in diesem Kriege, der mit seinen unendlichen Kontrasten oft shakespearehaft wirkt, der noch höchst körperliche Schatten Shakespeares auftaucht, gedenkt man, in solchem Zusammenhange, auch des reizbaren Helden Coriolan. Nie würde und könnte ein unabhängiges Volk zur Gewinnung neuer Rechte ‚auf seines Vaterlandes Trümmer‘ steigen wollen, denn es ist selber das Vaterland.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 198, 17.4.1916, Montags-Ausgabe, S. (1)] schrieb, ist doch ausgezeichnet! Gestern waren wir an der Isar, heute im engl. Garten. Trotz Wind u. Kälte war es sehr schön. Heute Nachmittag soll ich zu Fr. v. Jacobi zum Thee. Abends ist SchmetterlingsschlachtTilly Wedekind besuchte am 19.4.1916 im Münchner Schauspielhaus eine Vorstellung von Hermann Sudermanns Komödie „Die Schmetterlingsschlacht“ (1895), die um 19.30 Uhr begann (Ende gegen 22 Uhr) [vgl. Münchner Neuesten Nachrichten, Jg. 69, Nr. 201, 19.4.1916, General-Anzeiger, S. 2].. Ich weiß aber noch nicht, ob es mir nicht zu viel wird. Jedenfalls möchte ich noch vor dem Theater nach Hause. Morgen abends nach dem Essen kommen die B. Wedell mit ihrer MutterKatharina Weimann (Antonienstraße 8), Privatierswitwe [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 789], Lida von Wedells Mutter. Erna u. Agnes Pariser u. vielleicht auch Hr. Dr. Pariser zum Thee zu mir. Ich wollte sie ja schon lang bekannt machen.

Die Zukunft muss ich mir noch kaufen das Heft war von MärzFrank Wedekind hatte seiner Frau empfohlen, das Heft der „Zukunft“ vom 15.4.1916 mit Maximilian Hardens Artikel „Die Mördergrube“ [vgl. Die Zukunft, Jg. 24, Nr. 28, 15.4.1916, S. 29-54] zu kaufen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.4.1916], das Tilly Wedekind sofort bei der Münchner Buchhandlung Heinrich Jaffe bestellte, die zwar sogleich lieferte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.4.1916], allerdings ein älteres Heft der Wochenschrift „Die Zukunft“ aus dem Vormonat.. Jetzt stimmt die Guitarre wieder ganz gut. Sei innigst umarmt v. uns Dreien, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 19. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. Eden Hotel.
b./ Zoologischem Garten


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50


Mittwochder 19.4.1916.. Geliebtester Frank, eben fällt mir noch ein ob ich Dir vielleicht noch Geld schicken soll? Und | wie ist es mit der Wäsche? Ich schicke Dir vielleicht noch Hemden, die gebrauchte hat ja im Sack Platz.

Darf ich mir auch etwas von dem Geldvon den 1000 Mark vom Dreimaskenverlag [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.4.1916]. nehmen? Ich habe den reparierten Koffer bezahlt, habe am Electrischen etwas richten lassen etz. So habe ich nicht mehr viel. Wann Bertl kommen will, weiß ich noch nicht genau, er hat offenbar jetzt Urlaub bekommen, u. zwar plötzlich denn er schrieb vorher nichts davon.

In innigster Liebe küsst Dich
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 19. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


19.4.16. Innigst geliebte Tilly! Gestern MittagWilhelm Solf hat Wedekind am 18.4.1916 telefonisch den Termin 15.5.1916 für die „Bismarck“-Lesung in der Deutschen Gesellschaft 1914 mitgeteilt: „Solf telephonirt daß Vortrag am 15 Mai Montag stattfindet.“ [Tb] wurde der Bismarck Vortrag auf 15. Mai festgesetzt. Da mit Gastspielen nichts zu machen ist und ich in vier Wochen wieder hierherkomme werde ich also abreisen nachdem ich mit | Harden gesprochen habe und bleibe dann voraussichtlich einige Tage in Dresden. Es freut mich sehr daß Bertl auf Ostern zu Dir kommt. Grüße ihn herzlich von mir. Gestern AbendWedekind notierte am 18.4.1916: „Paulanerbräu mit Dr. Robert“ [Tb]. Eugen Robert war dann Direktor am Residenztheater in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 301]. Die Presse meldete: „Das Kuratorium der Ida-Claus-Stiftung. die Eigentümerin des Berliner Residenztheaters ist, hat, wie wir erfahren, Dr. Eugen Robert die Leitung der Bühne in der Blumenstraße von der nächsten Saison übertragen. Das Polizeipräsidium hat Eugen Robert die Konzession erteilt, nachdem er die geforderte Kaution hinterlegt hat, Direktor Robert hat sich über seine Pläne noch nicht des Näheren geäußert [...]. Er ist in Berlin durch die Gründung des Hebbel-Theaters bekannt geworden, das er mit einem interessanten Spielplan, aber auch unter mancherlei aufsehenerregenden Schwierigkeiten geleitet hat. Später ging Robert nach München, wo er Direktor der dortigen ‚Kammerspiele‘ war.“ [Eugen Robert, Direktor des Residenztheaters. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 258, 20.5.1916, Abend-Ausgabe, S. (3)] war ich mit Robert zusammen, der hier ein Theater aufmacht was sich heute entscheiden soll. Von Reinhardt und Barnowsky habe ich noch nichts bestimmtes gehört. Mit besten Grüßen und Küssen an Dich und die Kinder
Dein Frank

Tilly Wedekind, Erna Pariser, Katharina Weimann, Ludwig Pariser und Lida von Wedell schrieben am 20. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. Eden Hotel
b./ Zoologischem Garten


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50 |

Viele herzliche Grüsse!
Lida v. Wedell


Auch von mir K Weimann


Nach einigen gemütlichen Stunden bei Ihrer lieben Frau beste Grüße! Erna Pariser


Auf baldges Wiedersehen! Ludwig Pariser


Leider sehe ich, dass Frl. Agnes nicht mit unterschrieben hat. Schade, dass Du heuteder 20.4.1916. Tilly Wedekind hatte an diesem Abend Lida von Wedell, deren Mutter Katharina Weimann, das befreundete Ehepaar Erna und Ludwig Pariser und deren Tochter Agnes Therese Pariser als Gäste [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.4.1916]. nicht mit dabei warst, aber ich hoffe dass der Abend Früchte trägt für uns Beide.

Innigen Kuss, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 20. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


20.4.16. Geliebteste Tilly!

Herzlichen Dank für Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.4.1916.. Gestern schrieb ich Dirvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.4.1916., daß ich mich sehr freuen würde wenn Dein Bruder über Ostern käme und in meinem Schlafzimmer schläft. Gestern mittag machte mir das Deutsche Theater den Vor|schlag, erste Hälfte Juni zu gastierenDer Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin fand vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 statt.. Die Sache kann aber erst morgen durchgesprochen werden. Gleichzeitig telephoniert Barnowsky wieder, kann aber auch noch zu keiner Entscheidung gelangen. Gestern AbendWedekind notierte am 19.4.1916 den Abend mit Max Reinhardt, Theodor Wolff und Felix Weingartner im exquisiten Weinlokal F. W. Borchardt in Berlin (Französische Straße 47/48): „Abends bei Borchardt mit Reinhardt Theodor Wolff Weingartner [...]. Mit Wolff [...] nach Hause gegangen“ [Tb]. waren Theodor Wolff, Weingartner und ich Reinhardts Gäste bei Borchardt. Alle lassen Dich grüßen. Samstagder 22.4.1916. Das Treffen mit Theodor Wolff und Maximilian Harden an diesem Abend kam nicht zustande. Abend wollen Wolff Harden und ich zusammen sein. Wenn Dich die B. W. zeichnen sollLida von Wedell porträtierte Tilly Wedekind dem Tagebuch zufolge am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“)., wirst Du ihr am besten allein sitzen. Besuch wird dabei nicht günstig wirken. Küsse die Kinder herzlich von mir. Mit innigem Kuß
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 20. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. Eden Hotel
b./ Zoologischem Garten.


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München.


Donnerstagder 20.4.1916. Mittag.

Mein innigst geliebter Frank, nun musst Du also in vier WochenZitat: „in vier Wochen“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.4.1916] ‒ Reise zur „Bismarck“-Lesung am 15.5.1916 in der Deutschen Gesellschaft 1914 in Berlin. wieder nach Berlin, da ist es vielleicht | doch besser Du kommst bald nach Hause! Ich möchte Deine Pläne nicht beeinflussen, hoffe aber dass Du Dich durch Bertl’s voraussichtlichen Besuch nicht abhalten lässt. Seit Du fort bist, habe ich ihm weder geschrieben noch von ihm gehört, sein Telegrammnicht überliefert. Dagobert Newes hat seiner Schwester am 17.4.1916 telegrafisch seinen Besuch in München angekündigt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.4.1916]. kam mir ganz überraschend. Bei Fr. v. Jacobi traf ich Fr. Feix u. Tochter u. Frau Schülein, alle drei sehr interessante DamenBei dem Teenachmittag am 19.4.1916, zu dem die Schauspielerin Lucy von Jacobi (geb. Goldberg), Witwe des 1914 gefallenen Münchner Hofschauspielers Bernhard von Jakobi, eingeladen hatte, lernte Tilly Wedekind drei Damen kennen: Anna Maria Feiks (geb. Magaziner), seit 1913 von dem Maler Eugen Feiks geschieden, und ihre Tochter aus erster Ehe, Lilly Agoston, die seinerzeit offenbar im Georg Müller Verlag arbeitete (später war sie Kunsthändlerin), sowie die französische Malerin und Grafikerin Suzanne Carvallo-Schülein, seit 1912 mit dem Münchner Maler Julius Schülein verheiratet.. Frl. Lilli Feix ist bei Müller angestellt. Abends war ich in der sehr netten VorstellungTilly Wedekind besuchte am 19.4.1916 im Münchner Schauspielhaus eine Vorstellung von Hermann Sudermanns Komödie „Die Schmetterlingsschlacht“ (1895), die um 19.30 Uhr begann (Ende gegen 22 Uhr) [vgl. Münchner Neuesten Nachrichten, Jg. 69, Nr. 201, 19.4.1916, General-Anzeiger, S. 2]. von Schmetterlingsschlacht.

Pamela wird Dir auch noch schreibenPamela Wedekind schrieb ihrem Vater am nächsten Tag einen kleinen Brief im Anschluss an den ihrer Mutter [vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 21.4.1916].. Sei innigst umarmt Liebster, auf baldiges Wiedersehn, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 21. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Freitagder 21.4.1916. abends.

Mein geliebter Frank, eben erhalte ich Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.4.1916., ich danke Dir sehr dafür! Ich freue mich sehr, dass Du mit so vielen interessanten Menschen zusammen bist. Ich danke Dir für Dein EinverständnissSchreibversehen, statt: Einverständnis. zu Bertl’s BesuchDagobert Newes hat seiner Schwester seinen Besuch bei ihr am 21.6.1916 telegrafisch nun definitiv für den 22.4.1916 angekündigt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.4.1916 (Brief)].. Die Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 20.4.1916. kam inzwischen. – Natürlich werde ich der Baronin allein sitzenLida von Wedell sollte Tilly Wedekind porträtierten – die Sitzungen fanden dem Tagebuch zufolge am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“) statt., gesternTilly Wedekind hatte am Abend des 20.4.1916 Lida von Wedell, Katharina Weimann sowie Agnes, Erna und Ludwig Pariser als Gäste [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.4.1916 (Brief)]. wollte ich sie u. ihre Mutter Frau Weimann, nur mit Pariser’s bekannt machen. Aber sie braucht ja mehrere Sitzungen u. bis jetzt hatte ich keine Zeit, da die Kinder viel bei mir waren. Jetzt bekommt sie Besuch von einer Freundinnicht identifiziert. u. da auch Bertl kommt haben wir ausgemacht, dass wir erst nach Ostern beginnen. Ich hoffe es ist Dir recht. |

Von Herzen wünsche ich, dass es Dir gut geht u. Du guter Stimmung bist, denn sonst geht es mir natürlich auch nicht gut.

In innigster Liebe küsst Dich,
Deine Tilly


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. Eden Hotel.
b./ Zoologischem Garten

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 21. April 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Freitagder 21.4.1916. Mittag.


Mein innigst Geliebter!

Heute kam keine 2. Post. So habe ich keine Nachricht von Dir. So ein Tag ist für mich nur ein halber.

Gestern AbendTilly Wedekind war am 20.4.1916 in ihrer Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 (3. Stock) Gastgeberin von Lida von Wedell und ihrer Mutter Katharina Weimann sowie von Erna und Ludwig Pariser und ihrer Tochter Agnes Therese Pariser. kamen Fr. B. Wedell mit ihrer Mutter, Herr u. Frau Dr. Pariser u. Agnes zu mir zum Thee um ½ 9 Uhrum 20.30 Uhr.. Es war ein selten angenehmer u. angeregter Abend. Ich bin ganz glücklich dass es so nett war u. alle sich so wohl fühlten! Frank, ich bin wirklich gar nicht so dumm u. ungeschickt, wie ich mir selbst | schon erschien. Du glaubst gar nicht u. brauchst es ja auch nicht zu wissen, wie oft ich deprimiert war seit Du fort bist. Auch oder gerade wenn ich Menschen gesehen hatte. Ich dachte ich hätte für immer alle Freude an mir selbst verloren. Und das gehört wohl mit zu den schlimmsten Dingen auf der Welt. Der gestrige Abend war eine Wohltat für mich.

Ich empfing sie in Deinem Zimmer. Dann giengenSchreibversehen, statt: gingen. wir zum Thee in’s Speisezimmer, die Türen zu meinem Zimmer waren offen, überall hell. Der Tisch war sehr hübsch gedeckt. Die Tischordnung so:

Agnes Fr. B’s Mutter
Hr. Dr. Pariser [gezeichnetes Rechteck] ich
Fr. B. Wedell Erna |

Allen schien es richtig u. sie fühlten sich offenbar wohl. Es gab verschieden belegte BrödchenSchreibversehen, statt: Brötchen., kaltes Fleisch, gem. Salat, Käse, Obst, 2erlei Kuchen. Cigaretten. Hr. Dr. bot ich Wein an, aber er trank auch Thee. Zuerst war Erna etwas zurückhaltend zur Baronin, aber sehr bald wurde das Gespräch allgemein. Ich unterhielt mich erst mit Erna u. der Mutter von Fr. B. Hr. Dr. sprach mit Fr. Baronin. Und selbst Agnes taute dann auf u. unterhielt sich mit der Baronin über PretoriusDie Malerin und Zeichnerin Lida von Wedell unterhielt sich mit der angehenden Kunstzeichnerin, Kostümbildnerin und Buchillustratorin Agnes Therese Pariser über Emil Preetorius, der als moderner Grafiker zur Münchner Künstlergruppe Die Sechs gehörte und als Buchillustrator gerade an der Münchner Ausstellung „Krieg, Volk und Kunst“ beteiligt war: „Die Sorge für das Buchgewerbe und für die künstlerische Herstellung der Drucksachen übernahm Dr. Emil Preetorius“ [Ausstellung „Krieg, Volk und Kunst“ im Augustinerstock. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 142, 18.3.1916, General-Anzeiger, S. 1]; er übernahm am 6.4.1916 eine Führung, als der König von Bayern die Ausstellung besuchte [vgl. Hof- und Personalnachrichten. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 178, 7.4.1916, Vorabendblatt, S. 3]. Wedekind, der 1912 von Emil Preetorius porträtiert worden ist [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 301] und im Tagebuch einige Treffen mit ihm notierte – so am 15.3.1911 zu dem nicht realisierten Projekt [vgl. KSA 5/I, S. 1057], eine Buchausgabe von „Mine Haha“ zu gestalten („Unterredung mit Prätorius, der Minehaha illustrieren will“), am 3.3.1914 im Hoftheater-Restaurant („mit [...] Pretorius im HTR“) und am 29.1.1916 im Künstlerhaus („Abends im Künstlerhaus mit [...] Dr. Prätorius“) – war seit Jahren mit ihm bekannt. Emil Preetorius war am 24.6.1914 auf dem Bankett zu Wedekinds 50. Geburtstag im Bayerischen Hof in München unter den Gästen. etz. Als ich später mit Agnes Martha’s Bilderwohl Fotografien von Tilly Wedekinds jüngerer Schwester Martha Newes. in meinem Zimmer anschaute, erzählte dann die Baronin ihre ganze Geschichte.

Mir half es freilich sehr, dass ich | immer sehr eifrig die Zeitungen u. die Zeitschrift für FrauenstimmrechtTilly Wedekind dürfte, vermutlich vermittelt über Gertrud Eysoldt, seit etwa zwei Jahren wohl die zuerst von Anita Augspurg herausgegebene Zeitschrift „Frauenstimmrecht“ gelesen haben [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1914], die seit 1912 als „Monatshefte des deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht“ in München erschien (Fortsetzung unter den Titel „Die Staatsbürgerin“), oder aber – weniger wahrscheinlich – die seit 1907 in Berlin erscheinende „Zeitschrift für Frauen-Stimmrecht“ (Untertitel: „Organ für die politischen Interessen der Frau“). gelesen hatte. Ich fing auch gleich die Themen an, über die ich etwas sprechen konnte.

Wir trennten uns um ½ 12um 23.30 Uhr., sie wollten noch die letzte Trambahn erreichen.

Erna sagt sie weiß nicht was ich von ihr lernen will, sie wolle lieber von mir lernen. So ist es ja nicht, aber ich freute mich doch sehr darüber.

Das alles soll ja für mich Schule u. Übung sein, damit ich es lerne es auch Dir behaglich zu machen. Bei allem habe ich ja immer nur das Eine im Auge! |

Wir sprachen sehr viel von Dir, von Franziska u. ErdgeistTilly Wedekind spielte die Titelrolle in „Franziska“ zuletzt am 31.7.1914 im Rahmen des am 25.7.1914 begonnenen Wedekind-Zyklus an den Münchner Kammerspielen [vgl. KSA 7/II, S. 1155, 1241f.], der nach dieser Vorstellung wegen des Kriegsbeginns vorzeitig abgebrochen wurde, die Rolle der Lulu im „Erdgeist“ zuletzt im Rahmen des Wedekind-Zyklus an den Münchner Kammerspielen vom 12.2.1916 bis 11.3.1916; Premiere des „Erdgeist“ war am 26.2.1916, weitere vier Vorstellungen fanden am 27.2.1919 sowie am 1., 4. und 11.3.1916 statt.. Ich sagte Erna soweit giengeSchreibversehen, statt: ginge. ihre Freundschaft doch nicht, dass sie sich Lulu von mir angesehen hätte. Ich sagte es natürlich nur scherzhaft. Ich sprach auch ein Bischen von mir, aber wirklich nicht zu viel.

Ich sah übrigens gestern an der DrucksacheHinweis auf eine Sendung, die Wedekind als Drucksache ohne Begleitschreiben zugeschickt und ihm von seiner Frau am 20.4.1916 nach Berlin nachgesandt wurde. Es handelte sich um die 16 Seiten (ohne die Werbung für den Bund für Mutterschutz und für Werke der Autorin) umfassende Broschüre „Krieg und Ehe“ von Grete Meisel-Heß, die 1915 als erste Nummer der Reihe „Kriegshefte des Bundes für Mutterschutz“ im Verlag Oesterheld und Co. in Berlin erschienen ist (vielleicht hat die für den Bund für Mutterschutz aktive Helene Stöcker die Sendung veranlasst). Ihr Auftakt lautet: „Was erwarten wir Frauen von dem großen Weltgericht? In welcher Weise wird das furchtbare Geschehen, das die Erde von Blut dampfen macht, das Todesgrausen und die Vernichtungsschrecken, durch die wir uns an den jüngsten Tag versetzt wähnen, die Urbeziehung des Lebens, die der Geschlechter, beeinflussen? [...] Die automatischen Folgen des Krieges in der Beziehung der Geschlechter werden sich ja ohne Zweifel fühlbar machen.“ [Grete Meisel-Heß: Krieg und Ehe. Berlin 1915, S. 1], dass es eine Broschüre über Krieg u. Ehe ist. Ich hab’s gelesen u. sprach mit Erna davon. Du bist nicht böse, dass ich es las? Ich dachte eine Drucksache kann ich ansehen. Wenn Du sie noch nicht weggeworfen hast, bitte heb sie auf, ich würde sie gern Erna geben. |

Ich glaube fast, wir bekommen noch schönes Osterwetter. Fall’sSchreibversehen, statt: Falls. Du in Berlin oder Dresden oder Leipzig bist, wünsche ich Dir also recht vergnügte Ostern! Bitte schreib mir wo Du wohnen wirst!

Bertl telegraphiert mir ebenDas Telegramm von Dagobert Newes an seine Schwester ist nicht überliefert., dass er morgen kommt, ich freu mich sehr ihn zu sehen.

Hoffentlich freust Du Dich auch dass ich einen Schritt vorwärts gemacht habe u. giebt/s/t die Hoffnung nicht auf. Die TirolerDie aus Graz (Steiermark) stammende Tilly Wedekind sah sich offenbar als Tirolerin; sie war 1916 gerade 30 Jahre alt geworden. werden glaub ich erst mit 40 Jahren gescheidtSchreibversehen, statt: gescheit..

Sei innigst umarmt Liebster u. lass’ es Dir recht gut gehen!

Es küsst Dich herzlichst,
Deine Tilly |


den 21. April. 1916.


Lieber Papa!

Wie geht es dir? Uns geht es gut?/./ Ich habe sehr gute Noten, jetzt sind Ferien. Am Montag hatte ich eine EinladungPamela Wedekind empfing am 17.4.1916 „einige Freundinnen“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.4.1916 (Brief)], die hier mit ihren Vornamen aufgezählten vier Mädchen (nicht identifiziert).. Niniza, Ellen, Lissi u. Hella kamen zu mir. Wir stellten lebende Bildertableaux vivants (frz.) – posierend nachgestellte Werke der Malerei und Plastik. dar. Viele Grüße u. Küsse von,
Kadidja u. Pamela!

Frank Wedekind schrieb am 21. April 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50


21,4,16. Innigst geliebte Tilly!

Herzlichen Dank für Deine beiden lieben Karten vom 19.vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.4.1916 (zwei Postkarten). Von dem Gelde nimm bitte was Du brauchst. Mir brauchst Du vorderhand nichts zu schicken. Wenn ich in Dresden welches brauche werde ich Dir telegraphieren. Wäsche habe ich | genug. Heute Abend 8 Uhr habe ich Besprechung mit den SommerpächternDie Bühnen Max Reinhardts – Deutsches Theater, Kammerspiele des Deutschen Theaters und Volksbühne – waren für die Sommerspielzeit in den Monaten Juni, Juli, August 1916 an Maximilian Sladek (Direktion) verpachtet; Musik-Vorstände waren Siegfried Nicklas-Kempner und Michael Koppelmann, Bürochef Othmar Keindl [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 290]. Wedekind erwartete am 21.4.1916 um 20 Uhr Maximilian Sladek im Eden-Hotel: „Warte vergeblich im Hotel auf Zladek wegen Gastspielbesprechung.“ [Tb] Die Besprechung fand erst am 22.4.1916 statt: „Unterredung mit Sladek im Bülowtheater“ [Tb]. Der verabredete Wedekind-Zyklus fand vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 unter der Direktion von Maximilian Sladek an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin statt. des Deutschen Theaters. Dann fragt es sich aber noch welche Stücke GlasenappCurt von Glasenapp war als Leiter der Abteilung für Theater im Berliner Polizeipräsidium [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil II, S. 57] verantwortlich für die Zensurverbote von Wedekinds Dramen. „Für Wedekind war es wichtig, für seine Berliner Gastspielpläne Glasenapps Zustimmung zu gewinnen. Jedoch hatten während des Krieges die Zensurstellen der Militärbehörden über Verbote von Theateraufführungen das letzte Wort, was der Leiter der Berliner Zensurbehörde zu berücksichtigen hatte.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 301] freigiebt. Eben war ich bei Harden zu TischWedekind notierte am 21.4.1916 seinen Besuch bei Maximilian Harden im Grunewald (Wernerstraße 16): „Zu Mittag bei Harden.“ [Tb].. Wir haben den ganzen Jammerdie kriegsbedingte politische Lage. durchgesprochen. Ich habe nichts dagegen, liebe Tilly, wenn Du Gesellschaft hast und ins Theater gehst. Nur glaube ich daß es für ein BildLida von Wedell sollte Tilly Wedekind porträtierten – die Sitzungen fanden dem Tagebuch zufolge am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“) statt. nicht vorteilhaft ist, wenn überflüssige Menschen der Sitzung beiwohnen. Ich freue mich daß es Euch gut geht. Küsse die Kinder von mir

Mit innigstem Kuß
Dein Frank

Tilly Wedekind und Dagobert Newes schrieben am 22. April 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Samstagder 22.4.1916. abends.


Innigst geliebter Frank,

herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.4.1916. von gestern. Ich denke wegen des BildesLida von Wedell sollte Tilly Wedekind porträtierten – die Sitzungen fanden dem Tagebuch zufolge am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“) statt. ist die Sache nun aufgeklärt. Das neulich war nur eine gesellschaftliche Zusammenkunftder Abend des 20.4.1916, an dem Lida von Wedell, ihre Mutter Katharina Weimann sowie Erna und Ludwig Pariser mit ihrer Tochter Agnes Pariser bei Tilly Wedekind zu Gast waren [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.4.1916 (Brief)].. Zu den Sitzungen müsste die Baronin doch sicher eine Woche täglich kommen. Dazu hatte ich jetzt keine Zeit. Denn, besonders wenn Du nicht hier bist können die Mädchen„die Hausangestellten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 290] Anna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], und Franziska, die „Haushaltshilfe“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 285]. die Wäsche allein machen, nur muss ich dann eben die Kinder bei mir haben. Hoffentlich können wir nächste Woche anfangen. |

Heut Vormittag kam BertlWedekinds Schwager Dagobert Newes traf am 22.4.1916 vormittags bei seiner Schwester ein und blieb bis zum 28.4.1916 zu Besuch in München [vgl. Tb]. u. ich freu mich sehr mit ihm zusammen zu sein. Wann fährst Du nach Dresden? Innigsten Kuss
Deine Tilly


Herzlichsten Gruß, lieber Frank von Deinem ergebenen Bertl, der sich in Eurem Heim wieder unendlich wohl fühlt.


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel.
b./ Zoologischem Garten.

Frank Wedekind schrieb am 23. April 1916 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


= tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =


München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Berlin [...]


komme voraussichtlich morgen montag abend neun uhr fuenf21.05 Uhr. Wedekind reiste am 24.4.1916 von Berlin ab und notierte: „Fahrt nach München. [...] Tilly und Bertl holen mich ab.“ [Tb] schlafe mit bertl zusammenDagobert Newes war seit dem 22.4.1916 zu Besuch bei seiner Schwester in München und im Schlafzimmer seines Schwagers einquartiert, das dieser nach seiner Rückkehr nun mit ihm teilen werde. innigste gruesse = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 27. April 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich gehe wieder mit BertlNotizen Wedekinds nach seiner Rückkehr aus Berlin abends am 24.4.1916 zum Besuch seines Schwagers Dagobert Newes in München finden sich im Tagebuch am 25.4.1916 („Regina Café mit Tilly Bertl und Frau Sybil Vane“), 26.4.1916 („HTR mit Tilly und Bertl“) und 28.4.1916 („Unterredung zwischen Tilly Bertl und mir“). Einiges besorgen. Hoffentlich hast Du gut geschlafen; auf Wiedersehen Mittags.

Innigst, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 14. Mai 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Sonntagder 14.5.1916.. Vormittag.


Geliebter Frank,

es tut mir sehr leid, dass es mit der Zeit so knapp war u. Du Dich beeilen musstest! Ich werde das nächste Mal sicher genug Geld mitnehmen um KarteWedekind notierte im Kontobuch unter dem 14.5.1916 für „Fahrkarte Berlin“ 40 Mark. u. Gepäck zu erledigen. Hoffentlich hast Du eine angenehme FahrtWedekind reiste am 14.5.1916 von München ab: „Fahrt nach Berlin.“ [Tb] Er traf abends in Berlin ein und blieb bis zum 17.5.1916 in der Stadt. u. einen schönen Aufenthalt in Berlin. Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W.
Elite Hotel.
Bahnhof Friedrichstr.

Tilly Wedekind schrieb am 15. Mai 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Montagder 15.5.1916. abends.


Geliebter Frank,

gestern Nachmittag u. heute Vormittag giengSchreibversehen, statt: ging. ich mit den Kindern; im übrigen nähte ich, las Zeitungen u. schrieb Briefe. Das Wetter ist sehr schlecht. Heute abendsTilly Wedekind besuchte am 15.5.1916 in den Münchner Kammerspielen die – als Ersatz für „Erdgeist“ – außerordentlich angesetzte Vorstellung von Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der einsame Weg“ (1904) unter der Regie von Otto Falckenberg (Premiere: 27.11.1915), die um 19.30 Uhr begann: „Münchner Kammerspiele. Heute Montag gelangt statt der angekündigten Vorstellung ‚Erdgeist‘ Schnitzlers Der einsame Weg zur Aufführung. Die Vorstellung beginnt abends 7½ Uhr.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 246, 15.5.1916, Morgen-Ausgabe, S. 2] war ich im „Einsamen Weg“ in den Kammerspielen; es dauerte über 3 Stunden u. ist von Anfang bis zu Ende auf denselben Ton gestimmt. Auf Wiedersehen morgen oder übermorgen! |

Innigst umarmt Dich
Deine Tilly


BusserlnKüsse. v. d. Kindern.


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W.
Elite Hotel.
Bahnhof Friedrichstr.

Frank Wedekind schrieb am 16. Mai 1916 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Berlin [...]


geliebteste dank fuer nachrichtvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.5.1916. vorlesung gut verlaufenWedekind notierte am 15.5.1916 seine „Bismarck-Vorlesung“ [Tb] in der Deutschen Gesellschaft 1914 in Berlin (Wilhelmstraße 67), zu der Theodor Wolff festhielt: „Abends im Klub. Wedekind liest, 2½ Stunden lang, seinen ‚Bismarck‘ vor.“ [Tb Wolff] komme morgen mittwoch abend neun uhr21 Uhr. Wedekind notierte am 17.5.1916 zu seiner Rückfahrt von Berlin: „Fahrt nach München. Tilly holt mich am Bahnhof ab. Schöner Abend.“ [Tb] herzinnig = frank =

Frank Wedekind schrieb am 18. Mai 1916 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

Bitte mich sofort zu wecken oder wecken zu lassen, wenn Drei Masken Verlag anruft

Herzlichst
Dein
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 23. Mai 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Mein lieber Frank, bitte schreib mir auf beiliegendem Zettelder Zettel, auf dem die Antwort notiert ist [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.5.1916]. was ich Frau Mann telephonieren soll u. leg’ ihn auf Deinen Schreibtisch. Wenn Du hingehen willst, wäre es mir SamstagWedekind notierte am 27.5.1916 (Samstag) einen Besuch zum Kaffee bei Heinrich und Mimi Mann (Leopoldstraße 59, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 446]: „Café bei Heinrich Mann.“ [Tb] am Liebsten da morgen u. übermorgen Wäsche | ist u. ich mit den Kindern gehen sollte.

Es tut mir leid, dass es so kommen musste, hoffentlich rechnest Du das nicht auch mir an.

Sei innig umarmt
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 24. Mai 1916 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Innigst Geliebte!

Herzlichsten Dank. Mir ist Samstag rechtWedekind antwortet auf eine Anfrage seiner Frau [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.5.1916], die einen anstehenden Besuch zum Kaffee bei Heinrich und Mimi Mann (Leopoldstraße 59, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 446] betraf. Wedekind notierte am 27.5.1916 (Samstag): „Café bei Heinrich Mann.“ [Tb].

Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 31. Mai 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Mittwoch abends.

31.5.16.


Geliebter Frank, hoffentlich hast Du eine recht schöne FahrtWedekind notierte am 31.5.1916 seine Abreise von München: „Tilly begleitet mich zum Bahnhof Fahrt nach Berlin“ [Tb]. Er reiste zur Vorbereitung des Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 nach Berlin; seine Frau kam am 6.6.1916 nach. gehabt! Ich habe Vormittag Einiges besorgt u. war dann mit den Kindern. Nachmittags schrieb ich u. jetzt werde ich die Zeitungen lesen. Ich vergaß Dich zu fragen wie Du darüber denkst, ob man in Deinen Zimmern nicht während unsrer Abwesenheitvon München vom 6.6.1916 bis 8.7.1916 wegen des gemeinsamen Berliner Gastspiels (siehe oben). was richten lassen sollte? Die Decke u. Tapete im T/g/roßen Zimmer sind wirklich schon furchtbar | schmutzig. Ich glaube, es wäre wirklich kein Luxus. Ich würde dann mit Frau Doctormit der Vermieterin Amalie Schröder – die Witwe von Wilhelm Schröder. Eigentümer der Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 waren die Erben des Fabrikbesitzers Wilhelm Schröder (verstorben am 4.3.1913), die Fabrikbesitzerswitwe Amalie Schröder wohnte im Haus [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil II, S. 530]. sprechen. Wenn ich die gleiche rote TapeteWedekinds Arbeitszimmer in der Wohnung im 3. Stock der Prinzregentenstraße 50 war mit „roter Tapete“ [Wedekind 1969, S. 117] tapeziert. nicht bekomme könnte ich Dir Muster bringen. Aber wie Du meinst, Geliebter, schön wäre es schon. Innigst umarmt Dich
Deine Tilly


BusserlnKüsse. v. d. Kindern.


Abs: Wedekind
Prinzregentenstr. 50
München.


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W.
Elite Hotel.
Bahnhof Friedrichstr.

Frank Wedekind schrieb am 1. Juni 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly! Die gestrige FahrtWedekind notierte am 31.5.1916 seine „Fahrt nach Berlin“ [Tb], um dort den Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 vorzubereiten. habe ich meist verschlafen. Der Proviant schmeckte ausgezeichnet. Im Hotel habe ich Zimmer 311im Elite Hotel (Neustädtische Kirchstraße 9) in Berlin, am Bahnhof Friedrichstraße gelegen. Frank und Tilly Wedekind haben dort bei gemeinsamen Gastspielen vom 29.5.1912 bis 20.6.1912, dann wieder – wie Wedekind am 3.9.1913 notierte: „Tillys Ankunft. Wir beziehen dieselben Zimmer wie vor anderthalb Jahren“ [Tb] – vom 3. bis 30.9.1913, vom 23. bis 31.3.1914 und vom 28.5.1914 bis 16.6.1914 zusammen logiert [vgl. Tb]., in dem Du gewohnt hast. Gestern AbendWedekind notierte am 31.5.1916 nach seiner Ankunft in Berlin: „Unterredung mit Direktor Altman. Abend im Klub mit Südekum Quessel und Dr. August Müller“ [Tb]. Er sprach mit Georg Altman, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 292], über das Vorhaben, seine Komödie „Till Eulenspiegel“ (1916), die Neubearbeitung von „Oaha“ (1908) [vgl. KSA 8, S. 610], am Kleinen Theater aufzuführen (nicht realisiert), und ging dann in die Deutsche Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), den sogenannten Klub, wo er den restlichen Abend mit den Sozialdemokraten Albert Südekum, Ludwig Quessel und August Müller verbrachte. ging ich zuerst zu Dr. Altmann und habe den Kontrakt Eulenspiegel erledigt, dann in den Klub, wo ich Südekum und einige andere Sozialdemokraten traf, mit denen ich bis Schluß zusammenblieb. Eben war ich bei SladekMaximilian Sladek hatte die Bühnen Max Reinhardts – Deutsches Theater, Kammerspiele des Deutschen Theaters und Volksbühne (Theater am Bülowplatz) – für die Sommerspielzeit in den Monaten Juni, Juli, August 1916 gepachtet [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 290]. Der Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin fand unter seiner Direktion statt; gespielt wurden außer „Marquis von Keith“ (Premiere: 9.6.1916) und „Erdgeist“ (Premiere: 13.6.1916) auch „Simson“ (Premiere: 21.6.1916).. Simson wird gespielt. Morgen Freitag | ist erste ProbeWedekind notierte am 2.6.1916: „Probe von Keith.“ [Tb] Mit „Marquis von Keith“ wurde der Berliner Wedekind-Zyklus eröffnet (siehe oben). von Keith. Dein Eintreffen habe ich auf MittwochTilly Wedekind traf dem Tagebuch zufolge am 6.6.1916 (Dienstag) in Berlin ein („Ich hole Tilly vom Bahnhof ab. Abendessen im Hotel“) und war am 7.6.1916 (Mittwoch) bei der dritten Probe des „Marquis von Keith“ im Theater dabei („Keithprobe“). angesagt. Grüße die Kinder und sei selber innigst geküßt von
Deinem
Frank


1.VI 16


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstraße 50

Tilly Wedekind schrieb am 1. Juni 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W.
Elite Hotel. Bahnh. Friedrichstr.


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München.


1. Juni 16. Geliebter Frank,

heute Vormittag las ich noch Zeitungen, Nachmittags kam Frl. Reisertnicht identifiziert; „vermutlich Tanz- und Musiklehrerin Pamelas.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 306] die Pamela Stunden | geben soll. Sie ist recht nett. Ausnahmsweise brachte sie HillyHilde Pariser, die angehende Balletttänzerin, Tochter von Erna und Ludwig Pariser. mit (sie war früher bei Hilly). Sie gieng mit den Kindern spazieren, dann kamen sie zum Kaffee wieder. Wir tranken alle zusammen. Dann brachten Pamela u. das Fräulein Hilly heim u. ich gieng noch bischen mit der Kleinen. (AnnaAnna Wölfel, das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. hat Ausgang.) Jetzt hab ich sie zu Bett gebracht beide, habe gegessen u. will noch bischen zu Pariser’s. Erst Nachmittags wurde es schön. Sei innig umarmt
v. Deiner Tilly


Hoffe, dass es Dir gut geht, Geliebter!

Tilly Wedekind schrieb am 2. Juni 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W.
Elite Hotel. Bahnh. Friedrichstr.


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München


2. Juni 16. Geliebter Frank,

herzlichsten Dank für Deine liebe Karte! Ich wusste erst nicht, dass Franziskadie „Haushaltshilfe“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 285]. keine Wurst be|kommen hatte. Das war SchinkenpaineSchreibversehen, statt: Schinkenpain (= Schinkenpastete).. Es freut mich sehr wenn es Dir geschmeckt hat.

Heute packte ichfür das Gastspiel in Berlin, den Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters. den ganzen Tag. Morgen habe ich noch Etliches zu besorgen. Die letzten Tage möchte ich möglichst fertig sein, um mich auszuruhen. Ich gehe heute bald schlafen. Gestern abends trank ich noch mit Erna u. Dr. Pariser Tee u. plauderten wir bis 11, dann fuhr ich heim. Wir waren allein u. es war sehr nett. Sie lassen Dich herzlich grüßen. Soll ich Dienstagder 6.6.1916, an dem Wedekind in Berlin notierte: „Ich hole Tilly vom Bahnhof ab.“ [Tb] fahren? Ich denke ich fahre tagsüber.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly


BusserlKuss. v. d. Kindern.

Frank Wedekind schrieb am 2. Juni 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.5.1916.. Das Zimmer 312Wedekind logierte im Elite Hotel in Zimmer 311 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.6.1916]; seine Frau traf am 6.6.1916 (Dienstag) in Berlin ein: „Ich hole Tilly vom Bahnhof ab. Abendessen im Hotel.“ [Tb] habe ich für Dienstag Abend für Dich bestellt. HeuteWedekind notierte am 2.6.1916: „Probe von Keith.“ [Tb] Mit „Der Marquis von Keith“ wurde der Berliner Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters eröffnet (Premiere: 9.6.1916), gespielt wurden außerdem „Erdgeist“ (Premiere: 13.6.1916) und „Simson“ (Premiere: 21.6.1916). war die erste Probe von Keith. Ernst Scholzin Wedekinds Schauspiel „Der Marquis von Keith“ der Gegenspieler der Titelfigur Marquis von Keith, die Wedekind 1916 in der Berliner Inszenierung selbst spielte. fehlt noch soll morgen kommen. GesternWedekind notierte am 1.6.1916: „Mittagessen im Klub mit Dr. Ratenau Fahre mit ihm zu seiner Schwester im Grunewald“ [Tb] Wedekind aß mit Walther Rathenau in der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), den sogenannten Klub, und fuhr mit ihm anschließend zu dessen Schwager, dem Bankier Fritz Andreae, der mit seiner Frau Edith Andreae (geb. Rathenau) in einer Villa im Grunewald wohnte (Cronberger Straße 7-9) [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 36]. bei Tisch im Klub traf ich Rathenau und fuhr mit ihm zu seinem Schwager Andrä im Grunewald. Seine Frau läßt Dich bestens grüßen. Alle freuen sich sehr auf Dein Kommen. Heute Nachmittag hatte ich geschäftliche BesprechungWedekind notierte am 2.6.1916: „Unterredung Drei Masken Verlag“ [Tb]. mit dem Dreimasken | Verlag. Eben war ich im Deutschen TheaterWedekind besuchte am 2.6.1916 im Deutschen Theater um 20 Uhr die Premiere des Schwanks „Familie Schimek“ (1902) von Gustav Kadelburg: „8: zum ersten Male: Die Familie Schimek. ‚Johannes Nepomuk Zawadil‘: Max Pallenberg“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 280, 2.6.1916, Morgen-Ausgabe, S. (4)]. Regie führte Emil Jannings, die Hauptrolle des Buchalters Zawadil spielte Max Pallenberg, den die Presse lobte: „Für die Darstellung der Bosheit, Unverfrorenheit, Zähigkeit, Schlagfertigkeit, Gerissenheit und die zahlreichen anderen Züge des vielwendigen Zawadil reichte ihm meist ein listiges Augenzwinkern, eine herabhängende Unterlippe, ein Nasenrümpfen, ein Ruck in den Schultern aus. Der bei der Verkörperung der Hauptrolle eines Schwankes so naheliegenden Gefahr in Ton und Gebärde in Uebertreibungen zu verfallen, wich er mit Sicherheit aus; alles erschien wie selbstverständlich; kurz: Pallenberg war wie ein lebendig gewordener Zawadil; zuweilen wirkte er gar nicht mehr schwankmäßig, sondern schien fast ins Tragikomische hinausgerückt. Immer aber blieben die Lacher auf seiner Seite.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 282, 3.6.1916, Morgen-Ausgabe, S. (2)], „Familie Schimeckmit PallenbergWedekind hat den auf komische Rollen spezialisierten Max Pallenberg (siehe oben) seinerzeit bei der Premiere von Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ im Münchner Künstlertheater unter der Regie von Max Reinhardt – er notierte am 30.6.1911 „Reinhardts Schöne Helena“ [Tb] – in der Rolle des König Menelaus gesehen, in der er sich selbst dann auf dem ihm zu Ehren veranstalteten Bankett am 24.6.1914 im Bayerischen Hof in München sah und verhöhnt glaubte: „50 Geburtstagsbankett Ich bin der König Menelaus der Gute“ [Tb]., unserem KonkurrentenDas Deutsche Theater gehörte wie die Kammerspiele des Deutschen Theaters und die Volksbühne (Theater am Bülowplatz) zu den Bühnen Max Reinhardts, die Maximilian Sladek für die Sommerspielzeit gepachtet hat – insofern war der Schwank, mit dem die Sommerspielzeit im Deutschen Theater eröffnet wurde, eine Konkurrenz zum anstehenden Wedekind-Zyklus in den Kammerspielen, der am 9.6.1916 begann. Die Presse meinte zu der Eröffnung: „Sommerspielzeit im Deutschen Theater, das bedeutet: Auch in diesem Hause herrschen nun für einige Zeit nur Frohsinn und Heiterkeit. Und von ebenso leichter wie harmloser Gattung. ‚Die Familie Schimek‘, der bekannte Schwank von Gustav Kadelburg, der gestern abend zum ersten Male im Deutschen Theater aufgeführt wurde“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 282, 3.6.1916, Morgen-Ausgabe, S. (2)].. Grüße und küsse die Kinder von mir und sei innigst geküßt von
Deinem
Frank


2.VI 16.


Postkarte


I.H.
Frau
Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstraße 50

Frank Wedekind schrieb am 3. Juni 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

3.6.16. Innigst geliebte Tilly! Herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 1.6.1916. vom 1.6. Dein Vorschlag wegen neuer Tapete in meinem Zimmer ist sehr lieb, aber ich glaube es giebt wichtigeres zu tun. Veranlassen wir jetzt keine Ausgaben„Nach Beginn des Krieges waren Wedekinds Einkünfte merklich gesunken, da seine Stücke weniger gespielt wurden und sich außer den Tantiemen sowohl die Einnahmen als Regisseur als auch als Schauspieler, einschließlich der Gagen für Tilly, reduzierten.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 307] die nicht unbedingt nötig sind. Heute Vormittag war Keithprobe mit DeliusWedekind notierte am 3.6.1916: „Probe von Keith“ [Tb]. Fritz Delius spielte im „Marquis von Keith“ im Rahmen des Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Premiere: 9.6.1916) die Rolle des Ernst Scholz, Wedekind selbst die Titelrolle. Lida von Wedell hat ihr Zusammenspiel in diesen Rollen in einer zeitgenössisch veröffentlichten Karikatur verdichtet [vgl. Wedekind in der Karikatur. Zum Gastspiel Frank und Tilly Wedekinds im Deutschen Theater in Berlin. Zeichnungen von Lida Baronin v. Wedell, München. In: Der Welt-Spiegel. Illustrierte Halbwochenschrift des Berliner Tageblatts, Nr. 48, 15.6.1916, S. 3]. als Scholz, der glaube ich sehr gut wird. Montag ist ArrangierprobeWedekind notierte am 5.6.1916 (Montag): „Arrangierprobe von Simson“ [Tb]. „Simson“ hatte im Rahmen des Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters am 21.6.1916 Premiere. von Simson. Jetzt gehe ich wieder zu unserer KonkurrenzDie Volksbühne (Theater am Bülowplatz) gehörte wie das Deutsche Theater und die Kammerspiele des Deutschen Theaters zu den Bühnen Max Reinhardts, die Maximilian Sladek für die Sommerspielzeit gepachtet hat – insofern war die Posse, mit der die Sommerspielzeit an der Volksbühne eröffnet wurde (siehe unten), eine Konkurrenz zum anstehenden Wedekind-Zyklus in den Kammerspielen, der am 9.6.1916 begann., Robert und Ber|tram im Theater am BülowplatzWedekind notierte am 3.6.1916: „Robert und Bertram Theater am Bülowplatz.“ [Tb] Er besuchte um 20 Uhr die Premiere der Gesangsposse „Robert und Bertram“ (1856) von Gustav Raeder (Musik: Rudolf Nelson, Gesangstexte: Willi Prager) unter der Regie von Maximilian Sladek, mit der die Sommerspielzeit der Volksbühne (Theater am Bülowplatz) eröffnet wurde: „Sonnabend 8 Uhr zum 1. Male: Robert und Bertram mit Paul Biensfeldt u. Hans Wassmann“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 282, 3.6.1916, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (4)]. Die Hauptdarsteller waren angekündigt: „‚Robert und Bertram‘, die lustigen Vagabunden, werden bei der Aufführung am Sonnabend von Paul Biensfeldt und Hans Waßmann dargestellt.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 279, 1.6.1916, Morgen-Ausgabe, S. (2)] mit Wasmann und Biensfeld. Hoffentlich geht es Dir und den Kindern gut. Küsse sie von mir und sei innigst geküßt auf frohes Wiedersehen Dienstagder 6.6.1916, an dem Wedekind notierte: „Ich hole Tilly vom Bahnhof ab.“ [Tb] Abend
Dein Frank


Postkarte


I.H. Frau
Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstraße 50

Tilly Wedekind schrieb am 4. Juni 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W. Elite Hotel
Bahnh. Friedrichstr.


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50

4.6.16.


Innigst Geliebter,

herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.6.1916.! Ich fahre also Dienstagder 6.6.1916. Früh um 8 u. bin | um 6.50um 18.50 Uhr. Wedekind, der seine Frau am Anhalter Bahnhof in Berlin abholte, notierte am 6.6.1916: „Ich hole Tilly vom Bahnhof ab. Abendessen im Hotel.“ [Tb] in Berlin. Aber wenn Du spät von der Probe kommst, ist es wohl besser Du kommst nicht zum Bahnhof. Ich werde mich schon zurechtfinden u. wir sehen uns dann im Hotel. – Gestern war ich im „Götz“; die AufführungTilly Wedekind besuchte die Vorstellung von Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen“ (1773) am 3.6.1916 um 19.30 Uhr (Ende gegen 23.30 Uhr) in den Münchner Kammerspielen, ein Gastspiel des Schauspielerehepaars Friedrich Kayßler (in der Titelrolle) und Helene Fehdmer (als Elisabeth) von den Berliner Bühnen unter der Direktion von Carl Meinhard und Rudolf Bernauer (Berliner Theater, Theater in der Königgrätzer Straße, Komödienhaus) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 282]: „Gastspiel Friedrich Kayßler und Helene Fehdmer“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 281, 3.6.1916, General-Anzeiger, S. 2]. In der Presse war zur Premiere (23.5.1916) bemerkt: „Friedrich Kayßler hat der Aufführung des Goetheschen Werkes eine eigene Bearbeitung zu Grunde gelegt die um sie kurz zu charakterisieren, vorwiegend den praktischen Bedürfnissen des Darstellers Rechnung trägt. [...] Das letzte Wort behält ja auf der Bühne der Darsteller. Und vermag er, wie Kayßler, das Stück zu tragen, so kann er sich gern aus den unterschiedlichen Büchern einen Text zurechtlegen, der die Rolle ergiebig macht. [...] Wo Frau Fehdmers Elisabeth wandelte, war freundliche Sonne und Geborgenheit. [...] Als Ganzes ließ sich, bei vielerlei Problematischem, der Abend interessant an, vor allem, weil er zusammengehalten ward durch Kayßlers Leistung. [...] Umso bemerkenswerter erscheint das Interesse, das ein dichtbesetztes Haus bis halb 12 Uhr zu fesseln vermochte und nicht ermüden ließ in Beifall und Anteil.“ [Richard Elchinger: Götz von Berlichingen. Gastspiel Kayßler in den Kammerspielen. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 264, 24.5.1916, Abend-Ausgabe, S. 2] ist viel besser als man behauptete, Kaysler u. Fehdmer sehr gut! Heute VormittagTilly Wedekind besuchte mit ihren Töchtern Pamela und Kadidja am 4.6.1916 von 11.15 bis 12.30 Uhr im Münchner Schauspielhaus eine Veranstaltung „Deutsche Liederspiele von Theresa Roth mit ihren Schülern u. Schülerinnen“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 283, 4.6.1916, General-Anzeiger, S. 2], die angekündigt war: „Sonntag, 4. Juni, 11¼ Uhr, findet im Schauspielhaus eine musikalische Morgenaufführung ‚Deutsche Liederspiele‘ von Teresa Roth mit ihren Schülern und Schülerinnen statt. Am Klavier: Michael Raucheisen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 288, 2.6.1916, Abend-Ausgabe, S. 3] Das Programm: „Deutsche Liederspiele veranstaltet Teresa Roth mit ihrer Schar kleiner Schüler und Schülerinnen [...] zu volkstümlichen Preisen im Schauspielhaus. In sieben Bildern – Mutter und Kinder gedenken des Vaters im Felde; Frühlinglust; Was die Kinder beschäftigt; Von Blumen und Schmetterlingen; Schöne Sachen fürs Kind; Wir spielen Soldaten; Wenn die Landwehr kommt“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 283, 4.6.1916, S. 5]. Die Konzertsängerin Therese Roth (Sendlingerstraße 55) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 590] betrieb als Gesangspädagogin (gemeinsam mit dem Komponisten Wilhelm Müller) eine Sing- und Tanzschule „Prof. Wilhelm Müller’s Kinderlieder-Sing- und Spielkurs / Leitung: Therese Roth“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 506, 3.10.1915, Morgenblatt, S. 7 war im Schausp.H. eine musik. ryth. Aufführung. Frl. Roth mit Knaben u. Mädchen. Ich war mit den beiden Kindern, es war sehr hübsch! Sie schicken Dir viele Küsse. Wie denkst Du über Dein Zimmerin der Wohnung Prinzregentenstraße 50 (3. Stock), über den Vorschlag, es neu zu tapezieren [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.5.1916].? Innigst
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 5. Juni 1916 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


frau tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =


München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Berlin [...]


gebliebtesteÜbertragungsfehler, statt: geliebteste. erwarte dich morgen dienstag abend sechs uhr fuenfzig18.50 Uhr, die Ankunftszeit Tilly Wedekinds am Anhalter Bahnhof in Berlin [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.6.1916]. Frank Wedekind notierte am 6.6.1916: „Keithprobe. Mittag im Klub. Ich hole Tilly vom Bahnhof ab. Abendessen im Hotel.“ [Tb] anhalter bahnhof innigste gruesse = frank.

Tilly Wedekind schrieb am 5. Juni 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W.Elite Hotel
Bahnh. Friedrichstr.


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50

5.6.16. Innigst geliebter Frank,

herzlichen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 3.6.1916.. Ich lasse es also nun wegen der Tapete zu sprechen. | Bin schon sehr gespannt auf die Probenzum Gastspiel im Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin vom 9.6.1916 bis 6.7.1916, bei dem außer „Marquis von Keith“ (Premiere: 9.6.1916) und „Erdgeist“ (Premiere: 13.6.1916) auch „Simson“ (Premiere: 21.6.1916) gespielt wurde.; freue mich, dass Simson gespielt wird.

Frau Franck-Witt schrieb mirDer Brief der Schauspielerin Käthe Franck-Witt in Hamburg (Schlüterstraße 12) [vgl. Hamburger Adressbuch 1916, Teil II, S. 229], die in der Sommerspielzeit 1915 am Hamburger Thalia-Theater engagiert war [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 443] und ab dem 16.6.1916 am Residenztheater in Dresden gastierte [vgl. Sächsische Staatszeitung, Nr. 131, 8.6.1916, Beilage, S. (1)], an Tilly Wedekind ist nicht überliefert., sie will mit uns zusammen sein, lädt uns ein. Du hast jetzt wohl sehr viel Arbeit! – Ich komme also morgen abendsTilly Wedekind traf am 6.6.1916 um 18.50 Uhr am Anhalter Bahnhof in Berlin ein und ihr Mann holte sie ab [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.6.1916]. u. hoffe nur, dass ich Dich nicht zu sehr störe. Den Kindern geht’s sehr gut, sie schicken Dir viele BusserlnKüsse.. Wir hatten hier strömenden Regen 2 Tage, das schönste Theaterwetter. Im Juni dürfte es auch so werden. Auf frohes Wiedersehen morgen im Hotel. Innigste Küsse, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 1. August 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Ich hatte die Absicht Frau Durieux vor Cassirer an die Beziehungen zu erinnernFrank Wedekind und Tilla Durieux hatten im Sommer 1904 eine kleine Liaison [vgl. Tilla Durieux an Wedekind, 3.7.1904] gehabt, über die Tilly Wedekind informiert und nun angesichts des gemeinsamen Abends am 1.8.1916 mit dem Ehepaar Paul Cassirer und Tilla Durieux im Münchner Parkhotel (Maximiliansplatz 21) – „Abend Parkhotel mit Cassirer und Durieux Skandal“ [Tb] – in Versuchung war, deutlich davon zu sprechen, da sie sich durch eine Äußerung der Schauspielerin verletzt fühlte. Sie bemerkte rückblickend: „Vielleicht hat […] Tilla […] bei dem Souper, das Paul Cassirer für uns in München, im Parkhotel gab, Frank mit ihrem Begeisterungsausbruch über die attraktive Persönlichkeit des Darmstädter Intendanten Paul Eger absichtlich geärgert.“ [Wedekind 1969, S. 158] Der von ihrem Mann notierte Skandal am 1.8.1916 dürfte sich auf dieses Geschehen beziehen: „Wenn während des Soupers die Sprache auf Tillys früheren Geliebten Paul Eger [...] kam, dann legt sich die Vermutung nah, dass Tilly schon allein Franks wegen gereizt auf Tillas intime Hinweise reagierte und ihrerseits sich das Recht herausnahm, frühere Intimitäten zwischen Tilla und Frank zumindest anzudeuten, was offenbar bei allen Beteiligten des Quartetts nicht gut ankam.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 309], die sie zu Dir hatte; habe es aber unterlassen aus Angst Du könntest dadurch Unannehmlichkeiten haben. Jeder hat das Recht sich zu wehren. Es kann mir niemand verbieten eine Gemeinheit mit der gleichen Gemeinheit zu beantworten. Ich glaube auch nicht, dass Dir jemand IndescretionSchreibversehen, statt: Indiskretion. vorwerfen kann, wenn Du Deiner Frau von Deinen früheren Beziehungen erzählst. Wenn ich dann in so einem Fall davon Gebrauch mache, so kann ich | mir nicht denken, dass das Gesetz Dir etwas anhaben kann. Ich bitte Dich, mir ein paar Zeilen in dem/as/ Couvert auf Deinen Schreibtisch zu legen u. mir zu sagen, ob ich brieflich, telephonisch oder mündlich gegen sie vorgehen darf.

Auch möchte ich wissen, ob es möglich ist dass ich sie an den Fall Alice TrübnerDie Malerin Alice Trübner erschoss sich am 20.3.1916 in Berlin „im Hotel Esplanade im Beisein der Durieux. In ihrer Autobiographie schildert Durieux die lesbischen Neigungen von Alice Trübner, die sich anscheinend zu Durieux hingezogen fühlte. Die unerwiderten Gefühle waren eventuell ein Auslöser für ihren Selbstmord. Ihr Mann, der Künstler Wilhelm Trübner, beschuldigte Durieux sogar des Mordes an seiner Frau.“ [Hannah Ripperger: Porträts von Tilla Durieux. Inszenierungen eines Theaterstars. Göttingen 2018, S. 95] In der zeitgenössischen Presse blieben die näheren Umstände unerwähnt. So im „Berliner Tageblatt“, das seine Meldung – „In geistiger Umnachtung hat gestern Frau Alice T., die Gattin eines Professors aus Karlsruhe, eines bekannten Malers, in einem Berliner Hotel Hand an sich gelegt. Die Kranke war in einem großen Hotel im Westen der Stadt abgestiegen und schoß sich dort in ihrem Zimmer aus einer Browningpistole eine Kugel in den Kopf. Angestellte, die auf den Knall herbeieilten, fanden die Frau bereits tot auf.“ [Selbstmord im Hotel. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 149, 21.3.1916, Abend-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (1)] – am Tag darauf präzisierte: „Die Gattin Wilhelm Trübners, deren Tod wir gestern gemeldet haben, war selbst eine Künstlerin von Rang.“ [fst: Alice Trübner †. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 151, 22.3.1916, Abend-Ausgabe, S. (3)] In München wurde gemeldet: „Die Malerin Alice Trübner [...] ist Dienstag abend plötzlich in einem Berliner Hotel im Alter von 42 Jahren gestorben.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 149, 22.3.1916, Morgenblatt, S. 2] Ihr Mann, der Maler Wilhelm Trübner, veröffentlichte in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ eine Todesanzeige: „Schmerzerfüllt teile ich Freunden und Bekannten mit, daß meine überaus idealgesinnte, an Edelmut alles überragende, geliebte Frau Alice Trübner nach jahrelang heldenhaft ertragenem Leiden am 20. März Abends 10 Uhr in Berlin im 40. Lebensjahr, plötzlich durch den Tod aus segensreichster Lebenstätigkeit gerissen wurde.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 157, 26.3.1916, Vorabendblatt, S. 11] erinnere, u. sie frage ob sie sich darauf freut bald einem zweiten SelbstmordTilly Wedekind drohte sich umzubringen wie Alice Trübner (siehe oben). Wedekind notierte am 2.8.1916: „Nach Tisch Anfall. Tilly nimmt Morphiumpulver liegt zu Bett.“ [Tb] Er sprach am 3.8.1916 mit Joachim Friedenthal – „Mit Friedenthal im Reginacafé erzähle ihm Affäre Durieux“ [Tb] – und suchte am 3.8.1916 den Graphologen Ludwig Aub wohl mit dem vorliegenden Brief auf, um Rat zu holen: „Bei Ludwig Aub. Ich zeige ihm Tillys Brief.“ [Tb] beiwohnen zu können.

Ich hätte Dir noch Vieles zu sagen aber – mache ich es dadurch besser? Wie soll es nur werden?

Frank Wedekind schrieb am 4. August 1916 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly!

Ich habe Dir sehr viel Liebes zu sagenÄhnlich heißt es in einem der nächsten Briefe: „Ich möchte Dir gerne alles Liebe und Gute sagen“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.8.1916].. Du sollst in nächster Zeit und immer soweit es bei mir reicht, nur Freude an mir erfahren. Ich glaube, ich kann Dir morgen genau sagen, woher Deine Verstimmung kommt und Du wirst herzlich froh sein.

Dein innigst dankbarer
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 9. August 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, wir gehen mit Frau u. Fräulein Radeldie Journalistin und Frauenrechtlerin Frieda Radel (Redakteurin beim „Hamburger Fremdenblatt“ sowie Chefredakteurin des Organs des Hamburger Hausfrauenverbands) und ihre Tochter Käthe Radel, Schauspielerin am Hamburger und Altonaer Stadttheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 428]. fort, ich will Dich aber nicht aufwecken.

Herzlichst,
Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. August 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, um 9.49 glücklich angekommenFrank Wedekind notierte am 13.8.1916: „Tilly und Martha bei Frau Steinrück“ [Tb]. Tilly Wedekind und ihre Schwester Martha Newes haben Elisabeth Steinrück besucht, Gattin Albert Steinrücks und Schwägerin Arthur Schnitzlers, die seinerzeit ihrer angeschlagenen Gesundheit wegen in Tutzing lebte.. Es war sehr schön. Jetzt gehen wir gleich ins Bett.

Innigst Tilly


Kannst Du mir etwas Geld100 Mark, wie Wedekind auf der Rückseite des Zettels mitteilte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.8.1916]. in das Couvert geben?

Vielen Dank!

Frank Wedekind schrieb am 13. August 1916 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly! Hier sind 100 M.Wedekind notierte am 13.8.1916 im Kontobuch unter den Ausgaben für „Tilly“ 100 Mark. Ich mag nicht mehr in das Kuvert legen. Bitte mich um 10 Uhr zu wecken, ich habe mir das Bad bestellt. Hoffentlich hast du dich gut ausgeschlafen

Herzlichst Dein Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 15. August 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Herzlichste Grüße geliebter Frank, auf Wiedersehen morgender 16.8.1916..

Tilly

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 16. August 1916 in Dießen folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
München
Prinzregentenstr. 50 III.


16.8.16. Geliebter Frank,

wenn ich nicht dächte, dass es für Dich unbequem ist morgen wieder auswärts zu essen, würden wir hierbleibenam Ammersee. Tilly Wedekind hat mit ihren Töchtern am 16.8.1916 einen Tagesausflug nach Herrsching am Ammersee unternommen – „Tilly mit Kindern in Herrsching“ [Tb] – und unternahm von dort „mit den Kindern offenbar eine Dampferfahrt nach Dießen am Westufer des Sees.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 311]. Herzlichste Grüße von Tilly Pamela u Kadidja |


Diessen a. Ammersee.


Prachtdampfer Diessen.

Frank Wedekind schrieb am 16. August 1916 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly, ich gehe zum Bahnhof zum Zug G, 8teilweise unklar; „G“ könnte für ‚Gleis‘ (im Sinne von ‚am Gleis‘), „8“ dürfte für 20 Uhr stehen (zumal Wedekind dann schrieb, er werde um 21 Uhr essen gehen); Wedekind schrieb den Zettel, falls er seine Frau, die den Tag über in Herrsching am Ammersee war, wie er am 16.8.1916 im Tagebuch notierte („Tilly mit Kindern in Herrsching“), nicht am Bahnhof treffen würde.. Sollte ich euch nicht treffen und ihr später kommen, so werde ich dann um neun Uhr21 Uhr. zum essen gehen. Hoffentlich habt Ihr einen schönen Tagin Herrsching am Ammersee (siehe oben). gehabt und war es nicht zu an|strengend
innigst
Dein Frank


Keith findet Samstagder 19.8.1916. Die Presse meldete zur Umstellung des Spielplans der Münchner Kammerspiele, wo im „Marquis von Keith“ die Rolle des Ernst von Scholz mit Erwin Kalser besetzt war (die Titelrolle mit Frank Wedekind, die Gräfin von Werdenfels mit Tilly Wedekind): „Wegen Verhinderung des Herrn Dr. Kalser wird in Abänderung des Spielplans Samstag, 19. August, zum letzten Male Der Floh im Panzerhaus und am Sonntag, 20. August, zum letzten Male Seine einzige Frau gegeben. Die Aufführung des ‚Marquis von Keith‘ im Wedekind-Zyklus mußte infolgedessen auf die nächste Woche verschoben werden.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 414, 16.8.1916, Morgen-Ausgabe, S. 2] Wedekind notierte am 26.8.1916 (der Samstag in der Woche darauf): „Probe von Keith. [...] Keithvorstellung.“ [Tb] nicht statt wegen Erkrankung von Dr. Calser

Frank Wedekind schrieb am 19. August 1916 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

19.8.16Wedekind notierte am 19.8.1916: „Brief an T“ [Tb] – der vorliegende Brief..


Innigst geliebte Tilly!

ich möchte Dir gerne alles Liebe und Gute sagen, was ich für Dich auf dem Herzen habe. Gieb mir Gelegenheit dazu, indem Du mein Vertrauen stärkst. Alles sage ich Dir dann viel lieber Aug in Auge als daß ich es aufschreibe. Wir werden | niemals Mangel an Unterhaltungsstoff haben, wenn Du mir nur die Stichworte giebst um Dir alles Liebe zu sagen, was ich für Dich empfinde. Gieb mir nur bitte nicht die Stichworte fürs Gegenteil. Daß man Dich und Deine entzückenden Kostüme hübsch findet ist mir die größte Freude, wenn wir beide vergnügt mit einander sind. Wenn ich | aber mit Recht oder mit Unrecht daran zweifle, ob Du zu mir hältst, dann ist Dein Hinweis auf das Gefallen, das andere Männer an Dir finden, ein schlechtes Stichwort und Du kannst Dich nicht darüber wundern, daß es mir nicht aus dem Kopf geht. Ich mache mich lächerlich genug damit, daß ich Dir das schreibe. |

Mit Fräulein Radel mach für heute AbendWedekinds Tagebuch zufolge waren Käthe Radel, Schauspielerin am Hamburger und Altonaer Stadttheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 428], sowie die Schauspielerin Else Eckersberg, Joachim Friedenthal und Kurt Martens am 19.8.1916 nachmittags zum Kaffee zu Besuch und Wedekind arbeitete abends im Ratskeller („Fräulein Radel Frau Eckersberg Friedenthal und Martens zum Kaffee RK an Kitsch gearbeitet“); ein gemeinsamer Abend mit Käthe Radel und weiteren Bekannten – ein Souper im Parkhotel (Maximiliansplatz 21) – fand am 20.8.1916 statt („Parkhotel mit Frl. Radel Herrn Dr. Wickmann und Frau“). bitte aus, was Dir gut scheint. Ich werde kein Spielverderber sein.

Herzinnigst
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 21. August 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, herzlichsten Dank, ich gehe Einiges besorgen u. probieren. Auf Wiedersehen Mittags.

Innigst,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 22. August 1916 in München folgenden Zettel
an Tilly Wedekind

(München), 22.VIII.1916.


Geliebteste Tilly!

Ich wollte Dir nur guten Morgen sagen.

In innigster Liebe Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 23. August 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich soll mein KleidWedekind notierte am 24.8.1916: „Tilly zeigt mir neues gelbes Kleid“ [Tb]. anprobieren, möchte Dich aber nicht wecken. Auf Wiedersehn Mittags.

Innigst,
Tilly

Tilly Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 31. August 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
München
Prinzregentenstr. 50 III.


31.8.16Wedekind in München notierte am 31.8.1916: „Tilly mit den Kindern in Hersching“ [Tb].. Geliebter Frank, es regnet zwar in Strömen, wir sind aber doch vergnügt u. haben soviel Wohnungen gesehenTilly Wedekind suchte offenbar für ihren längeren Ferienaufenthalt vom 17. bis 30.9.1916 in Herrsching am Ammersee eine Wohnung. dass uns die Wahl schwer fällt. Innigsten Kuss, Deine Tilly


Viele Grüße, v.
Kadidja und Pamela!


Schapells Hotel-Restaurant Seespitz

Schönst gelegenes Etablissement Kahnfahrt u. Badegelegenheit Vorzügliche Küche Hochelegante Zimmer |


Mühlfeld-Herrsching a. Ammersee

Schapells Hotel-Restaurant Seespitz – Telef. 21

Tilly Wedekind schrieb am 17. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Dresden
Weber’s Hotel


Abs: Wedekind
Herrsching a./Ammersee
bei Güntherder Uhrmacher Georg Günther in Herrsching [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.9.1916], bei dem „Tilly offenbar ihre Ferienunterkunft gemietet hatte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 312].


Abends. Sonntag, 17.IX.16.


Innigst geliebter Frank,

ungefähr um die Zeit wie Du in DresdenWedekind trat seine Reise, die ihn zunächst nach Dresden führte (dann nach Leipzig und Berlin), am 17.9.1916 an: „Tilly begleitet mich zur Bahn. Fahrt nach Dresden.“ [Tb] warst, kam ich hier an. Es ist herrlich hier! Alles ist in schönster Ordnung, die KinderPamela und Kadidja Wedekind waren bereits zwei Tage zuvor in die Ferienunterkunft nach Herrsching abgereist, wie Wedekind am 15.9.1916 notierte: „Tilly bringt die Kinder auf die Bahn.“ [Tb] wohl u. vergnügt! Sie schlafen schon, ich esse noch zu Abend.

[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Morgen mehr.

[am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

In inniger Liebe, Deine Tilly |


Gruss aus Herrsching am Ammersee

Frank Wedekind schrieb am 18. September 1916 in Dresden folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
p.a. Herrn Uhrmacher Günther
Herrsching
am Ammersee Bayern


Innigst geliebte Tilly! Gestern angekommenFrank Wedekind notierte am 17.9.1916 nach seiner Ankunft in Dresden den Besuch bei seiner Schwester Erika Wedekind (Elisenstraße 3b) [vgl. Adreßbuch für Dresden 1917, Teil III, S. 830) und im Ratskeller (in Dresden gab es mehrere Ratskeller): „Fahrt nach Dresden. Abend bei Mieze. Nachher Ratskeller“ [Tb] verbrachte ich den Abend bei Mieze, dann im Ratskeller. Heute FrühWedekind notierte am 18.9.1916: „Besuch bei Dr. Zeiß. Dann bei Licho“ [Tb]. Er besuchte den Geheimen Hofrat Dr. Karl Zeiß, Mitglied der General-Direktion des Königlichen Schauspielhauses in Dresden, ab dem 1.10.1916 Generalintendant in Frankfurt Main, und Dr. Karl Wollf, Spielleiter am Königlichen Schauspielhaus [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 372], sowie Adolf Edgar Licho, Direktor des Albert-Theaters in Dresden [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 379]. alle Geschäfte erledigt mit Zeiß FrankfurterStichwort, mit dem bezeichnet ist, dass Karl Zeiß ab dem 1.10.1916 Generalintendant in Frankfurt Main [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 372] sein werde, bei den Vereinigten Stadttheatern [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 409]. Die Presse hatte gemeldet: „Nach [...] längerer Debatte genehmigte die gestrige Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt a.M. [...] einstimmig den Vertrag mit Geh. Hofrat Dr. Zeiß als Generalintendant der städtischen Theater auf zehn Jahre. Geheimrat Zeiß siedelt bereits am 1. Oktober nach Frankfurt über.“ [Berufung des Geheimrat Zeiß’ nach Frankfurt a.M. In: Dresdner Nachrichten, Jg. 60, Nr. 124, 5.5.1916, S. (9)], Licho und Dr. Wollf
Heute AbendWedekind notierte am 18.9.1916: „Abend Rosmersholm. Nachher Webers Hotel mit Ferdinand und Carl Wollf e.ct.“ [Tb] Er besuchte im Königlichen Schauspielhaus um 19.30 Uhr (Ende 22.45 Uhr) die Vorstellung von Ibsens Schauspiel „Rosmersholm“ [vgl. Dresdner Nachrichten, Jg. 60, Nr. 259, 18.9.1916, S. (8)] und war anschließend mit Julius Ferdinand Wollf, Chefredakteur der „Dresdner Neuesten Nachrichten“, und dessen Vetter Karl Wollf, dem Dramaturgen des Schauspielhauses (siehe oben), im Hotel. im Schauspielhaus Rosmersholm. Dann mit Ferdinand und Carl Wollf in Webers Hotel. Hoffentlich geht es Dir und den Kindern gut und fühlt Ihr euch wohl. Innigst grüßt und küßt Dich und die Kinder Dein Frank


[am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

Montagder 18.9.1916. |


Weinrestaurant


Palast-Hotel Weber, Dresden

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind und Kadidja Wedekind schrieben am 18. September 1916 in Erling folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Dresden
Weber’s Hotel


Abs: Wedekind
Herrsching a./Ammersee
bei Günther


Montag. 18. Geliebtester Frank,

wir haben sehr gut geschlafen, Vormittag habe ich mit den Kindern bissel gerudert, sie sind sehr geschickt. Natürlich sind wir sehr vorsichtig. Jetzt haben wir nach dem schönen Andechs einen Spaziergangnach Kloster Andechs (Motiv der Bildpostkarte); unterhalb liegt das Pfarrdorf Erling (seinerzeit eine selbständige Gemeinde), von wo aus die Bildpostkarte dem Poststempel zufolge verschickt wurde. gemacht. Das Wetter ist kühl aber schön. Innigst
Tilly


Grüße Pamela u iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916].


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Viele Grüße an Mieze. |


Kloster Andechs

Frank Wedekind schrieb am 19. September 1916 in Dresden folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
p.a. H Uhrmacher Gunther
Herrsching am Ammersee Bayern


19.9.16

Innigst geliebte Tilly! Gestern abendWedekind notierte am 18.9.1916: „Abend Rosmersholm. Nachher Webers Hotel mit Ferdinand und Carl Wollf e.ct.“ [Tb] Er besuchte im Königlichen Schauspielhaus um 19.30 Uhr (Ende 22.45 Uhr) die Vorstellung von Ibsens Schauspiel „Rosmersholm“ [vgl. Dresdner Nachrichten, Jg. 60, Nr. 259, 18.9.1916, S. (8)], die Julius Ferdinand Wollf, Chefredakteur der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ besprach und von der „vortrefflichen Rosmersholm-Aufführung“ [J.F.W.: Königl. Schauspielhaus. In: Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 24, Nr. 257, 20.9.1916, S. 2] sprach. Wedekind war mit ihm und seinem Vetter Karl Wollf, Spielleiter am Königlichen Schauspielhaus [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 372], anschließend im Hotel. war ich in Rosmersholm, nachher mit Ferdinand und Carl Wollf in Webers Hotel. Politisch interessanter Abend. MorgenFrank Wedekind reiste am 20.9.1916 nach dem Mittagessen bei seiner Schwester Erika Wedekind nach Leipzig, an den Bahnhof begleitet von seinen Nichten Eva Oschwald und Eva Wedekind (die Tochter von Armin Wedekind war bei ihrer Tante zu Besuch): „Bei Mieze zu Mittag. Die beiden Evas begleiten mich auf den Bahnhof. Fahrt nach Leipzig wohne Astoria.“ [Tb] fahre ich nach Leipzig. Hoffentlich geht es Euch allen gut und freut Ihr Euch Eures Daseins. Grüße die Kinder herzlich und sei selber gegrüßt und geküßt von Deinem
Frank |


Vestibül

Palast-Hotel Weber, Dresden

Tilly Wedekind schrieb am 19. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Dresden
Palast Hotel Weber


Abs: Wedekind
bei Güntherein Uhrmacher in Herrsching [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.9.1916], bei dem „Tilly offenbar ihre Ferienunterkunft gemietet hatte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 312].
Herrsching a./Ammersee

Dienstagder 19.9.1916.. Innigst geliebter Frank,

heute Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.9.1916. von Montag erhalten, vielen Dank! Leider regnet es, aber hoffentlich hält das nicht zu lange an. Wir waren nur im Ort unsre Vorräte für Früh u. Abend einholen. Post bekam ich von München noch keine nach. Die Luft u. die Ruhe hier tun schon sehr gut! Küsse v. d. Kindern. Innigst
Deine Tilly |


Strandpromenade bei Herrsching am Ammersee.


Leider geht die Karte erst Früh wegmorgens am 23.9.1916; der Nachtrag auf der Bildseite der zunächst nach Dresden adressierten Bildpostkarte wurde im Zuge ihrer Rück- und Nachsendung am 22.9.1916 geschrieben und am 23.9.1916 erneut abgeschickt – nun nach Leipzig [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.9.1916 (Brief)]., habe jeden Abend geschrieben.

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind und Kadidja Wedekind schrieben am 20. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mittwoch.

Herrsching, 20.9.16.


Innigst geliebter Frank,

hoffentlich haben meine Karten nicht zu lange b/g/ebraucht, ich sah erst gestern dass nur Früh Mittag u. Abend Nachmittag ausgehoben wird. Ich schrieb immer abends. Wann die Karte von Andechsvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.9.1916. weg gieng weiß ich auch nicht | genau. Hoffentlich geht es Dir recht, recht gut u. triffst Du viele interessante Leute! Anbei 1 Karte u. 2 Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Georg Müller Verlag an Wedekind, 19.9.1916; Deutsche Bank Filiale München an Wedekind, 19.9.1916., vom Verlag u. der Bank. Da es geschäftliche Sachen sind, lege ich sie ohne Couvert bei, um Porto zu sparen.

Gestern fing ich Till Eulenspiegel“ zu lesenWedekind hatte von der Neubearbeitung von „Oaha“ fünf Typoskripte herstellen lassen [vgl. Wedekind an Ludwig Friedmann, 22.7.1916], von denen seine Frau eines las. an. Heute ist das Wetter etwas besser. Herrsching ist reizend! Vielleicht gehen wir nächsten Sommer zusammen hierher. Innigen Kuss Dir Geliebter, von Deiner Tilly


Viele Grüße von Pamela. ‒ iZeichen für Kadidja Wedekind. daßSchreibversehen, statt: das. schreibt Kadidja

Frank Wedekind schrieb am 20. September 1916 in Dresden folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
p.a. Herrn Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee Bayern


Canalbrücke, König Friedrich August-Brücke und Altstadt

Dresden


Geliebteste Tilly! Herzlichen Dank für Deine beiden Kartenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.9.1916 und 18.9.1916.. Hier sind meine Geschäftedie Theater für Aufführungen seiner Dramen zu gewinnen. zu Ende, fahre heute nach LeipzigWedekind notierte am 20.9.1916: „Fahrt nach Leipzig wohne Astoria.“ [Tb] Das „Hotel ‚Astoria‘“ war ein neues Domizil: „Neu eröffnet. Blücherplatz 2 am Hauptbahnhof. Haus I. Ranges. – Letzter Komfort. 250 Betten, 50 Bäder.“ [Leipziger Adreßbuch 1917, Teil III, S. 44] Hotel Astoria. SeitSchreibversehen, statt: Seid. mit Rudern vorsichtig. Walter, Mieze, die beiden EvasFrank Wedekinds Nichten Eva Oschwald aus Dresden (Tochter von Erika Wedekind und Walther Oschwald) und Eva Wedekind aus Zürich (Armin Wedekinds Tochter). Wedekind notierte am 20.9.1916 in Dresden: „Die beiden Evas begleiten mich auf den Bahnhof.“ [Tb] lassen Dich, Pamela und die iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916]. grüßen.

Innigste Grüße und Küsse von
Deinem
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 20. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 22.9.1916 aus Herrsching am Ammersee:]


Ich habe täglich [...] geschrieben, vorgestern sogar 3malTilly Wedekind schrieb ihrem Mann am 20.9.1916 eine Bildpostkarte und eine Briefkarte (mit nachgesandter Post als Beilage) sowie das nicht überlieferte Korrespondenzstück (vermutlich ebenfalls nachgesandte Post begleitend), das hier erschlossen ist. [...]

Tilly Wedekind schrieb am 20. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Leipzig
Hotel HauffeFrank und Tilly Wedekind haben am 13. und 20.1.1906 sowie vom 12. bis 19.4.1913 im Hotel Hauffe (Roßstraße 2 und 4) in Leipzig übernachtet, er allein auch am 11.2.1907 [vgl. Tb]; seine Frau konnte noch nicht wissen, dass er nun im Hotel Astoria (Blücherplatz 2) logierte.


Abs: Wedekind
bei Günther
Herrsching
a./Ammersee

20. Mittwoch. Innigst geliebter Frank, eben Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.9.1916. von gestern erhalten, vielen Dank! Hoffentlich hast Du auch meine Post. Heute einen herrlichen Spaziergang nach Schloss RiedSchreibversehen, statt: Rezensried (verwechselt mit der Ortschaft Ried). Schloss Rezensried lag etwa 3 Kilometer nordwestlich von Herrsching am Ammersee in Ried (seinerzeit noch kein Ortsteil von Herrsching). gemacht, das wunderschön ist. Wir lassen es uns sehr wohl sein u. hoffen von Dir das Gleiche. Die Zeit vergeht mit schlafen, essen u. spazieren laufen.

Sei innig geküsst v. Deiner Tilly |


Herrsching a/Ammersee

Frank Wedekind schrieb am 21. September 1916 in Leipzig folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
p.a. H Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee Bayern


Geliebteste Tilly! Gestern Nachmittag fuhr ich hierherWedekind notierte am 20.9.1916: „Fahrt nach Leipzig wohne Astoria.“ [Tb] Das „Hotel ‚Astoria‘“ war ein neues Domizil: „Neu eröffnet. Blücherplatz 2 am Hauptbahnhof. Haus I. Ranges. – Letzter Komfort. 250 Betten, 50 Bäder.“ [Leipziger Adreßbuch 1917, Teil III, S. 44], wohne Hotel Astoria, werde aber bei HauffeFrank und Tilly Wedekind haben in Leipzig sonst im Hotel Hauffe (Roßstraße 2 und 4) logiert – am 13. und 20.1.1906 sowie vom 12. bis 19.4.1913, er allein auch am 11.2.1907 [vgl. Tb]. nachfragen ob Post eingetroffen. Sprach gesternWedekind notierte am 20.9.1916: „Besuch bei Martersteig.“ [Tb] Max Martersteig war Intendant der Städtischen Theater (Neues Theater, Altes Theater) in Leipzig [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 470]. noch mit Martersteig heuteWedekind notierte am 21.9.1916 vormittags seinen „Besuch im Schauspielhaus“ [Tb] – bei Fritz Viehweg, Direktor und Oberspielleiter des Leipziger Schauspielhauses [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 475]. mit dem Direktor vom Leipziger Schauspielhaus. bleibe einige TageWedekind blieb bis zum 24.9.1916 in Leipzig und reiste von dort weiter nach Berlin. hier. Hoffentlich geht es euch gut. Herzliche Grüße und Küsse an Dich Pamela und Kadidja

Innigst Dein Frank |


Leipzig – Völkerschlacht-DenkmalWedekind notierte am 21.9.1916 in Leipzig (die ‚Schlacht‘ ließ er weg): „Nach Tisch auf dem Völkerdenkmal.“ [Tb].

An diesem gewaltigen Bau wird seit 14 Jahren gearbeitet. Er ist 91 m hoch und hat eine Last von 10 Millionen Zentnern. Einzelne Steinbildnisse,deren Zeigefinger 1 m lang sind, wiegen je 8000 Zentner.

Die Baukosten belaufen sich auf 6 Millionen Mark.

Tilly Wedekind schrieb am 21. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Leipzig
Hotel HauffeFrank und Tilly Wedekind haben am 13. und 20.1.1906 sowie vom 12. bis 19.4.1913 im Hotel Hauffe (Roßstraße 2 und 4) in Leipzig übernachtet, er allein auch am 11.2.1907 [vgl. Tb]; seine Frau konnte noch nicht wissen, dass er nun im Hotel Astoria (Blücherplatz 2) logierte.


Abs: Wedekind
bei Günther
Herrsching a./Ammersee

21.9.16. Donnerstag.


Innigst, geliebter Frank, heute Früh hab ich Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Thalia-Theater Hamburg an Wedekind, 20.1.1916. – Der Absender ist unsicher, darf aber angesichts der nun abgeschlossenes Verhandlungen von Eugen Frankfurter (siehe unten) über die Inszenierung des Schwanks „Der Liebestrank“ am 13.11.1916 am Hamburger Thalia-Theater unter der Regie von Erich Ziegel [vgl. KSA 2, S. 1113] angenommen werden. u. Expressbriefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Eugen Frankfurter an Wedekind, 19.1.1916. – Absender dürfte der Theateragent Emil Frankfurter gewesen sein, der Wedekind den Vertrag über die Aufführung des Schwanks „Der Liebestrank“ am Hamburger Thalia-Theater zusandte, wie aus einer Mitteilung Wedekinds hervorgeht [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.9.1916 (Postkarte)]. weggeschickt, hoffentlich hast Du alles erhalten. Wir haben einen herrlichen Spaziergang nach Schloss Seefeld gemacht. Es liegt wie Wildegg, führt eine herrliche StraßeSchloss Seefeld, der Weg dorthin mit dem von Lenzburg nach Schloss Wildegg im Kanton Aargau verglichen, liegt etwa 6 Kilometer nordöstlich von Herrsching am Ammersee in Seefeld am Pilsensee. hin, besteht aus 6 Gebäuden. Es ist um 1730 gebaut, jetzt wohnt ein | GrafGraf Hans Veit zu Toerring-Jettenbach, Besitzer von Schloss Seefeld (seit Jahrhunderten im Besitz seiner Familie), seit dem 26.7.1898 verheiratet mit Sophie Adelheid in Bayern, einer Schwester von Marie Gabriele von Bayern, die seit ihrer Heirat am 10.7.1910 mit dem Kronprinzen Rupprecht von Bayern Kronprinzessin gewesen und am 24.10.1912 verstorben ist, was Tilly Wedekind offenbar erinnerte, da die Presse breit berichtet hatte [vgl. Frau Prinzessin Rupprecht †. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 547, 26.10.1912, Vorabendblatt, S. 3]. Törring drin der eine Schwester der Prinzessin Rupprecht zur Frau hat. Es war ein prachtvoller Spaziergang!

In inniger Liebe,
Deine Tilly


Küsse v. d. Kindern


HERRSCHING. Segler.

Tilly Wedekind schrieb am 22. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgenden Brief
an Frank Wedekind

Freitag, 22.9.16.

abends.


Innigst geliebter Geliebter,

anbei einen Brief von Schmidnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Alfred Schmid Nachfolger an Wedekind, 21.9.1916. – Die Münchner Konzertagentur und Musikalienhandlung Alfred Schmid Nachfolger (Residenzstraße 7) wurde geführt von Unico Hensel [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 629], der sie 1892 übernommen hatte, seit 1913 mit Sitz an der genannten Adresse [vgl. M.H.: Unico Hensel 60 Jahre. In: Zeitschrift für Instrumentenbau, Jg. 49, Nr. 6, 15.12.1928, S. 258f.]. den ich öffnete, weil ich dachte es seien vielleicht nur Billetts.

Leider kam auch eine Karte von mir zurückvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 19.9.1916., die ich nach Dresden geschickt hatte. Vielleicht giebstSchreibversehen, statt: gibst. Du bei der Abreise immer Deine nächste Adresse an u. schreibst mir auch rechtzeitig Deine neue Adresse, sonst bist Du am Ende mehrere Tage ohne Nachricht, ohne dasSchreibversehen, statt: dass. ich was dafür kann. Ich habe täglich vom 1. Tag anvom 17.9.1916 an, mit Beginn des Urlaubs in Herrsching am Ammersee. geschrieben, vorgestern | sogar 3malam 20.9.1916 eine Bildpostkarte und eine Briefkarte (mit nachgesandter Post als Beilage) sowie ein nicht überliefertes Schreiben (vermutlich ebenfalls nachgesandte Post begleitend); erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916., heute 2maldie nachmittags am 22.9.1916 in Fischen am Ammersee geschriebene Bildpostkarte und der vorliegende Brief.. Heute geht es allerdings nicht mehr weg; die Karte von Fischendie nachmittags am 22.9.1916 in Fischen am Ammersee geschriebene Bildpostkarte. kann ich hier erst einwerfen, denn in Fischen kommt die Post nur einmal Mittags um 3 Uhr hin. Wir waren den ganzen Tag Nachmittag drüben, es war herrlich. Ein wunderschöner Weg 1½ fast 2 Stunden immer am See entlang u. durch den Wald.

Die Zeit vergeht uns furchtbar schnell. Zum Lesen komme ich leider zu wenig. Denn wenn es irgend geht lauft man spazieren, auch war es bis jetzt in den Zimmern einfach zu kalt um zu sitzen. | Wir saßen nur immer Mittags u. abends eine Stunde länger im W Gasthaus in der warmen Stube. Heute war ja herrliche Sonne, so darf es die nächsten 8 Tage bleiben. Der Sonnenuntergang hinter dem See war unbeschreiblich schön!

Vom Schloss Seefeldvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.9.1916. muss ich Dir noch Karten schicken, das gefiel mir sehr. Hier kann ich aber keine bekommen, wir gehen nochmal hinüber.

Sonst kann ich Dir nichts interessantesSchreibversehen, statt: Interessantes. erzählen. Ich hoffe nur, dasSchreibversehen, statt: dass. wir dies alles auch noch gemeinsam genießen werden. Im Sommer entschließt | Du Dich doch vielleicht mal „auf’s Land“ zu gehen. Wenn’s nur für 8 Tage ist.

Die Kinder sind in’s Bett, ich werde noch „Überfürchtenichts“ lesenTilly Wedekind las ein Typoskript des am 17.7.1916 diktierten Versdramas „Überfürchtenichts“ [vgl. KSA 8, S. 934], das erst im Dezember 1917 im Georg Müller Verlag erschien [vgl. KSA 8, S. 943]..

Im „Till Eulenspiegel“ glaub ich, bleibe ich bei meiner RolleTilly Wedekind übernahm – wie schon in „Oaha“ – in der am 1.12.1916 an den Münchner Kammerspielen unter der Regie von Frank Wedekind uraufgeführten Überarbeitung „Till Eulenspiegel“ die Rolle der Gattin Georg Sterners, die nun Wanda Washington heißt..

Der Schluss ist jetzt viel besser u. knapper.

Unterhalte Dich gut u. sei innigst umarmt u. geküsst,
von Deiner Tilly

Tilly Wedekind, Kadidja Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 22. September 1916 in Fischen am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Leipzig
Hotel Astoria


Abs: Wedekind
b Günther
Herrsching a./Ammersee

Freitag. 22.9.16. Geliebtester Frank, heute hat sich’s aufgehellt u. nun haben wir herrlichen Sonnenschein u. blauen Himmel! Wir giengenSchreibversehen, statt: gingen. hierHinweis auf das Bildmotiv der Bildpostkarte. bis ans Ende des Sees, einen wunderschönen Weg durch den Wald.

Hoffe Dich bei recht guter Stimmung Lieber u. umarme Dich innigst, Deine Tilly |


See-Restauration Fischen am Ammersee. Besitzer: F. Külbs.


Viele Grüße
Pamela iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916].

Frank Wedekind schrieb am 22. September 1916 in Leipzig folgende Bildpostkarte
an Tilly Wedekind

Frau Tilly Wedekind
bei Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee Bayern.


22.9.16. Innigst geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Nachsendung der Postversandt an das Hotel Hauffe (Roßstraße 2 und 4) in Leipzig [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.9.1916]., die ich eben im Hauffe abholte. Gestern und heute Morgen hatte ich BesprechungWedekind hat seine Besprechungen mit Fritz Viehweg, Direktor und Oberspielleiter des Leipziger Schauspielhauses [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 475], am 21.9.1916 („Besuch im Schauspielhaus“) und 22.9.1916 („Besuch bei Vieweg im Schauspielhaus“) im Tagebuch notiert; vereinbart wurden Aufführungen von „Frühlings Erwachen“ (Premiere: 14.10.1916), inszeniert von Hans Sturm [vgl. Leipziger Tageblatt, Jg. 110, Nr. 524, 14.10.1916, Morgen-Ausgabe, S. 4], und „Erdgeist“ (Premiere: 21.4.1917), mit Kläre Reichenau als Lulu und ebenfalls von Hans Sturm inszeniert [vgl. Leipziger Tageblatt, Jg. 111, Nr. 199, 21.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. 4], am Leipziger Schauspielhaus. mit Direktor Viehweg. Gestern AbendWedekind notierte am 21.9.1916 den Abend mit Kurt Hezel und dessen Freunden Dr. Martin Drucker, Gustav Herrmann und Prof. Dr. phil. Franz Eulenburg im Ratskeller: „Abends R.K mit Hetzel Drucker Herrmann und Prof. Eulenburg“ [Tb]. Rathskeller mit Hetzel und seinen Freunden. Jetzt gehe ich in „Tassoin die Vorstellung von Goethes Schauspiel „Torquato Tasso“ (1790) am 22.9.1916 um 20 Uhr im Alten Theater [vgl. Leipziger Tageblatt, Jg. 110, Nr. 483, 22.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. 4]. im alten Theater. Ich freue mich sehr daß es euch gut geht und Du dich nicht langweilst.

Innigste Küsse Dir und den Kindern
Dein Frank |


Leipzig

Schwanenteich und Neues Theater.

Tilly Wedekind schrieb am 23. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Postkarte


Herrn

Frank Wedekind schrieb am 23. September 1916 in Leipzig folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Meine Geschäftedie Theater für Aufführungen seiner Dramen zu gewinnen. Die Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ (Premiere: 14.10.1916) am Leipziger Schauspielhaus (Direktion: Fritz Viehweg) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 475] war bereits angekündigt: „Für weiterhin in Vorbereitung: Frühlings Erwachen von Frank Wedekind“ [Leipziger Volkszeitung, Jg. 23, Nr. 212, 23.9.1916, Feuilleton, S. (2)]. hier in Leipzig sind jetzt erledigt. MorgenWedekind notierte am 24.9.1916: „Fahrt nach Berlin.“ [Tb] nachmittag fahre ich nach Berlin. Voraussichtlich wohne ich doch im Edenhotel am Zoologischen Garten. Gestern AbendWedekind notierte für den Abend des 22.9.1916 lediglich: „Rathskeller mit Hetzel.“ [Tb] war ich in einer ganz hübschen VorstellungWedekind besuchte am 22.9.1916 um 20 Uhr (Pause nach dem 3. Akt, Ende gegen 23 Uhr) die Vorstellung von Goethes „Torquato Tasso“ (1790) im Alten Theater, mit Kurt Stieler in der Titelrolle und inszeniert von Max Martersteig: „In der Neueinstudierung: Torquato Tasso. Schauspiel in 5 Akten von Goethe. Bühnenleitung: Der Intendant.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 110, Nr. 524, 22.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. 4]. von Tasso und nachher mit Kurt Hetzel allein im Ratskeller, heute VormittagWedekind notierte am 23.9.1916: „Vormittag Generalprobe von Friedensfest im Schauspielhaus“[Tb]; er besuchte die Generalprobe von Gerhart Hauptmanns Stück „Das Friedensfest“ (1890), das am 23.9.1916 um 20 Uhr Premiere im Leipziger Schauspielhaus hatte: „Erstaufführung: Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe. Bühnendichtung in drei Vorgängen vom Gerhart Hauptmann. Spielleitung: Fritz Viehweg. [...] Die Vorgänge dieser Dichtung spielen sich ab an einem Weihnachtsabend der 80er Jahre in einem einsamen Landhaus auf dem Schützenhügel bei Erkner (Mark Brandenburg).“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 110, Nr. 485, 23.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. 4] Das Stück rief bei Wedekind Erinnerungen wach. „Hauptmann hatte bei der Entstehung des Stücks für dessen Handlung vertrauliche Mitteilungen Franks über das Familienleben der Wedekinds auf Schloss Lenzburg aufgegriffen, worüber Wedekind sich einst furchtbar aufregte“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 317]. auf einer schauerlichen Friedensfest-probe im Schauspielhaus. Hoffentlich befindet Ihr Euch wohl und habt schöne Tage. Ich bin sehr gespannt, was | ich Montag AbendWedekind suchte die Deutsche Gesellschaft 1914 in Berlin (Wilhelmstraße 67) am 25.9.1916 (Montag) mittags und abends auf [vgl. Tb]. in Berlin im Klub erfahre. Mit herzlichen Grüßen und Küssen an Dich und die Kinder
Dein Frank


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
p.a. H. Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee (Bayern)

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind und Kadidja Wedekind schrieben am 23. September 1916 in Dießen folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Leipzig
Hotel Astoria


Abs: Wedekind
b. Günther
Herrsching a./Ammersee

Samstag. 23.9.16. Geliebtester Frank, heute sind wir mit dem Dampfer nach Riederau, dann zu Fuß hier hernach Dießen (Bildmotiv der Bildpostkarte), knapp zwei Kilometer nördlich des Dorfs Riederau, das einen Dampfersteg hatte.. Ein alter Marktflecken mit einer sehr schönen Kirche u. Kloster. Jetzt haben wir uns gestärkt u. dann gehts ebenso zurück. Innigst Deine Tilly


Viele Grüße Pamla! iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916]. |


Partie in Diessen a. Ammersee

Tilly Wedekind schrieb am 24. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
LeipzigDie hier ansetzende Streichung der Leipziger Adresse mit nachfolgender Korrektur nahm Tilly Wedekind vor, als sie am 25.9.1916 morgens die Postkarte ihres Mannes aus Leipzig mit der Mitteilung seiner Reise nach Berlin (einschließlich Hotel) [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 23.9.1916] gerade noch rechtzeitig erhielt, um die vorliegende Bildpostkarte umzuadressieren [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.9.1916].
Hotel Astoria
Berlin W. Eden Hotel.


Abs: Wedekind
b. Günther
Herrsching a./Ammersee

24.9.16. Geliebtester Frank, heute kamen ziemlich viel Leute aus München heraussen, aber auf unserem Spaziergangam Nachmittag; hier Nachtrag zu der am selben Tag geschriebenen früheren Bildpostkarte. nach Seefeld merkten wir nicht viel davon. Morgen ist’s wieder ganz einsam u. das ist am Schönsten. Das Völkerschlacht DenkmalAnspielung auf das Motiv einer Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.9.1916]. muss herrlich sein!

Bist Du im „ÜberfürchtenichtsTilly Wedekind las ein Typoskript des Versdramas, das erst im Dezember 1917 im Georg Müller Verlag erschien [vgl. KSA 8, S. 943]. nicht sehr scharf? Aber ich sag lieber nichts, sonst sagst Du: „von VerständnissSchreibversehen, statt: Verständnis. keinen Schimmer“

Sei innig geküsst von Deiner Tilly |


Am See. (Herrsching).

Tilly Wedekind schrieb am 24. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Leipzig
Hotel Astoria


Abs: Wedekind
b. Günther
Herrsching a./Ammersee

Sonntag. 24.9.16. Innigst geliebter Frank, heute giengen wir nochmal hierhernach Schloss Seefeld, das Tilly Wedekind mit ihren Töchtern drei Tage zuvor schon besucht hatte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.9.1916]. u. holten Karten, damit Du siehst wie wundervoll das Schloss ist. Wir hatten Glück. Der Graf u. die Gräfin fuhren gerade im Jagdwagen weg u. die 3 Kinderdes Grafen Veit zu Toerring-Jettenbach und seiner Gattin Sophie, der Gräfin: Karl Theodor (16 Jahre alt), Marie (14 Jahre alt) und Hans Heribert (12 Jahre alt). sprangen im Hof herum. Pamela u. Muckerl„Kosename für [...] Kadidja Wedekind.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 318] u. auch ich, wir singen im marschieren.

Lass es Dir recht gut gehen!

Innigen Kuss, Deine Tilly |


s+++ee Seefeld. Schlosshof.

Frank Wedekind schrieb am 24. September 1916 in Leipzig folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.9.1916 (Brief). und für die Karten, auch für die von Dresden gekommenen. Gestern AbendWedekind notierte am 23.9.1916: „Ratskeller allein“ [Tb]. war ich allein und habe gearbeitet. Eben bin ich im Begriff nach BerlinWedekind notierte am 24.9.1916: „Fahrt nach Berlin.“ [Tb] zu fahren und werde dort voraussichtlich Eden Hotel wohnen. Herzlich freue ich mich daß ihr vergnügt seid, das Wetter scheint überall gleich kalt. Sehr gespannt bin ich auf aufSchreibversehen, statt: auf. morgen AbendWedekind suchte die Deutsche Gesellschaft 1914 in Berlin (Wilhelmstraße 67) am 25.9.1916 (Montag) mittags und abends auf [vgl. Tb]. im Klub. Hier habe ich nicht viel neues gehört, um so mehr wird man | in Berlin wissen. Innigste Grüße und Küsse an Dich, geliebte Tilly, und die Kinder.

Dein
Frank


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
p.a. H. Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee (Bayern)

Tilly Wedekind schrieb am 25. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Bahnhof Zoologischer Garten


Abs: Wedekind b. Günther
Herrsching am Ammersee.

25.9.16. Innigst geliebter Frank, heute Früh kam Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 23.9.1916., herzlichen Dank dafür. | Da bist Du wohl schon gestern Sonntag nach Berlin? Fährst Du auch noch nach Hamburg u. wann denkst Du, dass Du nach München kommst? Ich denke, ich fahre Samstagder 30.9.1916. heim, weil der 1. am Sonntag ist. Die neue Köchin werde ich dann für abends bestellen. Wenn Du vielleicht Montag den 2. ankommen willst, wäre das am Besten. Dann sind wir schon bissel in Ordnung. Ist es Dir recht? Und könntest Du mir noch ein bischen Geld schicken? Ich käme zwar aus, aber knapp, wir haben alle einen Riesenhunger.

Vielen Dank im Voraus u. innigen Kuss
Geliebter, von Deiner Tilly

Frank Wedekind schrieb am 26. September 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Eden Hotel 26.9.16. Geliebteste Tilly! GesternWedekind notierte am 25.9.1916 im Tagebuch seine Verhandlungen vormittags mit Othmar Keindl, Bürochef des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt), und dem Verleger Erich Reiß, der neben Arthur Kahane und dem vermerkten Felix Hollaender seinerzeit dem Dramaturgischen Büro am Deutschen Theater vorstand [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 287], sowie nachmittags mit dem Drei Masken Verlag („Besprechung mit Keindl Reiß. Holländer [...]. Besprechung mit Drei Masken“); er notierte abends seinen Besuch in der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), wo der Opernsänger Carl Clewing, Schauspieler an den Königlichen Schauspielen in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 274], mit Liedern des schwedischen Dichters und Komponisten Carl Michael Bellman auftrat, und sein anschließendes Beisammensein mit Walther Rathenau, Max Reinhardt, Wilhelm Herzog, Walter von Rummel und einem Dr. Alexander („Im Klub singt Karl Kleving Lieder von Carl Michael Bellmann. Nachher mit Rathenau Reinhard Herzog Baron Rummel Dr. Alexander“). habe ich den ganzen Tag geschachert, erst mit Kaindl und Reiß dann Drei Masken Verlag. Abends war ich im Klub wo Klewing Lieder vortrug von dem Dänen Bellmann. Er singt ausgezeichnet. Nachher saß ich mit Ratenau Reinhardt Holländer und Vollmöller zusammen. Nicht eine Spur von Aussicht auf Frieden. Ich muß noch bis nächsten Dienstag oder Mittwoch hier bleiben, wegen eines Vertrages mit Meinhard-BernauerWedekind war im Begriff, den Vertrag für die „Erdgeist“-Inszenierung (Premiere: 4.11.1916) im Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 281]) abzuschließen.. Vielleicht fahre ich inzwischen auf einen Tag nach Hamburg. | Eben erhalte ich Deine Karte von Samstagdie von Pamela und Kadidja Wedekind mitunterschriebene Bildpostkarte aus Dießen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1916].. Ich freue mich herzlich, daß es euch allen gut geht. Herzliche Grüße an Dich, Pamela und iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916]; im Erstdruck ausgeschrieben: „Kadidja.“. Innigst küßt Dich Dein
Frank.


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
p.a. H. Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee (Bayern)

Frank Wedekind schrieb am 27. September 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

28Schreibversehen, statt: 27..9.16. Innigst geliebte Tilly! Eben habe ich Dir per Postanweisung M. 300. geschicktmit der Postanweisung vom späten Nachmittag [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.9.1916].. Ob Überfürchtenichts jetzt überhaupt erscheinen kannWedekind, der „Überfürchtenichts“ bereits Karl Kraus zum Abdruck angeboten hat [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 22.7.1916], das Angebot aber wieder zurückzog und etwa gleichzeitig eine Absage erhielt [vgl. Nottscheid 2008, S. 215], hatte sein Stück dann einer Zeitschrift in Wien angeboten [vgl. Wedekind an Leo Schidrowitz, „Die Ernte“, 6.8.1916] – noch stand in Aussicht, dass er sein Stück in der Monatsschrift „Die Ernte“ gedruckt sehen würde. So wurde am Vortag in Wien gemeldet: „Eine Vereinigung deutscher und österreichischer Künstler gibt eine literarische Zeitschrift, die ‚Ernte‘, heraus, die unter der Leitung von Leo Schidrowitz steht. [...] Für das nächste Heft wird die jüngste Arbeit Frank Wedekinds ‚Ueberfürchtenichts‘ vorbereitet.“ [Neues Wiener Journal, Jg. 24, Nr. 8229, 26.9.1916, S. 11] Wenige Tage später hieß es in Hamburg: „Frank Wedekind hat eine Tragikomödie ‚Der Ueberfürchtenichts‘ vollendet. Ihre erste Veröffentlichung erfolgt im nächsten Heft der von deutschen und österreichischen Künstlern gemeinsam herausgegebenen Zeitschrift ‚Die Ernte‘.“ [Neue Hamburger Zeitung, Jg. 21, Nr. 497, 29.9.1916, Abend-Ausgabe, S. (3); vgl. Hamburgischer Correspondent, Jg. 186, Nr. 497, 29.9.1916, Abend-Ausgabe, S. 3] Schließlich wurde aus Berlin über die „literarische Zeitschrift ‚Die Ernte‘“ gemeldet: „Jede Nummer enthält neben kleineren Beiträgen den abgeschlossenen Erstdruck der neuen großen Arbeit eines Dichters. [...] die Oktobernummer wird die jüngste Schöpfung Frank Wedekinds ‚Der Ueberfürchtenichts‘ zum Abdruck bringen.“ [„Die Ernte“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 502, 30.9.1916, Abend-Ausgabe, S. (2)] Wedekind hat über die Einrichtung zum Druck dann noch korrespondiert [vgl. Wedekind an Leo Schidrowitz, 6.10.1916]. Die Zeitschriftenveröffentlichung kam nicht zustande [vgl. KSA 8, S. 934], „die Zensur verbot den Druck.“ [Kutscher 3, S. 170], ist eine große Frage. Ich versuchte es schon in Wien zu einem wohltätigen ZweckZu der Wiener Zeitschrift „Die Ernte“ (siehe oben) war zunächst mitgeteilt: „Die Ernte. Literarische Monatsschrift der Hilfsaktion deutscher Künstler. Durch den Zusammenschluß unsrer namhaftesten Autoren, der bedeutendsten darstellenden Künstler, Musiker und Maler wurde die Einleitung einer Hilfsaktion der deutschen Künstlerschaft ermöglicht, die zugunsten der Verwundeten-, Invaliden- und Hinterbliebenenfürsorge wirkt und nicht nur um des guten Zweckes willen, vor allem wegen ihrer künstlerisch wertvollen Darbietungen berechtigten Anspruch auf die Teilnahme der weitesten Publikumskreise hat.“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 50, Nr. 17, 17.1.1916, S. 15]. Dann hieß es: „In Wien wird vom internationalen Kunstverband eine literarische Zeitschrift ‚Die Ernte‘ herausgegeben, deren voller Ertrag notleidenden Künstlern, Schauspielern und Schriftstellern zugute kommt. Des idealen Zweckes wegen verzichten die Mitarbeiter, zu denen viele bekannte Schriftsteller Deutschlands und Oesterreichs gehören, auf Honorar.“ [„Die Ernte“. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 502, 30.9.1916, Abend-Ausgabe, S. (2)]. Es ist aber mißglücktWedekind schätzte die Aussichten, „Überfürchtenichts“ im Oktober-Heft der Wiener Monatsschrift „Die Ernte“ gedruckt zu sehen (siehe oben), pessimistisch ein; vielleicht, weil er keine aktuelle Nachricht über den Stand der Dinge hatte.. Hoffentlich habt Ihr so schönes Wetter wie es jetzt hier ist. Ich bin meistens im KlubWedekind hatte bis dahin während seines Aufenthalts in Berlin die Deutsche Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67) mindestens einmal täglich aufgesucht, wie das Tagebuch ausweist, am 25.9.1916 („Mittag im Klub. [...] Im Klub“), 26.9.1916 („Mittag im Klub [...]. Dann Club“) und 27.9.1916 („Mittag im Club“)., wo sehr viel gesprochen wird, aber nichts was auf Frieden deutet. Heute AbendWedekind besuchte am 27.9.1916 abends mit Carl Heine (und Beate Heine) nicht das genannte Bierlokal in der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Auguste-Viktoria-Platz und des Zoologischen Gartens, sondern „‚Willys‘ Restaurant und Weingroßhandlung“ [Berliner Adreßbuch 1916, Teil IV, S. 444] (Kurfürstendamm 11), Geschäftsführer: Willy Böttger [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 3267], das „Restaurant ‚Willys‘“ [Berliner Adreßbuch 1916, Teil III, S. 454], wie er notierte: „Mit Dr. Heine [...] in Willys Weinrestaurant“ [Tb]. Im Kontobuch vermerkte er wohl irrtümlich am 29.9.1916 (statt 27.9.1916) über den „Abend mit Heine“ an Ausgaben 25 Mark. treffe ich mich mit Carl Heine im PaulanerbräuLokal (nicht identifiziert), in dem Paulanerbräu (Bier der A.G. Paulanerbräu Salvatorbrauerei München) ausgeschenkt worden sein dürfte. Wedekind besuchte dann allerdings ein Weinlokal (siehe oben). an der Wilhelmgedächtniskirche. Gestern Abend sah ich zwei AkteWedekind notierte am 26.9.1916: „Abend Faust I mit Winterstein und | Eibenschütz.“ [Tb] Er besuchte Goethes Tragödie im Deutschen Theater, mit der die Spielzeit 1916/17 eröffnet worden war (Premiere: 1.9.1916), mit Eduard von Winterstein und Camilla Eibenschütz, am 27.9.1916 um 19.30 Uhr – „Direktion Max Reinhardt: Deutsches Theater 7½: Faust I. Teil“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 493, 26.9.1916, Morgen-Ausgabe, 3. Beiblatt, S. (1)] – und sah sich offenbar nur die ersten zwei von fünf Akten an (verließ also wohl nach der Pause das Theater). von Faust I im Deutschen Theater an. Heute verhandelte ichWedekind verhandelte vormittags mit der Konzertagentin Luise Wolff (geb. Schwarz), Inhaberin der Konzertdirektion und Agentur Hermann Wolff (Linkstraße 42) [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 1475], die Berlins größte Konzertagentur seit dem Tod ihres Mannes Hermann Wolff am 3.2.1902 leitete; er notierte am 27.9.1916: „Unterredung mit Louise Wolf wegen Bismarkvortrag“ [Tb]. Die verhandelte „Bismarck“-Lesung kam nicht zustande. mit der Conzert Agentur Wolf wegen Bismarckvortrag. Ich komme also Dienstag oder | Mittwocham 3. oder 4.10.1916. nach München. Ob ich nach Hamburg gehe scheint mir noch zweifelhaft, da Frankfurter den Kontrakt über Hamburg schon einschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Eugen Frankfurter an Wedekind, 19.9.1916. – Wedekinds Theateragent Eugen Frankfurter dürfte ihm den Vertrag mit dem Hamburger Thalia-Theater (Direktion: Hermann Röbbeling) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 437] über die Aufführung des Schwanks „Der Liebestrank“ am 13.11.1916 als Beilage zu einem „Expressbrief“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.9.1916] geschickt haben, der Wedekind durch Nachsendung verzögert erreicht hat.. Hoffentlich geht es euch gut und langweilst Du dich nicht. Mit innigsten Grüßen und Küssen an Dich und die Kinder
Dein Frank.


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
p.a. H Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee (Bayern)

Tilly Wedekind schrieb am 27. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mittwoch abends.


Mein geliebter, liebster Frank,

anbei 2 Telegrammenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke (Absender unsicher): Carl Meinhard an Wedekind, 27.9.1916; Georg Stollberg an Wedekind, 27.9.1916. – Das eine Telegramm kam dem vorliegenden Brief zufolge aus Berlin. Es könnte von Carl Meinhard (zusammen mit Rudolf Bernauer Direktor des Berliner Theaters, des Theater in der Königgrätzer Straße und des Komödienhauses) stammen, mit dem Wedekind sich dem Tagebuch zufolge am 2.10.1916 in Berlin gemeinsam mit Ludwig Friedmann (Drei Masken Verlag) traf („Unterredung mit Friedmann wegen Meinhard Bernauer [...]. Abends Unterredung mit Meinhard und Friedmann im Berliner Theater“) – mit Sicherheit im Zusammenhang mit der „Erdgeist“-Inszenierung (Premiere 4.11.1916) im Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin, für die noch kein Vertrag abgeschlossen war. Das andere Telegramm könnte von Georg Stollberg (Direktor des Münchner Schauspielhauses) aufgegeben worden sein – im Zusammenhang mit dem bald anstehenden Gastspiel von Frank und Tilly Wedekind ab dem 15.10.1916 am Münchner Schauspielhaus, in dessen Rahmen am 1.12.1916 „Till Eulenspiegel“ uraufgeführt wurde. die heute abends kamen. Natürlich war die Post u. alles schon zu. Ich werde Dir das eine morgen nachtelegraphieren, da Du es vielleicht mündlich erledigen kannst.

Wir leben sehr idyllisch hier. Du hattest Angst ich könnte mich langweilen. Ich habe soviel Lectüre mitgenommen u. komme doch nicht viel | zum lesen. Der Tag ist im Nu herum. Wir gehen soviel wie möglich spazieren, in den Zimmern ist es auch zu kühl. Wir wohnen sehr nett u. angenehm, essen sehr gut u. reichlich. Sommergäste sind fast keine mehr hier, wir haben ganz Herrsching für uns allein. Die Kinder sind sehr vergnügt u. schicken Dir Grüße u. Küsse. Till Eulenspiegel habe ich fast zu EndeTilly Wedekind las „Till Eulenspiegel“ in Vorbereitung der anstehenden Uraufführung am 1.12.1916 an den Münchner Kammerspielen unter der Regie von Frank Wedekind, in der sie die Rolle der Wanda Washington spielte. u. mich sehr unterhalten dabei.

Sei innigst umarmt u. geküsst Liebster, von Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 27. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Zool. Garten


Abs: Wedekind
b. Günther
Herrsching a./Ammersee


Mittwoch. 27.9.16. Innigst geliebter Frank, gestern u. heute keine Nachricht von Dir, hoffentlich geht es Dir gut u. bist Du guter Stimmung! Gestern fuhren wir mit dem Dampfer nach Schondorfam Herrsching gegenüberliegenden Ufer des Ammersees gelegener Ort. u. giengenSchreibversehen, statt: gingen. zu Fuß nach Uttingetwa 3 Kilometer südlich von Schondorf am Ammersee gelegener Ort.. Frau KyserLuise (Lissi) Kyser (geb. Dube), seit dem 22.7.1905 mit dem Schriftsteller Hans Kyser verheiratet, mit ihren drei Kindern (zwei Söhne, eine Tochter). ‒ Wedekind kannte Hans Kyser; er hat ihn dem Tagebuch zufolge am 4.2.1916 („CL mit Martens Meyrink und Hans Kyser“) und 6.3.1916 („C.L. mit Martens und Kyser“) im Café Luitpold in München getroffen. ist mit ihren Kindern auch hier.

Innigen Kuss, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 27. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mittwoch, 27.9.16.


Geliebtester Frank,

anbei ein Kärtcheneine Briefkarte mit Beilagen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916]., dassSchreibversehen, statt: das. ich vor einer Woche mit inliegenden Briefen nach Dresden Wedekind war vom 17. bis 20.9.1916 in Dresden, reiste von dort nach Leipzig und von dort schließlich am 24.9.1916 nach Berlin [vgl. Tb].schickte, u. dassSchreibversehen, statt: das. zurück nach München u. heute hierher kam. Ich freue mich sehr, dass | es Dir gut geht, eben kam Deine liebe Karteeine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.9.1916]. von gestern u. die Karte an Pamelaeine Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 26.9.1916].. Wenn Du solange in Berlin zu tun hast, dann eilt es mit unserer Heimkehr ja auch nicht so u. können wir, wenn es schön ist eventuell 1 – 2 Tage zugeben, d.h. wenn es Dir recht ist.

Morgen machen wir vielleicht mit Frau KyserLuise (Lissi) Kyser (geb. Dube), seit dem 22.7.1905 mit dem Schriftsteller Hans Kyser verheiratet, mit ihren drei Kindern (zwei Söhne, eine Tochter). u. ihren Kindern einen Spaziergang.

Innig umarmt u. küsst Dich, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 27. September 1916 in Berlin
an Tilly Wedekind

Aufgabestempel


eingezahlt am 28Schreibversehen, statt: 27..9.16

300 MarkWedekind hat den Betrag von 300 Mark mit der Notiz „Tilly nach Herrsching“ auch im Kontobuch bei den Ausgaben unter dem irrtümlichen Datum 28.9.1916 notiert.Pf.


Name, Wohnort und Wohnung des Absenders


Frank Wedekind
Edenhotel
Berlin |


Geliebteste Tilly! Hier sind 300 M. Wie ich Dir schriebvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 26.9.1916. komme ich voraussichtlich erst Dienstag oder Mittwoch. Herzlichen Dank für die Karten vom 24. u. 25.zwei Bildpostkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.9.1916] und eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.9.1916]. Schönste Grüße und Küsse Dir und den Kindern
Frank

Tilly Wedekind, Siegfried Kyser, Kadidja Wedekind, Fritz Kyser, Maja Kyser, Luise Kyser und Pamela Wedekind schrieben am 28. September 1916 in Erling folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Zool. Garten


28.9.16. Geliebter Frank, in lustiger Gesellschaftdie Töchter Pamela und Kadidja Wedekind, Luise (Lissi) Kyser (Gattin des Schriftstellers Hans Kyser) mit ihrer Tochter Maja und den Söhnen Fritz und Siegfried Kyser, die alle unterschrieben haben. Dazu kamen noch Kindermädchen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.9.1916 (zweite Bildpostkarte)]. hier heraufgeklettertHinweis auf das Bildmotiv der Bildpostkarte, das hoch gelegene Kloster Andechs. sende ich Dir Geliebter innigste Grüße, Deine Tilly


iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916]. Maja


Viele Grüße
Pamela


Fritz Kyser


Siegfried Kyser


Freundliche Grüße
Ihre Lissi Kyser |


Gruß aus Andechs

Tilly Wedekind schrieb am 28. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstag 28.9.16.


Innigst geliebter Frank,

nur schnell ein paar Zeilen, wegen der Lebensmittelmarken„Wegen kriegsbedingter Versorgungsprobleme – vorrangiger Lebensmittelbedarf an der Front, Wegfall von Importen, Rekrutierung landwirtschaftlicher Arbeiter – kam es bereits ab 1915 zur Rationierung von Lebensmitteln. Seit Februar 1915 wurden in zahlreichen deutschen Städten Brotkarten eingeführt, die eine Pro-Kopf-Rationierung festlegten. Wegen der allgemeinen Rohstoffverknappung gab es dazuhin ab 1916 Kohlenkarten, Kleiderkarten und Schuhkarten. Die von den staatlichen Verwaltungen für die Bevölkerung ausgegebenen Marken zur Rationierung der Lebensmittel wurden auf die Karten geklebt zum Zeichen dafür, dass dafür Lebensmittel eingetauscht worden waren. Die Marken besaßen ein Verfallsdatum.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 323f.]. Wenn Du noch welche hast bitte schicke sie express d/a/n die Anna, Wölfel Prinzregentenstr. Vielleicht kann man noch was dafür bekommen. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. fährt 2 Tage früher herein | um alles zu ordnen u. könnte dann noch Fleischkonserven oder Wurst besorgen. Ich fahre doch auch am 1.am 1.10.1916. heineinSchreibversehen, statt: hinein (in die Stadt hinein, nach München)., dann kommen neue Marken u. die neue Köchin, so ist es besser ich bin zu Hause u. wenn Du kommst ist alles in Ordnung.

Innigst umarmt Dich,
Deine Tilly


Freue mich auf ein frohes Wiedersehn!

Tilly Wedekind schrieb am 28. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Zool. Garten


Abs: Wedekind
b. Günther
Herrsching a./Ammersee


28.9.16. Geliebtester Frank,

das war heute ein sehr schöner Spaziergang nach Andechs, Frau KyserLuise (Lissi) Kyser, Gattin des Schriftstellers Hans Kyser. mit ihren 3 KindernMaja, Fritz und Siegfried Kyser., wir 3Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind. u. die MädchenAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], und ein weiteres Kindermädchen.. Alle Kinder mussten dann unterschreibendie in Erling aufgegebene Bildpostkarte von Kloster Andechs [vgl. Tilly Wedekind, Kadidja Wedekind, Maja Kyser, Pamela Wedekind, Fritz Kyser, Siegfried Kyser, Luise Kyser an Frank Wedekind, 28.9.1916].. Danke Dir sehr für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.9.1916 (Postkarte).; das Wetter ist herrlich! Vielen Dank auch für das angekündigte Geld300 Mark per Postanweisung.! Innigst umarmt u. küsst Dich
Deine Tilly |


ARKADENAUFGANG IN SEEFELD.

Frank Wedekind schrieb am 28. September 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

29Schreibversehen, statt: 28..9.16. Innigst geliebte Tilly! Gestern Abend bekam ich erst Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.9.1916. mit dem Schlosse Seefeld und die andern vom Hubertustempel„Weshalb Wedekind von Karten vom Hubertustempel spricht, lässt sich nicht nachvollziehen, denn der Hubertusbrunnen, auch Hubertus-Tempel genannt, [...] war in München [...] 1906 in der Prinzregentenstraße errichtet worden. Dass in der Korrespondenz eine Bildpostkarte mit dem Abbild des Hubertustempels fehlt, ist auszuschließen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 322]. Gestern AbendWedekind notierte am 27.9.1916: „Mit Dr. Heine [...] in Willys Weinrestaurant“ [Tb]; er saß bis 24 Uhr mit dem Dramaturgen Dr. phil. Carl Heine (Pariser Straße 38, Hinterhaus, 3. Stock) [Berliner Adressbuch 1917, Teil I, S. 1024] und dessen Gattin Beate Heine, Wedekinds langjährige Brieffreundin, in „‚Willys‘ Restaurant und Weingroßhandlung“ [Berliner Adreßbuch 1916, Teil IV, S. 444] (Kurfürstendamm 11), dem „Restaurant ‚Willys‘“ [Berliner Adreßbuch 1916, Teil III, S. 454]. Carl Heine war stark beansprucht mit der Regie zu einer Gesellschaftskomödie, die am 30.9.1916 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Premiere hatte, die „Erstaufführung des amerikanischen Lustspiels ‚Jonathans Töchter‘“, zu dem gemeldet war: „Regie führt Dr. Karl Heine.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 493, 26.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Er war dann fest am Deutschen Theater engagiert: „Schauspiel-Vorstände: [...] Dr. Carl Heine“ [Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 292]. war ich mit Heines zusammen. Er war so abgearbeitet daß wir schon um 12 Uhr aufbrechen mußten, während hier sonst Polizeistunde um 1 Uhr ist. Heute VormittagWedekind notierte am 28.9.1916 seinen Besuch bei Maximilian Harden im Grunewald (Wernerstraße 16) bis 16 Uhr: „Harden telephoniert mich an, ich fahre hinaus, esse bei ihm allein, fahre um 4 Uhr zurück. Es soll eine Zeitung gegründet werden unter Harden mit Vollmöller Herzog Heinrich Mann und mir.“ [Tb] Heinrich Mann hatte sich gegenüber Hardens „Absicht, eine Tageszeitung zu gründen“, schon am 25.7.1916 „erfreut“ [Martin 1996, S. 183] gezeigt. Der Plan einer gemeinsam von Maximilian Harden, Karl Gustav Vollmoeller, Wilhelm Herzog und Frank Wedekind herausgegebenen Zeitung zerschlug sich – wohl wegen des Streits mit Harden am Abend des 29.9.1916 in der Deutschen Gesellschaft 1914 [vgl. Martin 1996, S. 183f.], über den Wedekind „Hardenskandal“ [Tb] notierte. fuhr ich zu Harden, blieb über Mittag bei ihm und komme eben mit ihm zurück. Heute hält der Kanzler eine RedeDie Presse berichtete über die in der Reichstagsitzung am 28.9.1916 um 15 Uhr im Reichstag anstehende Rede des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg: „Heute nachmittag um 3 Uhr [...] tritt der Reichstag nach längerer Pause wieder zusammen. [...] Halboffiziös verlautet, der Reichskanzler werde in der heutigen Sitzung über die politische, wirtschaftliche und militärische Lage Mitteilungen machen; seine Rede werde sich im Rahmen seiner letzten Reichstagsrede halten, die Friedensfrage werde er hierbei nur streifen [...]. Was hiervon zutrifft, können wir nicht wissen. Im Interesse Deutschlands und der Menschheit liegt es, daß rücksichtslos und entschieden jener Fronde entgegen getreten wird, die in allen Ländern klein an Zahl, aber groß an Macht, Tag für Tag für Maßnahmen Propaganda macht, deren Verwirklichung eine Verlängerung und Verschärfung des Krieges bedeuten.“ [Vorwärts, Jg. 33, Nr. 267, 28.9.1916, 1. Beilage, S. (1)] Die Rede begann um 15.30 Uhr: „Beginn der Rede des Reichskanzlers. [...] Genau um 3 ½ Uhr nimmt der Reichskanzler das Wort. Er spricht zunächst von der Kriegserklärung Italiens. Italien habe, indem es so lange gezögert, die wirtschaftlichen Folgen gefürchtet, die ein solcher Schritt auch nach dem Kriege haben müßte. Unter dem Zwange Englands habe es sich dann zur Kriegserklärung entschlossen. [...] Gleichzeitig habe sich Rumänien unseren Gegnern angeschlossen. [...] Rumänien werde sich militärisch ebenso verrechnen, wie es sich politisch bereits verrechnet habe, denn es glaubte an den Abfall der Türkei und Bulgariens von den Zentralmächten. Der Reichskanzler spricht dann von der großen Offensive an der Somme, wo die großen Hoffnungen der Entente trotz einzelner Erfolge gescheitert seien und der Durchbruch im großen Stile mißglückt sei.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 498, 28.9.1916, Abend-Ausgabe, S. (1)] Referiert wurde nur der Beginn der Rede, über die ganze Rede konnte erst am nächsten Tag berichtet werden: „Eine Rede, die nichts Klares, Entscheidendes bringt, sondern alles im Nebel, im Unklaren läßt.“ [Vorwärts, Jg. 33, Nr. 268, 29.9.1916, S. (2)] „Mit ungewöhnlicher Spannung sah diesmal die Oeffentlichkeit den politischen Erklärungen des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg entgegen. Es war so viel getuschelt und gehetzt worden, die ganze politische Atmosphäre war so stark geladen, daß mancher ein offenes Wort wie eine Erlösung erwartete. [...] Daß Herr v. Bethmann die Fragen beantwortet hätte, die im deutschen Volke sich regen, wird man nicht behaupten können. In seiner gestrigen Rede war bisweilen eine fast akademische Zurückhaltung zu erkennen. Sorgsam war Herr v. Bethmann Hollweg [...] bemüht, seine Ausführungen zu dämpfen, Maß zu halten und mehr zwischen den Worten erraten zu lassen, als offen auszusprechen. [...] Beim nachträglichen Lesen gewinnt die Rede. [...] Wieder [...] betonte er, daß der Krieg nichts anderes sei als Verteidigung unseres Rechts auf Leben, Freiheit und Entwickelung. Er erklärte, daß wir als die ersten und einzigen unsere Friedensbereitschaft geäußert hätten, während unsere Gegner die Schuld daran trügen, daß sich die Berge der Toten täglich türmen. Herr v. Bethmann Hollweg lehnte es angesichts der letzten Rede des französischen Ministerpräsidenten Briand ab, neue Friedensangebote zu machen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 499, 29.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. (1)] im Reichstag, die aber schon seit sechs Tagen feststeht. Jetzt gehe | ich zu Fuß in den Clubin die Deutsche Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), wo Zeitungen zur Lektüre auslagen. um sie dort zu lesen. Dabei lerne ich den 4. Akt EulenspiegelWedekind lernte die Rolle des Georg Sterner in „Till Eulenspiegel. Komödie in vier Aufzügen“ (1916), die am 1.12.1916 in den Münchner Kammerspielen unter seiner Regie uraufgeführt werden sollte; im 4. Akt [vgl. KSA 8, S. 141-152] wird die vom Verleger nicht mitgetragene Kriegsbegeisterung der Mitarbeiter des fiktiven Satireblatts „Till Eulenspiegel“ (Vorbild war der „Simplicissimus“) als Opportunismus dem Zeitgeist gegenüber persifliert.. Das Kölner Stadttheater will ihn spielen„Till Eulenspiegel“ (1916) wurde an den Vereinigten Stadttheatern in Köln (Direktion: Fritz Rémond) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 351] nicht gespielt.. Es wäre also gut wenn Du dich auch mit der Rolle beschäftigtestder Wanda Washington in „Till Eulenspiegel“ (1916).. Innigste Grüße und Küsse an Dich und die Kinder Dein
Frank


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
p.a. H. Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee
Bayern

Frank Wedekind schrieb am 29. September 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

29.9.16

Freitag Abend! Innigst geliebte Tilly! Die KartenLebensmittelmarken [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 28.9.1916 (Brief)]. habe ich sofort der AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. per Eilbrief geschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu der Sendung der Lebensmittelmarken nach München; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Anna Wölfel, 29.9.1916.. Eben komme ich von einer langen KonferenzWedekind notierte am 29.9.1916 nachmittags ein Gespräch mit Karl Gustav Vollmoeller (im Haus Cumberland am Kurfürstendamm 193/194): „Unterredung mit Vollmöller im Cumberland“ [Tb]; es ging um ein Zeitungsprojekt mit ihm, Vollmoeller, Wilhelm Herzog und Heinrich Mann sowie Maximilian Harden, der mit ihm am 28.9.1916 bereits darüber gesprochen hatte: „Harden telephoniert mich an, ich fahre hinaus, esse bei ihm allein, fahre um 4 Uhr zurück. Es soll eine Zeitung gegründet werden unter Harden mit Vollmöller Herzog Heinrich Mann und mir.“ [Tb] Das Projekt wurde nicht realisiert [vgl. Martin 1996, S. 183f.]. mit Vollmöller, in der die Besprechung mit Harden fortgesetzt wurde. Jetzt gehe ich zur GeneralprobeWedekind besuchte am 29.9.1916 die „Generalprobe von Jonatans Töchter“ [Tb], in den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) unter der Regie von Carl Heine inszeniert in der autorisierten deutschen Übersetzung „Jonathans Töchter“ (Berlin 1916, übersetzt von Henriette Maas) der 1906 von Langdon Elwyn Mitchell geschriebenen Gesellschaftskomödie „The New York Idea“ (Boston 1908, uraufgeführt am 19.11.1906 in New York), die am 30.9.1916 um 20 Uhr Premiere hatte [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 459, 30.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. 8]. Die Presse hat zu „der Erstaufführung des amerikanischen Lustspiels ‚Jonathans Töchter‘“ in den Kammerspielen angekündigt: „Regie führt Dr. Karl Heine.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 493, 26.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Sie meldete ferner: „Der Amerikaner Mitchell, der Autor des Lustspiels ‚Jonathans Tochter‘, das in den Kammerspielen des Deutschen Theaters zur Erstaufführung gelangt, hat auf sämtliche ihm zustehende Tantièmen aus den Berliner Aufführungen seines Stückes zugunsten deutscher Kriegslazarette verzichtet. Mitchell lebte vor dem Kriege mehrere Jahre in München. Während des Krieges gab er in Amerika seiner Deutschfreundlichkeit in Wort und Schrift wiederholt Ausdruck.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 499, 29.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. (3)] von „Jonatans Töchter“ ins Deutsche Theater. Gestern Abend war ich im Klub, nachher habe ich an Eulenspiegel gelerntWedekind notierte am 29.9.1916: „Im Thiergarten Till Eulenspiegel gelernt.“ [Tb] Er lernte die Rolle des Georg Sterner in „Till Eulenspiegel“ (1916) für eine mögliche Inszenierung an den Vereinigten Stadttheatern in Köln [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.9.1916]; er spielte sie bei der Uraufführung am 1.12.1916 in den Münchner Kammerspielen.. Hoffentlich geht es Dir und den Kindern gut. Für mich ist der Vertrag mit Meinhardt BernauerWedekind war im Begriff, einen Vertrag mit Carl Meinhard und Rudolf Bernauer, den Direktoren des Theaters in der Königgrätzer Straße in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 281], über die „Erdgeist“-Inszenierung im Theater in der Königgrätzer Straße (Premiere: 4.11.1916) zu schließen. äußerst | wichtig, da Reinhardt ganz von Hauptmann besessenStücke Gerhart Hauptmanns wurden an den Reinhardt-Bühnen nach Kriegsbeginn häufig gespielt – „College Crampton“ (Premiere: 29.9.1915), „Der Biberpelz“ (Premiere: 12.1.1916 und 16.5.1916), „Fuhrmann Henschel“ (Premiere: 21.2.1916 und 3.9.1916), „Schluck und Jau“ (Premiere: 4.9.1916), „Rose Bernd“ (Premiere: 9.9.1916 und 26.9.1916), „Die Ratten“ (Premiere: 23.12.1916) [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 324]. ist. Ich kann deshalb noch nicht mit Bestimmtheit sagen wann ich zurück komme. Ich freue mich aber sehr auf unser Wiedersehn. Innigste Grüße und Küsse Dir und den Kindern
Dein Frank.


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
p.a. H Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee (Bayern)

Tilly Wedekind schrieb am 29. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Freitag abends, 29.9.16. Innigst geliebter Frank, heute waren wir nochmal in Fischen, da gab’s so herrliche Butter, darum sind wir 3mal hingegangen. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. fuhr jetzt nach München um alles zu richten; ich brachte eben die Kinder zu Bett, werde dann noch Zeitung lesen u. auch bald zu Bett gehen. Ich giengSchreibversehen, statt: ging. immer um 10 oder ½ 11um 22 Uhr oder 22.30 Uhr. schlafen. Die 14 Tage haben uns herrlich gut getan, volle 8 Tage hatten wir strahlende Sonne. Sind alle ganz aufgezogen von der Sonne. Hoffentlich ist Dir | die Reise auch so gut bekommen! Grüße Heine’s wenn Du sie noch siehst. Morgen abend geht es heim.

Innigsten Kuss, Deine Tilly


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Zool. Garten


Abs: Wedekind b. Günther
Herrsching a./Ammersee

Tilly Wedekind schrieb am 29. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Zool. Garten


Abs: Wedekind b. Günther
Herrsching a./Ammersee |


Freitag 29.9.16. Innigst geliebter Frank,

eben kam die Postanweisung300 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 27.9.1916]., ich danke Dir vielmals! Für hier hätte es ja noch gereicht, aber in München brauchen wir doch Einiges, da der 1.der 1.10.1916. Die kriegsbedingt ausgegebenen Lebensmittelmarken waren zeitlich reglementiert, die Gültigkeit der ab dem 11.9.1916 abgegebenen Marken lief am 1.10.1916 aus: „Die neuen Lebensmittelhefte (20. Ausgabe), die, abgesehen von der besonderen Regelung der Fleischmarken, in der Zeit vom 18. September bis 1. Oktober gelten, werden mit Beginn der nächsten Woche ausgegeben.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 458, 8.9.1916, Abend-Ausgabe, S. 3] ist. Auch möchte ich gern einige Vorräte kaufen. AnnaAnna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125]. fährt heute hinein, wir morgen abends. Auf frohes Wiedersehn, Dienstag oder Mittwocham 3. oder 4.10.1916.! Bitte schreib mir die genaue Ankunft noch.

Innigst umarmt u. küsst Dich, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 30. September 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Deine Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.9.1916 (erste Postkarte). und die aus Andexdie in Erling aufgegebene Bildpostkarte von Kloster Andechs [vgl. Tilly Wedekind, Kadidja Wedekind, Maja Kyser, Pamela Wedekind, Fritz Kyser, Siegfried Kyser, Luise Kyser an Frank Wedekind, 28.9.1916].. Gestern Abend nach der ProbeWedekind besuchte am 29.9.1916 die „Generalprobe von Jonatans Töchter“ [Tb], in den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) unter der Regie von Carl Heine inszeniert in der deutschen Übersetzung „Jonathans Töchter“ (1916) der Gesellschaftskomödie „The New York Idea“ (1908) von Langdon Elwyn Mitchell, die am 30.9.1916 um 20 Uhr Premiere hatte [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 459, 30.9.1916, Morgen-Ausgabe, S. 8]; anschließend ging es mit Max Reinhardt zum Diner in die Deutsche Gesellschaft 1914 (siehe unten). zu der auch Harden eintraf, lud uns Reinhard zum Essen in den Klub, wo bis ein Uhr politisiert wurde als Harden plötzlich offenbar in Folge von Kriegspsychose„Während des Krieges hatte der vage Begriff ‚Kriegspsychose‘ Konjunktur.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 325] einen Tobsuchtsanfall bekamWedekind notierte am späten Abend des 29.9.1916 den von Maximilian Harden provozierten Streit in der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), bei dem außer ihm selbst Max Reinhardt, Erich Reiß, Felix Hollaender, Wilhelm Herzog, der Journalist und SPD-Politiker Curt Baake und der Schriftsteller und bayrische Pressereferent im Kriegspresseamt in Berlin Walter von Rummel zugegen waren: „Reinhardt lädt uns in den Club Harden Reiß Holländer und mich. Hardenskandal. Herzog Baake und Rummel“ [Tb]. Wilhelm Herzog erinnerte sich in seinem Buch „Menschen, denen ich begegnete“ im Kapitel über Harden: „Zu einer tragikomischen Szene mit Harden kam es im letzten Kriegsjahr, als er sich mit Max Reinhardt und Felix Holländer im Klub ‚Deutsche Gesellschaft‘ [...] zu uns an den Tisch setzte. Wir, d.h. Wedekind, ein bayrischer Offizier von Rommel und der spätere Unterstaatssekretär Baake, unterhielten uns [...], da kamen die drei Herren an unsern Tisch, und Harden, von dem wir nicht wußten, daß er vorher oben – ganz gegen seine Gewohnheit – reichlich getrunken hatte, begann sofort, einen Kriegsplan oder richtiger einen Friedensplan zu entwickeln. Der Kaiser müsse morgen in einer Botschaft an die ganze Welt verkünden, alle deutschen Armeen würden an die Grenzen Deutschlands zurückgezogen. Dies bezeuge den Friedenswillen Deutschlands, das keinerlei Annexionsansprüche stelle. Damit sei der Krieg beendet. Als er kein Echo auf sein erstaunlich naives Programm fand, wurde er wild, beleidigte erst Wedekind und dann auch mich, von denen er Zustimmung erwartet hatte, und geriet mit Wedekind schließlich in einen so heftigen Streit, daß dem bayrischen Offizier ein Duell unvermeidlich schien.“ [Herzog 1959, S. 80f.] Und im Kapitel über Wedekind: „Zu einer etwas stürmischen Auseinandersetzung kam es eines Nachts in diesem Klub, als sich Maximilian Harden mit Max Reinhardt und [...] Felix Holländer zu uns setzten. Wir saßen unten im Gesellschaftsraum [...]. Wir wollten gerade aufbrechen, da erschienen [...] Maximilian Harden, Max Reinhardt und Felix Hollaender. Sie baten uns, noch zu bleiben. Wir setzten uns also alle zusammen, und bald begann Harden eine große Rede gegen den Krieg zu halten, die darin gipfelte, daß Deutschlands Rettung nur noch möglich wäre, wenn es alle seine Armeen bis zu seinen Grenzen zurückzöge, und der Kaiser erklärte, keinerlei Eroberungsabsichten zu haben. Er erwartete ein Echo. Als es ausblieb, wurde er wild, apostrophierte Wedekind, ob er darauf nichts zu sagen habe, und als dieser kühl verneinte, wurde er noch wilder [...], er steigerte sich immer heftiger in eine besinnungslose Wut hinein, beschimpfte Wedekind, der kalt daneben saß, bis er schließlich aufstand und zu Harden sagte: ‚Sie täten besser daran, sich ins Bett zu legen.‘ Da fing Harden an zu toben. Wir standen auf.“ [Herzog 1959, S. 224] Wedekind notierte den Tag darauf, am 30.9.1916: „Vollmöller hat schon Nachricht vom Skandal“ [Tb] – damit hatte sich das Zeitungsprojekt erledigt, über das Wedekind mit Maximilian Harden am 28.9.1916 und mit Karl Gustav Vollmoeller nachmittags am 29.9.1916 gesprochen hat [vgl. Martin 1996, S. 183f.]. und auf alle Welt, auch auf mich einschimpfte. Nur Reinhardt und Holländer kamen ungeschoren weg. Es war höchst unerquicklich. Ich hielt es Anfangs für Scherz als | er mich seinen Todfeind nannte. Aber es war ihm Ernst. Hoffentlich geht es euch gut. Da die Abmachungen mit MeinhardWedekind war im Begriff, einen Vertrag mit Carl Meinhard, Direktor des Theaters in der Königgrätzer Straße in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 281], über die „Erdgeist“-Inszenierung im Theater in der Königgrätzer Straße (Premiere: 4.11.1916) zu schließen. ohnehin zum Bruch mit Reinhardt„Zum Bruch mit Reinhardt kam es nicht, auch wenn es nach September 1916 zu keinen weiteren Wedekind-Aufführungen an den Reinhardt-Bühnen kam.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 326] führen werden, freue ich mich bald heraus zu kommen. Innigste Grüße und Küsse Dir und den Kindern. Auf frohes Wiedersehn. Dein Frank


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
bei H Uhrmacher Günther
Herrsching am Ammersee (Bayern)

Tilly Wedekind schrieb am 30. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrsching am Ammersee


Georg Günther, Uhren u. Goldwaren, Optisches Lager

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind und Kadidja Wedekind schrieben am 30. September 1916 in Herrsching am Ammersee folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Samstag 30.9.16. Geliebtester Frank,

vielen Dank Lieber für Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.9.1916. von gestern! Heute regnet es wieder, so wird der Abschied von Herrsching nicht so schwer. Wir sind eben im Begriff wegzufahren, ich werfe die Karte in München ein. Ich danke Dir innigst für den schönen Aufenthalt hier! Innigen Kuss, Deine Tilly


[am linken und rechten Rand jeweils um 90 Grad gedreht:]

Wenn Du in Berlin noch zu tun hast, macht es nichts, ich hab in München ja auch reichlich zu tun.

Frohes Wiedersehn, Tilly |


Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Eden Hotel
b. Zool. Garten.


Abs: Wedekind b. Günther
Herrsching a./Ammersee


Viele Grüße noch aus Herrsching

Pamela! iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916].

Tilly Wedekind schrieb am 1. Oktober 1916 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 1. October 16


Innigst geliebter Frank,

wir sind gestern glücklich hier angekommen, nun haben wir genug zu tun um uns wieder häuslich einzurichten. Auch ist die neue Köchin eingetreten. Gestern machten wir noch mit Frau Kyser u. ihren Kindern einen Spaziergang nach Schloss Seefeld. | Dann aß sie noch mit uns zu Abend u. brachte uns an die Bahn.

Ich schicke Dir noch Brotmarken u. die neue FleischkarteDie kriegsbedingt eingeführten Lebensmittelmarken [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.10.1916] waren wohl Beilagen zu der vorliegenden Briefkarte. falls Du auf der Heimreise etwas brauchst. In Berlin bekommst Du wohl im Hotel KartenLebensmittelmarken.. Vor dem 8.dem 8.10.1916 (Sonntag). Wedekind kam am 4.10.1916 (Mittwoch) abends zurück nach München. bist Du wohl zu Hause, damit man die Fleischmarkeneingeführt durch die „Ministerialverordnung, betreffend die Einführung von Fleischmarken“ (Reichsgesetzblatt) vom 27.3.1916, erweitert am 25.6.1916 (§ 7): „Die Fleischmarken werden einheitlich in Karten für 8 Wochen ausgegeben. [...] Die Karte gilt nur für den darin angegebenen Zeitraum und nur mit der Maßgabe, daß gegen die auf die einzelnen Wochen des Zeitraums lautenden Marken nicht schon vor Beginn der Woche, auf die die Marken lautet, Fleisch abgegeben werden darf.“ [Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg, Nr. 52, 28.6.1916, S. 419-423] dann noch verwenden kann. Danke Dir sehr für die rasche Sendungdie erbetene Sendung von Lebensmittelmarken von Berlin nach München [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. Herrsching, 28.9.1916], adressiert an das Kindermädchen Anna Wölfel [vgl. Wedekind an Anna Wölfel, 29.9.1916].. Sei innig umarmt u. lass es Dir gut gehen! Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 2. Oktober 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. Eden Hotel
b. Zool. Garten


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50


2.10.16.

Innigst geliebter Frank,

gestern u. heute bekam ich keine Nachricht von Dir, hoffentlich kommt morgen | etwas. Hoffe von Herzen, dass es Dir gut geht u. Du guter Stimmung bist! Wir leben uns zu Hause wieder gut ein, Pamela war in der Schule u. wir giengenSchreibversehen, statt: gingen. zusammen spazieren. Eben haben beide gebadet. Gesehen habe ich noch niemanden. Habe einige Vorräte von draußenvon außerhalb Münchens, von Herrsching am Ammersee. mitgebracht. Heute wurden Deine Zimmer gerichtet, geheizt ist schon seit Samstag u. es ist sehr gemütlich warm. Damit Du es zu Hause angenehm findest.

Die Kinder schicken Dir Grüße u. Küsse, innig umarmt Dich, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 2. Oktober 1916 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Deine liebe Abschiedskartedie noch in Herrsching am Ammersee geschriebene, von Pamela und Kadidja Wedekind mitunterschriebene Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 30.9.1916]. von Herrsching über die ich mich sehr gefreut habe. Heute AbendWedekind notierte am 2.10.1916: „Unterredung mit Friedmann wegen Meinhard Bernauer. [...] Abends Unterredung mit Meinhard und Friedmann im Berliner Theater“ [Tb]. Carl Meinhard war gemeinsam mit Rudolf Bernauer Direktor des Berliner Theaters (Charlottenstraße 90-92), Ludwig Friedmann (Drei Masken Verlag) war für den Bühnenvertrieb von Wedekinds Stücken zuständig. Wedekind war im Begriff, einen Vertrag über die „Erdgeist“-Inszenierung (Premiere: 4.11.1916) im Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 281] zu schließen. Gastspiele dort schloss Wedekind nicht ab. um 9 Uhr21 Uhr. ist die Unterredung mit Meinhardt Bernauer im Berliner Theater. Für Gastspiele in Berlin hoffe ich mir volle Freiheit zu bewahren. In München ist Simson freigegeben„Die Mitteilung erwies sich als falsch. Eine öffentliche Aufführung von ‚Simson‘ blieb in München zu Wedekinds Lebzeiten verboten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 327]. Wedekind hat die Mitteilung von Ludwig Friedmann mündlich erhalten (siehe oben)., wie mir Friedmann eben mittheilt. Voraussichtlich fahre ich Mittwochder 4.10.1916, an dem Wedekind notierte: „Fahrt nach München. [...] Tilly holt mich am Bahnhof ab.“ [Tb] Morgen und bin Abend 9 Uhr 9.21.09 Uhr. in München. Morgen telegraphiere ich noch. Herzlichste | Grüße und Küsse Dir und den Kindern. Auf frohes Wiedersehen
Dein Frank.


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 III

Tilly Wedekind schrieb am 3. Oktober 1916 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. Eden Hotel
b. Zool. Garten


Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50 III.


Dienstag, 3.10.16. Innigst geliebter Frank, eben bekam ich Deine Karte vom 30.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.9.1916. die aus Herrsching nachgeschickt wurde. Es tut mir sehr leid, | dass Du diesen unangenehmen Abend erleben musstest u. das GanzeAnspielung auf den heftigen Streit Maximilian Hardens mit Wedekind am 29.9.1916 in der Deutschen Gesellschaft 1914 in Berlin [vgl. Martin 1996, S. 183f.], von dem Wedekind seiner Frau in der oben genannten Postkarte vom 30.9.1916 berichtet hat. ist mir ein Rätsel. Hoffentlich erfolgt der Abschluss mit M.der Vertrag mit Carl Meinhard, Direktor des Theaters in der Königgrätzer Straße in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 281], über die „Erdgeist“-Inszenierung im Theater in der Königgrätzer Straße (Premiere: 4.11.1916). bald u. ist günstig für Dich! Schicke Dir gleichzeitigHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zu den nachgesandten Briefen (siehe unten) und Zeitungsausschnitten; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.10.1916. noch 3 Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Leo Schidrowitz an Wedekind, 1.10.1916; Konzertdirektion und Agentur Hermann Wolff an Wedekind, 2.10.1916; Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 2.10.1916. – Wedekind hat den Brief von Leo Schidrowitz aus Wien, der die geplante Veröffentlichung von „Überfürchtenichts“ in der Zeitschrift „Die Ernte“ betraf, in München mit einer Postkarte beantwortet [vgl. Wedekind an Leo Schidrowitz, 6.10.1916]. Die beiden anderen Absender der nicht überlieferten Briefe sind unsicher. Der eine Brief könnte von der Konzertdirektion und Agentur Hermann Wolff aus Berlin gestammt haben, im Zusammenhang einer möglichen „Bismarck“-Lesung, die nicht zustande kam. Wedekind hatte am 27.9.1916 in Berlin eine „Unterredung mit Louise Wolf wegen Bismarkvortrag“ [Tb] – er verhandelte mit Luise Wolff (geb. Schwarz), Inhaberin der Konzertdirektion (Linkstraße 42) [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 1475] – und am 2.10.1916 ein Gespräch mit Felix Stössinger: „Unterredung mit Stößinger in der Berliner Sezession wegen Bismarkvortrag“ [Tb]. Den anderen Brief könnte Wedekinds Münchner Rechtsanwalt Wilhelm Rosenthal im Zusammenhang mit dem Aufführungsverbot von „Simson“ in München, über das Wedekind von Ludwig Friedmann falsch informiert worden war [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.10.1916], geschrieben haben, der sich am 11.9.1916 um die Freigabe des Stücks bemüht hatte: „Dr. Rosenthal sendet erneute Eingabe an Regierung wegen Simson“ [Tb]. u. 3 Couvert mit Zeitungsausschnitten. Vielleicht bekommst Du sie noch.

Uns geht es sehr gut u. hoffen wir von Dir das Gleiche. Heute bekomme ich vielleicht Nachricht bis wann Du hier sein kannst.

Inzwischen innigen Kuss,
von Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 3. Oktober 1916 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[Hinweis in Tilly Wedekinds Postkarte an Frank Wedekind vom 3.10.1916 aus München:]


Schicke Dir gleichzeitig noch 3 Briefe u. 3 Couvert mit Zeitungsausschnitten.

Frank Wedekind schrieb am 3. Oktober 1916 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


= frau tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus BERLIN [...]


komme morgen mittwochder 4.10.1916, an dem Wedekind notierte: „Fahrt nach München. [...] Tilly holt mich am Bahnhof ab.“ [Tb] neun uhr21 Uhr. abends herzinnig = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 12. Oktober 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, hoffentlich hast Du gut geschlafenWedekind war am vorangehenden Abend länger unterwegs gewesen [vgl. Tb 11.10.1916] und entsprechend spät schlafen gegangen. u. geht es Dir gut! Ich muss nochmal wegen Kohlen„Die durch den Kohlenmangel ausgelöste Versorgungskrise für die Privathaushalte wurde durch die Ausgabe von Kohlenkarten bzw. die Einrichtung von Ortskohlenstellen zu steuern versucht, an welchen pro Haushalt ein Woche für Woche schwankendes Quantum an Kohle erworben werden konnte.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 328] gehen u. wegen der BrotkartenDie Ausgabe neuer Brotkarten für die nächsten vierzehn Tage begann am 12.10.1916 (Donnerstag): „Der Magistrat München teilt mit: Vom Donnerstag ab werden die Brotkarten, für die nächste 14tägige Verteilungsperiode zur Ausgabe kommen.“ [Die nächsten Brotkarten. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 516, 10.10.1916, Morgen-Ausgabe, S. 3] Im Rahmen der „Kriegs-Fürsorge in der Stadt München“ – „Geschäftsstelle: Rathaus, Marienplatz 8“ – erfolgte die Ausgabe der Brotkarten im Rathaus, in Zimmer 318 speziell die Ausgabe der „Milch- und Brotkarten“ [Adreßbuch für München 1916, Teil III, „Kriegs-Merkblatt“, S. 3]., da ist es nur bis 12 auf. Auf Wiedersehn Mittags.

Innigst Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. Oktober 1916 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter Frank, ich lasse mir das Haar richtenTilly Wedekind dürfte am 13.10.1916 einen Friseur aufgesucht haben, da sie am 14.10.1916 mit Mann und Kindern einen Tagesausflug nach Herrsching am Ammersee unternahm [vgl. Tb] und am 15.10.1916 (Sonntag) abends in der „Marquis von Keith“-Premiere in den Münchner Kammerspielen in der Rolle der Anna von Werdenfels auf der Bühne stand: „Abend-Vorstellung Gastspiel Frank und Tilly Wedekind. Der Marquis von Keith.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 526, 15.10.1916, General-Anzeiger, S. 2]. u. will auch um WurstWurst war im „Hungerwinter [...] 1916/1917“ durch die „sich 1916 krass verschlechternde Nahrungsversorgung der Bevölkerung“ schwer zu beschaffen: „Der Fleischmarkt war fast gänzlich zusammengebrochen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 328]. Tilly Wedekind reagierte womöglich auf eine aktuelle Pressenotiz: „Der Magistrat hat in geheimer Sitzung beschlossen, daß für die durch die Stadtgemeinde hergestellte Kriegswurst nicht mehr 6 Fleischmarken, sondern nur mehr 4 abzugeben sind.“ [Anrechnung von Fleischmarken auf die Kriegswurst. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 517, 10.10.1916, Abend-Ausgabe, S. 4] sehen.

Hoffentlich hast Du gut u. genug geschlafen. Innigst,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 24. Dezember 1916 in München
an Frank Wedekind

Fröhliche Weihnachten 1916Wedekind notierte am 24.12.1916 in München: „Nachmittag Bescherung“ [Tb] – bei dieser Gelegenheit dürfte das Weihnachtskärtchen persönlich übergeben worden sein.
wünscht Dir
Geliebter
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 27. Februar 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Dienstag abends.

27.II.17


Geliebter,
Frank, Lieber, Geliebter was hab’ ich Dir denn getan, dass es gar nicht mehr gehtHinweis auf die aktuelle Ehekrise, über die Wedekind sich am 26.2.1917 im Café Luitpold mit Joachim Friedenthal ausgesprochen hat: „C.L. mit Friedenthal. Gespräch über Ehe.“ [Tb]!?

Man geht herum u. es scheint, als sei alles wie sonst u. dabei weicht der Druck keinen Augenblick von mir.

Ich bin rat- u. hilflos.

Und doch habe ich, kaum dass Du fort bistWedekind fuhr am 27.2.1917 nach Mühldorf (die etwa 80 Kilometer von München entfernte Stadt am Inn): „Tilly begleitet mich zum Bahnhof. [...] Fahrt nach Mühldorf.“ [Tb] Sehnsucht nach Dir. | Kann ich dafür, dass ich so bin wie ich bin? Wie gern würde ich mich ändern.

Vielleicht hätte ich heute sagen sollen: „Frank, Lieber lass’ Dich nicht verstimmen dadurch“, dann wärst Du vielleicht besserer Stimmung abgereist.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du RuheWedekind fuhr am 27.2.1917 „nach Mühldorf, um an seinem neuen Stück ‚Herakles‘ in Ruhe weiterzuarbeiten.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 328] u. Erholung in Mühldorf findest. Hoffentlich ist das Wetter gut. |

Die Kinder schicken Dir viele BusserlnKüsse., es geht ihnen gut.

Ich werde Dir immer für alles dankbar sein Geliebter auch wenn Du mich nicht mehr willst.

Ewig Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 28. Februar 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


(Dies kam zurückder vorliegende Brief (mit Beilage). „Der Brief kam zurück, weil Wedekind bereits nach Burghausen abgereist war.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 329] Der Zusatz am Briefanfang ist insofern später geschrieben (beim nochmaligen Versand)..)der vorliegende Brief (mit Beilage). „Der Brief kam zurück, weil Wedekind bereits nach Burghausen abgereist war.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 329]


Mittwoch, 28.II.17


Geliebter, ich möchte Dir nur auch heute innige Grüße senden. Ich sehne mich nach einer Nachricht von Dir!

Hast Du es gut getroffen in Mühldorf? Wann gehst Du nach Burghausen u. wie lange denkst Du, dass Du dort bleibst? Ist die Verpflegung gut? | Es ist wohl viel Schnee? Hier hat es auch geschneit u. ist sehr nass. Draußen wird es frieren denk’ ich.

Gestern war ich in der Tanzstunde„Tilly Wedekind nahm seit längerer Zeit bereits Tanzunterricht“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 329]. u. bei Frau Dr. Pariser, Frau AlfieriRegina Adler (geb. Schmid), Gattin von Dr. jur. Moritz Adler, genannt Moritz (oder Max) Alfieri in München (Steinsdorfstraße 18), „Gesangsprofessor“ [Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 3, 7]; sie stammte aus Bukarest, er aus Budapest, wirkte länger in Berlin, dann ab 1912 in München: „Dr. M. Alfieri, einer der angesehensten Berliner Gesangspädagogen, der seinen Wohnsitz dauernd nach München verlegt hat“ [Ernestine Schumann-Heink: Ein Gespräch mit Dr. M. Alfieri. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 426, 22.8.1912, Morgenblatt, S. 2]. war auch da. Heute hab ich niemanden gesehen.

Lieber, Liebster sei mir wieder gut u. versuch es noch einmal mit mir! Innigst Deine Tilly


Anbei Gleichzeitig ein Brief aus Berlinnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer an Wedekind, 27.2.1917. – Die Direktion des Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin (Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 285] dürfte Frank Wedekind ein Gastspiel als Dr. Schön in der erfolgreichen „Erdgeist“-Inszenierung (Premiere: 4.11.1916) unter der Regie von Rudolf Bernauer mit Maria Orska als Lulu im Theater in der Königgrätzer Straße angeboten haben. Hintergrund ist eine Initiative Tilly Wedekinds, die Maria Orska nach deren Besuch gemeinsam mit Hanns von Bleichröder am 9.2.1917 in München, dokumentiert im Tagebuch („Zum Thee kommen Maria Orska und Herr von Bleichröder“), am 10.2.1917 einen Brief geschrieben hat, in dem es heißt: „Ich möchte Frank eine Freude machen, eine große Freude, auch wenn sie mich ein nicht geringes Opfer kostet. Und Sie können mir dabei helfen [...]. Wollen Sie die Directoren Meinhardt-Bernauer bestimmen, bei einem eventuellen Gastspiel [...] Frank vorzuschlagen ob er mit Ihnen im ‚Erdgeist‘ spielen will. Die Directoren brauchen nicht zu wissen, dass es von mir ausgeht [...]. P.S. Ich hoffe, Meinhard schreibt recht bald!“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 332f.] Maria Orska sagte zu, denn Tilly Wedekind schrieb ihr am 16.2.1917: „sehr dank ich Ihnen für Ihr Verständniss und Ihre Mithilfe!“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 333] Tilly Wedekind erinnerte sich später: „Sie antwortete mir reizend und sehr verständnisvoll. Sie sprach mit Meinhard und Bernauer, und es dauerte nicht lange, da kam der Brief der Direktoren mit der Einladung an Frank zu einem Gastspiel als Dr. Schön in der Erdgeist-Aufführung mit Maria Orska.“ [Wedekind 1969, S. 174].

Frank Wedekind schrieb am 28. Februar 1917 in Mühldorf folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Mittwoch 28.II.17.


Geliebte Tilly! Herzlichen Dank für Deinen schönen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 27.2.1917.. Ich kann Dir leider nur per Karte antworten da im Hotel kein Pa/Br/iefpapier existiert, und daher nicht ausführlicher schreiben. Wenn das Wetter so bleibt komme ich vielleicht morgen Abend 8 Uhr 1820.18 Uhr. nach München zurück. Es schneit nämlich unaufhörlich. Gestern AbendWedekind fuhr am 27.2.1917 nach Mühldorf am Inn, um an seinem neuen Stück „Herakles“ zu arbeiten: „Fahrt nach Mühldorf. Spaziergang über die Innbrücke und um die obere Stadt. Im Gastzimmer an Poias gearbeitet.“ [Tb] Er arbeitete am XI. Bild „Poias“ [KSA 8, S. 291-296] im 3. Akt des „Herakles“ [vgl. KSA 8, S. 870]. konnte ich wenigstens gut arbeiten und schlief um 12 Uhrum 24 Uhr. schon. Aber die Verpflegung ist nichts rühmliches„bedingt durch den von Hunger und Rationierung geprägten Kriegsalltag“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 329].. | Sollte das Wetter sehr schön werden fahre ich morgen vielleicht noch nach Burghausen und telegraphierevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.3.1917 (Telegramm). Wedekind notierte am 1.3.1917 seine „Fahrt nach Burghausen“ [Tb]. dann noch im Lauf des Vormittags.

Mit innigen Grüßen und Küssen Dir und den Kindern
Dein
Frank


Königreich Bayern
Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50.

Frank Wedekind schrieb am 1. März 1917 in Burghausen folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Frau Tilly Wedekind
Prinzregentenstrasse 50
München |


Geliebte Tilly! Wie ich Dir telegraphiertevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.3.1917 (Telegramm). bin ich nach Burghausen gefahren. Ich bitte Dich deswegen morgen aber nicht etwa den Jour fixSchreibversehen, statt: Jour fixe (frz.) = fester Tag. Jour fixe (= regelmäßig wiederkehrender Termin des Treffens einer kleinen Gruppe) bei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) in München (Friedrichstraße 34, 2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 407] war Freitagabends, der nächste am 2.3.1917, bei dem Tilly Wedekind erscheinen sollte, der davor am 23.2.1917, bei dem sie erschienen ist: „Tilly bei Langheinrichs zum Thee.“ [Tb] der Frau Langheinrich zu versäumen. Zieh getrost Dein grünes Kleid„Mit Tillys grünem Kleid hat es eine besondere Bewandtnis.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 330] Wedekind integrierte in den Prolog seines Gedichts „An Heinrich Heine“ (1906) den Vers „In grünem Samtkleid, Rosen überm Hut“ [KSA 1/I, S. 557], eine „Reminiszenz an Tilly Newes“ [KSA 1/II, S. 974], die sich erinnerte: „Ich war gemeint! Er hatte diese Huldigung für mich in den Prolog eingeflochten. Ich hatte mir ein herrliches hellgrünes Samtkleid anfertigen lassen, lang, mit kleiner Schleppe, enganliegend, Prinzeßform, und ich trug dazu einen enormen weißen Atlashut mit Rosen. Es war mein erstes großes Kleid. Er fand es himmlisch, und ich erregte darin Aufsehen an seiner Seite.“ [Wedekind 1969, S. 63] Das Kleid ist im Tagebuch am 2.2.1906 erwähnt („Tilli in hellgrünem Sametkleid“), eine neues grünes Kleid am 4.1.1914 („Tilly [...] zeigt ihr neues grünes Kleid“); ein wieder neues grünes Kleid [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1917] trägt Wedekinds Frau, als sie ihn bei seiner Rückkehr aus Burghausen am 4.3.1917 in München am Bahnhof abholt: „Tilly holt mich ab. Grünes Kleid“ [Tb]. an. Burghausen scheint einige ÄhnlichkeitWie Schloss Lenzburg in Lenzburg „erhebt sich die stattliche Burg zu Burghausen unmittelbar über der Altstadt.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 330] mit Lenzburg zu haben. BesichtigtWedekind notierte am 1.3.1917: „Fahrt nach Burghausen Hotel zur Post. Zur Burg hinauf Museum Gallerie besichtigt.“ [Tb] habe ich es noch nicht da ich eben erst angekommen. Hoffentlich kommt die Karte früh genug an, daß Du Frau L. nicht versäumst. Herzlichste Grüße an Dich und die Kinder
Dein Frank

Tilly Wedekind schrieb am 1. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

1. März 17


Geliebter, Lieber, Deine Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.2.1917. heute hat mich innig erfreut! Ich danke Dir von Herzen.

Wir müssen noch etwas Geduld haben, vielleicht wird noch alles anders so dass jeder zu seinem Recht kommt. Ich sprach inzwischen Dr. Friedenthal, das hat mir sehr gut getan gerade so wie DirWedekind hatte am 26.2.1917 mit Joachim Friedenthal im Café Luitpold über seine Eheprobleme gesprochen – „C.L. mit Friedenthal. Gespräch über Ehe“ [Tb] – und sprach nach seiner Rückkehr aus Burghausen am 5.3.1917 erneut mit ihm: „Mit Friedenthal im Luitpold. Aussprache über Ehe.“ [Tb]. Obwohl er mich nicht geschont hat u. mir offen seine Meinung sagte. Er sagte ich sei eine | Marionette und das müsse anders werden. Er sagte auch ich solle weniger eitel sein aber mehr Stolz haben. Und vieles Andere, sehr richtige Dinge.

Leider ist jetzt eine besonders ungünstige Zeit, u. das trägt ja mit bei zu allem.

Schade, dass Du heute nicht gekommen bist, vielleicht hätten wir morgenFreitag, der 2.3.1917 – Jour fixe bei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) und ihrem Gatten Max Langheinrich [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.3.1917 (Postkarte)]. bei Langheinrich einen vergnügten Abend verleben können. Wie ist es in Burghausen? | Hoffentlich bist Du da besser verpflegt u. ist das Wetter nicht zu schlecht. Morgen erhalte ich ja hoffentlich Nachricht wann Du kommst.

Die Kinder sind vergnügt u. schicken Dir viele BusserlnKüsse..

Sei innigst umarmt Geliebter
von Deiner, Dir von ganzem Herzen
ergebenen Tilly

Frank Wedekind schrieb am 1. März 1917 in Mühldorf folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


Tilly Wedekind.
Prinzregentenstraße 50.

München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Mühldorf [...]


FahreWedekind notierte am 1.3.1917 seine Abreise von Mühldorf am Inn etwa 35 Kilometer weiter nach Burghausen an der Salzach, wo er im Hotel Post logierte: „Fahrt nach Burghausen Hotel zur Post.“ [Tb] nach Burghausen Hotel Post beste Grüße
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 3. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

3.III.17


Liebster, heute schicke ich Dir durch die Post telegraphisch ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer an Wedekind, 3.3.1917. – Das Telegramm wurde vermutlich von der Direktion des Theaters in der Königgrätzer Straße (Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) mit der Nachfrage nach dem Gastspiel Wedekinds in der dortigen „Erdgeist“-Inszenierung [vgl. Carl Meinhard und Rudolf Bernauer, 27.2.1917] aufgegeben. nach. Anbei ein Brief von Unico Henselnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Unico Hensel an Wedekind, 2.3.1917. – Der Hofmusikalienhändler Unico Hensel betrieb in München die 1892 von ihm übernommene Musikalienhandlung Alfred Schmid Nachfolger (Unico Hensel), die ihren Sitz seit 1913 in der Residenzstraße 7 hatte [vgl. M.H.: Unico Hensel 60 Jahre. In: Zeitschrift für Instrumentenbau, Jg. 49, Nr. 6, 15.12.1928, S. 258f.]. Das war die Geschäftsadresse der königlich-bayrischen Hofmusikalienhandlung für Musikalien und deren Verlag [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil III, S. 111]; privat wohnte Unico Hensel Schellingstraße 85 (1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil II, S. 579].. Ich öffnete ihn weil ich dachte es seien vielleicht Karten drinDas von Unico Hensel betriebene Geschäft (Musikhaus und Verlag) war zugleich eine Konzertagentur [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 629], die seit 25 Jahren bestand [vgl. Jubiläen Münchner Konzertbureaus. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 120, Nr. 45, 4.11.1917, 3. Blatt, S. (433)]. Sie war eine bekannte Adresse für den Kartenverkauf für musikalische Veranstaltungen, so z.B. ein Kammermusikabend am 4.4.1917 [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 139, 18.3.1917, S. 6]., verzeih. Hier auch noch für 2 Pfd. Brotmarkenkriegsbedingt Lebensmittelmarken für Brot, für die galt: „Bäcker und Brothändler dürfen Brot nur gegen Brotmarken abgeben.“ [Aus dem Lebensmittelversorgungsausschuß. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 72, 10.2.1917, Morgen-Ausgabe, S. 3].

Bei Langheinrichzum Jour fixe bei Max und Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) in München (Friedrichstraße 34, 2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 407] am 2.3.1917 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.3.1917 (Postkarte)]. war es wieder sehr hübsch! Es waren wieder Frau v. GraefeMaria Graefe (geb. Wille), Gattin des Gerichtsassessors, der zunächst als Kurt von Graefe firmierte, dann eingetragen als Gerichtsassessor a.D. Kurt Graefe (Ludwigstraße 17) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 218]. Er stand einer Pressemeldung zufolge in Verbindung mit Anton Christian Dießl (siehe unten): „Aus dem Vorstand der Anton Chr. Dießl-Aktiengesellschaft scheidet Herr Direktor Dießl aus [...]. Das bisherige Aufsichtsratsmitglied Herr Kurt von Gräfe tritt in den Vorstand ein und scheidet zu diesem Zwecke aus dem Aufsichtsrate aus.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 647, 20.12.1916, Morgen-Ausgabe, S. 5] Der Wechsel war bereits vollzogen: „Anton Chr. Dießl Aktien-Gesellschaft. Sitz München. Vorstand Anton Christian Dießl gelöscht. Neubestellter Vorstand: Kurt von Graefe, Gesellschaftsdirektor in München.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 56, 1.2.1917, Abend-Ausgabe, S. 8] Kurt Graefe war ab dem 18.9.1917 (Handelsregistereintrag Berlin) für das „Berlin-Münchener Syndikat für Vermögensverwaltung und Kapitalanlage, Gesellschaft mit beschränkter Haftung [...] Sitz der Gesellschaft in München“ tätig: „zum Geschäftsführer ist ernannt Gerichtsassessor Kurt von Graefe in München.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 63, Nr. 444, 21.9.1917, Abend-Ausgabe, 2. Beilage, S. (2)] u. Frau Oberl. Kernnicht identifiziert. Erich Mühsam erwähnt 1919 eine „Frau Oberleutnant Kern“ als eine Bekannte von Ludwig Scharf (siehe unten): „Die Frau Kern [...] hatte sich in der Gesellschaft Scharfs mitunter im Stefanie gezeigt“ [Tb Mühsam, 11.12.1919]; sie war außerdem eine Bekannte von Erhard Auer (SPD-Politiker, nach der Novemberrevolution 1918 erster Innenminister des Freistaats Bayern), der „durch eine ihm befreundete Dame (Frau Oberleutnant Kern) bei mir Hausspionage treiben ließ.“ [Tb Mühsam, 12.9.1922] Mühsam schrieb am 30.12.1919 an Carl Georg von Maassen: „Es ist eine Frau Oberleutnant Kern, eine Frau, die ich durch Ludw.[ig] Scharf oberflächlich kannte und die mich plötzlich mit ihren Besuchen beehrte. Da ich sofort Spitzelabsichten bei ihr witterte, erfuhr sie garnichts bei mir“ [Jungblut 1984, S. 380]. mit ihren Männern, Scharf u. FrauLudwig Scharf (Hohenzollernstraße 3, Hinterhaus, 1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 609] und seine zweite Frau Ella Somssich, eine ungarische Gräfin (Heirat am 9.7.1906), die eigentlich „auf das Schloß der Gattin im südungarischen Patosfa übersiedelt“ sind, „wo sie fortan lebten, unterbrochen durch zahlreiche Reisen nach München“ [Hettche 2011, S. 379], weshalb Ludwig Scharf seine Münchner Wohnung noch hatte. Wedekind hat das Paar zuletzt am 25.5.1916 getroffen: „Wir treffen Scharf und Frau im Hofgarten Café“ [Tb]., Frau Dressler mit ihrer SchülerinLotte Dreßler (aktuelle Adresse nicht nachweisbar), vermutlich nun von Anton Dreßler geschieden, der vier Jahre zuvor zuletzt gemeldet war (Maximilianstraße 30) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 114]; möglicherweise war sie mit dem Münchner Architekten Korbin Kray (Waltherstraße 21) oder mit dem Maler Walter Kray (Theresienstraße 108) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 373] liiert und später verheiratet, da sie in den 1920er Jahren den Doppelnamen Dreßler-Kray trug. Lotte Dreßler gab offenbar Gesangsunterricht, was erst Jahre später annonciert ist: „Stimmbildungs-Schule Charlotte Dreßler-Kray [...] Kaiserstraße 31/II“ – unter den genannten „Schülerinnen [...] Martha Martensen“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 79, Nr. 147, 29.5.1926, S. 18], die eine Bildpostkarte an Wedekind mitunterschreibt [vgl. Tilly Wedekind, Lotte Dreßler, Martha Martensen, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 8.4.1917]., | u. Herr u. Frau Dir. DisselAnton Christian Dießl (Herzog Rudolfstraße 47), als Direktor ausgewiesen [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 113], auch nach dem Umzug (Sophienstraße 1a) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 115]. Er hatte am 18.5.1905 (Handelsregistereintrag München) die Firma „Anton Chr. Dießl, heraldische Anstalt, Aktiengesellschaft. Sitz: München“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 108, Nr. 323, 20.5.1905, Vorabendblatt, S. 8] gegründet, ein Versandhaus von Gebrauchs- und Luxuswaren, von dessen Leitung er kürzlich zurückgetreten ist: „Aus dem Vorstand der Anton Chr. Dießl-Aktiengesellschaft scheidet Herr Direktor Dießl aus“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 647, 20.12.1916, Morgen-Ausgabe, S. 5]; an seine Stelle trat Kurt Graefe (siehe oben): „Anton Chr. Dießl Aktien-Gesellschaft. Sitz München. Vorstand Anton Christian Dießl gelöscht. Neubestellter Vorstand: Kurt von Graefe, Gesellschaftsdirektor in München.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 56, 1.2.1917, Abend-Ausgabe, S. 8] Anton Christian Dießl gehörte inzwischen mit Max Langheinrich zum Vorstand der Graphitwerk Kropfmühl Aktiengesellschaft (siehe unten). Gattin von Anton Christian Dießl war seit 1892 Karoline (Lini) Dießl (geb. Kellerer), wie die Verlobungsanzeige ausweist: „Verlobte in München: Anton Dießl, Kaufmann von hier, mit Karoline Kellerer, Privatierstochter von hier.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 43, Nr. 45, 29.1.1892, Vorabendblatt, S. 5] da. Es wurde musiziert u. gesungen, getanzt nur wenig denn um ½ 9um 20.30 Uhr. musste aufgebrochen werden. Die Gesellschaft hatte sich in einem kleinen, neueröffneten Localannonciert war: „Wein-Café-Haus Boheme. Kurfürstenstraße 39. Johanna Haller.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 12, 9.1.1917, General-Anzeiger, S. 2] Die Neueröffnung wurde noch im Sommer angezeigt: „Neu eröffnet! Wein- u. Kaffee-Haus ‚Boheme‘ vornehmes, gemütliches Lokal, Kurfürstenstr. 39, Eingang Kurfürstenplatz, Trambahnlinie 6. u. 17.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 372, 26.7.1917, General-Anzeiger, S. 2]Bohêmean der Belgradstr.Die Belgradstraße „in Schwabing“ war die „Fortsetzung der Kurfürstenstraße“ [Adreßbuch für München 1917, Teil II, S. 90], wo das Wein- und Kaffeehaus Boheme lag (siehe oben). angesagt, um es als Local für den Schwabinger Clubkein eingetragener Verein; gemeint ist die Gruppe, die sich freitags zum Jour fixe bei Anna und Max Langheinrich traf. auszuprobieren. Weil wir 13 waren, musste Herr Scharf noch eine Dame von BeryAnni Bery (Paul Heysestraße 28), „Sängerin am Gärtnerplatztheater“ [Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 54]. abholen.

Das Restaurant ist sehr nett. Es war ganz leer u. bissel kalt. Wir nahmen einen großen Tisch ein. | Das Essen war ausgezeichnet u. wir saßen bis 11bis 23 Uhr.. Die Schülerin von Frau Dressler, Frl. Martini heißt sie glaub ichwahrscheinlich Martha Martensen (siehe oben), die als Sängerin (Sopran) zwei Jahre später bei einem Kirchenkonzert in München in die Öffentlichkeit tritt: „Von den Gesangssolisten hinterließ die sympathische Stimme von Martha Martensen den günstigsten Eindruck“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 72, Nr. 85, 18.2.1919, S. 3]; sie hat später ein Engagement für Oper und Operette am Hessischen Landestheater in Darmstadt [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1920, S. 368], dann für Oper am Stadttheater Lübeck [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1921, S. 505]., sang noch einige Liederdarunter das berühmte Lied „Ilse“ [KSA 1/IV, S. 45, 50f., 78-80] nach dem Gedicht „Ilse“ [KSA 1/I, S. 388f.], entstanden am 4.12.1893 in Paris [vgl. KSA 1/II, S. 1695; KSA 1/IV, S. 902-930]. zum Klavier, auch „Ilse.“ Ich gieng dann mit Frau Dressler u. Frl. Martini heim. Der Club wird alle Woche einmal das Local mieten. Ich hatte das grüne KleidTilly Wedekinds neues grünes Kleid [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.3.1917 (Postkarte)]. an, bin neugierig wie es Dir gefällt.

Für heute Abend hat mir Hr. Dr. Friedenthal sein Billetts für die Operfür die Doppel-Premiere der Oper „Das höllisch Gold“ (1916) des österreichischen Komponisten Julius Bittner und des Balletts „Klein Idas Blumen“ (1916) – nach dem Kunstmärchen „Die Blumen der kleinen Ida“ (1862; dänisches Original 1835) von Hans Christian Andersen – des dänischen Komponisten Paul von Klenau am 3.3.1917 um 19 Uhr am Königlichen Hoftheater: „Zum ersten Male: Das höllische Gold / Ein deutsches Singspiel in 1 Aufzug von Julius Bittner [...] Hierauf: Zum ersten Male: Klein Idas Blumen / Ballett in einem Aufzuge nach dem Märchen von H. A. Andersen von Paul v. Klenau“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 111, 3.3.1917, General-Anzeiger, S. 2]. „Julius Bittners ‚deutsches Singspiel‘ Das höllische Gold“ wurde als „Mysterienspiel“ bezeichnet; ihm folgte „nach der Pause [...] Paul v. Klenaus Tanzgedicht Klein Idas Blumen“ [Paul Ehlers: Das höllisch Gold – Klein Idas Blumen. Erste Aufführung im Hof- und Nationaltheater am 3. März 1917. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 114, 5.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. 2] geschickt. Er hat schon die Generalprobe | gesehen u. ist heute mit Frau Izmetnicht identifiziert; ihr Name ist in Wedekinds Tagebuch mehrfach erwähnt, so am 5.4.1916 („Tilly bei Frau Ismet“), in direktem Zusammenhang mit Joachim Friedenthal am 18.7.1916 („Friedenthal Ismeth“) und 4.1.1917 („Friedenthal Ismeth“) sowie einmal als ‚Exzellenz‘ bezeichnet am 7.11.1916 („Friedenthal Exz. Ismeth“), weshalb wohl gemutmaßt wurde, sie habe „zum Personal des Münchner türkischen Konsulats“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 331] gehört. Nachweisbar ist ihr Name unter dem verzeichneten Personal (Max Kemmerich war Generalkonsul, Heinrich Goldberg Honorarvizekonsul) des Münchner Konsulats des Ottomanischen Reiches nicht [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil III, S. 8]. Lion Feuchtwanger zufolge war sie eine Geliebte von Joachim Friedenthal – sein „Verhältnis, die liebenswürdige nicht ohne Anmut lustige Türkin Ismet“ [Tb Feuchtwanger, 27.2.1915], die entweder als „die Ismet“ [Tb Feuchtwanger, 19.3.1917, 8.2.1918] oder häufiger lediglich als „die Türkin“ [Tb Feuchtwanger, 9.3.1915, 18.3.1915, 27.6.1915, 14.10.1915, 26.1.1916, 30.1.1916, 13.10.1917] bezeichnet ist; möglicherweise war sie im Vorjahr schwanger: „Friedenthal schwatzt von seinen Sorgen; scheint im Begriff, Türkenvater zu werden.“ [Tb Feuchtwanger, 24.4.1916]. eingeladen. Ich freu’ mich sehr, es wird „Höllisch Gold“ u. „die Blumen der kleinen Ida“ gespielt. Er lässt Dich grüßen.

Eine Reise nach Passau u. Kropfmühl„offenbar auf Vorschlag von Anna und Max Langheinrich. Beide hatten 1908 die Graphitgrube ‚Kropfmühl‘ in der Nähe von Passau erworben“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 331], die am 1.12.1916 von einer Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft – unter Beteiligung von Anton Christian Dießl (siehe oben) – umgewandelt worden war: „Graphitwerk Kropfmühl Aktiengesellschaft, München. Unter dieser Firma und mit dem Sitz in München wurde eine Aktiengesellschaft mit 660,000 M Stammkapital ins Handelsregister eingetragen. Das Unternehmen geht aus von der Firma Anna Langheinrich, Kommanditgesellschaft. [...] Gründung [...] am 1. Dezember 1916 [...]. Der Vorstand der neuen Aktiengesellschaft besteht aus folgenden Herren: Architekt Max Langheinrich und Direktor Anton Dießl. Der Aufsichtsrat besteht aus nachstehenden Personen: Frau Anna Langheinrich, München, 1. Vorsitzende“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 648, 20.12.1916, Abend-Ausgabe, S. 4]. wäre doch sehr schön u. interessant, Passau muss ja herrlich sein. Langheinrich hatte verschiedene AnsichtenFotos oder Bildpostkarten von Passau..

Und dann schließt Du vielleicht mit dem Berliner Theater a. d. Königgr. Str.Wedekind schloss mit dem Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) in Berlin vom 9.3.1917 bis 7.4.1917 ein Gastspiel als Dr. Schön in der dortigen „Erdgeist“-Inszenierung ab, zu dem er auf Initiative seiner Frau eingeladen worden war [vgl. Carl Meinhard und Rudolf Bernauer an Wedekind, 27.2.1917]; er reiste am 6.3.1917 nach Berlin. ab; vielleicht können wir später dann auch wieder zusammen spielen.

Sei innigst umarmt Geliebter u. lass es Dir recht gut gehen! In Liebe Deine Tilly


Viele BusserlnKüsse. v. d. Kindern

Frank Wedekind schrieb am 4. März 1917 in Burghausen folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


Tilly Wedekind
prinzregentenstr. 50

München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Burghausen [...]


Ankomme heute Abend acht Uhr achtzehn20.18 Uhr. Wedekind notierte am 4.3.1917: „Fahrt nach München. Tilly holt mich ab. Grünes Kleid“ [Tb].
herzinnig
frank

Tilly Wedekind schrieb am 7. März 1917 in Graz folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Mittwoch abends.

7.III.17.


Liebster, geliebter Frank,

die Fahrt„Tilly Wedekind reiste am 6.3.1917 zu ihrem sterbenskranken Vater Eduard Newes nach Graz.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 332] Frank Wedekind hatte am 5.3.1917 „Telegramm von Graz: Hoffnungslos“ [Tb] notiert und am 6.3.1917: „Treffe Tilly auf dem Bahnhof die zu ihrem totkranken Vater nach Graz reist.“ [Tb] Er selbst reiste nach Berlin (siehe unten). giengSchreibversehen, statt: ging. sehr lange her war aber doch recht angenehm. In Wien fuhr ich mit der Electrischenmit der elektrischen Straßenbahn vom Westbahnhof zum Nordbahnhof in Wien, von dort aus ging es weiter nach Graz. von einem Bahnhof zum andern. Von Wien nach Graz dauerte es von Früh 99 Uhr. bis Nachmittags 517 Uhr., nun bin ich sehr müde da ich nachts wenig geschlafen habe. Wie war Deine FahrtWedekind, der am 5.3.1917 „Tilly und ich packen meinen Koffer“ [Tb] notiert hatte, vermerkte am 6.3.1917 „Abends Fahrt nach Berlin“ [Tb] und am 7.3.1917 „Ankunft in Berlin. Hotel Exzelsior.“ [Tb] Er reiste zu einem Gastspiel als Dr. Schön in „Erdgeist“ vom 9.3.1917 bis 7.4.1917 im Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) nach Berlin, das seine Frau ohne sein Wissen über Maria Orska, die erfolgreich die Rolle der Lulu in der schon länger laufenden Inszenierung spielte, vermittelt hatte [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 332f.].? Ich hab soviel an Dich gedacht Geliebter! Wie ist es in Berlin? Unser armer Papa leidet„an einer Lungenentzündung“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 333]. sehr. Er hat sich so | gewünscht uns alle zu sehen. Heute hat er schon immer gefragt ob ich da bin. Er erkannte mich gleich.

Lass’ es Dir recht gut gehen Liebter, ich schreib Dir morgen wieder.

Mit den innigsten Küssen, Deine Tilly


Abs: Wedekind Graz
Steiermark Harrachg. 26


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Hotel Excelsior

Tilly Wedekind schrieb am 7. März 1917 in Graz folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 14.3.1917 aus Berlin:]


Herzlichen Dank für Deine Telegramme [...]


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 15.3.1917 aus München:]


Ich habe 3 Telegrammedas hier erschlossene Telegramm und zwei weitere nicht überlieferte Telegramme; erschlossene Korrespondenzstücke: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.3.1917 und 13.3.1917. [...] geschrieben.

Tilly Wedekind schrieb am 8. März 1917 in Graz folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Graz, 8.III.17


Geliebter, liebster Frank,

vorläufig steht es noch immer gleich. Der Arzt sagt der eine Lungenflügel sei heute freier u. er kann eventuell durchkommen. Doch stehen 20% ja 80% nein. Wir wechseln uns in der Pflege ab. Vormittag musste ich mich auf der Polizei melden„Während des Krieges musste man sich bei grenzüberschreitenden Reisen am Ankunftsort zur Kontrolle bei der Polizei melden.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 333]. Papa sagte: „wenn ich Frank nicht mehr sehen sollte sag ihm, dass meine letzten Gedanken bei ihm u. den Kindern waren.“ So klein ist Graz, aber sehr lieb. Wir müssten | doch mal mit den Kindern im Sommer hierher, das wäre so schön Liebster! – Ich sehne mich schon sehr nach einer Nachricht von Dir, wie’s Dir geht u. wie Du alles getroffen hast. Meine Gedanken sind immer bei Dir.

In treuer Liebe, Deine Tilly


[Seite 1 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Wie ist die Verpflegung?


Abs: Wedekind Steiermark
Graz Harrachg. 26


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Hotel Excelsior
a./Anhalter Bahnhof.

Tilly Wedekind schrieb am 9. März 1917 in Graz folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 14.3.1917 aus Berlin:]


Herzlichen Dank für Deine Telegramme [...]


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 15.3.1917 aus München:]


Ich habe 3 Telegrammedas hier erschlossene Telegramm und zwei weitere nicht überlieferte Telegramme; erschlossene Korrespondenzstücke: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1917 und 13.3.1917. [...] geschrieben.

Tilly Wedekind schrieb am 9. März 1917 in Graz folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Graz, 9.III.17 Geliebter, heuteAm 9.3.1917 begann Wedekinds Gastspiel in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer), wie er notierte: „Um zwölf Uhr ½stündige Probe mit meiner Partnerin Maria Orska [...]. Vorstellung Erdgeist“ [Tb]. Die Presse hatte angekündigt: „Wedekind im Theater i. d. Königgrätzer Straße. Die Direktoren Meinhard und Bernauer haben Frank Wedekind eingeladen, in den nächsten Vorstellungen seiner Tragödie ‚Erdgeist‘ die Rolle des ‚Dr. Schön‘ selbst darzustellen. Der Dichter hat diese Einladung angenommen und tritt zum erste Male am Freitag sowie in den weiteren Ausführungen von ‚Erdgeist‘ neben Maria Orska und der übrigen bekannten Besetzung auf.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 120, 7.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. (2)] Die Besprechung folgte: „Im Theater in der Königgrätzer Straße spielte gestern abend Frank Wedekind in der zweiundsiebzigsten Aufführung seines ‚Erdgeist‘ als Gast die Rolle des Dr. Schön. Die besonderen Vorzüge seiner Darstellungskunst sind ebenso bekannt wie ihre natürliche Begrenztheit [...]. Wenn der Dichter vor dem bunten Zirkusvorhang im kitschig roten Frack des Tierbändigers mit knallender Peitsche und nervenaufkitzelndem Revolverschuß, seine liebreizende Bestie ankündigt und vorführt, dann enthüllt er freilich die grotesk-dämonische Seele der Tragödie tiefer als jeder Routinierte. [...] Die vortreffliche Besetzung war [...] mit Friedrich Zelnik, Paul Otto, Felix Rossert, Guido Herzfeld, Hans Mierendorf in den Hauptrollen, die der ersten Aufführung. Marie Orska-Lulu bleibt in diesem Kreise [...] auch nach so vielen Wiederholungen die sprühendste Gestalt [...] Das Publikum folgte mit stärkster Anteilnahme.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 128, 11.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. (2)] denke ich besonders an Dich! Wenn Du Dich nur nicht zu sehr anstrengst, sondern das Gastspiel u. der Aufenthalt in Berlin, alle die gute Wirkung auf Dich hat die ich ersehne u. für Dich wünsche!

Hier ist noch keine Veränderungden Krankheitszustand von Tilly Wedekinds Vater Eduard Newes betreffend., doch muss täglich eine Wendung kommen. Dadurch, dass wir alle zusammen sind, ist ein ziemliches Durcheinander. verzeih’Schreibversehen, statt: Verzeih’. wenn ich vielleicht etwas konfus schrieb. Du weisst ja wie es in Lenzburg war. Auch die Gegen|sätze untereinander machen sich geltend; aber im Allgemeinen bemüht man sich, sich zu verständigen.

Ich sehne mich nach einem lieben Wort von Dir u. wollte, ich hätte 10 Jahre früher die Möglichkeit gehabt mit Dir zu sprechen wie in den letzten 2 Tagenam 4. und 5.3.1917, unmittelbar nach Wedekinds Rückkehr aus Burghausen nach München. u. zuletzt am Bahnhofam 6.3.1917 am Münchner Hauptbahnhof. Wedekind notierte: „Treffe Tilly auf dem Bahnhof die zu ihrem totkranken Vater nach Graz reist.“ [Tb]. In Liebe, ewig Deine Tilly


Abs: Wedekind Graz
Steiermark Harrachg. 26


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Hotel Excelsior
a./Anhalter Bahnhof

Tilly Wedekind schrieb am 10. März 1917 in Graz folgenden Brief
an Frank Wedekind

Graz, 10.III.17


Liebster, geliebter Frank,

soviel denke ich an Dich! Wie es Dir geht, wie es mit der Verpflegung ist, wie der gestrige AbendWedekind hatte am 9.3.1917 seinen ersten Gastspielauftritt als Dr. Schön in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer); die Vorstellung begann um 19.30 Uhr [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 124, 9.3.1917, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (3)] war!

Wenn ich nur schon endlich Nachricht hätte. Von Anna„Anna Wölfel diente als Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] Die Töchter Pamela und Kadidja Wedekind waren bei ihr in München. erhielt ich gute Nachricht. Die Kinder sind wohl u. vergnügt.

Unserm Vater geht es Gottlob auch besser. Heute sagte der Arzt die Entzündungen„Eduard Newes überstand die Lungenentzündung.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] seien vorbei. Er meint, bis übermorgen könne man beurteilen, ob es gut weitergeht u. das Herz aushält. Dann wird er es | wohl überstehen.

Ich werde also bis übermorgen abwarten u. dann abreisen. Sehr gern würde ich über Prag fahren um Karl’s u. Martha’s HeimHans Carl Müller war als Schauspieler zwar in München (Clemensstraße 34) an den Münchner Kammerspielen tätig [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 504], wohnte zugleich aber offenbar mit Tilly Wedekinds Schwester Martha Newes in Prag (Karolinental, Riegerplatz 7), die als Schauspielerin am dortigen Deutschen Landestheater (Direktion: Heinrich Teweles) engagiert war [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 530]; sie heirateten am 26.7.1917. kennen zu lernen. Da ich nun schon mal in Österreich bin u. man nicht so leicht über die Grenze kommt, hast Du wohl nichts dagegen wenn ich 2 – 3 Tage länger bleibe.

Diese Trennung wird hoffentlich für uns beide gut sein. Natürlich hätte ich gern vorher Nachricht gehabt, wie es in Berlin ist u. wie Du Dich fühlst. So lieb die Grazer Stadt ist, so geht einem dies zwecklose Herumsitzen u. | überhaupt die „Familie“ bischen auf die Nerven. Es geht den andern auch so.

Sobald man also sagen kann, dass Vater ausser unmittelbarer Gefahr ist, wollen wir abreisen. Über Prag hätte ich übrigens Schnellzug Verbindung. Ich bin den ganzen Tag nicht allein kann deshalb auch nicht vernünftig schreiben. Und furchtbar abgespannt von dem allen.

Aber man lernt sein Daheim schätzen wenn man soviel Anderes sieht, das ist auch ein Vorteil des Verreisens. Hoffentlich geht es Dir auch so. |

Ich werde versuchen im Caffee Berliner Zeitungen zu bekommen, um über Dein Gastspiel zu lesen.

Hoffentlich fühlst Du Dich wohl Liebster, u. denkst nur mit halb so herzlichen Gedanken an mich wie ich an Dich.

Sei umarmt u. geküsst Du mein einziger, geliebter Frank, von Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 13. März 1917 in Graz folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Frank Wedekinds Brief an Tilly Wedekind vom 14.3.1917 aus Berlin:]


Herzlichen Dank für Deine Telegramme [...]


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 15.3.1917 aus München:]


Ich habe 3 Telegrammedas hier erschlossene Telegramm und zwei weitere nicht überlieferte Telegramme; erschlossene Korrespondenzstücke: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1917 und 9.3.1917. [...] geschrieben.


[3. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 17.3.1917 aus München:]


Zur Prager Reise entschloss ich mich erst im letzten Moment u. telegraphierte Dir auch bei der Abreise.

Frank Wedekind schrieb am 14. März 1917 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

Hotel Exzelsior 14.III 17

DEUTSCHE GESELLSCHAFT 1914

BERLIN W.8.
WILHELMSTR. 67.


Geliebte Tilly!

Herzlichen Dank für Deine Telegrammenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1917, 9.3.1917 und 13.3.1917., die beiden Kartenzwei Postkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1917 und 8.3.1917]; eine weitere Postkarte war noch nicht zugestellt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.3.1917]. und den Brief aus Grazvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 10.3.1917.. Ich schrieb Dir nur deshalb nicht, weil ich fürchtete von Deinen Geschwistern mißverstanden zu werden. Hoffentlich hast Du auch jetzt wieder eine angenehme Reise gehabt. Ich fühle mich sehr wohl. Auf der Reise hierherWedekind reiste am 6.3.1917 nach Berlin: „Abends Fahrt nach Berlin mit Tannhauser, Dr. Kaufmann und Oblt. Mühe.“ [Tb] Er war in Gesellschaft von Heinrich Thannhauser (Holbeinstraße 14) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 764], Mitinhaber der Modernen Galerie Heinrich Thannhauser im Arcispalais (Theatinerstraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 485], Arthur Kauffmann, „seit September 1913 stiller Teilhaber des Georg Müller Verlags. Mit seinem eingebrachten Kapital stärkte er den unterkapitalisierten Verlag, ruinierte aber durch Wechselschulden 1916/1917 fast das Unternehmen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 335], und dem Oberleutnant Ludwig Mühe, seit 1910 Berufsoffizier. fuhr ich mit drei Bekannten zusammen, Kunsthändler Tannhauser, Dr. Kauffmann, der Compagnon von Müller und Oberleutnant Mühe, der mir sagte daß er die Eier aus SimbachDorf am Inn, nahe der österreichischen Grenze gelegen. nicht bekommen | habe. Wir machten es uns so bequem wie möglich und hatten trotz der starken Kälte eine behagliche Reise. FreitagWedekind notierte am 9.3.1917 im Tagebuch mittags seine Probe der Rolle des Dr. Schön mit der Lulu-Darstellerin Maria Orska („Um zwölf Uhr ½stündige Probe mit meiner Partnerin Maria Orska“) und abends seine erste Gastspielvorstellung in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin („Vorstellung Erdgeist“). mittag spielten wir in einer halben Stunde meine Scenen durch, so daß die Abendvorstellung eben möglich wurde. Am SamstagWedekind notierte am 10.3.1917 die zweite „Erdgeist“-Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön und zuvor eine Probe mit der Lulu-Darstellerin Maria Orska: „Sechs Uhr Probe mit Orska von 3 Akt Schluß. Vorstellung Erdgeist“ [Tb]. war dann die KritikTheaterkritiker. im Theater und die Vorstellung verlief ohne Störung. Dann spielte ich MontagWedekind notierte am 12.3.1917 die dritte „Erdgeist“-Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön: „Erdgeist 3.“ [Tb] wieder. Der Besuch hat sich durch meine Mitwirkung so gehoben, daß die Direktiondes Theaters in der Königgrätzer Straße, Karl Meinhard und Rudolf Bernauer, der in der „Erdgeist“-Inszenierung die Regie führte; mit ihnen hatte Wedekind dem Tagebuch zufolge bis dahin am 8.3.1917 („Besprechung mit Meinhard im Berliner Theater“) und am 13.3.1917 („Habsburger Hof mit Meinhardt Bernauer und seiner Gesellschaft“) gesprochen. auf ihre Rechnung kommt. Am Freitag Abend lud uns Baron Bleichröderder Bankier Hanns von Bleichröder, Maria Orskas späterer Ehemann (Heirat am 12.11.1920 in Berlin, Scheidung 1925), den Wedekind am 9.2.1917 in München kennengelernt hat: „Zum Thee kommen Maria Orska und Herr von Bleichröder“ [Tb]. Er hat Wedekind und die Lulu-Darstellerin Maria Orska nach der „Erdgeist“-Vorstellung (siehe oben) am 9.3.1917 in das Hotel Esplanade (Bellevuestraße 16-18a) eingeladen, wo Wedekind auch dessen Bruder Werner von Bleichröder kennenlernte: „Hotel Esplanade mit Orska und zwei Baronen Bleichröder.“ [Tb] ins Hotel EsplanadSchreibversehen, statt: Esplanade. zum Essen, man konnte aber nur eine Stunde beisammen sein. SonntagWedekind notierte am 11.3.1917 sein Treffen mit zwei Cousins: „Mittag mit Woldemar und Oskar von Wedekind.“ [Tb] Woldemar Wedekind war Kaufmann und Inhaber der Firma (Im- und Export) W. Wedekind und Co. in Hamburg (Catharinenstraße 29/30) [vgl. Hamburger Adressbuch 1917, Teil I, S. 919], Oscar von Wedekind war Kaufmann in Berlin. aß ich mit Woldemar Wedekind und einem anderen Vetter zu Mittag. Woldemar brachte mir | für Dich eine Schachtel mit Chocolade mit und f eine andere für die Kinder. Die Orska gab mir am Samstag Abend ein Flacon Pariser Parfüm für Dich, was in Deutschland nirgends mehr zu haben sein soll. Ich habe die Sachen vorderhand in meinen Schrank gelegt. Gestern begann ichWedekind notierte am 13.3.1917 den Beginn des Diktats seines im Manuskript abgeschlossenen Versdramas „Herakles. Dramatisches Gedicht in drei Akten“ [vgl. KSA 8, S. 870]: „Prolog und Eurytos diktiert.“ [Tb] Das waren die Szenen I/1 („Hermes“) und I/2 („Eurytos“) [vgl. KSA 8, S. 237-244]. Die Diktate zur Herstellung eines Typoskripts waren am 22.3.1917 abgeschlossen. mein neues Stück zu diktieren und werde etwa vierzehn Tage damit zu tun haben. Mittags bin ich immer im Klubin der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67). Wedekind war dem Tagebuch zufolge täglich dort und traf sehr unterschiedliche Personen, so am 8.3.1917 Oskar Fried und Karl Gustav Vollmoeller („Mittagessen im Club mit Fried und Vollmöller“), den er am 9.3.1917 wieder traf („Mittagessen im Klub mit Dr. Vollmöller“), am 10.3.1917 Ernst Hardt („Mittag im Club mit Ernst Hardt“), am 11.3.1917 ist niemand vermerkt („Abendessen im Club“), ebenso am 12.3.1917 („Mittag im Klub“); am 13.3.1917 traf er mittags Werner Sombart, Carl Hauptmann, Bernhard Sehring und Olaf Gulbransson („Mittag im Club mit Sombart Carl Hauptmann Ghr. Sehring und Olaf Gulbrandson“) und abends einen Hauptmann („Abendessen im Club mit Hauptmann von Kapp“), am 14.3.1917 August Müller („Abendessen im Club mit Dr. August Müller“). Wilhelm Herzog notierte am 14.3.1917: „Deutsche Gesellschaft 1914: Wedekind, Prof. Sombart. Geh. Rat Koebner. Carl Hauptmann.“ [Tb Herzog] Wedekind hat demnach außer dem im vorliegenden Brief genannten Wilhelm Herzog an diesem Tag im Klub noch Werner Sombart, Otto Max Köbner und Carl Hauptmann getroffen.. Täglich findet sich eine andere Gesellschaft zusammen, Sombart, Carl Hauptmann, Wilhelm Herzog, Olaf Gulbrandson und verschiedene Geheimräteim Tagebuch bis dahin während des Berlin-Aufenthalts als Geheimrat ausgewiesen der Architekt Bernhard Sehring, den Wedekind am 13.3.1917 im Klub traf (siehe oben); am 15.3.1917 und 20.3.1917 traf er dort noch nachweislich den Geheimrat Otto Max Köbner, den er Wilhelm Herzog zufolge auch am 14.3.1917 dort traf (siehe oben)... Gleich am ersten Abend sprach ich der Orska von „Tod und Teufel“. Sie meinte, sie werde die Lisiskadie Prostituiertenfigur aus Wedekinds Einakter „Totentanz“ („Tod und Teufel“); die angestrebte Inszenierung mit Maria Orska in der Rolle der Lisiska wurde nicht realisiert. spielen, wenn eine Aufführung zustande käme, für die sich auch Bleichröder | zu interessieren schien. Seitdem ergab sich aber keine Gelegenheit mehr davon zu sprechen da die zumal da die Direktion mit zwei PremierenPremieren von August Strindbergs zweiteiligem Ehedrama „Totentanz“ (1901) im Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer). Premiere des 1. Teils in vier Akten war am 13.3.1917, Premiere des 2. Teils „Der Vampyr“ in drei Akten am 14.3.1917 [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 131, 13.3.1917, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (2)]. Maria Orska spielte in der Rolle der Judith „das Jungweiberherz mit seinen Tiefen und Untiefen“ [Fritz Engel: Strindbergs „Totentanz“ I und II. Theater in der Königgrätzer Straße. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 135, 15.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. (3)]., Strindbergs Totentanz I und II Theil beschäftigt ist. Sobald ich die Direktoren wieder spreche werde ich sie auf „Tod und Teufel“ aufmerksam machen.

Es freut mich sehr, daß Dein Vater die Gefahr glücklich überstandenTilly Wedekinds Vater Eduard Newes in Graz hatte eine lebensgefährliche Lungenentzündung überstanden. hat. Gegen Deine Reise nach PragTilly Wedekind fuhr am 12.3.1917 von Graz zunächst nach Wien und von dort nach Prag zu ihrer Schwester Martha Newes, wo sie den 13.3.1917 verbrachte und von Prag zurück nach München reiste, wo sie am 15.3.1917 eintraf. hätte ich nichts einzuwenden gehabt. Vielleicht fährst Du jetzt noch hin. Die Verpflegung hier will erst studiert sein. Leicht ist es nicht satt zu werden. Es kommt darauf an die Lokale ausfindig zu machen, in denen es noch etwas giebt. Grüße und küsse Pamela und Kadidja herzlich von mir.

Mit herzlichsten Grüßen und Küssen
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 15. März 1917 in München folgendes Erschlossenes Korrespondenzstück
an Frank Wedekind

[1. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 15.3.1917 aus München:]


Ich habe 3 Telegrammenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1917, 9.3.1917 und 12.3.1917. (heute ein 4.ein viertes nicht überliefertes Telegramm, das hier erschlossene Korrespondenzstück.) [...] geschrieben.


[2. Hinweis in Tilly Wedekinds Brief an Frank Wedekind vom 17.3.1917 aus München:]


Mein Telegramm von Donnerstag [...]

Tilly Wedekind schrieb am 15. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 15.III.17


Mein geliebter, liebster Frank,

nun bin ich wieder zu Hause. Obwohl es, nachdem es mit Papa besser giengSchreibversehen, statt: ging. sehr schön war, zu Hause ist es doch am Schönsten. Und ob wohlSchreibversehen, statt: obwohl. ich mich mit meinen Geschwistern gut verstehe, mit Dir verstehe ich mich doch am Besten. Wir gehören doch wohl zusammen.

Aber Lieber, sag mir ob Du auch so denkst, denn ich habe die ganze Zeit nicht eine Zeile von Dir bekommen. Ich habe 3 Telegrammenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1917, 9.3.1917 und 13.3.1917. (heute ein 4.Hinweis auf viertes nicht überliefertes Telegramm; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1917.) 2 Kartennicht zwei, sondern drei Postkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1917, 8.3.1917 und 9.3.1917]. u. 1 Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 10.3.1917. geschrieben. |

Ich war schon glücklich heute Deine Karte an Pamelanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 11.3.1917. vorzufinden, wo Du schreibst, Du freust Dich bis wir alle in München beisammen sind.

Die KinderlnKinder. hab ich Gottlob sehr wohl angetroffen!

Jetzt will ich baden u. dann schlafen gehen, denn ich habe anstrengende FahrtenTilly Wedekinds Rückfahrt von Graz über Wien und Prag nach München. hinter mir.

Hoffentlich bekomme ich endlich eine Zeile von Dir, sonst muss ich annehmen Du wollest nichts mehr von mir wissen.

In treuer Liebe umarmt Dich,
Deine Tilly


Morgen berichte ich Dir von Graz etz.

Tilly Wedekind schrieb am 16. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


16.III. abends


Geliebter, anbei Fleisch- u. Brotmarkenkriegsbedingt Lebensmittelmarken für Fleisch und Brot.. Hatte ich Dir denn das erste Mal lauter Marken mit dem gleichen Datum geschicktgeben? Konntest Du sie nicht verwerten? Hier in den Geschäften nehmen sie es nämlich nicht so genau mit dem Datum.

Wenn Du nur auskommst! Und soll ich Dir nicht auch Eier senden? Vielleicht könntest Du Dir dann immer zum Frühstück eines weich kochen lassen. |

Könntest Du mir vielleicht nächste Woche Geld senden? Sehr viel habe ich nicht mehr. Vielen Dank im Voraus.

In Graz haben wir in einer Pensionnicht ermittelt. gewohnt, waren ausgezeichnet verpflegt! Den Kindern muss ich viel von Lenerl u. FriedlLene Newes [vgl. Dora Newes an Wedekind, 26.3.1906] und ein Junge (Gottfried oder Friedrich), beides „Kinder aus der Verwandtschaft der Familie Newes.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 338] u. von Rudolf’s Bubennicht identifiziert; Sohn oder Söhne von Tilly Wedekinds Bruder Rudolf Newes in Wien. erzählen.

Leb’ wohl für heute, ich muss bald schlafen gehen, jetzt spüre ich erst wie müde ich von dem fahrenSchreibversehen, statt: Fahren. bin.

Innigen Kuss Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 16. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 16.III.17


Geliebter, dank’ Dir innigst Lieber für Deinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917., den ich mit Sehnsucht erwartete. Gottlob scheint es Dir ja gut zu gehen. Ich las hier auch die Kritikenzu Wedekinds Gastspielpremiere als Dr. Schön am 9.3.1917 in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße. So schrieb das „Berliner Tageblatt“ (Verfasser: h.f.): „Im Theater in der Königgrätzer Straße spielte gestern abend Frank Wedekind in der zweiundsiebzigsten Aufführung seines ‚Erdgeist‘ als Gast die Rolle des Dr. Schön. Die besonderen Vorzüge seiner Darstellungskunst sind ebenso bekannt wie ihre natürliche Begrenztheit [...]. Wenn der Dichter vor dem bunten Zirkusvorhang im kitschig roten Frack des Tierbändigers mit knallender Peitsche und nervenaufkitzelndem Revolverschuß, seine liebreizende Bestie ankündigt und vorführt, dann enthüllt er freilich die grotesk-dämonische Seele der Tragödie tiefer als jeder Routinierte. [...] Das Publikum folgte mit stärkster Anteilnahme.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 128, 11.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. (2)] Oder die „Berliner Volks-Zeitung“ (Verfasser: ‒e.): „Frank Wedekind spielte im Theater in der Königgrätzer Straße am Sonnabend in seiner Tragödie ‚Erdgeist‘ persönlich den Doktor Schön. Als Zirkusdirektor pries er mit schnarrender Stimme im Prolog seine Raubtiersammlung an [...]. In seine Rolle legte er die subjektive Auffassung des Dichters, aber er zeigte damit auch, was für das Gelingen einer Aufführung Schauspielkunst und technische Fertigkeiten bedeuten. Beides fehlt dem Darsteller Wedekind. Er blieb zu eckig und unentwickelt, seine Kapitulation vor dem Dämon Weib im dritten Akt erfolgte unvermittelt, und nur im Verfolgungswahn erhob er sich zu schauspielerischer Größe. Wenn es doch ein Triumphabend für den Dichter wurde, so hatte das Verdienst daran die reife Schauspielkunst Maria Orskas [...]. Der Dichter erkannte das auch an, indem er ihr zum Schluß verdientermaßen huldigte.“ [Berliner Volks-Zeitung, Jg. 65, Nr. 129, 12.3.1917, Montags-Ausgabe, S. (2)], in Graz waren die betreffenden Zeitungen noch nicht da. Es ist ja sehr schön verlaufen, hoffentlich zu Deiner Zufriedenheit. Wie langeWedekind blieb bis zum 8.4.1917 in Berlin [vgl. Tb]. meinst Du denn, dass Du in Berlin bleibst? Das wäre fein, wenn „Tod u. Teufel“ gespielt würde! Heute telegraphiere ich der Orska zu ihrem Geburtstagder 24. Geburtstag von Maria Orska, erfolgreiche Darstellerin der Lulu in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung (siehe oben), am 16.3.1917.. Wenn Du Dich nur gut nähren kannst; ich ließ Dir die Butter senden u. sende demnächst wieder. |

Nüsse giebtSchreibversehen, statt: gibt (so noch öfter in diesem Brief). es leider keine mehr. Giebts in Berlin noch welche? Dann kauf Dir, ja? Und iss recht viel Schokolade.

In Oesterreich giebt es noch so viel! Ich hab geschwelgt. Wir müssten doch im Sommer hinnach Graz. zur Erholung u. Abwechslung. Mit meinem Vater war es erst sehr schlecht, der Arzt glaubte nicht, dass er’s übersteht. Und auch jetzt wird es natürlich noch lang dauern. Graz ist reizend, ich giengSchreibversehen, statt: ging. mit Genuss durch die Straßen u. fühlte mich sehr wohl dort. Wenn Du zurück bist, muss ich Dir alles erzählen. Meine Geschwister lassen Dich alle herzlichst grüßen. Sie schätzen u. lieben Dich so, wie | kannst Du denken von ihnen missverstanden zu werden! Das war das Einzige, was mir meine Reise etwas verbitterte, dass ich gar keine Nachricht von Dir bekam. Dienstagam 13.3.1917. Tilly Wedekind reiste mit ihrem Bruder Rudolf Newes von Graz nach Wien, wo sie ihren Onkel Dagobert Engländer und dessen Frau Mathilde Engländer (geb. Lillin) sah. Früh fuhr ich mit Rudolf nach Wien u. blieb einen Tag dort, sah auch Onkel Dagobert u. Tante Mathilde. Nachts fuhr ich doch nach Prag. Ich dachte mir, wer weiß wann ich wieder nach Oesterreich komme. Wenn ich gewusst hätte, Du hast nichts dagegen, wie gern wäre ich paar Tage geblieben. So entschloss ich mich erst im letzten Moment, u. blieb nur über Mittwochder 14.3.1917. Tilly Wedekind besuchte in Prag ihre Schwester Martha Newes.. Nachts u. gestern den ganzen Tag war ich wieder im Zug, habe aber eine sehr angenehme Reise gehabt. |

Jetzt bin ich von der Strapaze natürlich bischen abgespannt. Aber es war sehr schön, ich danke Dir sehr, dass ich die Reise machen durfte.

Deinem Vetter u. der Orska danke ich für ihre GeschenkeWoldemar Wedekind schenkte Tilly Wedekind eine Schachtel Schokolade, Maria Orska einen Flakon französisches Parfüm, beides ihrem Mann übergeben [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917].. Grüße alle Bekannten von mir.

Willst Du denn Dein neues Stück in Berlin fertig diktierenWedekind hatte mit dem Diktat von „Herakles“ am 13.3.1917 in Berlin begonnen und beendete es am 22.3.1917 in Berlin [vgl. Tb].? Wie oftWedekind hatte bei seinem Gastspiel in „Erdgeist“ im Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin vom 9.3.1917 bis 7.4.1917 (siehe oben) insgesamt 13 Auftritte. wirst Du noch spielen?

Du Geliebter, ich freu’ mich sehr wenn wir wieder zusammen sind u. wir uns alles erzählen können.

Sei innigst geküsst von Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 17. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, Samstagder 17.3.1917..


Liebster, Geliebter, was ist denn nur wieder los? Bekam Mittags vom Telegraphen Amt Berlin die Mitteilung, Du seist abgereist, unbekannt wohinDas den handschriftlichen Zustellvermerken zufolge am 16.3.1917 in Berlin um 12.50 Uhr aufgegebene, dem Stempelaufdruck zufolge aber erst am 17.3.1917 um 12.48 in München dem Boten übergebene Telegramm an „Wedekind Prinzregentenstraße 50“ (handschriftlich) enthält diese maschinenschriftliche Mitteilung: „15/3, 6,30 frank wedekind hotel excelsior berlin anhalter bhf. abgereist. wohin unbekannt.“ [Mü, Nachlass Frank Wedekind, ohne Signatur; ediert: Vinçon 2018, Bd. 1, S. 439 (Nr. 647)]. Mein Telegramm von Donnerstagnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1917 (Telegramm). konnte also offenbar nicht zugestellt werden. Was ist denn nur Geliebter? Erst dachte ich die telegraphische Mitteilung sei vom HotelDer Absender des Telegramms aus Berlin (siehe oben) ist auf ihm zwar nicht explizit vermerkt, das „Hotel Excelsior (Berlin)“ [Vinçon 2018, Bd. 1, S. 439] aber als Absender angenommen worden. Bei der Mitteilung, Wedekind sei abgereist, handle es sich um eine „irrtümliche Information der Hotel-Rezeption“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 337]. u. wollte dahin telegraphieren. Dann dachte ich daran der Orska zu telegraphieren. Aber was können die mir sagen wenn Du fort bist, oder wenn Du mir keine Nachricht geben willst?! | Lieber, einziger Frank schreib mir doch was Du denkst. Wenn Dir irgend was nicht recht ist, so sag es doch.

Es ist ja schrecklich immer in der Angst zu leben sein Liebstes zu verlieren.

Ich hab Dir doch immer geschrieben u. telegraphiert, bei Deinem Auftreten an Dich gedacht. Zur Prager Reise entschloss ich mich erst im letzten Moment u. telegraphierte DirHinweis auf ein nicht überliefertes Telegramm; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.3.1917. auch bei der Abreise. D.h. ich gab das Telegramm meinen BrüdernDagobert und Karl Newes, wohl nicht Rudolf Newes, der gemeinsam mit seiner Schwester Tilly Wedekind von Graz nach Wien fuhr., müssten sie es eventuell zu spät abgeschickt haben. Aber das kann doch höchstens ein Tag gewesen sein. | Und ich beeilte mich ja so mit dem nach Hause kommen, fuhr 2 Nächte durch. Fühle mich auch jetzt recht angegriffen davon. Oder – was ist Dir sonst nicht recht? Bitte, lass’ keine Missverständnisse aufkommen, sondern sag mir was Du denkst.

In Graz erwarteten Bertl Karl u. Martha mich am Bahnhof von Graz am 7.3.1917 um 17 Uhr.u. wir fuhren schnell heim, weil sie dachten ich erreiche Papa nicht mehr. Er hatte schon öfter nach mir gefragt. Martha wohnte bei Dora, wir andern, auch Rudolf in einer Pensionnicht ermittelt. wo wir ausgezeichnet verpflegt waren. Wir wechselten uns in Papa’s PflegeEduard Newes hatte eine lebensbedrohliche Lungenentzündung, weshalb seine Tochter Tilly Wedekind zu ihm nach Graz gereist ist und ihn gemeinsam mit ihren Geschwistern pflegte. | ab. Einmal giengSchreibversehen, statt: ging. ich mit Martha u., Dora u. den Kindern auf den Rosenberg. Einmal waren wir bei Rudolf’s Schwiegermamanicht identifiziert; die Schwiegermutter von Tilly Wedekinds Bruder Rudolf Newes wohnte offenbar in Graz. zum CaffèeSchreibversehen, statt: Caffée (= Kaffee, oder: Café)., dann auf dem Friedhof bei Mama’s GrabWedekinds am 7.1.1915 gestorbene Schwiegermutter Mathilde Newes lag in Graz begraben.. Meine alte Nählehrerinnicht identifiziert. besuchte ich u. eine Freundinnicht identifiziert., sonst niemand, die andern sind alle fort. Einen Tag waren wir bei Bekanntennicht identifiziert. in der Nähe von Graz; es sind 2 Töchter da, sehr liebe Menschen. Die leben in ländlichem Überfluss.

Dienstagder 13.3.1917. in Wien, Mittwochder 14.3.1917. Tilly Wedekinds Schwester Martha Newes lebte seinerzeit in Prag, wo sie am Deutschen Landestheater als Schauspielerin engagiert war. bei Martha in Prag vergiengen Schreibversehen, statt: vergingen.die paar Stunden im Fluge.

Hab ich Dir nicht alles genau berichtet? |

II.

Also Lieber, schreib mir nun auch ein paar Zeilen! Wie lang wirst Du fort bleiben? Wie oft spielst Du noch?

Donnerstagder 15.3.1917, an dem Wedekind die vierte Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin notierte: „Erdgeist 4.“ [Tb] war doch Erdgeist u. Sonntagder 18.3.1917, an dem Wedekind die fünfte Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön in der „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin notierte: „Erdgeist 5.“ [Tb] ist es auch. Da kannst Du doch nicht verreist sein. Vielleicht bist Du nur in ein anderes Hotel, oder nur über die freien Tage fort. Aber bitte Lieber, lass’ mich nicht länger im UnklarenDie verzögerte Zustellung der Post lag an einem Versehen des Berliner Hotels (Grand Hotel Excelsior), wie Wedekind seine Frau dann rasch wissen ließ., das ist ein schrecklicher Zustand.

Mit Sehnsucht eine Nachricht erwartend umarmt Dich in treuer Liebe Deine Tilly |

P.S. Gestern schickte ich Dir auch einen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.3.1917 (erster Brief)., vorgestern auchvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1917.. Heute einen KartenbriefDie am 16.3.1917 abends geschriebene Briefkarte mit den genannten Beilagen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.3.1917 (zweiter Brief)] wurde offenbar erst am 17.3.1917 abgeschickt. mit den neuen Fleisch- u. Brotmarken.

Die Kinder lassen Dich grüßen u. küssen, es geht ihnen sehr gut. Ich muss ihnen viel von Graz erzählen.

Innigen Kuss Tilly

Frank Wedekind schrieb am 18. März 1917 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Berlin [...]


erhielt durch versehen des hotels acht tage lang keine post erhalte eben erst deine briefe bitte nichtbeantwortung zu entschuldigen innigsten gruesse = frank =

Tilly Wedekind schrieb am 18. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 18.III.17.


Geliebter, Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.3.1917 (Telegramm). macht mich sehr glücklich. Gottlob, dass es nur ein Versehen war!

Gestern war ich sehr gedrückt, u. konnte es nicht ertragen allein zu sein. Ich giengSchreibversehen, statt: ging. mit Frau Vane in die AufführungTilly Wedekind besuchte mit Sybil Vane die Doppelpremiere von Heinrich Manns Einaktern „Der Tyrann“ (1917; nach der Novelle „Der Tyrann“, 1908) und „Varieté“ (1910) unter unter der Regie von Hermann Sinsheimer am 17.3.1917 in den Münchner Kammerspielen (Beginn: 19.30 Uhr, Ende: 21.30 Uhr): „Zwei Einakter von Heinrich Mann / Zum ersten Male: Der Tyrann [...] Hierauf: Neu einstudiert: Variété“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 137, 17.3.1917, General-Ausgabe, S. 2], in der Presse dann charakterisiert als „zwei ältere Einakter des Dichters, den psychologischen Dialog ‚Der Tyrann‘ und sein satirisches Gegenspiel ‚Varieté‘, in denen der Künstler tiefergehende Analysen menschlicher Sondererscheinungen versucht und ungewöhnliche seelische Verschlingungen aufweist. Man findet dies erste, auf eine entscheidende Szene verdichtete Drama als Novelle in den ‚Bösen‘, wo die unerbittliche Kühle des vivisezierenden Schriftstellers minder fühlbar wird als auf der Bühne.“ [Kurt Morek: Theaterrundschau. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 120, Nr. 15, 8.4.1917, S. 151] Frank Wedekind hatte dem Tagebuch zufolge die szenisch geschriebene Novelle „Der Tyrann“ am 7.9.1910 gelesen („Lese im Hofbräu Heinrich Mann ‚der Tyrann‘“), den Einakter „Varieté“ am 10.11.1910 („Lese im Bett Variété von Hrch. Mann“). von Heinrich Mann, Tyrann u. Variété. Es war nicht besonders, das 2. ganz lustigder in den Münchner Kammerspielen am 17.3.1917 als zweites Stück gespielte Einakter „Varieté“ (siehe oben), über dessen Aufführung die Presse schrieb: „Beifall und Aufnahme entsprachen dem unterhaltsamen Scherzo.“ [E. (= Richard Elchinger): Der Tyrann – Variété. Zwei Einakter von Heinrich Mann. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 140, 19.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. 2]. Dann aßen wir in der TorggelstubeMünchner Stammlokal Wedekinds; seine Frau war dort am 17.3.1917 in Gesellschaft von Georg Stollberg, Direktor des Münchner Schauspielhauses und des Gärtnerplatztheaters, und seiner Frau Grete Stollberg sowie deren Tochter (nicht identifiziert), Max Halbe, Max Langheinrich, Joachim Friedenthal, dem mit Lion und Marta Feuchtwanger befreundeten Kunsthistoriker und Schriftsteller August Mayer, der seit 1912 Kustos der staatlichen Galerien München war, sowie der Schauspielerin Annie Rosar (siehe unten)., wo Dir. Stollberg mit Frau u. Tochter, Halbe, Langheinrich, Friedenthal, August Meyer | u. die RosarAnnie Rosar (Mauerkircherstraße 12), eigentlich Annie Walser [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 586, 777], Schauspielerin am Münchner Schauspielhaus [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 506], dann am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 441], die seit 1912 zu Wedekinds Bekanntenkreis zählte; zuletzt gesehen hat er sie Lion Feuchtwanger zufolge am 3.2.1916: „Abends Sinsheimer-Vortrag bei Caspari. Dann mit Sinsheimer, Rosar, Wedekind, Frank u.a. im Preysingpalais.“ [Tb Feuchtwanger] waren. Die Rosar lud alle ein zu ihr zu kommen, ich wollte erst nicht, giengSchreibversehen, statt: ging. aber dann mit, damit es nicht so aussieht als ob ich nicht darf. Frau u. Herr Feuchtwanger kamen auch. Auch sagte ich mir, ich muss es endlich lernen mich in der Gesellschaft zu bewegen, dann wird es auch gehen wenn Du mit mir gehst u. wir werden Vergnügen daran haben. Besonders behaglich war es nicht, bei Frau LangheinrichTilly Wedekind hatte am 2.3.1917 bei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) und Max Langheinrich (Friedrichstraße 34, 2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 407] einen anregenden Abend verbracht [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1917]. fand ich es viel, viel netter. Aber ich glaube, dass ich nicht herausfiel aus der Unterhaltung. |

Heute war ein herrlicher, sonniger Tag. Ich giengSchreibversehen, statt: ging. mit den beiden Kindern durch den englischen Garten, wir tranken beim chinesischen Turm Cacao u. besuchten dann Frl. MarionBlanka Marion (eigentlich: Blanka Milischowsky), „Chorsängerin (Gärtnerplatztheater)“ [Adreßbuch für München 1916, Teil I, S. 458] und mit Tilly Wedekind befreundet, hatte zunächst am oberen Anger 9 (2. Stock) gewohnt [vgl. ebd.]; sie zog dann um – ihre neue Adresse ist zwischenzeitlich zwar nicht verzeichnet, sie wohnte aber Reichenbachstraße 11 (1. Stock).. Sie hat sich’s schon sehr nett in ihrer Wohnung eingerichtet u. wir unterhielten uns sehr gut. Morgen abends wird sie zu mir zum Essen kommen.

Morgen schicke ich Dir E/e/inige Esswaren, die Butter giebtsSchreibversehen, statt: gibt’s (gibt es). nicht früher. Du kannst es doch einschließen u. zum Frühstück essen. Eventuell in Wasser legen. | Denn es ist doch sehr wichtig, dass Du Dich gut nährst, besonders bei der Anstrengung.

Die Kinder sind sehr lieb. Heute musste ich ihnen noch viel von meiner Reise erzählen. Frl. Marion staunte wie groß sie geworden sind, sie hat sie lang nicht gesehen.

Nun lebwohl Du mein Liebster u. schreib mir bald.

Innigen Kuss,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 18. März 1917 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Geliebte Tilly! Durch ein Versehen im Hotel hatte ich seit mehreren Tagen keine Post erhalten. Deshalb telegraphierte ichvgl. Wedekind an Anna Wölfel, 18.3.1917. heute früh an die AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] wegen BrodSchreibversehen, statt: Brot-. und Fleischmarken. Dann an Dichvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.3.1917 (Telegramm)., bevor ich Deine beiden Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1917 und 16.3.1917 (erster Brief). gelesen hatte, die offenbar eben erst angekommen waren. Ich danke Dir bestens dafür. Die Butter habe ich noch nicht erhalten, werde mich aber sehr darüber freuen. Ich habe mich verpflichtet, drei Wochen langWedekind hatte seinen letzten Gastspielauftritt in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin am 7.4.1917. zu spielen, werde also kaum vorher zurückkommen. Am DonnerstagWedekind notierte am 15.3.1917: „Mittag im Klub mit Sombart Köbner Carl Hauptmann. Erdgeist 4. Carl Hauptmann und Frau im Theater [...] Habsburger Hof mit Carl Hauptmann und Frau. Sehr animiert.“ [Tb] Er hat nach seinem vierten Gastspielauftritt in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung (siehe oben) mit Carl Hauptmann und dessen zweiter Frau, der Malerin Maria Hauptmann (geb. Rohne), die auch im Publikum der „Erdgeist“-Vorstellung saßen [vgl. Berger 2001, S. 244], den restlichen Abend im Hotel Habsburger Hof (Askanischer Platz 1) verbracht. nach der Vorstellung war ich mit Carl Hauptmann und seiner Frau zusammen, die dich bestens grüßen lassen. Die Verpflegung ist höchst schwierig, | aber ich wüßte außer Butter nichts was du mir schicken könntest, höchstens Chocolade wenn ihr selber welche habt. Morgen Abend treffe ich voraussichtlich Reinhart im ClubWedekind war dem Tagebuch zufolge am 19.3.1917 mittags („Mittag im Klub“) und abends („Abend Club. Vortrag Kerschensteiner. Hermann Bahr Gerhard und Karl Hauptmann Richard Strauß Prof. Steindorf“) in der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), hat die Begegnung mit Max Reinhardt bei der Abendveranstaltung aber nicht notiert, die nur flüchtig war [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.3.1917]., bin sehr darauf gespannt. Grüße und küsse die Kinder und sei selber herzlich geküßt von Deinem
Frank


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50

Frank Wedekind schrieb am 19. März 1917 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

DEUTSCHE GESELLSCHAFT 1914

BERLIN W.8.
WILHELMSTR. 67.


19.III.17Wedekind notierte am 19.3.1917 den vorliegenden Brief an seine Frau (und weitere Briefe an andere Personen): „Briefe an Tilly“ [Tb]..


Geliebte Tilly!

Eben erhalte ich Deinen lieben Brief von Samstagvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 17.3.1917. und Deinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.3.1917 (zweiter Brief). mit den Brod-Schreibversehen, statt: Brot-. und Fleischmarken. Im Hotel geht infolge Mangels an Personal alles drunter und drüber. So war ich durch Verwechslung des Zimmers als verreist gemeldet worden. Das Paket mit Butter hat man, wie ich heute erfuhr zurückgeschickt. Wer weiß ob die Butter noch drinnen ist. Brauchen könnte ich sie schon. Das wertvollste, was du mir schicken könntest wäre eine Ende Wurst. | Aber das habt ihr wohl selber nicht. Außerdem bin ich so froh, daß ich die Fleisch und BrodkartenSchreibversehen, statt: Fleisch- und Brotkarten. habe. Man muß hier froh sein wenn man wenigstens für KartenLebensmittelmarken für Brot und Fleisch, kriegsbedingt. etwas bekommt und mit dem Datum nehmen es die Leute ganz verzweifelt genau.

Per Postanweisung schicke ich Dir heute Nachmittag 400 M. GesternWedekind notierte am 18.3.1917 die fünfte „Erdgeist“-Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön im Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin: „Erdgeist 5.“ [Tb] habe ich zum fünften Mal gespielt, habe also noch fünf Vorstellungen vor mir, da ich mich für zehn verpflichtet habe. Eben aß ich mit Herbert Eulenberg und Herzog zusammen hier im ClubWedekind hielt am 19.3.1917 mittags seinen Besuch in der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67) fest, auf deren Briefbogen er den vorliegende Brief schrieb: „Mittag im Klub. Briefe“ [Tb] (das gemeinsame Mittagessen mit Herbert Eulenberg und Wilhelm Herzog notierte er nicht); abends war er wieder dort [vgl. Tb]. Wilhelm Herzog notierte am 19.3.1917: „Club. Wedekind. Eulenberg. Letzterer klagt naiv seine Militärnöte.“ [Tb Herzog], die Dich beide grüßen lassen. Auf dem Heimweg werde ich aber | doch wohl einige Tage in Dresden bleibenWedekind fuhr nicht nach Dresden..

Nun leb wohl, liebe Tilly. Grüße und umarme die Kinder von mir und sei herzlich geküßt von
Deinem Frank

Tilly Wedekind schrieb am 20. März 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Hotel Excelsior
a./Anhalter Bahnhof


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München.


20.III.17


Innigst geliebter Frank,

für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.3.1917 (Postkarte). vielen Dank. Gestern ließ ich von AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] 2 Päckchen an Dich senden. Hoffentlich | sind die Eier gut u. kannst Du sie Dir zum Frühstück kochen lassen. Ausserdem schickten wir Honig, Butter u. ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback.. Werde Dir heute noch Chocolade schicken.

Gestern war ich erst mit den Kindern spazieren, dann bei Frau Dr. Feuchtwanger zum TheeTilly Wedekind war zum Tee bei Marta Feuchtwanger (geb. Löffler) und deren Gatten, dem Schriftsteller Dr. phil. Lion Feuchtwanger (Georgenstraße 24, 3. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 164] – mit sechs weiteren Gästen, wie Lion Feuchtwanger am 19.3.1917 notierte: „Heinrich Mann und Frau, Frau Wedekind, Kaufmann, die Leiko, Friedenthal, die Ismet bei uns.“ [Tb Feuchtwanger] Neben Heinrich Mann und dessen Frau Mimi Mann (geb. Kanova), war Marija Leiko anwesend, Schauspielerin am Neuen Theater in Frankfurt am Main [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 406], dann am Deutschen Theater in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 293], die bei der Uraufführung von Heinrich Manns Drama „Madame Legros“ (1913) am 19.2.1917 an den Münchner Kammerspielen (Direktion: Otto Falckenberg) unter der Regie von Hermann Sinsheimer in einem Gastspiel die Titelrolle gespielt hat. Frank Wedekind hat das Stück dem Tagebuch zufolge am 30.12.1916 von seiner Frau vorgelesen bekommen („Tilly liest mir Madame Legros zu Ende vor“) und mit Tilly Wedekind am 19.2.1917 die Uraufführung besucht („Mit Tilly in Madame Legros von Heinrich Mann“). Bei dem Tee am 19.3.1917 waren ferner anwesend Joachim Friedenthal und die mit ihm liierte Frau Ismet, außerdem der Rechtsanwalt Adolf Kaufmann, Vorsitzender im Aufsichtsrat der Münchener-Theater-G.m.b.H. und bei den Münchner Kammerspielen „Rechtskonsulent“ [Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 404].. Heinrich Mann u. Frau u. Frau Leiko waren da u. Friedenthal u. Frau Iz/s/met. Es war recht nett.

Heute sind es 14 Tage seit Du fort bist, Liebster. Ich freu mich schon sehr auf ein Wiedersehen!

Die Kinder schicken Dir viele BusserlnKüsse., in Liebe umarmt Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 21. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Mittwochder 21.3.1917. abends.


Geliebter, eben kam dies Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück (Absender unsicher): Georg Müller an Wedekind, 21.3.1917. – Der Verleger dürfte auf den Brief seines Autor an ihn [vgl. Wedekind an Georg Müller, 19.3.1917] sofort und zwar telegrafisch geantwortet haben.. Ich öffnete es u. hätte es nachtelegraphiert, wenn es etwas wichtiges gewesen wäre.

Das Paket mit Wurst, Fleisch u. Zucker giengSchreibversehen, statt: ging. heute als Wertpaket ab, so ist es hoffentlich sicherer.

Ein Herrnicht identifiziert. rief heute an u. sprach von einem jungen | Bildhauernicht identifiziert. der Dich modellieren wolle. Er habe schon Halbe u. Henckell modelliert. Ich sagte, dass Du erst in 14 Tagen heimkommst.

Gestern u. heute las ich Einiges von Hauptmannder rote Hahn“ „Rose Bernd“ u. den „Armen Heinrich“. Ich möchte gern bischen Überblick bekommen. Lebwohl für heute u. sei innigst geküsst, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 21. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mittwoch, 21.III.17


Geliebter Frank,

Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1917. erhielt ich gestern abends, vielen Dank!

Von Graz aus schrieb ichTilly Wedekinds Schreiben an Anna Wölfel ist nicht überliefert. AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334], dass sie Dir Butter etz. schicken soll. Sie schickte auch vor 8 Tagen, ungefähr ein Päckchen mit Butter u. ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback.. Hast Du das nicht bekommen? Zurück kam auch nichts, dann hat es wohl irgend wer behalten. Vorgestern schickten wir einen Carton mit 6 Eiern, einen Carton mit ⅘ Butter, einem Päckchen ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback. u. einem Gläschen Honig. | Es wäre schon unglaubll/i/ch, wenn Du das alles nicht bekämst. Gestern schickten wir noch 3 Tafeln Schocolade als Muster ohne Wertpostalische Kategorie; mit dem Betrag von Briefporto frankierte Warensendungen, etwa bei Warenproben [vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon. Bd. 16. Leipzig 1908, Beilage zu Artikel „Porto“ S. 170: „Portotarif und Postgebühren im Deutschen Reich“]., eingeschrieben. Heute schicke ich Dir noch 2, ungefähr 15 cm lange Endchen Wurst u. ein Stück gebratene Lende. Wenn nur alles hinkommt! Kannst Du nicht durch die Leute im Clubin der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), die Wedekind täglich aufsuchte, auch zum Essen. zu Lebensmitteln kommen? Sardinen könntest Du Dir vielleicht auch besorgen, für VormittagsSchreibversehen, statt: vormittags. oder abends.

In Oesterreich giebtsSchreibversehen, statt: gibt’s (gibt es). noch herrliche Dinge. Es lohnte sich schon, im Sommer hinzufahren u. sich satt zu essen. |

Vielleicht schreibst Du mir Deine Zimmer Nummer, dann kann ich sie auf der Adresse angeben. Wenn Du übrigens die MarkenLebensmittelmarken, kriegsbedingt. wegen des Datums theilweise nicht verwerten kannst, würde ich Dich bitten sie mir zurückzusenden.

Die Woche spielt/s/t Du also 2malWedekind spielte den Dr. Schön in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin in der laufenden Woche am 21.3.1917 (Mittwoch) und am 24.7.1917 (Samstag) [vgl. Tb], dann wohl noch nächste Woche 3malWedekind spielte den Dr. Schön in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung in der nächsten Woche am 27.3.1917 (Dienstag), am 28.3.1917 (Donnerstag) und am 31.3.1917 (Samstag); weitere Auftritte folgten in der Woche darauf am 2. und 5.4.1917 sowie der letzte Gastspielauftritt am 7.4.1917 [vgl. Tb]..

Wie war’s mit Reinhard/tWedekind hatte sich von der Begegnung mit Max Reinhardt am 19.3.1917 etwas versprochen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.3.1917 (Postkarte)], sie war aber nur flüchtig [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.3.1917]./? Was sagt man eigentlich in Berlin zu Russland„Infolge der Februarrevolution war der russische Zar am 15.3.1917 zur Abdankung gezwungen und eine Provisorische Regierung gebildet worden. Das Thema beherrschte die Titelseiten der deutschen Presse in den nächsten Tagen. In Zeitungen wie dem ‚Berliner Tageblatt‘ wurde die sog. Parlamentarische Revolution begrüßt und vor einer Gegenrevolution wegen bestehender Konflikte zwischen der provisorischen Regierung einerseits und den Arbeiter- und Soldatenräten andererseits gewarnt.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 342] Wilhelm Herzog notierte am 26.3.1917 in Berlin: „Später mit Wedekind zusammen. Über Rußland.“?

Eben kam das Geld400 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1917]. Wedekind hat im Kontobuch ohne Tagedatum im März 1917 unter den Ausgaben notiert: „An Tilly per Postanw. 400“ Mark., ich danke Dir herzlichst. Hat die Orska nichts gesagt, dass ich ihr zu ihrem Geburtstag telegraphiertTilly Wedekinds Telegramm an Maria Orska vom 16.3.1917 ist nicht überliefert. habe? Für den ParfümMaria Orska schenkte Tilly Wedekind französisches Parfum [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917]. | muss ich ihr noch danken. War wieder von „Tod u. Teufel“ die Rede? Es wäre so schön, wenn wir das zusammen in Berlin spieltenEine „Tod und Teufel“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin, für die Maria Orska sich als Darstellerin der Lisiska vorgeschlagen hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917], kam nicht zustande.!

Eulenberg ist ja glaub ich als Burgtheater Director in Aussicht genommenDie Presse hatte über Spekulationen zur Besetzung des vakanten Direktorpostens am Wiener Hofburgtheater berichtet und dabei auch den Namen von Herbert Eulenberg als möglichen Kandidaten genannt: „Im Laufe des heutigen Tages traf in der Direktion des Burgtheaters die offizielle Mitteilung ein, daß das Rücktrittsgesuch Hugo Thimigs in zustimmendem Sinne erledigt worden sei. [...] Die Frage der Nachfolge wird selbstverständlich in Theaterkreisen überaus lebhaft besprochen, und die Zahl der Kandidaten wächst von Stunde zu Stunde [...]. Unter den Kandidaten, die gestern und heute genannt worden sind“, befinde sich der „Schriftsteller Herbert Eulenberg“ [Der Rücktritt Hugo Thimigs. In: Neue Freie Presse, Nr. 18884, 19.3.1917, Nachmittagsblatt, S. 6].? Morgen Nachmittag kommt Frau Morena-Herzog mit ihrem KindDie seit dem 22.12.1914 mit Wilhelm Herzog verheiratete Schauspielerin Erna Morena mit ihrer knapp 2 Jahre alten Tochter Eva-Maria Herzog (genannt: Lolo, geboren am 2.4.1915). Wedekind hat Erna Morena dem Tagebuch zufolge zuletzt am 7.11.1916 gesehen („Zum Thee bei uns Herzog und Frau“). Sie spielte im Stummfilmdrama „Lulu“ (Regie: Alexander von Antalffy, Produzent: Paul Davidson), frei nach Wedekinds „Erdgeist“ gedreht und uraufgeführt am 7.11.1917, die Titelrolle. zu uns, Frau Dr. Rosenbusch Ida Rosenbusch (geb. Ansbacher) war seit 1892 mit Justizrat Dr. Julius Rosenbusch verheiratet, den Wedekind am 27.12.1916 und 31.12.1916 in geselliger Runde getroffen hat [vgl. Tb].u. Frau Baronin WedellLida von Wedell, die Tilly Wedekind im Vorjahr porträtiert und auch Frank Wedekind gezeichnet hat. Die zuletzt stattgefundenen Treffen mit ihr notierte Wedekind im Tagebuch am 12.11.1916 („Baronin Wedel zum Thee“) und 13.12.1916 („Mit Tilly und der Baronin Wedel in der T.St.“) im Weinlokal Zur Torggelstube., vielleicht auch die VaneSybil Vane, mit Tilly Wedekind befreundet.. Gestern lag ich zu Bett, weil ich einen starken Bronchialkatarrh hatte, werde auch heute noch nicht ausgehen.

Viele BusserlnKüsse. von den Kindern.

Sei innig umarmt Lieber
von
Deiner Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 22. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstag, 22.III.17


Liebster, heute waren Frau Morena-Herzog Frau Dr. Rosenbusch, Frau Vane u. Frau Baronin Wedell zum Thee bei mirErna Morena, Ehefrau von Wilhelm Herzog, mit ihrer knapp 2 Jahre alten Tochter Eva-Maria Herzog (genannt: Lolo), Ida Rosenbusch (geb. Ansbacher), Gattin des Justizrats Dr. Julius Rosenbusch, Sybil Vane und Lida von Wedell.. Auch die kleine Eva-Maria Herzog genannt „Lolo“ war bei den Kindern; sie spielten sehr lieb. Ich schlug dann vor, wir wollten in den Orska-FilmDas Stummfilm-Melodram „Der Sumpf“ (1916) unter der Regie von Max Mack – Drehbuch: Berthold Engels, produziert von Jules Greenbaum, Greenbaum-Film-Gesellschaft (Berlin) – lief in München vom 17. bis 23.3.1917 in den Kammer-Lichtspielen (Kauffingerstraße 28), angekündigt: „Maria Orska in dem dreiaktigen Drama Der Sumpf“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 146, 22.3.1917, General-Anzeiger, S. 2]. Maria Orska spielte darin ein Straßenmädchen.der Sumpf“ gehen u. die Damen waren dabei. | Sie wollten vorher noch zu Abend essen, wir/so/ giengenSchreibversehen, statt: gingen. wir in die Wurstküchein das Bierrestaurant Nürnberger Wurstküche „zum Herz“ (Münzstraße 1) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Handels- und Gewerbe-Adreßbuch, S. 255].. Frau Dr. Rosenbusch bestellte teleph. ihren Mann hin. Die giengenSchreibversehen, statt: gingen. dann aber nicht mit in den Film. Der Film war sehr interessant, aber in Wirklichkeit gefällt mir die Orska besser. Natürlich fragen mich alle, warum ich nicht spielewarum nicht Tilly Wedekind in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße die Lulu spiele, sondern Maria Orska – gemeinsam mit Frank Wedekind, der dort den Dr. Schön spielte.. Frau Herzog schrieb ihrem Mann eine Kartenicht überliefert.; ich wollte Dir keine vom Lokal senden, darum kommt die an DichDie erst am 27.3.1917 abgestempelte Bildpostkarte mit einem Foto von Maria Orska als Bildmotiv [vgl. Tilly Wedekind, Ida Rosenbusch, Lida von Wedell, Erna Morena an Frank Wedekind, 22.3.1917] ist vor dem vorliegenden Brief geschrieben worden. mit dem Bild der Orska leider später.

Die Orska schrieb mir heute eine Kartenicht überliefert. Maria Orska bedankte sich für Tilly Wedekinds telegrafischen Glückwunsch zu ihrem 24. Geburtstag am 16.3.1917. u. dankte für den | Glückwunsch. Sie schrieb wie begeistert sie von Dir seiWedekind seinerseits war auch begeistert von Maria Orska als Lulu-Darstellerin in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung (siehe oben); Zusammenarbeit und Wertschätzung sind im Tagebuch dokumentiert am 9.3.1917 („Um zwölf Uhr ½stündige Probe mit meiner Partnerin Maria Orska [...] Vorstellung Erdgeist Hotel Esplanade mit Orska und zwei Baronen Bleichröder“), 10.3.1917 („Sechs Uhr Probe mit Orska von 3 Akt Schluß. | Vorstellung Erdgeist“), 15.3.1917 („Erdgeist 4. [...] Orska: Es ist jedesmal schöner!“), 18.3.1917 („Erdgeist 5. Neue Stellung mit Maria Orska“), 31.3.1917 („Erdgeist 10. Daysy Maria lobt meine Sprache“), 2.4.1917 („Erdgeist 11. Orska: Heute hats mich wieder ganz Begeistert. Wenn ich die Kraft dazu hätte ich würde auch am Vormittag Erdgeist spielen. Kuß Gehe mit ihr und Graf Gneisenau zum Theater“) und 7.4.1917 („Erdgeist 13. Orska: Es war mir eine Freude, ich sollte lieber sagen Es war mir ein Glück“). u. ob ich Dich nicht mal bewundern käme. Aber ich glaube, Du hättest keine Freude.

Liebster, Einziger hoffentlich kommt jetzt die Zeit wo wir uns gemeinsam des Lebens freuen können, ich möchte es so gerne!

Hoffentlich geht es Dir recht, recht gut! Innigsten Kuss
Deine Tilly

Tilly Wedekind, Lida von Wedell, Erna Morena und Ida Rosenbusch schrieben am 22. März 1917 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

S.H.
Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Hotel Excelsior a./Anhalter Bahnh.


Abs: Wedekind
Prinzregentenstr. 50
München.


22.III.17 Liebster, nach einem sehr netten Thee-Nachmittagam 22.3.1917. Gäste Tilly Wedekinds waren Erna Morena (mit ihrer knapp 2 Jahre alten Tochter Eva-Maria Herzog, genannt Lolo), Ida Rosenbusch und Lida von Wedell, die alle drei die vorliegende Bildpostkarte mitunterschrieben haben, außerdem Sybil Vane [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.3.1917 (Brief)]., waren wir noch in einem Orska-Filmdas Stummfilm-Melodram „Der Sumpf“ (1916) [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.3.1917 (Brief)], das in München vom 17. bis 23.3.1917 in den Kammer-Lichtspielen (Kauffingerstraße 28) lief: „Maria Orska in dem dreiaktigen Drama Der Sumpf“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 146, 22.3.1917, General-Anzeiger, S. 2]. Maria Orska spielte darin ein Straßenmädchen.. Viele liebe Grüße, Tilly. Lolo = Eva Maria Herzog war bei Pamela u. Kadidja


Es waren so nette Stunden bei Ihrer Frau Gemahlin
Ihre Rosenbusch


Viele herzliche Grüsse! Lida v. Wedell


Meine besten Grüße Erna Morena-Herzog. |

Ist die SchlangeErna Morena spielt an auf Maria Orska, als Lulu-Darstellerin in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße Partnerin Wedekinds, der den Dr. Schön spielte. wirklich so gefährlich? Maria Orska

Frank Wedekind schrieb am 22. März 1917 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL EXCELSIOR BERLIN

GEGENÜBER DEM ANHALTER BAHNHOF
3 MINUTEN VOM POTSDAMER BAHNHOF


Berlin SW 11, 22.III 17. 191

KÖNIGGRÄTZER STR. 112.
TELEFON: AMT NOLLENDORF 466-479.


Geliebte Tilly!

Empfang besten Dank für Deinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.3.1917. und die Postkartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.3.1917.. Es freut mich sehr, daß Du Dich gut unterhältst. Ich bekam derweil an Paketen zuerst eins mit Butter und Zwiebäcken, dann eins mit Chokolade, dann eins mit Honig, Zwiebäcken und Butter und schließlich eines mit Eiern. Die Butter ist sehr gut zum Frühstück und nachmittags auf die Zwiebäcke. Aber Butter habe ich jetzt reichlich genug. Wenn sie nur nicht ranzig wird. Der Honig ist aus|gezeichnet. Vorderhand brauche ich also nichts mehr. Offen gesagt habe ich, bevor ich diese Herrlichkeiten bekam die eine Schachtel mit ChokoladeWoldemar Wedekind übergab Frank Wedekind eine Schachtel mit Schokolade als Geschenk für Tilly Wedekind [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917]. Frank Wedekind hat seinen Cousin dem Tagebuch zufolge nach dem Treffen am 11.3.1918 („Mittag mit Woldemar und Oskar von Wedekind“) am 22.3.1917 wieder getroffen („Mit Woldemar Wedekind bei Habel äußerst gemütlicher Abend“). angebrochen, die mir Woldemar Wedekind für Dich gegeben hatte.

Nun bitte ich dich um folgendes. In der einer der Schubladen der schwarzen Kiste die auf dem Büchergestell neben dem Fenster steht, liegen die Korrekturen der BühnenausgabeDas zwischen 1907 und 1912 entstandene Bühnenmanuskript von „Frühlings Erwachen“ ist „nicht erhalten“ [KSA 2, S. 775], allerdings ein 1918 im Georg Müller Verlag erschienener Druck, vertrieben vom Drei Masken Verlag: „Frank Wedekind. Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie in drei Akten. Vom Autor hergestellte Bühnenbearbeitung. Alle Rechte, insbesondere die der Aufführung sowie der Übersetzung in alle Sprachen, sind vorbehalten. Bühnen-Vertrieb Drei Masken Verlag G.m.b.H. in Berlin W. 30, Nollendorfstraße 13/14. Georg Müller Verlag München und Leipzig.“ [KSA 2, S. 776] von Frühlings Erwachen nebst dem von Müller korrigierten Original. Du hattest mir den ganzen Packen schon in die KlinigSchreibversehen, statt: Klinik. gebracht. Darf ich Dich bitten, was davon vorhanden ist in ein Kuvert zu tun und an | Georg Müller, Verlag, Elisabethstraße 26 München zu schicken. Ich habe Müller gebetenvgl. Wedekind an Georg Müller, 19.3.1917. die Korrekturen selbst zu besorgen oder besorgen zu lassen, da ich jetzt keine Zeit dazu habe.

Mir geht es soweit gut. Morgen AbendWedekind notierte am 23.3.1917: „Zum Thee bei Meinhard mit Bernauer“ [Tb]; er war – wie Rudolf Bernauer – zu Besuch bei Carl Meinhard (Charlottenstraße 90-92) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 1878] und sprach insofern mit beiden Direktoren des Theaters in der Königgrätzer Straße über mögliche weitere Inszenierungen oder über ein Gastspiel. bin ich zum Thee bei Direktor Meinhard und werde sehen, was er für Pläne hat und ob sich etwas mit ihm vereinbaren läßt.

Grüße und küsse die Kinder von mir. Mit herzlichem Kuß
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 24. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 24.III.17


Mein liebster Frank,

vielen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.3.1917. u. die Karte an Pamelanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 22.3.1917.. Ich bin sehr froh, dass alles angekommen ist. Das eine Päckchen Butter u. ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback. hat AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] schon vor einer fast zwei Wochen geschickt, es dauert jetzt eben oft lang. Wenn Du noch etwas willst bitte schreib es mir rechtzeitig. Ich hoffte, Du lässt die Butter nicht ranzig werden, sondern isst sie lieber „fingerdick“ aufgestrichen. Du kannst Dir vielleicht Brot kaufen im | Laden meine ich, da wirst Du mehr bekommen. Reichst Du denn mit den MarkenLebensmittelmarken.? Und giebtsSchreibversehen, statt: gibt’s (gibt es). noch Nüsse? Das würde ich Dir sehr raten. In GrazTilly Wedekind war vom 7. bis 13.3.1917 bei ihrer Familie in Graz. gab’s Unmenge, hier nichts mehr.

Die KorrekturenWedekind hatte seine Frau gebeten, Korrekturen der Bühnenausgabe von „Frühlings Erwachen“ an den Georg Müller Verlag zu schicken [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.3.1917]. gehen heute an Müller ab.

Dr. Friedenthal telephonierte neulichJoachim Friedenthal kann Tilly Wedekind frühestens am 16.3.1917 telefonisch erreicht haben, als sie aus Graz zurück wieder in München war (sie reiste über Wien und Prag). wegen des Hilfsdienst„Am 6.12.1916 war das ‚Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst‘ wegen des Mangels an Arbeitskräften sowie wegen der schwierigen Versorgungslage und der drohenden Kriegsniederlage verabschiedet worden. Männer zwischen dem 17. und 60. Lebensjahr, die nicht zum Militär eingezogen waren, konnten nun zwangsverpflichtet werden, in der Rüstungsindustrie oder sonstigen kriegswichtigen Betrieben zu arbeiten.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 344]et/s/ an, ich bat ihn er möchte es Dir selbst schreiben. Aber das ist doch wohl ausgeschlossen, D/d/ass Du da Arbeit bekämst, nicht wahr? Ich glaube nur man muss sich melden; Friedenthal wird es Dir | ja geschrieben habenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben (anzunehmen ist, dass es existierte); erschlossenes Korrespondenzstück: Joachim Friedenthal an Wedekind, 17.3.1917..

Wegen der ImpfungDurch das Impfgesetz vom 8.4.1874 war für Kinder (laut § 1) die verpflichtende „Impfung mit Schutzpocken“ [Reichs-Gesetzblatt, 1874, Nr. 11, S. 31] zum 1.4.1875 eingeführt worden. wollte ich Dich auch noch mal fragen; aber ich glaube bei Dir ist es damals bei Kriegsausbruch ganz richtig verlaufen. Die meisten Leute lassen sich impfen, wegen der Pocken GefahrIn der Presse war zu lesen: „Pockenfälle in München lenken die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf eine Krankheit, die in Deutschland nahezu völlig zum Verschwinden gebracht worden ist.“ [Die Pocken und ihre Verbreitungsweise. In: Münchner Neuste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 139, 18.3.1917, General-Anzeiger, S. 5].

Gestern war ich bei Langheinrich’szum Jour fixe freitags bei Max und Anna Langheinrich (Friedrichstraße 34, 2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 407] – so auch am 2.3.1917 [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1917]. wo ziemlich die gleiche Gesellschaft war. Es wurde viel musiziert, auch getanzt. Alle lassen Dich grüßen. Alles hofft, dass Du bald mit der Guitarre hinkommst. Nächsten Freitag wird’s wohl noch nicht sein, aber übernächsten vielleicht? Langheinrich | selbst war auch da. Scharf’s, Graefe’s, Kern’s, Frau Dressler u. Nichtenicht identifiziert; ein Fräulein Hofmann [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917]., Dir. Dissel’s u. noch ein Ehepaar Hiendlnicht identifiziert., glaub ich.

Tagsüber u. heute auch, war ich mit den Kindern. Es schneit bei uns u. ist ganz winterlich. Mein Katarrh ist besser. Den Kinder gehts Gottlob sehr gut.

Wie war’s bei MeinhardWedekind notierte am 23.3.1917: „Zum Thee bei Meinhard mit Bernauer“ [Tb]; er war – wie Rudolf Bernauer – zu Besuch bei Carl Meinhard (Charlottenstraße 90-92) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 1878] und sprach insofern mit beiden Direktoren des Theaters in der Königgrätzer Straße, wo er in der „Erdgeist“-Inszenierung ein Gastspiel hatte.? Bei BarnowskyWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ hatte am Deutschen Künstlertheater in Berlin (Direktion: Victor Barnowsky) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 298] am 24.3.1917 zusammen mit zwei weiteren Stücken Premiere, wie angekündigt war: „Im Deutschen Künstlertheater findet am 24. März ein Einakterabend deutscher Autoren statt. Zur Aufführung gelangen: Frank Wedekinds ‚Kammersänger‘ mit Ferdinand Bonn [...], Arthur Schnitzlers ‚Komtesse Mizzi‘ [...], Ludwig Thomas ‚Erster Klasse‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 149, 22.3.1917, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Ferdinand Bonn, Schauspieler am Deutschen Künstlertheater und am Lessingtheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 299], spielte in Wedekinds Einakter die Titelrolle. wurde ja Kammersänger gespielt oder bei Reinhard/tWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ war zuletzt im Sommer 1914 an den Berliner Bühnen Max Reinhardts gespielt worden./? Bonn muss doch gut sein. Siehst Du es an?

Warum geht es Dir nur „soweit“ gutBriefzitat: „Mir geht es soweit gut“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.3.1917]; Anspielung auf Wedekinds angeschlagene Gesundheit, die er bei seinen Gastspielauftritten in der „Erdgeist“-Inszenierung spürte, so am 21.3.1917: „Erdgeist 6 fühle mich sehr schwach.“ [Tb]? Ich wünschte, dass es Dir sehr, sehr gut geht! Wann ist die letzte Vorstellung? Sei innig geküsst Liebster von Deiner Tilly


BusserlnKüsse. v. d. Kindern.

Frank Wedekind schrieb am 25. März 1917 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL EXCELSIOR BERLIN

GEGENÜBER DEM ANHALTER BAHNHOF
3 MINUTEN VOM POTSDAMER BAHNHOF


Berlin SW 11, 26.III. 1917irrtümliches Datum. Wedekind schrieb den vorliegenden Brief am 25.3.1917: „Brief an Tilly.“ [Tb]

KÖNIGGRÄTZER STR. 112.
TELEFON: AMT NOLLENDORF 466-479.


Geliebte Tilly!

Empfang herzlichen Dank für Deine beiden KartenbriefeBriefkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.3.1917 und 22.3.1917].. Die Eier habe ich schon alle gegessen würde Dich aber bitten mir doch lieber keine Eier mehr zu schicken, da sie beim Kochen meistens zerbrechen. Von Deinen Sendungen habe ich also alles erhalten bis auf das Fleisch auf das ich mich sehr freue. Butter habe ich im Überfluß.

Letzten Montag im KlubWedekind notierte am 19.3.1917 seine Besuche in der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67): „Mittag im Klub. [...] Abend Club. Vortrag Kerschensteiner. Hermann Bahr Gerhard und Karl Hauptmann Richard Strauß Prof. Steindorf“ [Tb]; seine Begegnungen mit Felix Hollaender, Dramaturg am Deutschen Theater, und Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 292], notierte er nicht, sie sind durch den vorliegenden Brief belegt. kam Felix Holländer sehr angelegentlich auf mich zu, Reinhardt und ich begrüßten uns nur flüchtig. Morgen | Abend gehe ich in die Carl Hauptmannsche Premieredie Uraufführung von Carl Hauptmanns Stück „Tobias Buntschuh. Eine burleske Tragödie in fünf Akten“ (1916) unter der Regie von Carl Heine am 26.3.1917 im Deutschen Theater zu Berlin um 19 Uhr: „Direktion Max Reinhardt. Deutsches Theater [...]. Montag zum ersten Male: Tobias Buntschuh.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 154, 25.3.1917, Morgen-Ausgabe, 7. Beiblatt, S. (2)] Sie war schon länger angekündigt: „Das neue Bühnenwerk Carl Hauptmanns ‚Tobias Buntschuh‘, das mit Pallenberg in der Titelrolle im Deutschen Theater zur Aufführung gelangen soll, ist jetzt im letzten Heft der literarischen Zeitschrift ‚Die Ernte‘ erschienen. Ueber diese fünfaktige Dichtung, die Carl Hauptmann selbst eine ‚burleske Tragödie‘ nennt, wird nach dem ersten Bühnenabend noch manches zu sagen sein“ [Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 496, 27.9.1916, Abend-Ausgabe, S. (3)]. „Auf den Bühnen des Deutschen Theaters gelangen noch in dieser Spielzeit im Rahmen des ‚Deutschen Zyklus‘ drei neue Werke zeitgenössischer deutscher Dramatiker zur Ausführung: [...] die burleske Tragödie ‚Tobias Buntschuh‘ von Carl Hauptmann (Uraufführung)“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 128, 11.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. Wedekind notierte am 26.3.1917: „Tobias Bundschuh von Carl Hauptmann.“ [Tb], zu der sie mir einen Platz schicktenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Premierenkarte; erschlossenes Korrespondenzstück: Deutsches Theater zu Berlin an Wedekind, 24.3.1917.. NachherWedekind notierte nach dem Besuch der Uraufführung von Carl Hauptmanns „Tobias Buntschuh“ (siehe oben) am 26.3.1917 die Premierenfeier in der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67): „Nachher im Club große Gesellschaft“ [Tb], bei der neben Wedekind unter anderen Curt Baake, Walther Rathenau und Max Reinhardt selbst dabei waren, wie Wilhelm Herzog am 26.3.1917 notierte: „Deutsches Theater: ‚Tobias Buntschuh‘ von Carl Hauptmann. Die ganze Mischpoke. Reinhardt-Rummel. [...] Später im Club. Baake. Friedeberger [?], Dr. Rathenau, Wedekind, Sobenheim [?], Reinhardt.“ [Tb Herzog] wird man sich ja wohl im Club treffen. Ich bin sehr gespannt, welche Zusammenstellung sich ergiebtSchreibversehen, statt: ergibt.. VorgesternWedekind notierte am 23.3.1917: „Zum Thee bei Meinhard mit Bernauer“ [Tb]; er war – wie Rudolf Bernauer – zu Besuch bei Carl Meinhard (Charlottenstraße 90-92) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 1878] und sprach insofern mit beiden Direktoren des Theaters in der Königgrätzer Straße. war ich bei Meinhard zum Thee mit Bernauer zusammen. Sie baten mich, noch bis zum 5. AprilWedekinds Gastspiel als Dr. Schön in der „Erdgeist“-Inszenierung im Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) in Berlin wurde dann bis zum 7.4.1917 verlängert. Die Presse meldete für den 5. und 7.4.1917: „Frank Wedekind, der gegenwärtig im Theater i. d. Königgrätzerstraße ein Gastspiel absolviert, spielt in der heute im Berliner Theater stattfindenden Aufführung seiner Tragödie ‚Erdgeist‘ – in der Besetzung des Theaters i. d. Königgrätzerstraße – den Dr. Schön und beschließt sein Gastspiel am Sonnabend ebenfalls im Berliner Theater in der gleichen Rolle.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 62, Nr. 161, 5.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. 6] Die Presse meldete ferner, ab dem 7.4.1917 trete „nach längerer Urlaubszeit Friedrich Kayßler [...] wieder auf“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 167, 1.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. (3)]; sie meldete außerdem für den 9.4.1917: „Ludwig Hartau, der während des Wedekind-Gastspiels im Theater in der Königgrätzer Straße die Rolle des Dr. Schön in ‚Erdgeist‘ an den Dichter abgegeben hatte, übernimmt sie von morgen ab wieder, sodaß von diesem Tage an die weiteren Aufführungen in der Premierenbesetzung stattfinden.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 62, Nr. 165, 8.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. 11] zu spielen, weil Kayßler am 5. April zurückkommt, Hartau dadurch entlastet ist und den Dr. Schön wieder übernehmen kann.

Die Orska erzählte mir schon bei der vorigen Vorstellungbei der „Erdgeist“-Vorstellung am 21.3.1916 – „Erdgeist 6“ [Tb]. von Deinem Geburtstagstelegrammnicht überliefert., das sie ungemein gefreut habe, wie sie sagte. Sie fragte, woher Du nur das Datum gewußt habest. GesternWedekind sah Maria Orska bei der „Erdgeist“-Vorstellung am 24.3.1916 – „Erdgeist 7“ [Tb]. richtete ich ihr Deinen Dank für | das Parfüm aus, worauf sie sagte sie habe eben eine wunderschöne Karte von Dirnicht überliefert. Die verschollene Bildpostkarte zeigte Tilly Wedekind in der Rolle der Delila in „Simson“ (1914), in mehreren Ausführungen als Künstlerpostkarte vertrieben. als Deliladie weibliche Hauptfigur in Wedekinds Versdrama „Simson oder Scham und Eifersucht“ (1914). bekommen.

Mit Woldemar Wedekind habe ich derweil wieder einen sehr gemütlichen AbendWedekind notierte am 22.3.1917 den Abend mit seinem Cousin Woldemar Wedekind in der Weinstube Gebrüder Habel (Unter den Linden 30): „Mit Woldemar Wedekind bei Habel äußerst gemütlicher Abend. Zum Schluß treffen wir Felix Holländer“ [Tb]. in der alten Weinstube Habel zugebracht, nicht in dem Lokal, in dem wir soviel Sekt tranken sondern neben an, wo man an frischgescheuerten Tischen sitzt. Er scheint sehr gut mit den StollwerksSchreibversehen, statt: Stollwercks. – Woldemar Wedekind war Inhaber der Firma (Im- und Export) W. Wedekind und Co. in Hamburg (Catharinenstraße 29/30) [vgl. Hamburger Adressbuch 1917, Teil I, S. 919] und könnte als Kaufmann die Bekanntschaft mit Ludwig Stollwerck, Firmenchef der Schokoladenfabrik Gebrüder Stollwerck A.-G. (Köln) mit Zweigstellen in anderen Städten (darunter Berlin), und dessen Gattin Maria Stollwerck (geb. Schlagloth) in Köln (Hardefuststraße 16) [vgl. Adreßbuch 1917 für Köln, Teil II, S. 566] gemacht haben; vielleicht ist auch insgesamt die Unternehmerfamilie Stollwerck gemeint. in Köln zu stehen und bat sich Deine Adresse aus, da er in der Lage sein werde Dir noch Chokolade„Während des Kriegs und insbesondere seit dem Hungerwinter 1916/17 war das begehrte Lebens- und Genussmittel Schokolade ein ausgesprochenes Luxuxgut“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 345]. von StollwerkSchreibversehen, statt: Stollwerck (die Schokoladenfabrik Gebrüder Stollwerck A.-G.). zu schicken. Wenn er die Chokolade schickt würde ich Dich bitten ihm selber zu danken. Ich sagte ihm bei der Gelegenheit nämlich daß ich auch die beiden Schachteln Chokolade schon geschickt habe. Daß Du selber | mit StollwerksSchreibversehen, statt: Stollwercks. – „Inwiefern Tilly Wedekind mit den Inhabern des Kölner Familienunternehmens Stollwerck (Schokolade- und Kakaoprodukte) bekannt war, lässt sich nur vermuten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 345]. bekannt bist hielt ich nicht für richtig zu erwähnen, da das seinen Eifer schwerlich vergrößern würde. Eben jetzt erwarte ich ihn wieder. Er holt mich zum Essen ab um mich mit seinem Vorgesetztendem militärischen Vorgesetzten (nicht identifiziert) von Woldemar Wedekind, dessen Nachname und Dienstgrad in Wedekinds Notiz am 25.3.1917 zu dem Abendessen mit seinem Cousin im Weinlokal F. W. Borchardt (Französische Straße 47/48) festgehalten ist: „Woldemar holt mich zu Tisch bei Borchard mit General von Hahn.“ [Tb] bekannt zu machen.

Nun leb wohl liebe Tilly, laß es Dir gut gehen grüße und küsse die Kinder von mir und sei selber herzlich geküßt
von Deinem
Frank.


Was hier jetzt am knappsten und schlechtesten ist, ist BrodSchreibversehen, statt: Brot.. Wenn Du mir also etwas schicken willst dann schick bitte Zwiebäcke, oder eventuell nur BrodSchreibversehen, statt: Brot. wenn es keine Zwiebäcke giebt. Denn ohne das nützt mir die Butter nichts.

Bei Meinhard regte ich den Gedanken an ein Sommergastspiel an, fand aber noch keinen rechten Wiederhall. Ich werde jetzt zuerst sehen wie sich das Deutsche Theater dazu stellt und dann eventuell mit | Berla Bernauer, vielleicht auch mit BarnowskyWedekind sprach am 6.4.1917 im Weinlokal F. W. Borchardt mit Victor Barnowsky, Direktor des Deutschen Künstlertheaters in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 298], der eine „Marquis von Keith“-Inszenierung zusagte: „Bei Borchart mit Barnowsky der M. v. Keith mit Bassermann spielen will“ [Tb]. „Die Aufführung wurde erst nach Wedekinds Tod am 23.10.1918 realisiert.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 346] darüber sprechen.

Tilly Wedekind schrieb am 26. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 26.III.17


Mein geliebter Frank,

von Herzen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.3.1917.! Es freut mich, dass Du alles bekommen hast. Hoffentlich ist das Fleisch auch noch gut, das ist ja lang unterwegs. Morgen schicke ich Dir an ZwibäckenSchreibversehen, statt: Zwiebäcken. was mir möglich ist.

Es freut mich unendlich, dass Du so anregende Gesellschaft findest u. Dich offenbar wohl fühlst. So will ich auch damit zufrieden sein, dass | Dein Gastspiel verlängertWedekinds Gastspiel als Dr. Schön in der „Erdgeist“-Inszenierung im Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) in Berlin wurde zunächst bis zum 5.4.1917 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.3.1917], dann aber bis zum 7.4.1917 verlängert. wird. Denn das ist die Hauptsache, dass Du Dich recht wohl fühlst geliebter Frank, Dich zerstreust u. anregst. Ich bin sehr glücklich, wenn es Dir gut geht Liebster.

Das wäre sehr schön wenn uns Woldemar Wedekind noch Chocolade verschaffen könnte. Wir werden uns schon bei ihm bedanken. Wie ist seine Adresse?

Wenn Du nach Deinem Gastspiel nach DresdenWedekind reiste nach seinem Gastspiel in Berlin (siehe oben) nicht nach Dresden. gehst, wirst Du | wohl erst nach Ostern heim kommen? Grüß’ in Dresden alle von uns. Wir wollen ja gern warten, wenn Du nur möglichst viel von dieser Reise hast.

Wenn möglich schicke ich auch noch Brot, aber damit ist’s bei uns auch knapp. ZwibäckeSchreibversehen, statt: Zwiebäcke. bekomm’ ich zwar nicht viel, aber ohne MarkenLebensmittelmarken., auf Rezept.

Gestern war ich mit den Kindern; wir tranken beim Chinesischen Turm Cacau/o/. Das Wetter ist nicht sehr schön, Schnee u. Nässe. |

Heute Nachmittag war ich bei der Baronin Wedellbei Lida von Wedell, wahrscheinlich in der Wohnung ihrer Mutter, der Privatierswitwe Katharina Weimann (Antonienstraße 8), [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 789]; weitere Gäste waren Ludwig und Erna Pariser sowie Luise Kyser. zum Theee, Pariser’s u. Frau Kyser waren noch da. Es war sehr gemütlich.

Leb wohl Liebster, die Kinder schicken Dir Grüße u. Küsse.

In Liebe umarmt u. küsst Dich,
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 28. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 28.III.17


Geliebter Frank,

gestern schickte ich 2 Päckchen ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback. als Muster ohne Wertpostalische Kategorie; mit dem Betrag von Briefporto frankierte Warensendungen, etwa bei Warenproben [vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon. Bd. 16. Leipzig 1908, Beilage zu Artikel „Porto“ S. 170: „Portotarif und Postgebühren im Deutschen Reich“]. eingeschrieben an Dich ab. Hoffentlich bekommst Du sie bald. Es war alles was ich auftreiben konnte. Die einen sind DiäbetikerSchreibversehen, statt: Diabetiker (= Menschen mit einer Stoffwechselerkrankung). ZwibäckeSchreibversehen, statt: Zwiebäcke. aber auch gut, Du hast schon mal welche gegessen. Man muss nehmen was es giebtSchreibversehen, statt: gibt.. Brot kann ich leider vorläufig nicht schicken, wir sind selbst so knapp daran. Hoffentlich kannst Du alle Deine MarkenLebensmittelmarken. verwerten; sonst bitte schick’ sie zurück solang sie noch gelten. Die letzten waren leider verfallen. P.S. (P.S. Alle 4 Wochen wechseln die Fleischmarken.) Bei der nächsten KartenverteilungVerteilung von Lebensmittelmarken. schicke ich Dir die Deinen gleich ein, ungefähr Ende der Woche. Nächste Woche schicke ich vielleicht etwas Butter | u. ZwibäckeSchreibversehen, statt: Zwiebäcke. nach DresdenWedekind reiste nach seinem Gastspiel in Berlin nicht nach Dresden., bis es hinkommt, wirst Du ja dort sein. Bleibst Du über Ostern? Wenn nur das Wetter besser wäre.

Gestern war ich mit den Kindern, weil AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] bügelte. Ich habe ihnen übrigens das Haar kurz schneiden lassen, sie sehen sehr nett aus. Bin neugierig wie sie Dir gefallen. Ich halte es so für besser.

Gestern abends waren wir im TheaterPamela Wedekind sah am 27.3.1917 abends im Königlichen Hoftheater (Max-Joseph-Platz 2) „Klein Idas Blumen. Ballett in einem Aufzug nach dem Märchen von H. C. Andersen“ (1916) von Paul von Klenau, ihre Mutter Tilly Wedekind (im Publikum neben ihr Lida von Wedell und Luise Kyser) sah gleichzeitig nebenan im Königlichen Residenztheater (Max-Joseph-Platz 1) „Kaiser Karls Geisel. Ein Legendenspiel“ (1908) von Gerhart Hauptmann mit Helene Ritscher in der weiblichen Hauptrolle [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 155, 27.3.1917, General-Anzeiger, S. 2]; deren Darstellung war in der Presse gelobt worden: „Fräulein Ritscher entfernte sich mit Gersuind wesentlich von ihrer früheren Manier, die ihr anvertraute Weiblichkeit einer bestimmten Stilisierung zu unterziehen. Und so erfreute ihre Gersuind durch schlichte, mädchenhafte Züge und ließ doch wiederum den Abgrund unschuldsvoller Sündigkeit erkennen.“ [E. (Richard Elchinger): Kaiser Karls Geisel. Legendenspiel von Gerhart Hauptmann. Erste Aufführung im Residenztheater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 145, 21.3.1917, Abend-Ausgabe, S. 2], Pamela in „Klein Idt/a/’s Blumen“ auf einen Platz von Frl. OrnelliAnna Hörnlein (Agnesstraße 56), „genannt Ornelli“, „Hofballett-Solotänzerin“ [Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 289], Primaballerina im Ballett des Münchner Hoftheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 517]., ich hatte für „Kaiser Karl’s Geisel“ eingereicht. Pamela hat es sehr gefallen. Hauptmann war recht interessant, die Ritscher ausgezeichnet. Zufällig waren auch die Baronin Wedell mit Fr. Kyser drin u. saßen neben mir.

Wie gefiel Dir das Carl Hauptmann StückWedekind besuchte am 26.3.1917 im Deutschen Theater zu Berlin die Uraufführung von Carl Hauptmanns Stück „Tobias Buntschuh. Eine burleske Tragödie in fünf Akten“ (1916).?

Sei innigst umarmt Lieber von Deiner Tilly


Viele BusserlnKüsse. v. d. Kindern.

Frank Wedekind schrieb am 29. März 1917 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly!

Gestern Abend erhielt ich Deinen lieben Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.3.1917. für den ich herzlich danke und die Orskakartedie Bildpostkarte mit einen Foto von Maria Orska als Bildmotiv [vgl. Tilly Wedekind, Ida Rosenbusch, Lida von Wedell, Erna Morena an Frank Wedekind, 22.3.1917]., heute früh zwei Pakete mit Zwiebäcken, die ich sehr gut brauchen kann. Das Paket mit der Wurst ist noch nicht angekommen. Voraussichtlich werde ich also Ende nächster Woche kommen. Ob ich nach DresdenWedekind reiste nach seinem Gastspiel in Berlin nicht nach Dresden. fahre weiß ich noch nicht, das hängt vom Spielplan ab. Gestern AbendWedekind notierte am 28.3.1917 das Souper mit Will Vesper in der Weinstube C. Huth und Sohn (Potsdamer Straße 139), Inhaber: Willy Huth und Curt Steuer [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil IV, S. 440]: „Souper bei Hut mit Will Vesper Dr. Windelband und Dr. Crasso“ [Tb]. Will Vesper hatte sich 1915 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet, kam aber nicht an die Front, sondern wurde „zum Dienst beim II. Bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment abkommandiert“, wo er seit 1917 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im „Stellvertretenden Großen Generalstab“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 347] in Berlin tätig war. war ich mit einigen Herrn vom Großen GeneralstabWedekind hat am 28.3.1917 zum Souper mit Will Vesper in der Weinstube C. Huth (siehe oben) „Dr. Windelband und Dr. Crasso“ [Tb] notiert; der eine der Herren vom Generalstab war der Heidelberger Privatdozent für Philosophie Dr. Wolfgang Windelband, der in der Kriegsgeschichtliche Abteilung beim Großen Generalstab im Kriegsministerium in Berlin [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil II, S. 99] eingesetzt war (nicht in leitender Funktion; er ist wie Will Vesper namentlich nicht verzeichnet), der andere Herr ist nicht identifiziert (auch nicht in varianter Namensschreibung wie etwa Grassow)., unter ihnen Will Vesper zusammen, die mir ein kleines Souper in den Weinstuben HutSchreibversehen, statt: Huth (gemeint ist die Weinstube C. Huth). gaben, der vergnügteste Abend, den ich bis jetzt in Berlin erlebt habe. Montag Abendam 26.3.1917 die Uraufführung von Carl Hauptmanns Stück „Tobias Buntschuh. Eine burleske Tragödie in fünf Akten“ (1916) unter der Regie von Carl Heine im Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin, die um 19 Uhr begann [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 154, 25.3.1917, Morgen-Ausgabe, 7. Beiblatt, S. (2)] – Wedekind notierte: „Tobias Bundschuh von Carl Hauptmann. Nachher im Club große Gesellschaft“ [Tb]. Wilhelm Herzog notierte am 26.3.1917: „Deutsches Theater: ‚Tobias Buntschuh‘ von Carl Hauptmann. Die ganze Mischpoke. Reinhardt-Rummel. [...] Später im Club. [...] Wedekind“ [Tb Herzog]; und am 27.3.1917: „Club. Wedekind. Carl Hauptmann über Aufnahme seines ‚Buntschuh‘.“ [Tb Herzog]. Das Stück fand eine zwiespältige Resonanz: „Der gestrige Abend brachte ihm bei seiner Gemeinde, die sich vollständig eingefunden hatte, einen sehr lauten, allzu betonten Erfolg. Der Dichter wurde viele Male gerufen, mit ihm aber auch Max Pallenberg, der Träger der Hauptrolle. Und es konnte wohl keinem Zweifel unterliegen, daß das Publikum gegenüber einer so suggestiven Leistung nicht klar imstande war, zwischen dem Verdienst eines genialen Schauspielers und dem des Schöpfers der Rolle zu unterscheiden. Wie skeptisch man aber auch diesen äußeren Eindruck bewerten mochte, mit aller Sicherheit konnte man feststellen, daß in dieser ‚burlesken Tragödie‘, die wiederum alle Schwächen des Dichters zeigt, seine Neigung zum Abirren von einer ursprünglich gut angelegten Charakteristik, sein Entgleiten in einen blutleeren Buchdialog, seine ganz harmlose Verwendung alter Kulisseneffekte, – daß trotz alledem und alledem hier ein vererbter Instinkt für das Wesen des Theaters am Werke ist.“ [Hans Flemming: Deutsches Theater. Zum erste Male: „Tobias Buntschuh“ von Carl Hauptmann. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 157, 27.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. (2)] Die konservative Presse meinte: „Ein Verdienst bleibt eine Uraufführung immer, selbst wenn das Werk, dem sie gilt, sich so unzweideutig als Mißgeburt erweist, wie das diesmal der Fall ist. [...] Allein die jüngste Schöpfung Max Pallenbergs ist ein Gewinn, der einen fast mit dem Fiasko versöhnt. Er hatte in dem Titelhelden einen ‚Zwergriesen‘ darzustellen (der Autor dieses Ausdrucks, Frank Wedekind, wohnte übrigens der Premiere bei)“ [A.R. in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Jg. 56, Nr. 86, 28.3.1917, 1. Ausgabe, S. (3)]. war ich in der Premiere von Tobias Buntschuh und schrieb darüber eine kurze Erinnerung, die in der SonntagsnummerWedekinds Erinnerung „Luisa und Radiana“ [KSA 5/II, S. 560-562] (der Titel greift die Namen der dem Zirkusmilieu entstammenden Figuren Luisa und Radiana aus Carl Hauptmanns Stück „Tobias Buntschuh“ auf) in der Morgen-Ausgabe des „Berliner Tageblatt“ vom kommenden Sonntag [vgl. Frank Wedekind: Luisa und Radiana. In: Berliner Tageblatt, Jg. 70, Nr. 167, 1.4.1917, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (1)] ist dort eigens angekündigt: „Im 4. Beiblatt dieser Nummer finden sich – statt in dem 2. Beiblatt, wie sonst am Sonntag – eine Anzahl von Aufsätzen. Wir veröffentlichen dort: [...] ‚Luisa und Radiana‘ von Frank Wedekind“ [Berliner Tageblatt, Jg. 70, Nr. 167, 1.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. (3)]; sie beginnt mit den Sätzen: „Die Aufführung des Erfinder- und Zirkusdramas ‚Tobias Buntschuh‘ im Deutschen Theater ruft die Erinnerung an eine der schönsten Zeiten meines Lebens in mir wach. Im Jahre 1887 kam Karl Hauptmann, der Dichter des ‚Tobias Buntschuh‘, nach Zürich, um seine philosophischen Studien zu vollenden. Ich war damals als Chef des Reklamebureaus bei der Firma Julius Maggi angestellt, die eben damit begonnen hatte, die Welt für ihre Fleischextrakte und Suppenmehle zu erobern. Da kam der Zirkus Herzog nach Zürich, und seine Darbietungen erweckten in Hauptmann wie in mir die gleiche Begeisterung.“ [KSA 5/II, S. 560f.] Wedekind hat darüber am 27.3.1917 mit dem Feuilletonredakteur des „Berliner Tageblatt“ Paul Block gesprochen – „Besuche Paul Block auf dem B.T. Erzähle ihm von Ella und Victoria Belling“ [Tb] – und die Druckvorlage am 28.3.1917 diktiert: „Diktiere Luisa und Radiana Bringe Paul Block Luisa und Radiana“ [Tb]. des Berliner Tage|blattes erscheint.

Grüße und küsse die Kinder von mir.

Auf baldiges frohes Wiedersehen
Dein
Frank


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 III

Tilly Wedekind schrieb am 29. März 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 29.III.17


Geliebter Frank,

anbei ein Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 29.3.1917. – Die nachfolgende Bemerkung zu „Herakles“ (siehe unten) legt Wedekinds Verleger Georg Müller als Absender nahe. das jetzt Nachmittag ankam. Ich denke es ist Dir recht, dass ich’s im Brief einsende.

Ich freue mich sehr, dass „Herakles“ vollendetWedekind notierte am 24.3.1917: „Expediere Herakles an Müller“ [Tb] – er sandte ein Exemplar eines vom 13. bis 22.3.1917 diktierten „Herakles“-Typoskripts [vgl. KSA 8, S. 880] an seinen Verleger Georg Müller in München [vgl. Wedekind an Georg Müller, 24.3.1917], der seit 1910 die Buchrechte hatte [vgl. KSA 8, S. 871] und den Empfang telegrafisch bestätigt haben dürfte (siehe oben). ist, ich las auch die Notiz im Tageblattdie zwei Tage zuvor veröffentlichte Notiz „Wedekinds neues Werk“ im „Berliner Tageblatt“; sie lautet: „Frank Wedekinds neue Dichtung ‚Herakles‘ ist nun in der Handschrift vollendet. Der Dichter nennt sein Werk ein dramatisches Gedicht in drei Akten; es ist aber, jeder Gliederung entwachsen, eine Folge starker Szenen in gebundener Sprache, von denen manche ein in sich geschlossenes kleines Drama bildet. Nähere Andeutungen über Inhalt und Stil würden sinnlos sein, da sie das Wichtigste nicht geben können, Seele und Wort des Dichters. Eines aber läßt sich jetzt schon sagen: es ist ein ganz neuer Wedekind, der in diesem Werk zu uns spricht. Die Kritik, die auf den Wedekind des ‚Erdgeist‘ und des ‚Marquis von Keith‘ eingestellt ist, wird sich eine frische Stempelprägung anschaffen müssen.“ [Wedekinds neues Werk. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 158, 27.3.1917, Abend-Ausgabe, S. (2)]. Ist es schon fertig dictiert? Wenn’s vervielfältigt wird, bekomm ich ein Exemplar?

Viel Neues weiß ich Dir nicht zu erzählen. Gestern Nachmittag war ich bei Frau | Oberleutenant Kernnicht identifiziert; Tilly Wedekind hat Frau Oberleutnant Kern (eine Bekannte von Ludwig Scharf) am 2.3.1917 bei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) kennengelernt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1917]. zum Thee. Ich lernte sie bei Frau Langheinrich kennen. Es waren wieder ziemlich dieselben Leute beisammen, ausserdem auch noch Frau Friese aus Barmennicht identifiziert. Wedekind notierte am 28.3.1909 als Reisebegleiterin von Barmen nach Hagen (siehe unten) eine „Frau Frese“ [Tb]; die Namen ‚Friese‘ und ‚Frese‘ sind beide mehrfach in Barmen nachgewiesen [vgl. Adreßbuch der Stadt Barmen 1916, Teil I, S. 187, 189], so dass eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist. mit der Du damals nach Hagen fuhrstWedekind unternahm am 28.3.1909 von Barmen aus einen Ausflug nach Hagen, um dort Karl Ernst Osthaus zu besuchen und das von ihm 1902 eröffnete Folkwang-Museum für moderne Kunst und die von ihm als Künstlerkolonie konzipierte Gartenstadt Hohenhagen zu besichtigen: „Fahrt nach Hagen mit Dr. Reiche, Pfleiderer und Frau und Frau Frese zu Osthaus der uns sein Museum und seine neue Stadt zeigt.“ [Tb] Die als Reisebegleiterin genannte Frau Frese ist nicht identifiziert. u. eine nette Photographinnicht identifiziert.. Übrigens war’s ziemlich stumpfsinnig u. es gefiel mir nicht besonders. Aber Frau Kern will mir Wurst verschaffen, hatte es also schließlich einen Zweck.

Heute war etwas besseres Wetter. Nachmittags las ich „die Schauspielerin“ von Heinrich Mann. Erst beim Lesen | merkte ich, dass ich es schon lang kenneHeinrich Manns Novelle „Schauspielerin“ erschien zuerst in Fortsetzungen vom 30.12.1904 bis 19.1.1905 in der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“ und 1906 im Wiener Verlag als Buchausgabe; sie war 1917 gerade im Band 2 „Die Novellen“ in der Ausgabe von Heinrich Manns „Gesammelten Romanen und Novellen“ im Kurt Wolff Verlag neu erschienen – diese Fassung dürfte Tilly Wedekind aktuell gelesen haben, falls sie nicht das gleichnamige Drama „Schauspielerin“ las, das seinerzeit nur in der Erstausgabe von 1911 im Verlag Paul Cassirer vorlag. Frank Wedekinds las am 4.10.1911 in der Torggelstube wohl das Drama – „T. St. Schauspielerin von Heinrich Mann gelesen“ [Tb] – und sah es am 21.4.1913 gemeinsam mit seiner Frau im Deutschen Volkstheater in München mit Tilla Durieux in der Titelrolle: „Mit Tilly im Volkstheater Durieux Gastspiel. Die Schauspielerin von Heinrich Mann.“ [Tb].

Pamela hab’ ich heute in der St. Anna Schule angemeldet. Aufnahme Prüfungen sind aber erst Anfang Juli. Hoffentlich wird sie genommen, die St. Anna Schuledie städtische St. Anna-Schule oder Schule an der St. Annastraße im Lehel (St. Annastraße 1) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil II, S. 42; Teil III, S. 98], seit 1877 eine konfessionell ungebundene Simultanschule. soll ja sehr gut sein.

Meinem Vater geht es leider wieder nicht besonders. Seine Gesundheit war durch diese Blutvergiftung im Herbst sehr geschwächt.

Heute spielst Du auch wieder u. Samstag auch? Von nächstem Donnerstag ab ab dem 5.4.1917 (Gründonnerstag). In Berlin waren die Theater nur am Karfreitag geschlossen, nicht aber an den Osterfeiertagen [vgl. Spielplan der Berliner Theater. In: Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 62, Nr. 155, 1.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. 18].sind die Theater | wohl geschlossen?

Ich erwarte schon sehr Deine nächsten Nachrichten, seit Montag bekam ich keine. Wielang Du in DresdenWedekind reiste nach seinem Gastspiel in Berlin nicht nach Dresden. bleibst u. wann Du heimkommst. Wie geht es Dir immer? Wie fühlst Du Dich? Hast Du die ZwibäckeSchreibversehen, statt: Zwiebäcke. bekommen?

Lebwohl Liebster u. vergiss’ mich nicht ganz über all dem Neuen in Berlin.

Von Herzen
Deine Tilly


P.S. Darf ich Dich bitten mir für den 1.der 1.4.1917 (Sonntag). noch etwas GeldWedekind notierte im Kontobuch zwar erst am 3.4.1917 „Check an Tilly“ über „500“ Mark, schickte ihr den Scheck aber bereits am 1.4.1917 [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.4.1917]. zu schicken? Jetzt hab’ ich noch aber am 1. ist eben Vieles zu bezahlen. Vielen Dank!

Frank Wedekind schrieb am 30. März 1917 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

30.III 17


Geliebteste Tilly!

Eben ist die Sendung Fleisch, Wurst und Zucker„Das Paket mit Wurst, Fleisch u. Zucker“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.3.1917] wurde am 21.3.1917 in München aufgegeben. angekommen. Ich habe das Fleisch noch nicht probiert. Wenn es noch gut istTilly Wedekind hoffte, dass „das Fleisch noch gut ist“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.3.1917], das so lange unterwegs war. bin jetzt wohl vollkommen versorgt und bitte Dich mir vorderhand nichts mehr zu schicken. Heute war ich bei Deutsch zu TischWedekind war am 30.3.1917 zu Gast bei Lili Deutsch (geb. Kahn), Gattin des Direktors der AEG Felix Deutsch, in Charlottenburg (Carmerstraße 3) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 456], mit der er seit Herbst 1905 bekannt war: „Bei Lilli Deutsch zu Tisch.“ [Tb]. Herr und Frau Deutsch lassen Dich bestens grüßen. Am AbendWedekind notierte am 30.3.1917 abends seine Begegnung mit Otto Max Köbner (Regentenstraße 3) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 1426], Geheimrat, außerordentlicher Universitätsprofessor (Prof. Dr. jur. et phil.) und für koloniale Fragen im Reichsmarineamt tätig, und dessen Gattin Eva Köbner (geb. Liebermann), Tochter von Max Liebermanns Bruder Georg Liebermann, in der Weinstube C. Huth und Sohn (Potsdamer Straße 139) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil IV, S. 440]: „Abends Weinstube Hut. Geheimrat Köbner bittet mich an seinen Tisch mit seiner Frau.“ [Tb] Das Paar war seit dem 23.12.1914 verheiratet. Wedekind hat im Tagebuch mehrere Treffen mit Otto Max Köbner notiert, zuerst am 30.6.1916 in der Deutschen Gesellschaft 1914 („Mittag im Club mit Köbner e.ct.“); er besuchte ihn und dessen Frau am 1.4.1917: „Vor Tisch Besuch bei Köbner und dessen hübscher Frau.“ [Tb] traf ich Köbner und seine Frau, eine Nichte Liebermanns in der Weinstube HutSchreibversehen, statt: Huth (gemeint ist die Weinstube C. Huth).. Wir tranken auf Dein Wohl. Köbner war einmal Dein Tischherr bei DeutschsWann genau Otto Max Köbner bei einem Essen bei Lili Deutsch Tilly Wedekinds Tischherr war, ist unklar – dem Tagebuch zufolge kommen der 27.2.1907 („Abends mit Tilli bei Lili Deutsch in großer Gesellschaft“), der 26.6.1907 („Kammersänger Rabbi Esra. Nachher bei Lili Deutsch“), der 7.12.1907 („Abend bei Deutsch in Gesellschaft mit Tilly“), der 19.2.1908 („Große Gesellschaft bei Deutsch“) und der 4.3.1908 („Abends bei Lili Deutsch“) ist Frage.. Grüße und Küsse den | Kindern.

Mit herzlichem Kuß
Dein Frank.


Postkarte


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 III

Tilly Wedekind schrieb am 31. März 1917 in München folgende Kartenbrief
an Frank Wedekind

S.H.
Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
a./Anhalter Bahnh. Hotel Excelsior |


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München. |


31.III.17 Samstag.


Liebster, gesternam 30.3.1917; der Jour fixe bei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) fiel an diesem Freitag aus. fand kein Thee bei Frau Langheinrich statt. Frau Dressler wusste es nicht u. wollte mich abholen. Ich bat sie dann bei mir zu essen, aber sie wollte mir nichts „wegessen“. Wir giengenSchreibversehen, statt: gingen. also in die Torggelstube essen. Es war niemand Bekannter da, wir unterhielten | uns aber recht gut, sie ist eine famose Frau.

Heute war Frau Kyser mit ihren Kindern da u. Frau B. Wedell. AbendsDie mit Tanzeinlagen versehene Vorstellung von Lion Feuchtwangers nach indischer Vorlage geschriebenen Stücks „Der König und die Tänzerin. Ein Spiel in vier Akten. Nach dem Indischen des Kalidasa“ (1917), soeben im Georg Müller Verlag erschienen, am 31.3.1917 in den Münchner Kammerspielen unter der Regie von Wolff von Gordon mit Musik von Carl von Pidoll und einem Bühnenbild von Leo Pasetti begann um 19.30 Uhr „in 5 Bildern“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 163, 31.3.1917, General-Anzeiger, S. 2]; die weibliche Hauptrolle der Tänzerin Malavika, seit der Uraufführung am 5.3.1917 mit Lilly Freud besetzt, spielte nun erstmals Lisa Kresse (siehe unten). war ich in „Der König u. die Tänzerin“. Frl. KresseLisa Kresse (Hohenzollernstraße 59), Tochter des Münchner Malers und Grafikers Oswald Richard Kresse, war neuerdings Mitglied im Ensemble der Münchner Kammerspiele [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 522]. Sie spielte am 31.3.1917 in „Der König und die Tänzerin“ (siehe oben) erstmals die weibliche Hauptrolle der Sklavin und Tänzerin Malavika, wie die Presse meldete: „Kammerspiele. Samstag wird in ‚Der König und die Tänzerin‘ die Rolle der ‚Malavika‘ von der Tänzerin und Schauspielerin Frl. Lisa Kresse, einer Schülerin von Frau Sent M’ahesa, dargestellt.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 162, 30.3.1917, Abend-Ausgabe, S. 3] Lisa Kresse war nicht nur eine Schülerin der für ihre altägyptischen Tänze gefeierten Ausdruckstänzerin Sent M’Ahesa (Else von Carlberg), sondern sie hatte mit Pamela Wedekind dem vorliegenden Brief zufolge auch Tanzunterricht bei Anna Ornelli (Anna Hörnlein) gehabt, der Solotänzerin des Münchner Hofballetts [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 517]., die mit Pamela bei Frl. Ornelli StundeTanzstunde. hatte, spielte u. war entzückend! Ich war wirklich hingerissen von ihr; Du musst sie Dir ansehen. Überhaupt ist die Aufführung sehr hübsch. Vielen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1917., wir freuen uns schon sehr auf Deine RükkehrSchreibversehen, statt: Rückkehr.! Innigst Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 1. April 1917 in Berlin folgenden Brief
an Tilly Wedekind

HOTEL EXCELSIOR BERLIN

GEGENÜBER DEM ANHALTER BAHNHOF
3 MINUTEN VOM POTSDAMER BAHNHOF


Berlin SW 11, 1. April 1917 191

KÖNIGGRÄTZER STR. 112.
TELEFON: AMT NOLLENDORF 466-479.


Geliebte Tilly!

Inliegend ein Check über 500 MarkTilly Wedekind hatte zum 1.4.1917 um Geld gebeten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 29.3.1917].. Ich bitte Dich aber mir den Empfang gleich zu bestätigen, da ich den Brief heute Sonntag nicht einschreiben lassen kann. Ich spiele also noch drei Mal, Montagder 2.4.1917, an dem Wedekind die elfte „Erdgeist“-Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön im Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin mit Maria Orska als Lulu-Darstellerin notierte: „Erdgeist 11. Orska: Heute hats mich wieder ganz Begeistert. Wenn ich die Kraft dazu hätte ich würde auch am Vormittag Erdgeist spielen.“ [Tb], Donnerstagder 5.4.1917, an dem Wedekind die zwölfte „Erdgeist“-Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön, nun im Berliner Theater, notierte: „Erdgeist 12 im Berliner Theater“ [Tb]. und Samstagder 7.4.1917, an dem Wedekind die dreizehnte und letzte „Erdgeist“-Vorstellung seines Berliner Gastspiels notierte: „Erdgeist 13. Orska: Es war mir eine Freude, ich sollte lieber sagen Es war mir ein Glück“ [Tb]., Donnerstag und Samstag im Berliner Theater, wegen der FeiertageDie Presse meldete: „Im Berliner Theater bedingt die Karwoche eine Abänderung des Spielplans, indem am Donnerstag und Sonnabend Aufführungen von Wedekinds ‚Erdgeist‘ mir Maria Orska als Lulu, Frank Wedekind als Dr. Schön und der sonst bekannten Besetzung stattfinden.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 62, Nr. 155, 1.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. 10], werde also voraussichtlich am Montagder 9.4.1917 (Ostermontag), an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München“ [Tb]. | fahren. Heute erhielt ich die Brotkarten für die ich Dir bestens danke, und die Steuererklärung.

Neuigkeiten weiß ich keine zu berichten. Meine Karte von gesterndie am 31.3.1917 – ‚gestern‘ – abgestempelte Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.3.1917]. wirst Du erhalten haben. Mein Herakles ist fertig diktiertWedekind hatte bereits am 22.3.1917 mit dem letzten Bild „Hebe“ – „Hebe diktiert“ [Tb] – sein Versdrama „Herakles“ fertig diktiert [vgl. KSA 8, S. 871] und ein Typoskript zwei Tage darauf seinem Verleger nach München geschickt [vgl. Wedekind an Georg Müller, 24.3.1917].. In der Osternummer erscheinen wieder zwei Scenenwieder nur eine Szene; nachdem das „Berliner Tageblatt“ bereits im Vorjahr in einer Weihnachtsausgabe das VI. Bild „Nessos“ [KSA 8, S. 262-267; vgl. S. 879] redaktionell eingeleitet abgedruckt hatte [vgl. Frank Wedekind: Nessos. In: Berliner Tageblatt, Jg. 45, Nr. 658, 24.12.1916, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (2-3)], druckte es das XII. Bild „Hebe“ [KSA 8, S. 296-299; vgl. S. 880] nun – allerdings in keiner Osternummer, sondern drei Wochen später – mit den einleitenden Worten: „Wir geben hier die letzte Wandlung aus Wedekinds neuem Werk ‚Herakles‘, die mit einem Lied zum Preise des Kämpfers ausklingt. Die Redaktion.“ [Frank Wedekind: Hebe. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 216, 29.4.1917, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (1)] davon im Berliner Tageblatt

Mit herzlichsten Grüßen und Küssen Dir und den Kindern
Dein
Frank

Tilly Wedekind schrieb am 2. April 1917 in München folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

Herrn
Frank Wedekind
Berlin W.
Hotel Excelsior
a./Anhalter Bahnhof


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München


Geliebter, eben Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.4.1917. Dem Brief lag ein Scheck über 500 Mark bei. erhalten u. bestätige Dir umgehend mit vielem Dank den Erhalt der 500 M.Herakles“ werde ich dann in der OsternummerDas XII. Bild „Hebe“ [KSA 8, S. 296-299; vgl. S. 880] aus Wedekinds Versdrama „Herakles“ erschien im „Berliner Tageblatt“ in keiner Osternummer, sondern drei Wochen später [vgl. Frank Wedekind: Hebe. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 216, 29.4.1917, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (1)]. einstweilen lesen. Auf frohes Wiedersehn in 8 Tagen, innigst
Tilly |


München. Denkmal König Ludwig II.

Tilly Wedekind schrieb am 2. April 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

S.H. Herrn
Frank Wedekind
M Berlin W.
Hotel Excelsior
a./Anhalter Bahnhof


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München.


Liebster, herzlichen Dank für Deine beiden lieben Kartenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.3.1917 und 1.4.1917.. Hoffentlich sind die Sachen noch gut.

Erdgeist“ ist also Montag Donnerstag Samstag angesetzt, die beiden | letzten Male im „Berliner Th.“, spielst Du da auch? Deinen Artikel las ich ebenWedekinds „Luisa und Radiana“ [KSA 5/II, S. 560-562] betitelte Erinnerung an Zürich in den 1880er Jahren im „Berliner Tageblatt“ [vgl. Frank Wedekind: Luisa und Radiana. In: Berliner Tageblatt, Jg. 70, Nr. 167, 1.4.1917, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (1)].; ich kannte den Inhalt aus Erzählungen von Dir.

Von Rudolstadt kamen KorrekturenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben (zu der Sendung mit Korrekturen); erschlossenes Korrespondenzstück: Mänicke und Jahn an Wedekind, 30.3.1917. ‒ Die Buchdruckerei Mänicke und Jahn in Rudolstadt (Stiftsgasse 17) war für den Georg Müller Verlag tätig. In der Buchausgabe „Überfürchtenichts“ (1917) im Georg Müller Verlag – deren Grundlage war das am 17.7.1916 diktierte Typoskript (nicht überlieferte), das 1917 nochmals überarbeitet wurde [vgl. KSA 8, S. 942f.] – ist vermerkt: „Dieses Werk wurde im Auftrag von Georg Müller in München in der Druckerei von Mänicke und Jahn in Rudolstadt in einer einmaligen Auflage von 500 Exemplaren hergestellt. Außerdem wurden 50 Exemplare auf Van Gelder Bütten abgezogen und in der Presse numeriert.“ [KSA 8, S. 943] von „Überfürchtenichts“. Soll ich sie Dir schicken?

Wie ist es nun mit DresdenWedekind reiste nach seinem Gastspiel in Berlin nicht nach Dresden.? Das kommt wohl darauf an, ob Du Donnerstag Samstag noch spielstWedekind spielte den Dr. Schön in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung auch noch am 5.4.1917 (Donnerstag) und 7.4.1917 (Samstag), da aber nicht mehr im Theater in der Königgrätzer Straße, sondern im Berliner Theater, das ebenfalls von den Direktoren Carl Meinhard und Rudolf Bernauer geleitet wurde.?

Gestern war ich bei Fr. Dr. Rosenbusch zum TheeTilly Wedekind war am 1.4.1917 bei Ida Rosenbusch (geb. Ansbacher), Gattin des Justizrats Dr. Julius Rosenbusch (Arcisstraße 15) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 587], zum Tee, wo sie Erna Morena traf sowie Bertha Weinmann (geb. Ploner), einstmals Opernsängerin, die am 2.12.1907 in Wien den Schauspieler Dr. phil. Rudolf Weinmann aus München geheiratet hat; dessen Mutter (ihre Schwiegermutter) war die Kommerzienratswitwe Julie Weinmann (geb. Wassermann) in München (Leopoldstraße 5) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 791]., Fr. Morena u. Fr. Dr. Weinmann waren noch da, die Schwiegertochter von Frau Commerzienrat Weinmann. Sie sagte sie hätten Dich in Berlin getroffen, Du hättest aber erst nicht gewusst wer sie sei.

Die Kinder schicken Dir BusserlnKüsse.. Innigst Tilly


Alle lassen Dich grüßen.

Tilly Wedekind schrieb am 3. April 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 3.IV.17


Geliebtester Frank,

nochmals herzlichsten Dank für das gesandte Geld500 Mark per Scheck als Briefbeilage [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.4.1917].! Es ist jetzt alles schauderhaft teuer u. täglich wird es schwieriger etwas zu bekommen.

Heute habe ich die letzten ZwibäckeSchreibversehen, statt: Zwiebäcke. geholt, Kakeseine Art Gewürzkuchen. wird es auch nicht mehr geben u. Kuchen nur mit Mehl- oder Brotkarte. Na ja, lassen wir das.

Über Deine Nachrichten habe ich mich immer sehr gefreut; vor allem dass Du | gute Gesellschaft gefunden u. Dich unterhalten hast.

Wenn Du Samstag das letzte Mal spielst, verbringst Du die Feiertage doch vielleicht in Dresden? So sehr wir auf Dein Kommen warten u. uns darauf freuen, möchte ich Dich nicht drängen. Wenn Du gern einige Tage in DresdenWedekind reiste nach seinem Gastspiel in Berlin nicht nach Dresden. bleibst, lass’ Dich nicht abhalten, auch nicht durch meinen GeburtstagTilly Wedekind hatte am 11.4.1917 ihren 31. Geburtstag.. Den können wir ja nachträglich feiern.

Das Wetter ist schauderhaft. So | schlecht war’s zu Ostern schon lange nicht. Es schneit u. ist nasskalt. Falls es besser werden sollte u. Du fährst nach Dresden, gehe ich mit den Kindern wenn es Dir recht ist, vielleicht auf paar Tage nach Herrsching. Vor Deiner RükkehrSchreibversehen, statt: Rückkehr. möchte ich auf alle Fälle bischen Vorräte holen; da könnte man gleich 2 – 3 Tage bleiben.

Pamela bekommt morgen oder übermorgen ihre Noten. Sie haben auch eine Karte an Dichnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1917. angefangen u. werden sie Dir morgen schicken. |

Gestern u. heute habe ich Niemanden gesehen, nur Besorgungen gemacht, Bezugscheine geholt etz.

Von zu Hausevon ihrem Vater Eduard Newes in Graz, der gesundheitliche Probleme hatte. hab ich immer ziemlich gleiche Nachrichten. Falls das Wetter besser würde, wäre ja eher an Erholung zu denken.

Hoffentlich hast Du in dieser WeinstubeWedekind in Berlin hatte von Besuchen in der Weinstube C. Huth und Sohn (Potsdamer Straße 139) berichtet [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1917 und 30.3.1917]. auch gut zu essen bekommen. Wenn nur wenigstens die WurstWedekind hatte das am 21.3.1917 in München aufgegebene Päckchen mit der Wurst am 30.3.1917 in Berlin erhalten [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.3.1917]. in dem Päckchen noch gut war.

Sei innigst umarmt u. geküsst
Liebster von Deiner Tilly


BusserlnKüsse. v. d. Kindern.

Frank Wedekind schrieb am 4. April 1917 in Berlin folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

4.4.17.


Liebste! Ich fahre also voraussichtlich Montagder 9.4.1917 (Ostermontag), an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München“ [Tb]; von Berlin abgereist war er am 8.4.1917: „Abreise nach München.“ [Tb].. Das Geld500 Mark per Scheck als Briefbeilage [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.4.1917], am 2.4.1917 erhalten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1917 (Bildpostkarte)]. wirst Du erhalten haben. Besten Dank für den Kartenbriefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.3.1917. und die Postkartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.4.1917 (Postkarte).. Es freut mich sehr daß es euch gut geht. Ich spiele noch morgen und SamstagWedekind notierte am 5.4.1917 die zwölfte „Erdgeist“-Vorstellung seines Gastspiels als Dr. Schön – „Erdgeist 12 im Berliner Theater“ [Tb] – und am 7.4.1917 (Samstag) die dreizehnte und letzte „Erdgeist“-Vorstellung seines Berliner Gastspiels mit Maria Orska als Lulu: „Erdgeist 13. Orska: Es war mir eine Freude, ich sollte lieber sagen Es war mir ein Glück“ [Tb], beide Vorstellungen im Berliner Theater, nicht mehr im Theater in der Königgrätzer Straße.. Heute abendFrank Wedekind besuchte am 4.4.1917 mit seinem Cousin Woldemar Wedekind die Vorstellung seines Einakters „Der Kammersänger“ im Deutschen Künstlertheater (Direktion: Victor Barnowsky) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 298], die um 19.15 Uhr begann (es folgten Arthur Schnitzlers „Komtesse Mizzi“ und ein Stück von Ludwig Thoma) [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 172, 4.4.1917, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (4)]: „Mit Woldemar im Kammersänger Contesse Mizzi. Nachher Austernmeier mit einem Königsberger Kollegen von Woldemar“ [Tb]. Der Theaterbesuch dürfte am Vorabend verabredet worden sein; Wedekind notierte am 3.4.1917: „Sehr behaglicher Abend mit Woldemar bei Sekt und Austern.“ [Tb] werde ich mir mit Woldemar den Kammersänger von Bonn ansehen. Er soll ausgezeichnet sein trotz der KritikFerdinand Bonn, Schauspieler am Deutschen Künstlertheater und am Lessingtheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 299], spielte in Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ (siehe oben) die Titelrolle. Fritz Engel meinte zu seiner Darstellung: „Da trifft er nicht den Ton der Groteske. Sein Streben nach Natürlichkeit läßt ihn vergessen, das Unnatürliche, das Komödiantisch-Bombastische, das in der Gestalt ist, hervorzukehren. Er sieht auch trotz aller Schminke zu papalich aus.“ [F.E.: Deutsches Künstlertheater. Einakter von Wedekind, Schnitzler und Thoma. Spielleitung: Arthur Eloesser und Max Landa. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 154, 25.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Oder man war der Ansicht, in „Wedekinds groteskem ‚Kammersänger‘“ und den beiden anderen Stücken „betätigt das neue Mitglied der Barnowsky-Theater, Ferdinand Bonn, seine Routine: am wenigsten liegt ihm der Kammersänger“ [Vorwärts, Jg. 34, Nr. 85, 27.3.1917, Unterhaltungsblatt, S. (1)]. Es hieß aber auch: „Bonn war in glänzender Laune und nutzte die Gelegenheit, seine Vorzüge in bengalischer Beleuchtung erstrahlen zu lassen. Dem komödienhaften Kammersänger – eine Rolle, die seiner Eigenart sehr entgegen kommt – gab er eine entzückende, spielerische Wurstigkeit. Die Verzweiflung des umdrängten Stars, die Liebenswürdigkeit, mit der er alle schwärmerischen Belästigungen entgegennahm – das holte er nur so aus dem Handgelenk; das Wort allerdings öfter aus dem Souffleurkasten.“ [I.: Wedekind-Schnitzler-Thoma-Abend. Deutsches Künstler-Theater. In: Berliner Börsen-Zeitung, Jg. 62, Nr. 143, 25.3.1917, Morgen-Ausgabe, S. 7f.]. |

Herzliche Grüße und Küsse Dir und den Kindern.

Dein
Frank


Postkarte


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 III.

Tilly Wedekind schrieb am 5. April 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

S.H. Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. a./Anhalter Bahnh.
Hotel Excelsior


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München.


5.IV.17 Geliebter, wenn das Wetter einigermaßen aushält, wollten wir gern morgen nach Herrsching fahren. Ich möchte doch gern | draußen nachsehen u. wenn es nicht gießt, könnten wir dann von Freitag bis Montag Mittag bleiben. Falls Du früher kommen willst, schreibe bitte eine Karte. Ich werde AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] sagen, dass sie mir telephoniert, wenn eine Karte kommt. Meine Adresse draußen wäre: Café am See.

Die Kinder freuen sich schon sehr! Frau Dressler fährt mit ihrer Schülerin Martha Martensen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1917].wahrscheinlich auch hinaus u. auch die Sandl. Wenn nur die Sonne so schön schien wie gestern!

Gestern war ich mit Agnes Pariser in einem sehr hübschen Morena-FilmIn den Sendlingertor-Lichtspielen in München wurde vom 31.3.1917 bis 4.4.1917 der Film „Der Schal der Sünde“ (1916) von Robert Heymann, produziert von der „Projektionsgesellschaft ‚Union‘“ [Heymann-Films. In: Lichtbild-Bühne, Jg. 9, Nr. 17, 29.4.1916, S. 46] in Berlin (Regie: Alfred Halm), gezeigt: „Der Schal der Sünde / Filmdrama in 3 Teilen. In der Hauptrolle: Erna Morena“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 163, 31.3.1917, General-Anzeiger, S. 2]. „‚Der Schal der Sünde‘, der dem großen Drama mit Erna Morena in der Hauptrolle den Titel gibt, ist ein Zaubertuch, das seiner Besitzerin volle Macht über jeden Mann verleiht.“ [Aus den Lichtspielhäusern. In: Leipziger Tageblatt, Jg. 111, Nr. 9, 6.1.1917, Morgen-Ausgabe, S. 14], heute soll ich mit ihren Eltern zu Abend essen.

Lass’ es Dir recht, recht gut gehen! Liebster! Innige Küsse,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 5. April 1917 in Berlin folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50 muenchen =


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Berlin [...]


bitte meine ankunft montagder 9.4.1917 (Ostermontag), an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München“ [Tb]. abwarten fahre gleich auf einige tage mit nach herrachingÜbertragungsfehler, statt: herrsching. herzlichst = frank =

Tilly Wedekind, Erna Pariser, Kurt Martens und Ludwig Pariser schrieben am 5. April 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. a./Anhalter Bahnh.
Hotel Excelsior


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München


5.IV.17 Geliebter, Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.4.1917. hat mich sehr gefreut; ich erwarte Dich also Montagder 9.4.1917 (Ostermontag), an dem Wedekind notierte: „Ankunft in München“ [Tb]., wir fahren Nachmittags | von Herrsching herein. Wann der Zug ankommt, werde ich wohl am Bahnhof erfahren. Wir sitzen hierTilly Wedekind, Erna und Ludwig Pariser sowie Kurt Martens saßen am 5.4.1917 abends im Bayerischen Hof (Promenadeplatz 19), ein gehobenes Hotel und Restaurant, in dem Frank Wedekind am 24.6.1914 vorgezogen seinen 50. Geburtstag gefeiert hatte. im „Bayrischen Hof“ sehr gemütlich beisammen, ich sende Dir innigste Grüße u. Küsse,
Deine Tilly


Herzlichen Gruß und nach langer ZeitWedekind hat Erna und Ludwig Pariser zuletzt wohl am 14.12.1916 gesehen: „Zum Thee bei Parisers“ [Tb]. auf Wiedersehen. Ihre Erna Pariser


Recht schönen Gruss! Werden wir nicht uns mal wiederWedekind hat mit Ludwig Pariser wohl zuletzt am 23.10.1916 einen Abend im Münchner Ratskeller (Marienplatz 8) verbracht: „Mit Pariser im Ratskeller.“ [Tb] in München – Rats-Keller – sehen? Wir dürfen ja wieder bis 11 Uhrbis 23 Uhr – die kriegsbedingte Sperrstunde. – schreibe elf – aufbleiben.
Ihr Ludwig Pariser


Herzlichste Grüße!
Kurt Martens

Tilly Wedekind schrieb am 7. April 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


Herrn
Frank Wedekind
Berlin W. a./Anhalter Bahnhof
Hotel Excelsior


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München


7.IV.17 Liebster, ob Du die Karte noch bekommst, weiss ich nicht. Montag abendsWedekind traf am 9.4.1917 (Ostermontag) früh in München ein, da er am 8.4.1917 (Ostersonntag) abends von Berlin abgereist ist [vgl. Tb]. | erwarte ich Dich am Bahnhof; vielleicht kann ich schon vorher ein Auto bestellen. Und DienstagWedekind notierte am 10.4.1917: „Mit Tilly und den Kindern nach Herrsching gefahren.“ [Tb] fahren wir dann nach Herrsching! Hoffentlich ist das Wetter bis dahin beständiger.

Wenn es morgen nicht zu schlecht ist, fahren wir mit Frau Dressler u. ihrer SchülerinMartha Martensen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1917]. n/i/ns Isartal. Die Kinder haben alles Gute was wir haben zusammengesucht u. haben sich einen „Ostertisch“ aufgebaut.

Ich freu’ mich so auf unser Zusammensein in Herrsching! Innigst
Tilly

Tilly Wedekind, Kadidja Wedekind, Pamela Wedekind, Martha Martensen und Lotte Dreßler schrieben am 8. April 1917 in Irschenhausen folgende Bildpostkarte
an Frank Wedekind

S.H. Herrn
Frank Wedekind
München
Prinzregentenstr. 50 III.

8.IV.17Ostersonntag, der 8.4.1917. Geliebter, von einem wunderschönen, behaglichen Osterausflug sende ich Dir innigste Grüße, Deine Tilly


Freundliche Grüsse
Lotte Dressler


Martha Martensen.


Pamela iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916], am linken Rand wiederholt.


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:] i |


Gruss aus Irschenhausen, Isartal.

Tilly Wedekind schrieb am 8. Oktober 1917 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Geliebter, da ich Fleisch holen muss, schreib ich Dir paar Zeilen. Bitte, bitte sei nicht ungerecht gegen mich. Gleich wie Marthldie Schwester Martha Müller (geb. Newes), seit dem 26.7.1917 mit Hans Carl Müller verheiratet; sie löste zur Spielzeit 1917/18 „ihren Vertrag mit dem königlichen deutschen Landestheater in Prag auf, an dem sie zwei Jahre lang engagiert war“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 353], er war an den Münchner Kammerspielen engagiert [vgl. Deutsche Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 522]. Sie hat Schwester und Schwager nach deren Gastspielreise in der Schweiz (10.5.1917 bis 7.10.1917) am 7.10.1917 in München empfangen und war mit ihnen und ihrem Mann anschließend in einem Lokal: „Reise von Zürich nach München. [...] Martha holt uns ab Café Modern mit Hans Carl“ [Tb]. kam sagte ich ihr, mir sei heute besser. Auch wie Mieze in ZürichErika Wedekind war vom 13. bis mindestens zum 19.7.1917 und vom 14. bis 17.8.1917 in Zürich [vgl. Tb]. war, kam der Umschlag plötzlich. Ich sagte es gestern auch Dir gleich, trank Dir zu u. sagte: Geliebter, zu Dir. Erwähnte, um Dir eine Freundlichkeit zu sagen, dass Du | unter meiner Schweigsamkeit zu leiden hättest, kurz ich tat alles, was Du wünschen konntest. Wenn ich gestern gewesen wäre wie jetzt alle Abende, dann hättest Du gesagt, jetzt hast Du Deine Schwester, hast einen neuen Schwager alles ist vergnügt nur Du nicht.

Bitte überlege das. Aber lass’ uns nicht so weiter leben. Es wird für mich, u. natürlich auch für die Kinder, der größte Verlust sein, wenn Du nicht bei uns bleiben willstWedekind hat sich während seines Gastspiels in Berlin (9.3.1917 bis 7.4.1917) mit einem Rechtsanwalt „über seine Ehe“ [Vinçon 2014, S. 289] beraten und hatte offenbar Trennungsabsichten.. In Liebe
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 2. November 1917 in München folgenden Zettel
an Frank Wedekind

Einen innigen Kuss Geliebter
von Deiner
Tilly


München, 2.11.17

Tilly Wedekind schrieb am 5. November 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Geliebter, hoffentlich hattest Du eine gute Reise„Wedekind traf am 4.11.1917 in Zürich ein.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 353] u. fühlst Dich wohl in Zürich. Briefe muss ich wohl alle öffnen„Während des Krieges musste man wegen der staatlich verhängten Postzensur damit rechnen, dass ins Ausland versandte bzw. weitergeleitete Briefe zur Kontrolle von der Post geöffnet wurden.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 353] um sie Dir nachzuschickenDer Briefkarte lag eine Sendung (nicht identifiziert) bei [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.11.1917].. Den Kindern geht es gut u. schicken sie Dir viele BusserlnKüsse..

Innigst Deine Tilly


Montag, 5.11.17

Tilly Wedekind schrieb am 7. November 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

Mittwoch, 7.11.17


Geliebter, hier eine Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Unbekannt an Wedekind, 6.11.1917., ein Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Unbekannt an Wedekind, 6.11.1917. u. ein Telegramm.nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 7.11.1917. ‒ Wedekinds Verleger (vermutlich der Absender) dürfte ihn telegrafisch über die Auslieferung der Buchausgabe seines Versdramas „Herakles“ (1917) informiert haben, die wenige Tage später im Georg Müller Verlag als erschienen gemeldet war [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 84, Nr. 262, 9.11.1917, S. 7277]. Ich telegraphierte zurück, dass Du in Zürich bist. Wie war es vorgesternWedekind notierte am 5.11.1917: „Herakles Vortrag im Hottinger Lesezirkel.“ [Tb] Die Lesung fand um 20 Uhr statt (Ende gegen 21.30 Uhr), wie angekündigt war: „Tonhalle Kleiner Saal / Montag den 5. November 1917 / 2. Abend des Lesezirkels Hottingen / Frank Wedekind ‚Herakles‘ eine dramatische Dichtung, ungedruckt / Anfang 8 Uhr Ende gegen 9 ½ Uhr.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2081, 5.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (4)] Die Presse hat ausdrücklich auf die Lesung hingewiesen: „Der heute Montag im Kleinen Tonhallesaal stattfindende zweite der Abende für Literatur und Kunst des Lesezirkels Hottingen führt Frank Wedekind an den Vorlesertisch. Der Dichter liest seine neue dramatische Dichtung ‚Herakles‘ vor [...]. Die literarischen Kreise unserer Stadt seien auf diese Vorlesung nachdrücklich aufmerksam gemacht.“ [Literarische Abende des „Lesezirkels“. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2081, 5.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (3)] Sie hatte angekündigt: „Am Montag tritt Frank Wedekind am Vortragstisch vor die Besucher der Literarischen Abende des Lesezirkels Hottingen. Er bringt nicht ein gemischtes Programm aus seinem Schaffen, [...] sondern auf ein einziges Werk bezieht sich die Vorlesung: auf ein in Buchform noch nicht vorliegendes Drama, dessen Held kein Geringerer ist als Herakles, der heldenhafte Kämpfer und Dulder, dem nach schwersten Mühen und Leiden grausamer Art der Olymp sich erschließt, wo den, der auf Erden am Weibe so viel Schlimmes erlitten, die Hand der Göttin Hebe liebreich beglückt.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2077, 4.11.1917, 3. Sonntagsblatt, S. (1)] Sie hatte in diesem Zusammenhang auch gemeldet: „Frank Wedekind, der heute abend seine dramatische Dichtung ‚Herakles‘ vorlesen wird, ist das November-Heft des ‚Lesezirkel‘ gewidmet.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2083, 5.11.1917, 1. Mittagsblatt, S. (2)] u. gesternWedekind notierte am 6.11.1917: „Erdgeistvorstellung im Stadttheater.“ [Tb] Wedekinds Gastspielpremiere im „Erdgeist“ im Stadttheater (Direktion: Alfred Reucker) in Zürich (Mozartstraße 2) begann um 19 Uhr: „Stadttheater. Heute Dienstag findet eine Volksvorstellung statt, in der Wedekinds ‚Erdgeist‘ unter Mitwirkung des Dichters, der in gewohnter Weise die Rolle des Dr. Schön spielt, in Szene geht. Beginn 7 Uhr.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 13, Nr. 307, 6.11.1917, 2. Blatt, S. (2)]? Wann ist Franziska u. WettersteinDie im Pfauentheater in Zürich geplante „Franziska“-Aufführung fand nicht statt [vgl. KSA 7/II, S. 1159], aber die von Alfred Reucker, Direktor des Stadttheaters in Zürich (verbunden mit dem Pfauentheater) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 633], veranstaltete Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ am 15.11.1917; sie war in der Presse noch nicht angekündigt.?

Gestern war ich bei Frau Dr. Halbe, es waren einige sehr nette Damen da. |

Heute gehe ich zu der VorlesungEugen Albu las August Strindbergs Drama „Luther (Die Nachtigall von Wittenberg)“ (1903) am 7.11.1917 im Rahmen der Veranstaltungsreihe ‚Literarische Nachmittage‘ (Beginn: 15.30 Uhr, Ende gegen 17.30 Uhr) in den Münchner Kammerspielen (Augustenstraße 89): „Mittwoch, den 7. November / Literarische Nachmittage / Luther (Die Nachtigall von Wittenberg) /Deutsche Historie in 10 Bildern von August Strindberg, vorgelesen von Eugen Albu“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 563, 7.11.1917, General-Anzeiger, S. 2]. von Albu wozu mir Frau Albu Karten schickte. Den Kindern geht es sehr gut, es ist sehr schönes Wetter u. sie gehen mit AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] spazieren.

Weiter weiß ich nichts zu erzählen, möchte Dir auch nicht noch mit meinen Briefen auf die Nerven gehen. Aber ich werde Dir immer berichten.

Innigst
Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 8. November 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

München, 8.der 8.11.1917. abends.


Geliebter,

heute habe ich die Köchin herausgeworfen, es giengSchreibversehen, statt: ging. einfach nicht mehr so weiter. Da ich natürlich keinen Ersatz habe vorläufig, muss ich mit AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] zusammen helfen, werde also genug zu tun haben. Wie geht es Dir in dem schönen Zürich? | Du lebst wohl ordentlich auf? Nachricht habe ich bis jetzt keine von Dir. Grüß’ mir die geliebte Bahnhofstr.Dort lag in Zürich das Elite-Hotel (Bahnhofstraße 41) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 139], in dem Wedekind logierte. u. den See.

Die Kinder schicken Dir viele BusserlnKüsse.,
innigst
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 8. November 1917 in Zürich folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

8.11.17 Geliebte Tilly! Herakles VorlesungWedekind notierte am 5.11.1917: „Herakles Vortrag im Hottinger Lesezirkel.“ [Tb] Seine Lesung um 20 Uhr (Ende gegen 21.30 Uhr) in der „Tonhalle Kleiner Saal“ im Rahmen des „2. Abend des Lesezirkels Hottingen“, angekündigt: „Frank Wedekind ‚Herakles‘ eine dramatische Dichtung, ungedruckt / Anfang 8 Uhr Ende gegen 9 ½ Uhr“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2081, 5.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (4)], war ein Erfolg: Die Presse schrieb: „Der kleine Tonhallesaal sah am Montag abend ein zahlreiches Auditorium: Frank Wedekind las im Rahmen der vom Lesezirkel Hottingen veranstalteten Abende für Literatur und Kunst sein Drama ‚Herakles‘. Nur ein hoher steifer Stuhl stand auf dem erhöhten Podium. Bevor Wedekind Platz nahm, um, das Buch ruhig in der Hand haltend, seine Vorlesung pausenlos zu erledigen, trug er stehend und frei den Prolog seiner dramatischen Dichtung vor, mit jener Schärfe und Eindringlichkeit, die man vom ‚Erdgeist‘ her kennt, wenn Wedekind als Prologist das Publikum [...] zum Hineinspazieren in seine Menagerie einlädt. [...] Wedekind, der als dramatischer Vorleser es ‒ zum Glück ‒ nicht auf Bühnenillusionen absieht und z.B. nie unterläßt, die sprechende Person mit Namen aufzuführen, damit der Hörer ja nicht im Ungewissen bleibe, weiß den Stellen, an denen es ihm offenbar ganz besonders liegt: so der Szene mit Prometheus, so dem Dankgebet am Schluß, einen feierlichen Nachdruck zu verleihen, der die Wärme des Dichters auf den Hörer überträgt. [...] Unser Auditorium belohnte die Vorlesung mit kräftigem Beifall, und es stellt gewiß nicht den kleinsten innern Erfolg des Abends dar, daß die Hörer in lautloser Stille fast anderthalb Stunden verharrten, und niemand sich zu früherm Aufbruch genötigt meinte.“ [T. (Hans Trog): Frank Wedekind im Lesezirkel. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2093, 6.11.1917, 1. Abendblatt, S. (1)] ging gut vorüber, ebenso ErdgeistWedekind notierte am 6.11.1917: „Erdgeistvorstellung im Stadttheater.“ [Tb] Offenbar gab es zu seiner Gastspielpremiere im „Erdgeist“ als Dr. Schön im Stadttheater (Direktion: Alfred Reucker) in Zürich (Mozartstraße 2) um 19 Uhr – „Stadttheater. Heute Dienstag findet eine Volksvorstellung statt, in der Wedekinds ‚Erdgeist‘ unter Mitwirkung des Dichters, der in gewohnter Weise die Rolle des Dr. Schön spielt, in Szene geht. Beginn 7 Uhr“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 13, Nr. 307, 6.11.1917, 2. Blatt, S. (2)] – mit Elisabeth Bergner als Lulu nur eine Probe.. Lulu war soso lala allerdings mit einer Probe. Franziska kommt nichtDie von Alfred Reucker, Direktor des Stadttheaters in Zürich (verbunden mit dem Pfauentheater) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 633], im Pfauentheater geplante „Franziska“-Aufführung fand nicht statt [vgl. KSA 7/II, S. 1159]. wegen der Kostüme. Heute morgen arrangierte ich Schloß WettersteinWedekind bereitete die Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ am 15.11.1917 im Pfauentheater in Zürich vor; „das dreiaktige Schauspiel ‚Schloß Wetterstein‘ [...] erlebt seine Uraufführung unter des Dichters eigener Leitung und mit Wedekind in der männlichen Hauptrolle des Dramas.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 13, Nr. 316, 15.11.1917, 2. Blatt, S. (2)]. Von Dir bekam ich noch keine Nachricht. Ich erwarte keine haarkleine Erzählung, was Du alles mitmachst. Ich möchte nicht daß Du Dich beengt fühlst. Die Reisevon München nach Zürich. „Wedekind traf am 4.11.1917 in Zürich ein.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 353] war sehr angenehm, herrliches Wetter auf dem Bodensee. Heute hat es zum ersten Mal geschneit. Armins lassen Dich herzlich grüßenGrüße von Frank Wedekinds Bruder Armin Wedekind in Zürich und dessen Familie, darunter namentlich sein Neffe Armin Wilhelm Gottlieb Wedekind. Armin jun. ist hier. Eva hat noch keinen Paß bekommen und betreibt in Bern Sprachstudien. Hoffentlich geht es Dir und den Kindern gut und erholst Du Dich von den Strapazen. Innigen Kuß
Dein Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Text.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Absender
Frank Wedekind
Elite Hotel
Zürich


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50/3

Tilly Wedekind schrieb am 9. November 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Zürich
Elite Hotel


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München


9.der 9.11.1917. Freitag. Geliebter, heute schreibe ich Dir das erste Mal mit etwas leichterem Herzen, das kommt weil diese Person die Köchin draußen | ist. AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] u. ich haben heute ordentlich gewirtschaftet u. ich hab’ sogar schon eine gute, neue Köchin in Aussicht. Heute waren abwechselnd Frau Prof. KutscherBetti Kutscher (geb. Pachtner), die zweite Ehefrau von Artur Kutscher., Fr. B. Wedell u. MarthlTilly Wedekinds Schwester Martha Müller (geb. Newes) lebte mit ihrem Mann Hans Carl Müller inzwischen in München (Hiltensbergerstraße 32) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 496]. da, jede brachte etwas u. wollte helfen. Die Kinder sind wohl u. vergnügt; es war ein herrlicher, sonniger Tag heute. Nachmittag giengenSchreibversehen, statt: gingen. sie mit Anna spazieren während mir Fr. Schreierdie Hausmeisterin Christine Schreier (Dachauerstraße 135) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 676], die Frank und Tilly Wedekinds Münchner Wohnung in der Prinzregentenstraße 50 betreute. half. Erlebt hab ich gar nichts, Du dafür wahrscheinlich umso mehr. Ich hoffe, dass ich bald Nachricht von Dir bekomme.

Innig umarmt Dich, Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 11. November 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Zürich
Elite Hotel


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50


11.der 11.11.1917. Sonntag abends. Geliebter, herzlichen Dank für Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.11.1917. w/d/as mich sehr freute. Es war die erste Nachricht. Hoffent|lich kommt bald mehr. Ich habe jeden zweiten Tag geschrieben. Gleichzeitig schicke ich Dir heute 2 Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Unbekannt an Wedekind, 10.11.1917 (nicht identifizierter Absender); Fritz Horwitz an Wedekind, 10.11.1917. Wedekind bezog sich auf den Brief von Fritz Horwitz [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917], der über das Münchner Konzertbüro Alfred Schmid Nachfolger eine dann nicht zustande gekommene Aufführung von „Überfürchtenichts“ organisierte. nach. – Heute war ein sehr schöner Tag. Vormittag giengSchreibversehen, statt: ging. ich mit den Kindern in den engl. Garten. Nachmittag holte uns Martha ab u. wir giengenSchreibversehen, statt: gingen. zu Fuß zu ihrTilly Wedekinds Schwester Martha Müller (geb. Newes) wohnte inzwischen in München (Hiltensbergerstraße 32) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 496].. Abends aßen sie u. die B. Wedell bei mir, es war sehr nett. – Wanner u. Hecht schickt eine RechnungHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben (oder Rechnungsschreiben); erschlossenes Korrespondenzstück: Wanner und Hecht an Wedekind, 10.11.1917. – Wanner und Hecht (Dienerstraße 9), Inhaber: Julius Hecht, Hofschneider und Wiener Herrenschneider [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 802], war ein Tuch- und Herrengarderobegeschäft [vgl. Adreßbuch für München 1918, Handels- und Gewerbe-Adreßbuch, S. 237]. von M. 19.50, soll ich sie zahlen? Das Forum schickt einen Band „Geist“ für DichHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben (oder eine Widmung im genannten Band); erschlossenes Korrespondenzstück: Wilhelm Herzog an Wedekind, 10.11.1917. – Der von Wilhelm Herzog in seinem Forum-Verlag in München (Antonienstraße 3) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 177] als Band 1 der Reihe „Forum-Werke“ herausgegebene Sammelband „Geist. Die besten Essays der Weltliteratur“ (1917) enthält Texte von Immanuel Kant, Friedrich Schiller, Jean Paul, Heinrich von Kleist, Søren Kierkegaard und Friedrich Nietzsche sowie „Flaubert und die Kritik“ von Heinrich Mann. Die Absenderadresse der vermutlich als Drucksache („gedruckt“) auf den Weg gebrachten Sendung dürfte den Forum-Verlag ausgewiesen haben; die von Wilhelm Herzog herausgegebene Zeitschrift „Das Forum“ erschien ebenfalls im Forum-Verlag, war seit 1915 bis Kriegsende 1918 aber von der Zensur verboten [vgl. Müller-Feyen 1995, S. 78, 118-134]. gedruckt.

Heute habe ich auch eine neue Köchinvermutlich Johanna Fuß, die im Kontobuch Wedekinds Notiz „40 Mark Lohn empfangen zu haben bescheinigt“ am 1.1.1918 eigenhändig mit „Johanna Fuß“ unterschrieben hat, dann nochmals am 1.2.1918 unter Wedekinds Notiz „M. 40 Lohn empfangen zu haben bescheinigt“ ihren Namen „Johanna Fuß“ setzte; darüber ist hier im Kontobuch am 1.2.1918 auch Anna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334], dokumentiert, die unter Wedekinds Notiz „M. 35 Lohn empfangen zu haben bescheinigt“ eigenhändig „Dankend erhalten Anna Wölfel“ schrieb. aufgenommen, sie tritt am Dienstag ein.

Viele BusserlnKüsse. v. d. Kindern, innigst umarmt Dich,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 11. November 1917 in Zürich folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


= tilly wedekind prinzregentenstrasse 50muenchen =

München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Zürich [...]


erhalte eben sendung vom fuenftenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.11.1917. nachricht unterwegs herzliche gruesse
= wedekind.

Tilly Wedekind, Kadidja Wedekind und Pamela Wedekind schrieben am 13. November 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Zürich
Elite Hotel


Abs: Wedekind Prinzregentenstr. 50
München


13.der 13.11.1917. Dienstag. Geliebter Frank,

gestern abend erhielt ich Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.11.1917. für die ich Dir herzlichst danke. Es freut mich, dass | alles gut gegangen ist, schade dass Franziska nicht dran kommtDie für das Pfauentheater in Zürich geplante „Franziska“-Aufführung fand nicht statt [vgl. KSA 7/II, S. 1159].. Wann ist Wetterstein?„Schloß Wetterstein“ wurde am 15.11.1917 im Pfauentheater in Zürich uraufgeführt. Hr. Horwitzder Schriftsteller Fritz Horwitz (Freystraße 5) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 307], tätig für das Münchner Konzertbüro Alfred Schmid Nachfolger (Residenzstraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 649]; er organisierte die geplante Uraufführung des „Überfürchtenichts“ [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917], die aber nicht zustande kam (siehe unten). teleph. dass „Überfürchtenichtsfreigegeben seiWedekind bereitete eine einmalige Aufführung des „Überfürchtenichts“ in der Münchner Kleinkunstbühne Bonbonniere vor, für welche die Polizeidirektion zwar „die Erlaubnis erteilt“ [Wedekind an Ludwig Friedmann, 23.12.1917] hatte, die aber des Selbstmordversuchs seiner Frau am 30.11.1917 wegen nicht zustande kam. Das Stück wurde erst posthum am 14.8.1919 in Berlin uraufgeführt.. Gestern war ich mit Marthl bei der EröffnungTilly Wedekind und ihre Schwester Martha Müller (geb. Newes) besuchten am 12.11.1917 die Eröffnungsveranstaltung des von Alexander von Bernus gegründeten Kunsthauses „Das Reich“ in der Königinstraße 23, das als Veranstaltungsort konzipiert war: „Das Kunsthaus ‚Das Reich‘ wird in Verbindung mit der Vierteljahresschrift ‚Das Reich‘ die neuen Wege, die in eine geistlebendige Zukunft führen, ebnen helfen: Neben den bildenden Künsten (Ausstellungen der Expressionisten) wird vor allem der jungen deutschen Dichtung der breiteste Raum gegeben werden. Autoren-Abende der Dichter von Verheißung und Rang werden regelmäßig halbmonatlich stattfinden. ‒ Auch wichtige literarische Vorträge und andere künstlerische Veranstaltungen sind vorgesehen. Die [...] ‚Schwabinger Schattenspiele‘ sollen neu aufgenommen und das Kleine Theater später durch eine Marionettenbühne ergänzt werden. Im Laufe des Jahres werden besondere Kammermusik-Abende sich anschließen. ‒ Auch der Tanz als expressionistisches Ausdrucksmittel wird hier an rechter Stelle sein. [...] Das Vorlesungsverzeichnis [...] ist durch die Geschäftsstelle ‚Das Reich‘, Königinstr. 23, erhältlich, wohin auch alle Anfragen und Anmeldungen zu richten sind.“ [Kunsthaus „Das Reich“. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 120, Nr. 46, 11.11.1917, S. 441] Die Presse berichtete über die Eröffnung: „In elegantem gesellschaftlichem Rahmen vor geladenen Gästen wurde in München das an der Königinstraße 23 gelegene neue Kunsthaus ‚Das Reich‘ eröffnet. Das Programm dieses Unternehmens erscheint sehr weit gesteckt“ [Das neue Kunsthaus „Das Reich“. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 576, 14.11.1917, Morgen-Ausgabe, S. 2]. „In Anwesenheit eines zahlreichen, für das geistige und künstlerische München repräsentativen Kreises eröffnete als Gründer Alexander von Bernus das Kunsthaus ‚Das Reich‘ an der Königinstraße mit einer Rede, in der er die Richtung für sein und seines Kreises Wirken festlegte und für die Notwendigkeit eines festen Zusammenschlusses aller künstlerischen und geistigen Kräfte überzeugend plädierte.“ [Kurt Moreck: Das neue Kunsthaus „Das Reich“. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 120, Nr. 49, 2.12.1917, S. 471] des Kunsth.d/D/as Reich“ es war ziemlich langweilig. Ich sprach hauptsächlich Halbe’s, Mannheimer’sder Privatier Dr. phil. Victor Manheimer (Werneckstraße 5) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 463] und seine zweite Ehefrau (Heirat am 27.1.1917 in Berlin) Hedwig Manheimer (geb. Salomon). u. Martens, alle lassen Dich grüßen. Heute war endlich der Installateur da, 2 Lampen hängen schon. Sie sind sehr hübsch u. machen mir große Freude. Morgen wird’s fertig gemacht. Nachmittag kam die neue Köchinvermutlich Johanna Fuß [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.11.1917].. Abends will ich mit Marthl ins Wintermärchenin die Vorstellung von William Shakespeares Schauspiel „Das Wintermärchen“ (1623, deutsche Übersetzung 1832) am 13.11.1917 um 19 Uhr (Ende: 22.30 Uhr) in den Münchner Kammerspielen (Direktion: Otto Falckenberg): „Ein Wintermärchen / Schauspiel in 5 Akten von Shakespeare / Musik von Hermann Silcher“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 574, 13.11.1917, General-Anzeiger, S. 2].. Innigen Kuss, Deine Tilly V. Grüße Pamela iZeichen für Kadidja [vgl. Tilly, Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 20.9.1916], die dreimal unterschrieben hat. i i Morgen schreiben d. KinderHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 14.11.1917. mehr.

Tilly Wedekind schrieb am 16. November 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, Freitag. 16. Nov. 17


Geliebter Frank,

leider habe ich noch keine weitere Nachricht von Dir als das Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.11.1917. u. die Karte vom 8.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.11.1917. Ich habe Dir 3 Kartenbriefedrei Briefkarten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.11.1917, 7.11.1917 und 8.11.1917]. u. 2 – 3 Postkartenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.11.1917, 11.11.1917 und 13.11.1917. geschrieben. Vorgestern schrieben Dir die KinderHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 14.11.1917..

Ich hoffe es geht Dir gut Geliebter. Ich nehme an, dass Du viel Arbeit hast mit den Proben zu „Wetterstein“, auch braucht die Post wohl sehr lang. Hast Du Deinen Pass verlängernWedekinds Passvisum für die Schweiz war noch nicht verlängert worden [vgl. Wedekind an Polizeidirektion München, 21.11.1917]. lassen? Und bis wann? Wann ist die Premiere von Wetterstein„Schloß Wetterstein“ wurde am 15.11.1917 im Pfauentheater in Zürich uraufgeführt.? Von „HeraklesVorlesung las ich glänzende KritikenWedekinds „Herakles“-Lesung am 5.11.1917 im Lesezirkel Hottingen ist in der Presse gut besprochen worden [vgl. KSA 8, S. 926f.]., das muss | ein großer Erfolg gewesen sein!

Wir leben so still weiter, meine Briefe sind deshalb wohl recht langweilig für Dich. Aber es geht uns gut u. wir fühlen uns wohl. Die neue Köchinvermutlich Johanna Fuß [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.11.1917]. ist eine sehr nette Person u. ich gehe ganz in meiner Wirtschaft auf. Ich stehe sehr früh auf, gehe dann mit ihr einkaufen u. lerne bei ihr kochen. Unter der Bedingung, dass sie mir das Kochen beibringt, habe ich sie aufgenommen. Gestern machte ich meinen ersten Kuchen, einen Honigkuchen; er ist recht gut ausgefallen u. ich muss sagen es ist gar nicht so schwer wie ich immer dachte. Dann hab’ ich viel eingekauft an Vorräten, es giebtSchreibversehen, statt: gibt. wirklich viel mehr wie vergangenes Jahr. |

Ich schrieb Dir glaub ich schon, dass ich mit Marthl im WintermärchenTilly Wedekind und ihre Schwester Martha Müller (geb. Newes) besuchten am 13.11.1917 die Vorstellung von William Shakespeares Schauspiel „Das Wintermärchen“ (1623) in den Münchner Kammerspielen: „Ein Wintermärchen / Schauspiel in 5 Akten von Shakespeare / Musik von Hermann Silcher“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 574, 13.11.1917, General-Anzeiger, S. 2]. war. Die Aufführung hat mir sehr gefallen. Am Mittwoch war ich mit der B. Wedell in einer AufführungDer Münchner Schauspieler und Rezitator Max Gümbel-Seiling, eigentlich Maximilian Gümbel, genannt Seiling (Herzogstraße 28) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 233], inszenierte am 14.11.1917 im Hotel Vier Jahreszeiten (Maximilianstraße 4) seine biblisch inspirierten Stücke „Seth“ und „Das Buch Ruth“ (siehe oben); die Presse urteilte über die Aufführung: „Im Saale der ‚Vier Jahreszeiten‘ wurden unter der Leitung und in einer Einrichtung Max Gümbel-Seilings aufgeführt ‚Seth, die goldene Legende der Verheißung‘ und ‚Das Buch Ruth‘. Man hatte eine Art Mysterienbühne aufgestellt, und was sich nun hier begab, war der reine Dilettantismus. An diesem Eindruck wird auch nichts geändert durch manche Bildwirkung, das klare Spiel der Harfe und dem Eifer, mit dem die Mitwirkenden ihren Aufgaben gerecht zu werden versuchten.“ [E. Hr.: Geistliche Spiele. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 590, 21.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2] von Herrn Gümbel-Seiling SethSeth. Die goldene Legende der Verheißung. In szenischen Vorgängen ausgesprochen von Max Gümbel-Seiling. Leipzig 1918 (= Deutsche Volksspiele des Mittelalters. Bd. 4). u. das Buch „RuthDas Buch Ruth in Wort und Bild unter Hinzufügung biblischer Psalme zur Harfe eingerichtet von Max Gümbel-Seiling. Leipzig 1918 (= Deutsche Volksspiele des Mittelalters. Bd. 5). in den vier Jahreszeiten. Es war teilweise sehr fein künstlerisch, aber teilweise entsetzlich dilettantisch. Gestern abend war Fr. Prof. Dressler bei mir zum Abendessen. Sie war verreist, darum hörte ich solange nichts von ihr. Nach dem Essen hatte ich noch Fr. Albu, Fr. B. Wedell u. die Nichte von Fr. Dressler, Frl. Hofmannnicht identifiziert; Nichte von Lotte Dreßler. zum Thee gebeten, teils um die neuen Lampen einzuweihen, teils um meinen Kuchen vorzuführen. Es hatte Beides großen Erfolg, so zwar dass die Damen die Elektrischedie Straßenbahn (Trambahn). versäumten u. zu Fuß | heimgehen mussten.

Die Lampen sind schon wunderhübsch, sie machen mir Riesenfreude. Du wirst es auch sehr gemütlich finden, wenn Du heimkommst.

Unsre letzte Köchin war ja die aus „Gespenstersonatedie das Fett abschöpftdie den Speisen die Kraft entzieht; über die riesige fette Köchin in August Strindbergs Kammerspiel „Die Gespenstersonate“ (1907) wird im Stück gesagt, „sie koche das Fleisch aus, gebe ihrer Herrschaft die Fasern mit Wasser, während sie selbst die Kraftbrühe trinke.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 359] Wedekind hat am 10.6.1917 mit seiner Frau in Zürich die Premiere der „Gespenstersonate“ [Tb] im Rahmen des Gastspiels von Max Reinhardt im Stadttheater besucht.. Die Kinder gedeihen jetzt wieder sehr gut, besonders da ich jetzt täglich nachschaue u. nichts verloren geht.

Zu unsrer großen Freude ist Bertl von der Bank reclamiertfür sich beansprucht; die Bank, bei der Tilly Wedekinds Bruder Dagobert Newes tätig war, beanspruchte ihn für die Arbeit vor Ort, er war also „unabkömmlich gestellt vom Militärdienst.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 359] u. zurück in Österreich.

Hast Du Jenny gesehen? Sie würde wohl sehr gern in die Vorstellung gehen, kannst Du ihr eine Karteeine Freikarte für die Inszenierung von „Schloß Wetterstein“ im Pfauentheater (siehe oben) – für Tilly Wedekinds Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski, die zu Kriegsbeginn 1914 München verlassen musste und nun in Zürich lebte. geben? 6, Kornhausstr. 26Unter dieser Adresse ist Eugenie von Sadkowskis Ehemann Stanislaus von Sadkowski verzeichnet (mit varianter Namensschreibung): „v. Saakowski-Dumtza, Stanisl., Kunstmaler, 6 Kornhausstrasse 26.“ [Adressbuch der Stadt Zürich für das Jahr 1918, Teil I, S. 480]

Innigst umarmt u. küsst Dich,
Deine Tilly


Hoffentlich höre ich bald von Dir.

Frank Wedekind schrieb am 16. November 1917 in Zürich folgenden Brief
an Tilly Wedekind

ELITE-HOTEL ZÜRICH

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Direktion: H. DETTELBACH-EGER


Zürich, 16. November 1917.


Geliebte Tilly!

Gestern AbendWedekind notierte am 15.11.1917: „Schloss Wetterstein Aufführung.“ [Tb] Die Uraufführung seines Schauspiels „Schloß Wetterstein“ im Pfauentheater in Zürich (Zeltweg 1) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil III, S. 212], einer Spielstätte des Stadttheaters (Direktion: Alfred Reucker) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 633], bei der Wedekind die Regie führte, Elisabeth Bergner als Effie, Margarethe Kleinrhuby als Leonore von Gystrow und Wedekind als Rüdiger Freiherr von Wetterstein auf der Bühne standen, begann um 19.30 Uhr: „Donnerstag, halb 8 Uhr: Gastspiel von Frank Wedekind: ‚Schloß Wetterstein‘ (Uraufführung), Schauspiel von Frank Wedekind.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 13, Nr. 311, 10.11.1917, 1. Blatt, S. (3)]. Die Kritik war zwiespältig [vgl. KSA 7/II, S. 960f.], aber tendenziell wohlwollend: „Eine richtige Uraufführung. Das Theater dicht besetzt. Nach den zwei ersten Akten der Beifall diskret. Am Schluß sehr stark, mit lauten Kundgebungen, in die auch einzelne Pfiffe gellten. Die Probe wäre also bestanden. [...] Die Aufführung, deren Leiter der Dichter selbst war, geriet lobenswert. Wedekind selbst verkörpert den Rüdiger, der (durch seine Stieftochter Effie) als Freiherr von Wetterstein, ‚der Burg seiner Väter‘, ausleben kann, und man darf ihm gewiß zutrauen, daß die Rolle unter seiner Hand das hergibt, was er ihr zumutet (aber geschminkt war er furchtbar). Für die Witwe Leonore, die dem Rüdiger anheimfällt, bringt Frl. Kleinhruby die überzeugende Figur mit, während ihrem Spiel mehr psychische Ueberzeugungskraft zu wünschen gewesen wäre. Dagegen sei mit uneingeschränktem Lob bedacht Frl. Bergner, die der Gestalt der Effie eine höchst lebensvolle Zeichnung angedeihen läßt.“ [T. (Hans Trog): Pfauentheater: „Schloß Wetterstein“ von Wedekind (15. Nov.). Pfauentheater: „Schloß Wetterstein“ von Wedekind (15. Nov.). In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2161, 16.11.1917, 1. Abendblatt, S. (1-2)] Die Kritik war „insgesamt zustimmend, wenn auch nicht enthusiastisch.“ [KSA 7/II, S. 878] war Schloß Wetterstein. Die Aufführung war im ganzen ausgezeichnet. Es wurde gezischt aber viel stärker applaudiert. Trotzdem war ich durch das Stück selber enttäuscht. Es erwies sich als viel länger als ich gedacht hatte. Nachher saß ich mit Reucker und seinen Bekannten noch eine halbe Stunde im PfauenWedekind saß am 15.11.1917 nach der „Schloß Wetterstein“-Vorstellung (siehe oben) mit Alfred Reucker im Pfauen (Zeltweg 1) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil II, S. 72], dem Lokal, das sich im selben Gebäude befand wie das Pfauentheater, in dem sein Schauspiel gerade uraufgeführt worden war.. Da jetzt um elf Uhrum 23 Uhr. Polizeistunde ist, blieb nicht | mehr Zeit übrig. Dafür bin ich seit acht Tagen täglich um 7 Uhr aufgestanden um um 9 Uhr auf der Probe zu sein. Gestern erhielt ich Deine liebe Karteeine Briefkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.11.1917]. vom 7. November. Ich freue mich sehr daß es Dir und den Kindern gut geht. Ich selber sandte Dir eine Postkarte am 8.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 8.11.1917. und ein Telegramm am 10.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 11.11.1917. Wedekind hat sich um einen Tag im Datum geirrt. Wenn Du schreibst, Du möchtest mir mit Deinen Briefen nicht auf die Nerven fallenBriefzitat: „möchte Dir auch nicht noch mit meinen Briefen auf die Nerven gehen“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.11.1917]., dann müßte ich allerdings meinerseits dasselbe fürchten. Ich glaube bei den großen Verkehrsschwierigkeitenkriegsbedingte Verzögerungen in der Postzustellung. tun wir beide gut daran nicht so empfindlich zu sein. Morgen AbendDer Wedekind-Abend am 17.11.1917 im Literarischen Klub (siehe unten) begann um 20 Uhr: „Der Literarische Klub des Lesezirkels Hottingen nimmt am Samstag abend 8 Uhr seine Wintersitzungen auf. Frank Wedekind wird in dieser ersten Sitzung aus eigener Dichtung ‒ erzählender und lyrischer ‒ vorlesen.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2157, 16.11.1917, 1. Mittagsblatt, S. (2)] Eine Pressenotiz meldete: „Der Literarische Klub des Lesezirkels Hottingen nahm am 17. November seine Wintersitzungen auf. Sein neues gemütliches Lokal im ‚Freudenberg‘, welche reizvoll in Gärten gelegene Liegenschaft ihr Besitzer in entgegenkommendster Weise dem Klub zur Verfügung gestellt hat, konnte der Klub mit einem Frank Wedekind-Abend einweihen. [...] Bemerkt sei noch, daß die Sitzungen dieses Winters der Vizepräsident des Klubs, Hr. Dr. Robert Faesi leitet.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2207, 23.11.1917, 1. Mittagblatt, S. (2)] Er hat Wedekind zum Vortrag eingeladen [vgl. Wedekind an Robert Faesi, 25.10.1917]. habe ich einen Vortrag im hiesigen literarischen KlubDer Literarische Klub (Vorsitzender: Hans Trog) war dem Lesezirkel Hottingen (Vorsitzender: Hans Bodmer), der Literarischen Gesellschaft in Zürich, untergeordnet: „Literarischer Klub. Präsident: Dr. Hans Trog [...]. Sitzung jeden Samstag (im Winter). Klublokal: Hotel Bellevue.“ [Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil IV, S. 71] Vizepräsident war Robert Faesi (siehe oben). werde dabei versuchen einige LiederWedekind hat für seinen Vortrag im literarischen Klub (siehe oben) ein Programm entworfen, das „19 durchnumerierte Liedtitel“ verzeichnet (5 davon angekreuzt: „Das Lied vom armen Kind“, „Das ist einfach wundervoll“, „Brigitte B.“, Tanz mein Liebchen“, „Die Hunde“), zum Teil „mit Tonartangabe.“ [KSA 1/IV, S. 1336] zu singen. Am 28 NovemberWedekind notierte am 28.11.1917 „Vortrag in Davos.“ [Tb] Das war eine „Herakles“-Lesung im Kurhaussaal. soll ich in Davos vortragen und am 6 DezemberWedekind notierte am 6.12.1917: „Vortrag in Aarau.“ [Tb] Das war ebenfalls eine „Herakles“-Lesung. in Aarau. Dazwischen kommen noch zwei VorstellungenDie Presse meldete nach der Uraufführung am 15.11.1917 eine erste Wiederholungsvorstellung am 20.11.1917 (Dienstag): „Im Pfauentheater ist für Dienstag die zweite Aufführung von Wedekinds neuem Drama ‚Schloß Wetterstein‘ angesetzt, wieder mit Wedekind als Gast.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2177, 19.11.1917, 3. Morgenblatt, S. (1)] Die zweite Wiederholungsvorstellung notierte Wedekind irrtümlich am 21.11.1917 (statt am 22.11.1917): „Dritte Vorstellung Schloß Wetterstein“ [Tb]; angekündigt war sie für den 22.11.1917 (Donnerstag): „PFAUEN-THEATER Donnerstag, abends 7½ Uhr: Gastspiel Frank Wedekind: Schloss Wetterstein, Drama von Wedekind.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 13, Nr. 323, 22.11.1917, 1. Blatt, S. (4)]. Die Gesellschaft hierStefan Zweig traf am 14.11.1917 mittags in Zürich ein und notierte: „Dann ins Café Odeon, die Heimat der Refractäre, Revolutionäre, Desertöre. Dort ist Trog, biederer, langweiliger Schwyzer, ein paar alldeutsche Deutsche, aber schon kleinlaut, Paul Ilg, der mir gut gefällt trotz der Maulfaulheit. Wolfgang Heine und Wedekind. Heine, ein sanfter Professor der Socialdemocratie, lau, vorsichtig. [...] Zum Nachtmahl mit Wedekind und Ehrenstein. Wedekind erzählt viel vom alten Zürich – das heutige hat Analogie mit dem von 1848, wo es willig unwillig Weltmittelpunkt war im geistigen Sinne.“ [Tb Zweig] Wedekind hat Stefan Zweig dem Tagebuch zufolge am 6.12.1912 in München persönlich kennengelernt („In Kutschers Seminar lese ich Brand von Egliswyl und Rabbi Esra. Nachher RK mit Kutscher Stephan Zweig Friedenthal und einem Freund Weinhöppels“), ihm zu Weihnachten 1912 das Manuskript der frühen Fassung des „Marquis von Keith“ („Ein gefallener Teufel“) mit einer Widmung geschenkt [vgl. Wedekind an Stefan Zweig, 25.12.1912], ihn am 10.6.1913 in Wien getroffen („Stefan Zweig holt uns zu einer Automobilfahrt nach dem Kobenzl wo wir Werfel Hasenklever und Janowitz treffen“), am 15.9.1913 in Berlin („Paul Cassirer e.ct. St. Zweig Bernauer“) und am 13.5.1914 wieder in Wien („Banket bei Meißl und Schader. Tilly einzige Dame Stefan Zweig“). Wolfgang Heine, Rechtsanwalt beim Berliner Landgericht I, II und III sowie SPD-Reichstagsabgeordneter in Berlin (Turmstraße 4) [vgl. Berliner Adreßbuch 1918, Teil I, S. 985], lernte er vermutlich erst 1917 in Zürich kennen. hat | sich um den Reichstagsabgeordneten Wolfgang Heine und Stephan Zweig vermehrt. Bei Arminbei seinem Bruder Armin Wedekind, Arzt in Zürich (Seefeldstraße 86) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 621]. war ich erst zwei Mal. Armin lag während der Ferien, die er in Lenzburg verbringen wollte an einem Katarrh zu Bett. Dagegen war ich mehrmals mit Armin jun. zusammenmit seinem Neffen Armin Wilhelm Gottlieb Wedekind, der soeben zum Dr. med. promoviert worden war., der seinen Vater während dessen Unwohlsein vertrat.

Nun leb wohl, liebe Tilly. Mitte Dezember hoffe ich wieder in München zu sein. Grüße und küsse die Kinder von mir und sei selber innig geküßt
von Deinem
Frank


Grüße bitte Hans Karl und Martha von mir.

Tilly Wedekind und Martha Newes schrieben am 18. November 1917 in Passau folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Königreich Bayern
Postkarte


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Zürich
Elite Hotel


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50 III.

18. Nov.17. Geliebter Frank, Marthl hat heute in Passau gastiert in einem Märchennicht ermittelt. u. im „Renaissanceim Passauer Stadttheater, einem Renaissancegebäude.. Hans Carl | ist nicht mit, so bin ich mit ihr gefahren. Die Fahrt gestern war endlos u. eiskalt, in der selben Zeit hätte ich schon fast in Zürich sein können. Marthl hatte hier noch Proben u. ich habe unglaublich viel gekauft. Die Stadt ist entzückend, leider ist das Wetter nicht gut. Vielleicht fahren wir doch mal zusammen her u. spielen „KammersängerTilly und Frank Wedekind sind nicht mehr zusammen aufgetreten; im Stadttheater in Passau (Direktion: Ludwig August Wesselsky) sollte dann im nächsten Frühjahr Tilly Wedekinds Schwester Martha Müller (geb. Newes) die Rolle der Helene Marowa und Rolf Randolf die Titelrolle des Gerardo in „Der Kammersänger“ spielen, wie aus Heinrich Lautensacks in Passau geschriebenem Brief an Emil Faktor vom 10.3.1918 hervorgeht [vgl. Martin 2018, S. 153].. Mit den Kindern hab ich heute telephoniert. Am Liebsten hätte ich sie mitgenommen, dass sie das Märchen sehen, es ist reizend! Aber es wäre zu umständlich gewesen. Marthl war wirklich ausgezeichnet. Morgen Früh fahren wir zurück nach München.

Innigen Kuss, Deine Tilly


[am linken und rechten Rand auf Seite 2 um 90 Grad gedreht:]

Viele herzliche Grüsse auch von mir
lieber Frank Deine Martha

Frank Wedekind schrieb am 19. November 1917 in Zürich folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

19.11.17. Geliebteste Tilly! Eben erhalte ich Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 9.11.1917. vom 9. Meinen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.11.1917. wirst Du derweil bekommen haben. Ich schrieb am 16. MorgenDie zweite Vorstellung nach der Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ am 15.11.1917 im Pfauentheater (eine Spielstätte des Stadttheaters) fand am 20.11.1917 statt, wieder um 19.30 Uhr: „PFAUEN-THEATER Dienstag, abends 7½ Uhr: Gastspiel Frank Wedekind: Schloss Wetterstein, Drama von Wedekind.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 13, Nr. 321, 20.11.1917, 1. Blatt, S. (4)] Elisabeth Bergner, als Schauspielerin am Stadttheater Zürich engagiert [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 633], spielte die Rolle der Effie. soll die 2. Vorstellung von Wetterstein stattfinden, ist aber in Frage gestellt wegen Erkrankung von Frl Bergner (Effie). VorgesternDer vom Literarischen Klub veranstaltete Wedekind-Abend am 17.11.1917 war gut besucht. „Der Literarische Klub des Lesezirkels Hottingen“ nahm seine „Wintersitzungen“ mit jenem „Frank Wedekind-Abend“ auf: „Der außerordentlich zahlreiche Besuch bewies, welche Anziehungskraft dieser Autorname bei uns heute besitzt. Frank Wedekind las zuerst die prachtvoll anschauliche, das sachlich-realistisch erzählte Geschehen gewissermaßen ins Symbolische steigernde Novelle ‚Der Brand von Egliswil‘, eine ausgezeichnete Schöpfung seiner Frühzeit, mit suggestiver Eindringlichkeit vor, so daß sie zu tiefer Wirkung kam. Und dann sang er zur Laute in meisterlichem Kabarettstil eine Fülle seiner Lieder, von jenen Sachen, die den balladesken Ton bei ganz modernem Inhalt so glänzend treffen. Ein wahrer Genuß ist, wie Wedekind durch seinen Vortrag, der nichts überflüssig und aufdringlich unterstreicht, diese zum Teil recht ungenierten Dichtungen zu objektiv-künstlerischer Wirkung zu bringen weiß. Das Auditorium dankte dem Dichter durch begeisterten Beifall.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2207, 23.11.1917, 1. Mittagblatt, S. (2)] Abend hatte ich Vortrag im Hott Literarischen Klub, einer Herrengesellschaft, ich las Brand von EgliswylWedekind las am 17.11.1917 vor dem Literarischen Klub (siehe oben) seine frühe Erzählung „Der Brand von Egliswyl“ [KSA 5/I, S. 206-213] (1897), die zuerst im „Simplicissimus“ publizierte werden sollte, zuerst aber in der Sammlung „Die Fürstin Russalka“ (1897) erschien, dann überarbeitet im Band „Feuerwerk“ (1906) und schließlich nochmals leicht geändert im ersten Band der „Gesammelten Werke“ (1912) [vgl. KSA 5/I, S. 415f.]. Die Erzählung „handelt von dem Schicksal des Bauernknechts Hans, der sich, infolge sexuellen Versagens hoch erregt, dazu getrieben fühlt, ein ganzes Dorf anzuzünden.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 360] und sang einige LiederWedekind hat für seinen Vortrag im Literarischen Klub (siehe oben) ein Programm entworfen, das 19 Liedtitel zum Teil mit Tonartangabe verzeichnet [vgl. KSA 1/IV, S. 1336], darunter das im nächsten Brief Wedekinds genannte Lied „Die sieben Rappen“ [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917].. Du hast Dich derweil ganz neu einrichten müssen, hoffentlich bewährt sich die neue Köchinvermutlich Johanna Fuß [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.11.1917]. besser. Aber daß Du gar nichts mitmachst, wie Du auf Deiner Karte schreibst, entspricht durchaus nicht meinen Wünschen. Du wirst derweil wohl auch schon Zerstreuung gefunden haben. | Grüße und küsse die Kinder von mir. Auch an Hanskarl und Martha beste Grüße. Hier ist herrliches Herbstwetter. Deine Grüße an die BahnhofstraßeBriefzitat: „Grüß’ mir die geliebte Bahnhofstr. u. den See“ [Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 8.11.1917]. und den See habe ich ausgerichtet.

Mit innigem Kuß
Dein
Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Texte.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50

Tilly Wedekind schrieb am 20. November 1917 in München folgendes Telegramm
an Frank Wedekind

Schweiz. Telegraphen- und Telephonverwaltung. – Administration des télégraphes et des téléphones suisses. – Amministrazione deitelegrafi e dei telefoni svizzeri.


Telegramm – Télégramme – Telegramma


München [...]


Adresse – Indirizzo rp 10 =
frank wedekind elite hotel zuerich


= seit 12.seit dem 12.11.1917. ohne nachricht bin sehr in sorge
= innigst tilly wedekind

Frank Wedekind schrieb am 21. November 1917 in Zürich folgenden Brief
an Tilly Wedekind

ELITE-HOTEL ZÜRICH

Nüschelerstrasse 6 Bahnhofstrasse 41


Modernster Comfort der Neuzeit
Fliessendes Kalt- und Warmwasser in allen Zimmern
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Hotel Waldrand und Pension Regina Kandersteg


Direktion: H. DETTELBACH-EGER


Zürich, 21. November 1917.


Geliebte Tilly!

Herzlichsten Dank für Deinen Brief vom 16.vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917. und Deine lieben Karten. Deine Nachrichten waren mir eine große Freude. Die Probenfür die Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ am 15.11.1917 im Pfauentheater in Zürich. zu Wetterstein namenSchreibversehen, statt: nahmen. rund acht Tage in Anspruch. Mir fiel meine RolleWedekind spielte in der Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ (siehe oben) die männliche Hauptrolle des Rüdiger Freiherr von Wetterstein. gar nicht leicht. Die Effiedie weibliche Hauptrolle in „Schloß Wetterstein“, in der Uraufführung (siehe oben) von Elisabeth Bergner gespielt. war ausgezeichnet, ist aber ein kapriziöses Luder die seitdem immer mit Absagen droht. Morgen soll Wetterstein zum dritten MaleWedekind notierte versehentlich am 21.11.1917 (statt am 22.11.1917): „Dritte Vorstellung Schloß Wetterstein“ [Tb]. Die dritte Vorstellung fand am 22.11.1917 statt: „PFAUEN-THEATER Donnerstag, abends 7½ Uhr: Gastspiel Frank Wedekind: Schloss Wetterstein, Drama von Wedekind.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Jg. 13, Nr. 323, 22.11.1917, 1. Blatt, S. (4)] sein. Dann habe ich noch einen Vortrag | in DavosWedekinds „Herakles“-Lesung am 28.11.1917 im Kurhaussaal in Davos; er notierte am 27.11.1917 „Fahrt nach Davos“ [Tb], am 28.11.1917 „Vortrag in Davos.“ [Tb] und einen in AarauWedekinds „Herakles“-Lesung am 6.12.1917 in Aarau, wie er notierte: „Vortrag in Aarau.“ [Tb]. Ich hoffe zwischen dem 7. und 11. Dezember zurückfahren zu können sodaß ich zu Annapamelas GeburtstagPamela Wedekinds 11. Geburtstag am 12.12.1917. zu Hause wäre. Aber sicher ist es natürlich nicht, daß ich den Paß rechtzeitig erhalte. Letzten SamstagDer Wedekind-Abend am 17.11.1917 im Literarischen Klub in Zürich hatte großen Erfolg. „Der außerordentlich zahlreiche Besuch bewies, welche Anziehungskraft dieser Autorname bei uns heute besitzt. Frank Wedekind las zuerst die prachtvoll anschauliche, das sachlich-realistisch erzählte Geschehen gewissermaßen ins Symbolische steigernde Novelle ‚Der Brand von Egliswil‘, eine ausgezeichnete Schöpfung seiner Frühzeit, mit suggestiver Eindringlichkeit vor, so daß sie zu tiefer Wirkung kam. Und dann sang er zur Laute in meisterlichem Kabarettstil eine Fülle seiner Lieder, von jenen Sachen, die den balladesken Ton bei ganz modernem Inhalt so glänzend treffen. Ein wahrer Genuß ist, wie Wedekind durch seinen Vortrag, der nichts überflüssig und aufdringlich unterstreicht, diese zum Teil recht ungenierten Dichtungen zu objektiv-künstlerischer Wirkung zu bringen weiß. Das Auditorium dankte dem Dichter durch begeisterten Beifall.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2207, 23.11.1917, 1. Mittagblatt, S. (2)] las ich im Literarischen Klub Brand von Egliswyl und sang dann zur Laute ein Dutzend LiederWedekind hat für seinen Vortrag im Literarischen Klub (siehe oben) ein Programm entworfen, das 19 Liedtitel zum Teil mit Tonartangabe verzeichnet [vgl. KSA 1/IV, S. 1336], darunter das Lied „Die sieben Heller“ [KSA 1/III, S. 90-93], das als Lied seit der ersten Fassung von 1901 stets diesen Titel trug [vgl. KSA 1/III, S. 733-741], als Gedicht aber den Titel „Die sieben Rappen“ [KSA 1/I, S. 376f.] – so zuerst am 10.10.1896 im „Simplicissimus“ und dann wieder in der Gedichtsammlung „Die vier Jahreszeiten“ (1905) [vgl. KSA 1/II, S. 1367f.]. Wedekind bemerkte allerdings 1917: „Ursprünglich hieß das Lied ‚Die sieben Rappen‘ denn es ist in der Schweiz entstanden.“ [KSA 1/III, S. 742] Im Programmentwurf ist es unter diesem Titel aufgeführt. hintereinander. Dadurch wurde eine vorzügliche Stimmung erzeugt. Am besten gefielen die 7. Rappendas Lied „Die sieben Rappen“ (siehe oben), das „zu den Vortragsstücken Wedekinds mit hoher Publizität“ [KSA 1/III, S. 742] gehört.. Es war übrigens nur Herrengesellschaft. Überanstreng Dich nur nicht mit dem KochenTilly Wedekind lernte von ihrer neuen Köchin kochen und backen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917]., daß Du es Dir selber nicht zu rasch verleidest. Horwitz schreibtHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Horwitz an Wedekind, 10.11.1917. – Kriegsbedingt erfolgte die Postzustellung nur verzögert (der Postweg dauerte einige Tage bis gelegentlich über eine Woche), so dass unklar ist, wann es Wedekind vorlag., ob wir am 6. Dezember Überfürchtenichts spielen können. Das ist nun leider nicht möglich, da am selben Tag der Vortrag in Aarau stattfinden soll. Von Deiner KusineEugenie von Sadkowski in Zürich, für die Tilly Wedekind von ihrem Mann eine Freikarte für „Schloß Wetterstein“ erbeten hatte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917]. habe ich noch nichts gesehen und gehört. Ich müsteSchreibversehen, statt: müßte. ihr direkt schreiben aber da | der DirektorDr. h.c. Alfred Reucker (Duforstraße 185), „Direktor des Stadttheaters“ [Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 456], zugleich des Pfauentheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 633]. kein großer Freund von Freikarten ist, habe ich das bis jetzt unterlassen. Für Bertl freut es mich ungemein, daß er wieder bei der BankWedekinds Schwager Dagobert Newes war für seine Arbeit bei der Bank, bei der er angestellt war, vom Militärdienst freigestellt worden [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917]. ist. Grüße ihn bitte herzlich von mir wenn Du ihm schreibst. Gestern bekam ich auch Anna Pamelas Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Pamela und Kadidja Wedekind an Frank Wedekind, 14.11.1917.. Ich werde ihr eine Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.11.1917. schreiben, die aber natürlich nicht so rasch ankommt wie dieser Eilbrief. Mit Armin sen. Hatten sich die Beziehungen etwas gelockert weil er mir mein Geld noch nicht bezahlt hatte, mit Armin jun. weil er sich in die Theaterangelegenheiten mischte, aber beides ist auf dem Wege der Entspannung. Es freut mich, liebe Tilly daß Du Dich gut unterhältst. HoffenlichSchreibversehen, statt: Hoffentlich. bist Du dann auch vergnügt und munter wenn wir uns wiedersehen. Nächsten Sonntagder 25.11.1917. soll ich mit Legationsrat von Simsonder auf dem Deutschen General-Konsulat in Zürich tätige Legationssekretär Hermann von Simson (Tobelhofstraße 20) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 542], zuvor als Legationsrat verzeichnet (und unter dem Namen Hermann von Simson-Rauhaus, da mit Marianne Rauhaus verheiratet) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1917, Teil I, S. 520]. bei Eugène d’Albertbei dem Pianisten und Komponisten Eugen d’Albert (Freudenbergstraße 87) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 6], der auf dem Zürichberg (im Stadtkreis 7) wohnte; Wedekind war seit vielen Jahren mit ihm bekannt. zu Abend essen. Ich war | schon einmal einen Abend dortnicht ermittelt; ein Abend bei Eugen d’Albert (siehe oben) jedenfalls während Wedekinds derzeitigem Aufenthalt in Zürich seit dem 4.11.1917 (frühestens am 7.11.1917). aber allein. Sie wohnen in der Nähe vom Rigiblickdie Seilbahnstation (eröffnet 1901) auf dem Zürichberg, von der aus man einen weiten Blick bis zum Rigi, dem Bergmassiv in der Zentralschweiz, hatte. jenseits der Kirche Flunterndie Kirche in Fluntern, seit 1893 Stadtteil von Zürich., mit herrlicher Aussicht auf den Seeder Zürichsee. und das LimmatthalTal in Zürich; vom Zürichsee aus fließt die Limmat zur Aare.. Gestern waren sie in Schloß Wettersteinin der zweiten Vorstellung am 20.11.1917..

Nun leb wohl, Geliebte, auf baldiges Wiedersehn. Hoffentlich bekomme ich den PaßWedekind hat die Münchner Polizeidirektion um ein Paßvisum für die Schweiz bis 15.12.1917 über das Deutsche General-Konsulat in Zürich ersucht [vgl. Wedekind an Polizeidirektion München, 21.11.1917].. Grüße und Küsse die Kinder und sei selber innigst geküßt von
Deinem
Frank

Frank Wedekind schrieb am 21. November 1917 in Zürich folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


=tilly wedekind
prinzregentenstrasse 50muenchen =

München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Zürich [...]


zwei briefder bereits versandte Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.11.1917] und der angekündigte Eilbrief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)]. eine karteeine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.11.1917]. unterwegs dank fuer eilbrief vom 17vom 17.11.1917. Wedekind teilt das Empfangsdatum des zuletzt von seiner Frau erhaltenen Briefs mit [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917].eilbrief folgtvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief). innigen kuss = frank wedekind

Tilly Wedekind schrieb am 22. November 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


Donnerstag, 22.11.17

München.


Geliebter Frank,

gestern kam Dein liebes Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Telegramm). u. Dein lieber Brief vom 16.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.11.1917. Ich war sehr froh darüber, denn die Nachrichten aus ZürichPresseberichte über die politischen Unruhen vom 15. bis 17.11.1917 in Zürich, deren Höhepunkt am 17.11.1917 eine „gegen die Munitionsfabriken gerichteten Kundgebung“ war, bei der es „zu schweren Ausschreitungen“ kam, bei denen die „Polizei [...] schoß“ [Die Ursachen der Züricher Krawalle (Meldung der Schweizer Depeschen Agentur). In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 592, 19.11.1917, Abend-Ausgabe S. (2)], es zu Verhaftungen, Toten und Verletzten kam [vgl. Die Ausschreitungen in Zürich. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 587, 20.11.1917, Morgen-Ausgabe, S. 1]; an den „durch Friedenspropagandisten und extreme Sozialisten veranlaßten Unruhen“ [Abermalige Tumulte in Zürich. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 585, 19.11.1917, Morgen-Ausgabe, S. 4] hatten „anarchistisch und kommunistisch orientierte, aus Deutschland stammende Personen teilgenommen, die in die Schweiz geflüchtet waren, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen, oder die schon Jahre vor Beginn des Krieges [...] in der Schweiz lebten.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 363] Einem „Drahtbericht“ aus Zürich zufolge, der die Entdeckung von Bomben am 19.11.1917 vor „zwei Polizeiwachen in Zürich“ meldet, ging es bei den Unruhen auch um die kriegsbedingte „Verteuerung der Lebenshaltung“ [Die Unruhen in Zürich. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 590, 21.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2]. waren sehr BesorgnissSchreibversehen, statt: Besorgnis. erregend. Hoffentlich ist jetzt wieder Ruhe.

Zu dem Erfolgder Erfolg der Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ am 15.11.1917 im Pfauentheater in Zürich. von „Schloss Wetterstein“ gratuliere ich Dir herzlich. Vielleicht lag’s doch daran, dass es den Schauspielern noch zu neu war, dass es Dir lang erschien. Oder vielleicht lässt’s sich’s etwas kürzen? |

Ich las auch schon eine sehr schöne ZeitungsnotizeTilly Wedekind las in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ die „Kleine Chronik“ betitelte Notiz (gezeichnet: F.): „Wie unser Korrespondent aus Zürich drahtet, fand Frank Wedekinds Schauspiel Schloß Wetterstein, das stellenweise gedankentief, aber undramatisch wirkte, bei der Uraufführung geteilten Beifall. Wedekind spielte die Hauptrolle.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 581, 16.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2] darüber. War Jenny drin?Tilly Wedekind hatte ihren Mann um eine Freikarte für ihre Cousine Eugenie von Sadkowski für die Inszenierung von „Schloß Wetterstein“ im Pfauentheater gebeten [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917]. Und Deine Verwandten?

Bis 6. December hast Du also zu tun. Kommt ausser Wetterstein nichts mehr? Keine WiederholungDer „Erdgeist“ mit Elisabeth Bergner als Lulu (im Sommer 1917 in Zürich von Tilly Wedekind dargestellt) wurde nach Frank Wedekinds Gastspielpremiere am 6.11.1917 im Stadttheater Zürich noch einmal am 29.11.1917 – „Erdgeistvorstellung im Pfauentheater“ [Tb] – gespielt, nun um 19.30 Uhr im Pfauentheater: „Im Pfauentheater ist für den Donnerstag eine Wiederholung in gewohnter Weise von Wedekinds ‚Erdgeist‘ angesetzt. Wedekind wird wieder den Dr. Schön spielen. Es ist dies für längere Zeit das letzte Gastspiel Wedekinds an unserer Bühne. Beginn 7½ Uhr.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2247, 29.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (3)] von „Erdgeist“?

Vorgestern besorgte ich mit Pamela die Armband Uhr die sie sich zum Geburtstag wünscht. Ich fand eine sehr hübsche, billige. Schwarz Stahl an einem grauen Lederriemchen für 18 M. Für das Werkdas Uhrwerk. wird 1 Jahr garantiert. Alle rieten auf 30 M. als ich die Uhr zeigte. Sonst wünscht sie sich noch Handschuhe, Briefpapier u. ein Buch. Ich hab schon so ziemlich alles. |

Dann war ich bei Frau Albubei Jenny Albu (geb. Fischer), Gattin des Schriftstellers Eugen Albu (Kufsteinerplatz 2) [Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 6]. zu einem Damenthee, es war sehr nett. AbendsTilly Wedekind besuchte am 20.11.1917 um 19 Uhr die Vorstellung von Anton Tschechows Stück „Der Kirschgarten“ (1903) in den Münchner Kammerspielen: „Gastspiel Emmy Remolt vom Hoftheater in Stuttgart / Der Kirschgarten / Tragikomödie in vier Aufzügen von Anton Tschechow. Bühnenmusik von Hermann W. v. Waltershausen“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 587, 20.11.1917, General-Anzeiger, S. 2]. Die Regie führte Paul Kalbeck. war ich in „Kirschgartenv. C/T/schechow in den Kammerspielen. Es hat mir sehr gefallen, wurde auch gut gespielt. Gestern war ich bei Frau Prof. Kutscherbei Betti Kutscher (geb. Pachtner), die zweite Ehefrau des außerordentlichen Professors Dr. phil. Artur Kutscher (Kaulbachstraße 77) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 400]., wo es Einiges abzuholen gab. Sie lassen Dich grüßen.

Nächstens Dienstag will ich einen größeren Damenthee geben. Frau Dr. Halbe u. Schwester, Frau Dir. Stollberg, Frau Prof. Dressler, Fr. Mann, Fr. Dr. Feuchtwanger, Fr. B. Wedell, Marthl u. ich. Hoffentlich kommen alle.

Abends 8 Uhr20 Uhr..

Mittags kam gerade Frau B. Wedell, als ich bis hierher geschrieben hatte. Sie holte Einiges bei mir ab, wir haben ja jetzt immer Tauschgeschäfte. Sie war recht | bedrückt die Arme, so bat ich sie zu Tisch zu bleiben. Dann blieb sie noch nach Tisch u. ich begleitete sie u. giengSchreibversehen, statt: ging. dann zu Marthlzu ihrer Schwester Martha Müller (geb. Newes) in München (Hiltensbergerstraße 32) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 496].. Alle lassen Dich grüßen. Eben las ich auch von „Schloss Wettersteinin den Neuestenin den „Münchner Neuesten Nachrichten“ den Bericht über die Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ am 15.11.1917 im Pfauentheater sowie über Wedekinds „Herakles“-Lesung im Lesezirkel Hottingen am 5.11.1917 und seinen Vortragsabend am 17.11.1917 im Literarischen Klub in Zürich: „Seit etwa einem Jahr hält sich Frank Wedekind wieder in Zürich auf. In den letzten Monaten spielte der Gast sehr häufig im hiesigen Pfauentheater die Hauptrollen seiner eigenen Werke. Vor vierzehn Tagen las er in der Tonhalle mit bedeutendem Erfolg sein neues Drama ‚Herakles‘ und in dieser Woche, im literarischen Klub des Lesezirkels Hottingen, eine prachtvolle Schweizernovelle und sang, zur Laute, eine Anzahl der gelungenen tragikomischen Lieder aus seiner Münchner Ueberbrettlzeit. Und endlich gelangte Wedekinds schon lange im Druck vorliegendes Schauspiel Schloß Wetterstein im Pfauentheater zur Uraufführung. Man wird dem Dichter keinen Vorwurf daraus machen dürfen, aus Schloß Wetterstein kein formgerechtes Drama geschaffen zu haben. In dem Vorworte zu seinem Werke erklärt er selbst, daß er das gar nicht beabsichtige. Vielmehr wollte er nur seine Ansichten über die inneren Notwendigkeiten, auf denen Ehe und Familie beruhen, entwickeln. Im lebhaften Dialog, in Form von paradoxalen und aphoristischen Aussprüchen offenbart Wedekind seine Betrachtungen und deren Widerlegungen über das Weib, über Liebe, Ehe und Treue. Ueberall verspürt man den Ernst der Persönlichkeit; die Probleme werden nach ihrem vollen tragischen Gehalt behandelt. So interessierte in Schloß Wetterstein am meisten die Persönlichkeit des Dichters. Einzig der erste Akt weist eine abgeschlossene Handlung auf: eine reiche Witwe heiratet den Mörder ihres Gatten. Dieser erste Akt wurde durch stärkeren Beifall ausgezeichnet; nach dem loseren zweiten Akt war der Beifall schwächer; nach dem völlig phantastischen dritten Akt endlich wurden neben einigem Händeklatschen auch Pfiffe hörbar. Die Aufführung leitete der Dichter, der auch der Rolle des Freiherrn v. Wetterstein spielte.“ [B. Fn.: Uraufführung in Zürich. In: Münchner Neuesten Nachrichten, Jg. 70, Nr. 592, 22.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2]., u. von Deinem Vortrag. Schade, dass ich die Vorstellung nicht sehen kann.

Den Kindern gehts Gottlob sehr gut. Die Kleine spielt mir gern Vormittag was vor, wenn ich nicht mit der Köchinvermutlich Johanna Fuß [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.11.1917]. zum Einkaufen gehen/./ Dann haben wir zusammen eine Püppchen aus Wolle fabriziert. Pamela’s Tanz- u. Klavierstunden will ich auch in Angriff nehmen.

Nun lebwohl für heute. Sei innig umarmt u. geküsst u. lass’ es Dir recht gut gehen.

Deine Tilly

Tilly Wedekind schrieb am 24. November 1917 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

T. W.


München, 24.11.17


Geliebter Frank,

herzlichen Dank und Kuss für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.11.1917. u. den Eilbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)., der gestern kam. Die Karte an Pamelanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.11.1917. kam heute schon. Es freut mich sehr, dass Du solche Erfolge hast u. dass es Dir gut geht. Auch ich hoffe von Herzen, dass das so bleibt, wenn wir beisammen sind u. K/k/einer den andern bedrückt oder beengt.

Wenn Du jetzt nach Davos u. Aarau fährstWedekind hatte „Herakles“-Lesungen am 28.11.1917 in Davos und am 6.12.1917 in Aarau [vgl. Tb]., wirst Du wohl länger ohne Nachricht sein, denn meine Briefe werden Dich nicht erreichen. |

Es wäre sehr schön, wenn Du zu Pamela’s GeburtstagPamela Wedekinds 11. Geburtstag am 12.12.1917. zu Hause wärst, doch ist sie schon darauf vorbereitet, dass Du eventuell später kommst.

Der Vormittag ist allerdings vollständig mit Einkaufen u. Kochen ausgefüllt, doch strengt es mich gar nicht an, u. macht mir im Gegenteil Spaß. Heute haben wir Syrupplätzchenmit Sirup gebackene Plätzchen. gemacht für nächste Woche zum Damenthee, der übrigens auf Mittwoch verschoben ist. Gestern machten wir einen Apfelkuchen mit Hefenteig, er war sehr gut.

Vielleicht spielen wir später „ÜberfürchtenichtsFritz Horwitz hatte eine Aufführung von „Überfürchtenichts“ für den 6.12.1917 in München vorgeschlagen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)], was nicht zu realisieren war, da Wedekinds „Herakles“-Lesung in Aarau bereits für den 6.12.1917 angesetzt war. Frank und Tilly Wedekind traten nicht mehr zusammen auf; „Überfürchtenichts“ wurde erst posthum uraufgeführt..

Horwitz telephonierte auch wegen einer belgischen Tournee. Reise, Hotel u. sehr gutes Essen frei, ausserdem pro Tag | 100 M. Ich sagte ihm, er soll es Dir schreiben.

d’Albertsder Pianist und Komponist Eugen d’Albert und seine fünfte Ehefrau, die Pianistin Friederike (Fritzi) Jauner (Heirat am 17.12.1913); sie wohnten auf dem Zürichberg (Freudenbergstraße 87) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 6], wo Wedekind sie am 25.11.1917 ein zweites Mal besuchen sollte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)]. müssen ja herrlich wohnen, schat/d/e, dass ich nicht bei ihnen war. Grüße sie von mir.

Deine lieben Grüße an Bertl, werde ich ausrichten. Gestern war ich bei Alfred Meyer u. Frauentweder der Münchner Maler und Bildhauer Alfred Meyer (Ainmillerstraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 445] und dessen Gattin (nicht identifiziert) oder der Musiker Alfred Meyer (Schopenhauerstraße 4) [vgl. ebd.] mit Gattin (nicht identifiziert); einer von ihnen ist im Tagebuch mehrfach erwähnt – so am 13.8.1913 („im Nationalmuseum. Begegnung mit Alfred Meyer“), 6.2.1915 („Zum Thee Rosenthal und Frau Miriam Horwitz und Alfred Meyer“), 18.2.1915 („Konzert Eva Bernstein. Mit Tilly und Meyer HTR“) und 3.5.1915 („Friedenthal und Alfred Meyer zum Besuch“). zum Thee, (ich hatte sie bei der EröffnungDas von Alexander von Bernus in München gegründete Kunsthaus „Das Reich“ (Königinstraße 23) wurde am 12.11.1917 eröffnet [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. München, 13.11.1917]. des Kunsthauses „das Reich“ getroffen) Fr. Justizrat Bernstein u. eine Fr. Prof. Martinnicht identifiziert; die Gattin eines Professors. waren noch da, es war sehr nett. Fr. Justizrat ist operiert worden u. sieht viel besser. Ihre Tochter Eva freute sich sehr, dass Du in ihrem ConzertWedekind, der am 18.2.1915 „Konzert Eva Bernstein“ [Tb] notiert hatte, dürfte das zuletzt stattgefundene Konzert der jungen Geigerin Eva Bernstein (Tochter von Elsa und Max Bernstein) am 28.10.1917 um 20 Uhr besucht haben: „Eva Bernstein wird bei ihrem einzigen Geigen-Abend am Sonntag, 28. Oktober, 8 Uhr im Museum die Sonate Nr. 9 F-dur von Mozart, vier Stücke aus der Suite in a-moll von Reger und das Konzert f-moll von Lalo spielen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 539, 24.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3] Die Presse urteilte: „Eva Bernsteins feingebildete musikalische Natur, die jetzt ganz fest auf den eigenen Füßen steht, hat den Besuchern ihres letzten Konzertes anderthalb Stunden angenehmsten Genusses bereitet. Es liegt in ihrem Spiele, das sich technisch fortschreitend freier und überlegener, im Tone immer fülliger und satter gestaltet, der eigentümliche Reiz einer mit Schönheit Hand in Hand gehenden rührenden Jugendlichkeit, die warm um das Geheimnis der Musik wirbt und dort, wo sich ihr das Allerletzte noch nicht entschleiert haben kann, die Sehnsucht singen läßt.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 552, 31.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3] warst. Heute Nachmittag waren wir bei dem Tanz NachmittagTilly Wedekind besuchte mit ihren Töchtern und ihrer Schwester Martha Müller (geb. Newes) am 24.11.1917 um 16 Uhr den angekündigten „Tanz-Nachmittag“ der „Geschwister Reichert-Mariagraete“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 583, 17.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 4] in den Münchner Kammerspielen: „Nachmittags 4 Uhr: Tanz-Nachmittag Reichert-Mariagraete“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 595, 24.11.1917, General-Anzeiger, S. 2]. Eine frühere Darbietung war in der Presse gelobt worden: „Den Kern der Darbietungen bilden [...] die lieblich beschwingten und von einer unschuldsvollen, jugendlichen Begeisterung beseelten Tanzrhythmen Beatrice Mariagraetes. Und die Steigerung ins elegisch Vollere, leicht Melancholische durch Vera Mariagraete. Als hoffnungsvoller Nachwuchs gewissermaßen illustrierten das erste Stadium der Tanzkunst ein paar kleine, bewegliche Wesen, die wie ‚Spinnweb‘ und ‚Motte‘ aus Shakespeares ‚Sommernachtstraum‘ zu kommen schienen. Es gab reichen Beifall“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 526, 17.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3]. Im Jahr darauf berief man sich auf die „Geschwister Vera und Beatrice Mariagraete, welche in den Kammerspielen Münchens durch ihre eigenartige Tanzkunst Aussehen erregt haben“ [Tanzabend. In: Salzburger Volksblatt, Jg. 48, Nr. 105, 8.5.1918, S. 6]; und im Jahr davor hieß es: „Im Münchner Schauspielhaus haben die jugendlichen Wiener Tanzkünstlerinnen Primavera und Beatrice Reichert-Mariagraete einen Tanzabend veranstaltet und sehr starken, herzlichen Beifall gefunden. Die Natürlichkeit und anmutige Frische ihrer wirklich entzückenden Kunst ist über jedes Lob erhaben.“ [Neues Wiener Journal, Jg. 50, Nr. 43, 17.2.1916, S. 16] von den beiden Reichert Mariagräte in den Kammerspielen. Ich hatte 2 Freikarten, eine kaufte ich u. da saßen Martha u. ich mit beiden Kindern. Es war reizend! | Den Kindern gefiel es auch sehr! So frisch u. natürlich sind die beiden Mädeln. Allerdings bissel dick, aber sehr gut gewachsen u. sie können ziemlich viel.

Nun noch ein leidiger Punkt. Du sagtest, ich müsse das Geld nicht absolut ausgeben. Ich glaube wirklich, ich gebe nichts ü/Ü/berflüssiges aus. Meine Vergnügungen kosten nicht viel. Aber ich hatte viele Zahlungen, wie Du aus beigelegter Rechnung AufstellungDie Briefbeilage ist nicht überliefert. ersehen kannst u. dann muss man jetzt alles auf Vorrat kaufen. Ich habe jetzt auch viel Vorrat, wir haben natürlich das alles nicht gegessen. Gans, Hasen etz. wird eingeweckt, damit ich was habe wenn Du da bist. Dann brauchte ich schon lang eine Küchenwaage u. Gewichte. Der Installateur hat alle Gaslampen abgenommen, 3 Zugpendel für Elektrisch dazugegeben, Küchenlampe aufgemacht | 2 Steckkontakte gerichtet 4 Birnen geliefert etz. dafür sind 131.– M. nicht viel. Martha bezahlte für weniger Arbeit mehr wie 200 M.

Wenn Dir irgend was zu viel erscheint, können wir ja noch darüber reden.

Ich habe noch etwas über 200.– M. weil von den Kammerspielen 150 M. geschickt wurden u. ich ja ausser den 1000 M. noch etwas Geld hatte. Aber damit werde ich leider nicht reichen. Montag bekomme ich Schmierseife u. Waschpulver 50 das zu 1 M. Das ist nicht vil/e/l u. man muss froh sein, dass man’s bekommt. Und Ver|schiedenes ist mir noch angetragen, was man jetzt nötig braucht u. auch zu höheren PreißenSchreibversehen, statt: Preisen. kaufen muss. Wenn Du doch etwas Thee u. Kochchocolade mitbringen könntest! Davon habe ich ja nichts mehr.

Ich hoffe, Du bist nicht böse, dass ich noch Geld brauche. Vielleicht kannst Du mir direct von der BankWedekind hat die Dresdner Bank Filiale München per Eilbrief mit der Überweisung von 600 Mark an seine Frau beauftragt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917 (Telegramm)] und den Betrag von 600 Mark „An Tilly“ am 3.12.1917 im Kontobuch unter Dresdner Bank notiert. etwas schicken lassen, dassSchreibversehen, statt: das. wird Dir am Wenigsten Mühe machen.

Lebwohl Geliebter, lass es Dir weiter gut gehen u. sei innig geküsst von Deiner Tilly


P.S. Dr. Sinzheimer ist gestorbenDr. phil. Siegfried Sinzheimer (Leopoldstraße 71) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 692], der langjährige Chefredakteur der „Jugend“; in einem Nachruf auf ihn heißt es: „Vermählt war Dr. Sinzheimer mit Freiin von und zu der Tann. [...] Vor mehr als 20 Jahren trat der Verstorbene in die Redaktion der ‚Jugend‘ ein, in der ihn vor allem die Leitung des literarischen Teils beschäftigte. [...] Es gibt wohl kaum einen hervorragenden Schriftsteller unserer Zeit, zu dem der Verstorbene nicht in persönlichen Beziehungen gestanden hätte.“ [Dr. Siegfried Sinzheimer †. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 592, 22.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2f.] Einer davon war Wedekind, der in der „Jugend“ gelegentlich veröffentlicht hat., hast Du’s gelesen? Ich werde an die FrauTherese Sinzheimer (geb. von und zu der Tann), die Witwe von Siegfried Sinzheimer (siehe oben), den sie am 25.6.1891 in München geheiratet hatte, dann ausgewiesen als Schriftleiters-Witwe (Martiusstraße 4) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 713]. ein paar Zeilen schreiben.

Tilly Wedekind schrieb am 28. November 1917 in München folgende Postkarte
an Frank Wedekind

Express!


S.H. Herrn
Frank Wedekind
Zürich
Elite Hotel


Abs: Wedekind München
Prinzregentenstr. 50 |

Mittwoch, 28.11.17 Geliebter Frank, heute bist Du wohl in DavosWedekind notierte am 28.11.1917 seine „Herakles“-Lesung in Davos: „Vortrag in Davos.“ [Tb] u. findest die Karte erst bei Deiner RükkehrSchreibversehen, statt: Rückkehr. ‒ Wedekind notierte am 29.11.1917: „Rückfahrt nach Zürich.“ [Tb] Er trat abends im Pfauentheater in Zürich in „Erdgeist“ auf.. Hoffentlich fährst Du zwischen Davos u. AarauWedekind notierte am 6.12.1917 seine „Herakles“-Lesung in Aarau: „Vortrag in Aarau.“ [Tb] nach Zürich. Sonntagder 25.11.1917, an dem um 11 Uhr die Matinee in den Münchner Kammerspielen (Direktion: Otto Falckenberg) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 521] stattfand: „Münchner Kammerspiele [...] 11 Uhr: Morgenaufführung Heinrich Mann: Die Tote – Die Unschuldige“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 597, 25.11.1917, S. 6]. Heinrich Mann las seine Novelle „Die Tote“ (1915), zuerst erschienen in der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“ [Jg. 14, Nr. 4499, 4.4.1915, Beilage „Die Oster-Zeit“, S. 1-6], anschließend wurde sein Einakter „Die Unschuldige“ (1917) – entstanden auf der Grundlage der dialogisierten Novelle „Die Unschuldige“ (zuerst veröffentlicht am 3.5.1910 in „Die Fackel“) und soeben im Kurt Wolff Verlag erschienen [vgl. Heinrich Mann: Drei Akte. Der Tyrann / Die Unschuldige / Variété. Leipzig 1917, S. 35-65]– aufgeführt, ein Gastspiel von Ida Roland, wie angekündigt war: „Heinrich Manns Einakter Die Unschuldige“ werde „Sonntag vormittag“ mit „dem Gast Frau Roland“ gegeben (sie spielte die Hauptrolle der Gabriele), „Spielleitung Otto Zoff.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 595, 24.11.1917, Morgen-Ausgabe, S. 3] Vormittag war eine sehr interessante Matinée i. d. Kammerspielen. Heinrich Mann las eine Novelle u. dann wurde sein Stück „die Unschuldigemit der RolandIda Roland, die am 25.11.1917 in Heinrich Manns Einakter „Die Unschuldige“ in den Münchner Kammerspielen ein Gastspiel gab (siehe oben), seit 1915 mit Richard Nikolaus von Coudenhove-Kalergi verheiratet, war von 1911 bis 1913 an den Münchener Kammerspielen engagiert und in dieser Zeit noch mit dem damaligen Direktor Eugen Robert verheiratet. Sie stand dem Tagebuch zufolge seinerzeit für die weibliche Hauptrolle in „Oaha“ zur Debatte, wie Frank Wedekind am 3.12.1911 notierte („Bespreche mit Dr. Robert und der Roland Besetzung von Oaha“), die dann in der Uraufführung am 20.12.1911 von Tilly Wedekind gespielt wurde; sie war außerdem für die Titelrolle in „Franziska“ vorgeschlagen worden, wie er am 8.8.1912 festhielt („Kutscher fragt mich im Auftrage Roberts ob Ida Roland Franziska spielen könne“), die dann ebenfalls von Tilly Wedekind gespielt wurde. gespielt. Eine glänzende Leistung. Auf Fr. Albu’s Bitte musste ich den Thee auf heute verschieben, da Albu gestern Kainv. Byron lasEugen Albu las am 27.11.1917 um 16 Uhr Lord Byrons Schauspiel „Kain. Ein Mysterium“ (1821) in den Münchner Kammerspielen: „Nachmittags 4 Uhr: 2. Literarischer Nachmittag / Vorlesung Eugen Albu / Kain / Mysterium von Lord Byron“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 600, 27.11.1917, General-Anzeiger, S. 2], eine Lesung, die nicht gut besucht war: „An dem zweiten von den Kammerspielen veranstalteten Literarischen Nachmittag las Eugen Albu vor einer sehr kleinen Zuhörerschaft Byrons dreiaktiges Mysterium Kain in der Uebersetzung von Otto Gildenmeister, die die volle Wirkung des Originals übermittelt. Herr Albu brachte das Werk, das reich ist an tiefen und doch so vorbildlich klar gebauten Gedanken, im ganzen in recht würdiger Weise zum Vortrag, mit einem sinngemäßen edlen Pathos. Namentlich gelang es ihm, alle ernste und schwere Stimmung wiederzugeben, alle sanfte Stimmung aber, bei den männlichen und weiblichen Personen, übertrieb er ins Weichliche. Mitunter störte auch ein Uebermaß von Mimik.“ [v.H.: Vortrag. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 603, 28.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2f.]. Leider konnten durch die Verschiebung einige Damen nicht. Fr. Dir. Stollberg, Fr. Dr. Halbe, Fr. Prof. Dressler, Fr. Dr. Feuchtwanger u. Marthl waren da. Es giengSchreibversehen, statt: ging. alles gut. Viele BusserlnKüsse. v. d. Kindern. Gestern waren sie Schlittschuh laufen. Innigen Kuss, Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 30. November 1917 in Zürich folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


=tilly wedekind prinzregentenstrasse 50 muenchen =

München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Zürich [...]


= beauftragte dresdner bank durch eilbriefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Dresdner Bank Filiale München, 30.11.1917. – Wedekind kam der Bitte seiner Frau nach Geld [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917] nach und schrieb an die Bank. sechshundert markWedekind notierte den Betrag von 600 Mark „An Tilly“ am 3.12.1917 im Kontobuch unter Dresdner Bank. senden komme in acht tagenWedekind plante, am 8.12.1917 zurück nach München zu kommen. eilbrief folgtWedekind schrieb gleich nach dem Telegramm eine Postkarte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917], am nächsten Tag einen Brief [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.12.1917]. schoenste gruesse = frank wedekind.

Frank Wedekind schrieb am 30. November 1917 in Zürich folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Geliebteste Tilly! Das Schreibmaterial ist so schlecht daß ich dir von nun an lieber täglich eine Karte schreibe als Briefe mit Unterbrechung. Die 600 M.600 Mark; der Bitte seiner Frau nach Geld [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917] nachkommend hat Wedekind die Dresdner Bank Filiale München sogleich mit der Überweisung beauftragt und den Betrag von 600 Mark „An Tilly“ am 3.12.1917 im Kontobuch unter Dresdner Bank notiert. von der Dresdner Bank hast du hoffentlich schon erhalten. Vielleicht bezahlst Du davon auch die M. 19.19 Mark. Die Rechnung des Münchner Tuch- und Herrengarderobegeschäfts Wanner und Hecht (Dienerstraße 9) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Handels- und Gewerbe-Adreßbuch, S. 237] belief sich auf 19.50 Mark [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.11.1917]. an Wanner und Hecht. In Davos war es sehr schönWedekinds „Herakles“-Lesung am 28.11.1917 im großen Kurhaussaal in Davos, veranstaltet von der dortigen Literarischen Gesellschaft, war den „Davoser Blättern“ vom 29.11.1917 zufolge „ein voller Erfolg. Der dicht gefüllte große Kurhaussaal folgte dem prägnanten Vortrag der Herakles-Tragödie in atemloser Spannung.“ [KSA 8, S. 928] Und im Heft vom 8.12.1917: „Wedekind, in kühner, aufrechter Haltung, sprach zunächst in freiem Vortrag den Prolog seiner neuen Tragödie; dann setzte er sich auf dem turmartigen Podium auf einen leichten und mobilen Sessel und wetterte nun durch die Seiten seines schmalen Buches. Federnde Spannkraft hielt seinen Körper in straffer Haltung, packende Energie umriß das Mienenspiel. Draufgängerisch wurden die ersten Szenen durchjagt, kaum ein Atemschöpfen trennte Bild von Bild, dann und wann überschlugen die Finger eine Szene, während rasche Worte die Verbindung herstellten, dann prasselte wieder ungestüm die Wechselrede des meisterhaft geprägten Dialogs. Das dicht gedrängte Auditorium hing lautlos an diesem gebietenden Munde“ [KSA 8, S. 928f.]; die „Davoser Zeitung“ vom 30.11.1917 berichtete: „Frank Wedekind las – bis auf zwei Szenen – den ganzen Herakles, sein neuestes Werk. [...] Er las schnell, fast ohne Pausen, in vorzüglicher Sprachtechnik jedes Wort scharf herausarbeitend [...]. Ein fanatischer Wahrheitssucher sprach zu uns, ein Dichter, der sich seiner hohen sittlichen Aufgabe bewußt ist, der in seinem künstlerischen Ernste keine Konzessionen kennt.“ [KSA 8, S. 928] obschon ich in der Nacht vor dem Vortrag infolge Erkältung einen jämmerlichen Brechdurchfall hatte aber sonst verlief alles in schönster Harmonie. Gestern AbendWedekind notierte am 29.11.1917: „Erdgeistvorstellung im Pfauentheater“ [Tb] – nach seiner „Erdgeist“-Gastspielpremiere am 6.11.1917 im Stadttheater Zürich eine weitere Vorstellung um 19.30 Uhr nun im Pfauentheater: „Im Pfauentheater ist für den Donnerstag eine Wiederholung in gewohnter Weise von Wedekinds ‚Erdgeist‘ angesetzt. Wedekind wird wieder den Dr. Schön spielen. Es ist dies für längere Zeit das letzte Gastspiel Wedekinds an unserer Bühne. Beginn 7½ Uhr.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2247, 29.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (3)] letzte Erdgeistvorstellung. So habe ich nur noch den Vortrag in Aarau am 6.am 6.12.1917, an dem Wedekind seine „Herakles“-Lesung in Aarau notierte: „Vortrag in Aarau.“ [Tb] wenn der Agentder Impresario Michael Kantorowitz in Zürich (Dufourstraße 44), „Konzertdirektion, Theaterverlagsvertretungen, Schweizer Redaktion des ‚Theater Courier‘“ [Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 286]. nicht noch einen Vortrag in der Zwischenzeit arrangiert. Ich freue mich sehr nach der Rückkehr Überfürchtenichts mit dir zu spielenFrank und Tilly Wedekind traten nicht mehr zusammen auf; „Überfürchtenichts“ wurde erst posthum uraufgeführt.. Wegen der Turnée in BellgienSchreibversehen, statt: Tournee in Belgien. Die Tournee hat Fritz Horwitz vorgeschlagen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917]. bitte ich Dich, Herrn Horwitz zu sagen, daß ich im Prinzip damit einverstanden wäre. Unter | Uns gesagt möchte ich nur zuerst erfahren was in Berlin am Schillertheater mit Herrn Saltenburg los istWedekind bezieht sich auf ein Gerücht, der Schauspieler und Regisseur Heinz Saltenburg werde durch die Bühnen Max Reinhardts das von der Schillertheater-Aktien-Gesellschaft betriebene Schillertheater (Direktion: Max Pategg) in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 306] als Direktor übernehmen; in einer Pressenotiz war das bereits dementiert: „Die von anderer Seite gebrachte Nachricht, daß der ‚Reinhardt-Konzern‘ durch die Uebernahme des Schiller-Theaters O. unter dem neuen Direktor Heinz Saltenburg um ein neues Theater bereichert werden solle, ist nach einer Mitteilung der Direktion des Deutschen Theaters unzutreffend.“ [Theaterchronik. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 570, 7.11.1917, Abend-Ausgabe, S. (2)]. Das werde ich wissen sobald ich in München bin. Ich komme also voraussichtlich zwischen 6. und 12.zwischen dem 6. und 12.12.1917. Der PaßWedekind hatte von der Münchner Polizeidirektion das gewünschte Passvisum erhalten, welches er die Behörde nun noch dem Deutschen General-Konsulat in Zürich zu übermitteln bat [vgl. Wedekind an Polizeidirektion München, 30.11.1917]. scheint in Ordnung zu sein. Herzlich küßt und umarmt Dich und die Kinder
Dein Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Texte.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 III

Frank Wedekind schrieb am 1. Dezember 1917 in Zürich folgenden Brief
an Tilly Wedekind

ELITE-HOTEL ZÜRICH

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Direktion: H. DETTELBACH-EGER


Zürich, 1. Dezember 1917.


Geliebte Tilly!

Gestern nach dem Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917 (Telegramm). schickte ich Dir noch eine Postkartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917 (Postkarte).. Heute fällt mir ein, daß die ja wahrscheinlich wieder 6 – 7 Tage braucht um nach München zu gelangen. Also wiederhole ich alles noch einmal. Ich fahre voraussichtlich Ende nächster Woche. Was die Tournee nach Belgienvorgeschlagen von Fritz Horwitz [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917]. betrifft, so kann ich natürlich von hier aus nichts bestimmen. Vielleicht sagst Du Herrn Horwitz daß ich im Prinzip damit einverstanden wäre. Ich freue mich sehr darauf „Überfürchtenichtsmit Dir zu spielenFrank und Tilly Wedekind traten nicht mehr zusammen auf; „Überfürchtenichts“ wurde erst posthum uraufgeführt.. Vorgesternam 29.11.1917, an dem Wedekind notierte: „Erdgeistvorstellung im Pfauentheater“ [Tb] – nach seiner „Erdgeist“-Gastspielpremiere am 6.11.1917 im Stadttheater Zürich eine weitere Vorstellung um 19.30 Uhr nun im Pfauentheater: „Im Pfauentheater ist für den Donnerstag eine Wiederholung in gewohnter Weise von Wedekinds ‚Erdgeist‘ angesetzt. Wedekind wird wieder den Dr. Schön spielen. Es ist dies für längere Zeit das letzte Gastspiel Wedekinds an unserer Bühne. Beginn 7½ Uhr.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2247, 29.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (3)] Elisabeth Bergner spielte die Lulu. | war zum letzten Mal Erdgeist. Die Bergner war als Lulu sehr schwach, dagegen als EffieElisabeth Bergner spielte in der am 15.11.1917 im Pfauentheater in Zürich uraufgeführten „Schloß Wetterstein“-Inszenierung, bei der Wedekind die männliche Hauptrolle spielte und Regie führte, die weibliche Hauptrolle Effie. ausgezeichnet. Der Vortrag in Davos ging glatt vonstattenWedekinds „Herakles“-Lesung am 28.11.1917 im großen Kurhaussaal in Davos, veranstaltet von der dortigen Literarischen Gesellschaft, war den „Davoser Blättern“ vom 29.11.1917 zufolge „ein voller Erfolg. Der dicht gefüllte große Kurhaussaal folgte dem prägnanten Vortrag der Herakles-Tragödie in atemloser Spannung.“ [KSA 8, S. 928] Und im Heft vom 8.12.1917: „Wedekind, in kühner, aufrechter Haltung, sprach zunächst in freiem Vortrag den Prolog seiner neuen Tragödie; dann setzte er sich auf dem turmartigen Podium auf einen leichten und mobilen Sessel und wetterte nun durch die Seiten seines schmalen Buches. Federnde Spannkraft hielt seinen Körper in straffer Haltung, packende Energie umriß das Mienenspiel. Draufgängerisch wurden die ersten Szenen durchjagt, kaum ein Atemschöpfen trennte Bild von Bild, dann und wann überschlugen die Finger eine Szene, während rasche Worte die Verbindung herstellten, dann prasselte wieder ungestüm die Wechselrede des meisterhaft geprägten Dialogs. Das dicht gedrängte Auditorium hing lautlos an diesem gebietenden Munde“ [KSA 8, S. 928f.]; die „Davoser Zeitung“ vom 30.11.1917 berichtete: „Frank Wedekind las – bis auf zwei Szenen – den ganzen Herakles, sein neuestes Werk. [...] Er las schnell, fast ohne Pausen, in vorzüglicher Sprachtechnik jedes Wort scharf herausarbeitend [...]. Ein fanatischer Wahrheitssucher sprach zu uns, ein Dichter, der sich seiner hohen sittlichen Aufgabe bewußt ist, der in seinem künstlerischen Ernste keine Konzessionen kennt.“ [KSA 8, S. 928]. Ich habe auch dort das nötigeSchreibversehen, statt: Nötige. für ein eventuelles gemeinsames Gastspiel vorbereitet. Nächsten Donnerstagder 6.12.1917, an dem Wedekind seine „Herakles“-Lesung in Aarau notierte: „Vortrag in Aarau.“ [Tb] Im „Aargauer Tagblatt“ war am 4.12.1917 angekündigt: „Am nächsten Donnerstag findet der zweite der von der Literarischen und Lesegesellschaft veranstalteten Abende für Literatur und Kunst statt und zwar wird Frank Wedekind am Vortragspult erscheinen, um sein Drama ‚Herakles‘ vorzulesen“ [KSA 8, S. 929]. Das „Aargauer Tagblatt“ konstatierte am 7.12.1917 über die Lesung, es bleibe „vom gestrigen Abend wenigstens der fesselnde Reiz der einzigartigen Persönlichkeit Frank Wedekinds, der wieder einmal ganz lebendig geworden ist und uns alle unwiderstehlich in seinen Bann genommen hat.“ [KSA 8, S. 929] ist mein Vortrag in Aarau. Vielleicht noch kurz vorher oder am folgenden Tage einer in BadenEin Vortragsabend Wedekinds in der etwa 20 Kilometer von Zürich entfernten Stadt Baden fand nicht statt.. Gestern Abend sollte Frau Agnes Wedekind Die Sopranistin Agnes Wedekind-Klebe war an der Oper des Stadttheaters in Hamburg (verbunden mit dem Stadttheater in Altona) engagiert [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 438].hier in einem Tonhallekonzertein Konzert im Großen Saal der Tonhalle, dem Konzerthaus in Zürich, das am 30.11.1917 (Beginn: 19.30 Uhr) angezeigt war: „Heute Konzert“ der „Kammersänger Fritz Feinhals (Bariton) [...] Heinrich Hensel (Tenor)“ und „Agnes Wedekind (Sopran). [...] Konzertdirektion: M. Kantorowitz, Zürich.“ [Neue Züricher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2255, 30.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (4)] Das „Konzert Feinhals-Hensel-Wedekind“ war als ein Abend angekündigt, „der ein musikalisches Ereignis zu werden verspricht“, wenn sich „im großen Tonhallesaal Kammersänger Fritz Feinhals (München), Kammersänger Heinrich Hensel (Hamburg) und die Sopranistin Agnes Wedekind (Hamburg) vereinen. Die Künstler sind in der Schweiz bereits [...] auf das Vorteilhafteste bekannt; Kammersänger Hensel, der berühmte Parsifal und Siegfried der Bayreuther Festspiele, war jahrelang der führende Wagner-Tenor [...] in London sowie [...] in New-York. [...] Fritz Feinhals, der gefeierte Heldenbariton der Münchner Hofoper, bedarf ebensowenig wie die Hamburger Sängerin, die kürzlich in der Schweiz [...] mit größtem Erfolg konzertierte, besonderer Einführung. Eintrittskarten zu dem Konzert, für das zudem der ausgezeichnete Münchner Pianist Michael Raucheisen als Begleiter gewonnen ist, sind schon jetzt [...] erhältlich.“ [Neue Züricher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2151, 15.11.1917, 2. Mittagblatt, S. (2)] Das „Konzert [...] im großen Tonhallesaal verspricht außergewöhnliche musikalische Genüsse. Kammersänger Hensel aus Hamburg, Kammersänger Fritz Feinhals aus München und die Hamburger Sopranistin Agnes Wedekind vereinigen sich zu einem Gesangsabend und bieten zur Begleitung von Michael Raucheisen Kompositionen von Cornelius und Strauß und Bruchstücke aus Wagnerschen Opern.“ [Neue Züricher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2247, 29.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (3)] singen, traf aber nicht dazu ein. So traten Feinhals Hensel und RaucheisenDer Kammersänger Fritz Feinhals war an der Oper des Münchner Hoftheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 517] und der Opernsänger Heinrich Hensel an der Oper des Stadttheaters in Hamburg (verbunden mit dem Stadttheater in Altona) engagiert [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 437], der Kapellmeister Michael Raucheisen als Leiter der musikalischen Morgenaufführungen am Münchner Volkstheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 524]. allein auf. NachherWedekind notierte am 30.11.1917: „Abends im Konzert von Feinhals Hensel und Raucheisen. [...] Souper im Hotel Baur en Ville mit der Konzertgesellschaft und Max Hochdorf.“ [Tb] Er soupierte nach dem Konzert in der Tonhalle (siehe oben) mit den Sängern Fritz Feinhals und Heinrich Hensel sowie mit dem Pianisten Michael Raucheisen (siehe oben), außerdem mit Michael Kantorowitz (Dufourstraße 44) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 286], dessen Konzertdirektion das Konzert organisiert hat, und Max Hochdorf (siehe unten) im Hotel Savoy Baur au Ville (Poststraße 12) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 255]. war ich mit ihnen, Kantorowitz und Dr. HochdorfMax Hochdorf, Schriftsteller in Zürich (Schulhausstraße 25) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 245], Dr. phil. (Dissertation 1919 erschienen), 1915 Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ in Brüssel, dann kurz in Lausanne und schließlich ab 1916 in Zürich, wo er auch als Musik- und Theaterkritiker tätig war, vor allem aber als Literaturkritiker, der auch für die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb. Wedekind lernte ihn im Sommer 1917 in Zürich kennen und sah ihn dem Tagebuch zufolge recht häufig – so am 19.5.1917 („Nachher im Restaurant Kaufleuten große Gesellschaft Dr. Max Hochdorf“), 24.5.1917 („Wir treffen Max Hochdorf. Begleiten Tilly ins Hotel Seehof mit Dr. Max Hochdorf“), 12.6.1917 („Terasse mit Korrodi und Hochdorf“), 27.6.1917 („Große Kindergesellschaft bei Dr. Hochdorf“) und 26.7.1917 („Dr. Hochdorf“). zusammen.

Herzlichen Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.11.1917 und 24.11.1917.. Ich freue mich sehr auf unser Wiedersehn. Grüße und küsse die Kinder von mir und sei selber innigst geküßt von
Deinem
Frank.


[Kuvert:]


ELITE-HOTEL ZÜRICH
BAHNHOFSTRASSE 41


Eilbrief


I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50. |


Absender
Frank Wedekind
Elite Hotel Zürich

Frank Wedekind schrieb am 2. Dezember 1917 in Zürich folgende Postkarte
an Tilly Wedekind

Innigst geliebte Tilly! Voraussichtlich komme ich nächsten Samstag oder Sonntag nach München und freue mich sehr wieder bei Dir zu sein. GesternFrank Wedekind notierte am 1.12.1917: „Nachmittag [...] im Hock mit Armins Freunden. Armin und ich gehen in die Locanda Ticinese zum Abendessen Dann in den Pfauen. Er begleitet mich zum Hotel.“ [Tb] habe ich einen sehr schönen Abend mit meinem Bruder verlebt. Ich hoffe, daß auch Du Dich zerstreust so viel Du Gelegenheit findest. Bedenk daß die Zeiten wieder besser zu werden versprechen, da wird auch das Leben wieder leichter werden. Sei nicht undankbar dafür, daß Du und die Kinder gesund seid. Schreib mir ausführlich, wie es Dir geht. Hoffentlich hast Du das GeldWedekind hatte seiner Frau über die Dresdner Bankfiliale München 600 Mark zukommen lassen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917 (Telegramm)]. erhalten. Ich werde nächster Tage mehrere Pakete mit Briefschaften und Geschäftspapieren | an mich nach München schicken. Grüße und küsse die Kinder und sei innigst geküßt von
Deinem
Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Texte.
Indirizzo
del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Express
I.H.
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50

Frank Wedekind schrieb am 6. Dezember 1917 in Zürich folgendes Telegramm
an Tilly Wedekind

Telegramm. [...]


=tilly wedekind prinzregentenstrasse 50
muenchen =

München.


Königlich Bayerische Telegraphenanstalt
München.


Telegramm aus Zürich [...]


= innigst geliebte tilly ankomme sonntag fruehestens samstagder 8.12.1917, an dem Wedekind notierte: „Abfahrt von Zürich. Müller und Martha holen mich an der Bahn ab und kommen mit mir nach Hause.“ [Tb] Seine Schwägerin Martha Müller (geb. Newes) und deren Mann Hans Carl Müller haben ihn am Münchner Hauptbahnhof abgeholt; seine Frau lag in der Klinik (siehe unten). innigste herzliche wuensche fuer deine besserungWedekind hat am 5.11.1917 in Zürich den Brief seiner Schwägerin über den Suizidversuch seiner Frau erhalten: „Im Hotel finde ich Marthas Brief mit der Nachricht von Tilly Selbstmordversuch.“ [Tb] Er notierte am 30.11.1917 nachträglich: „Tilly nimmt Gift.“ [Tb] Seine Frau hatte sich „mit Sublimat-Tabletten vergiftet, ein aus Quecksilberchlorid bestehendes Desinfektionsmittel“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 368]. Tilly Wedekind, die im Kapitel „Vergiftung“ ihrer Autobiografie ihren Selbstmordversuch schilderte [vgl. Wedekind 1969, S. 185-193], hatte sich am 30.11.1917 abends „im Hotel Deutscher Kaiser am Münchner Hauptbahnhof unter dem Mädchennamen ihrer Mutter ein Zimmer gemietet“ [Regnier 2008, S. 385], dort nachts das Gift genommen und als Grund ihre unglückliche Ehe angegeben: „Wenn er nicht starb – dann wollte ich sterben.“ [Wedekind 1969, S. 188] Sie schrieb am 19.1.1918 an Adele Sandrock: „Seit Frank krank war, ist es immer schlimmer geworden. [...] Nachdem ich nun im Sommer in Zürich sehr schöne Erfolge hatte, nahm er mich jetzt im Herbst nicht mit, obwohl der Director mit mir gerechnet hatte. Er sagte er könne meine Depression nicht ertragen. [...] Ich tat es in seelischer Depression u. in dem Gefühl, jetzt kommt er von Zürich zurück u. all das Entsetzliche u. Quälende beginnt wieder von vorn.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 370f.] Ihre Schwester und ihr Schwager „Marthl und Hans Carl [...] hatten seit drei Tagen nach mir gesucht“ [Wedekind 1969, S. 188], sie dann gefunden und in die von dem Hofrat Dr. Ernst Rehm geleitete Kuranstalt Neufriedenheim (Fürstenriederstraße 155) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 576] gebracht. = frank wedekind. –

Frank Wedekind schrieb am 11. Dezember 1917 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

München 11. Dezember 1917.


Innigst geliebte Tilly!

Zu meiner großen Freude berichtet die Schwester heute aus der Anstalt daß es Dir besser geht und daß der Magen anfängt, die Nahrung zu behalten. Aber nun iß auch alles was Du vertragen kannst, damit Du recht bald wieder zu | Kräften kommst. Und wenn Du gesund bist, sollst Du es so gut habenWedekind dürfte seiner Frau, die eine Scheidung wünschte, bei seinem Besuch bei ihr am 10.12.1917 Versprechungen wie im vorliegenden Brief gemacht haben: „Nach Tisch mit Martha zu Tilly. Ich theile ihr den Beschluß mit.“ [Tb] Der Beschluss wurde am 9.12.1917 bei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) gefasst: „Abends bei Frau Langheinrich. Beschluß sie soll Theater spielen ohne Scheidung.“ [Tb], daß Du Dich über nichts mehr beklagen kannst. Du kannst Dich künstlerisch ganz freiTilly Wedekind schrieb Adele Sandrock dazu am 19.1.1918: „Frank hat mir zwar als es mir sehr schlecht gieng, schriftlich versichert ich könne künstlerisch selbständig sein ohne dass wir uns zu trennen brauchen u. es solle jetzt anders werden. Aber er hielte das ja nicht aus, ich kenne ihn. Trotz seines lieben Briefes hat er allen Leuten erzählt, wie er unter meinen ewigen Selbstmordgedanken gelitten u. er wurde auch von Vielen sehr bedauert.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 370] aus lebenSchreibversehen, statt: ausleben., ohne daß wir aus einander gehn. Das verspreche ich Dir.

Der Heimweg gesternam 10.12.1917 der Weg von der Klinik in die Prinzregentenstraße 50. Wedekind, der am 8.12.1917 abends von Zürich zurück in München war, hat seine Frau dem Tagebuch zufolge gemeinsam mit seiner Schwägerin am 9.12.1917 („Nachmittag mit Martha bei Tilly in Neu-Friedenheim“) und 10.12.1917 („Nach Tisch mit Martha zu Tilly“) in der Kuranstalt Neufriedenheim (siehe unten) besucht. von Neufriedenheim war sehr beschwerlichWedekind, der durch seine nach der letzten Bruchoperation nicht geheilte Wunde Beschwerden hatte, notierte gleichwohl über den Heimweg nach dem Besuch am 10.12.1917 bei seiner Frau: „Beschwerliche aber muntere Rückfahrt.“ [Tb] und ich brauchte dringend einige Tage Ruhe, werde Dir | aber in der Zwischenzeit um so öfter schreiben. Gestern Abend aß ich mit den KindernWedekind notierte am 10.12.1917: „Abendessen mit den Kindern.“ [Tb] zu Nacht, dann unterhielten wir uns noch nin meinem Zimmer. Ich ging dann noch auf eine Stunde aus, traf aber keine BekanntenWedekind notierte am 10.12.1917: „Allein Pfälzer Weinstube Torggelstube.“ [Tb] Bekannte traf er dem Tagebuch zufolge wieder am 11.12.1917 („Abends zum Thee mit Heinrich Mann bei Friedenthal“) und 12.12.1917 („Nachmittags zum Thee bei Martens bei Friedenthal [...]. Abends mit Waldemar Bonsels und Herrn Günter in der T.St.“) – danach finden sich zwischen dem 13.12.1917 und 15.2.1918 keine Tagebucheinträge, Begegnungen Wedekinds sind aber anderweitig dokumentiert. So notierte Wilhelm Herzog am 27.12.1917: „Tilly Wedekind hat sich vergiftet. Liegt im Sanatorium. Er, W., tritt selbst den Klatschgerüchten entgegen.“ [Tb Herzog].

Die net/u/en Lampen finde ich sehr schön. Tu jetzt nur alles damit Du rasch gesund wirst. Dann kann wirklich ein neues | und froheres Leben zwischen uns beginnen, weil Dir dann von dem was Dir das Leben schön und wertvoll macht nichts mehr fehlen soll.

Auf baldiges Wiedersehn, geliebte Tilly. Die Kinder lassen Dich herzlich grüßen.

Mit innigem Kuß
Dein
Frank.


[Kuvert:]


I.H.
Frau Tilly Wedekind
Kuranstalt Neufriedenheimdie von dem Hofrat Dr. Ernst Rehm geleitete Kuranstalt Neufriedenheim im Münchner Stadtteil Laim (Fürstenriederstraße 155) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 576], eine private Nervenheilanstalt, in der Tilly Wedekind sich von ihrem Suizidversuch vom 30.11.1917 erholte.
bei Laim
München

Frank Wedekind schrieb am 16. Januar 1918 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

München 16. Januar 1918.


Meine liebe Tilly!

Wie gerne würde ich „Geliebte“ schreiben, aber es paßt nicht zum Inhalt dieser Zeilen. Gestern Abend fragte ich Prof. KutscherWedekind erkundigte sich am 15.1.1918 bei Artur Kutscher, wie 1913 dessen Scheidung von seiner ersten Ehefrau Gertrud Kutscher (geb. Schaper) einvernehmlich geregelt worden sei., wie er sich seinerzeit geeinigt habe. Er sagte, er sei mit seiner Frau zu Rosenthalzu dem Rechtsanwalt Dr. jur. Wilhelm Rosenthal (Leopoldstraße 34), Kanzlei: Sonnenstraße 3 (2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 607], so auch schon 1913 [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 563], dem langjährigen 1. Vorsitzenden des Neuen Vereins; er hatte auch Wedekind in verschiedenen Angelegenheiten schon juristisch beraten, etwa die Unterhaltszahlungen für seinen Sohn Friedrich Strindberg betreffend (siehe Wedekinds Korrespondenz 1907/08 mit Wilhelm Rosenthal). gegangen, die Erledigung habe drei Monate in Anspruch genommen. Er riet mir nicht unbedingt zu Rosenthal zu gehen, da vielleicht eine raschere Erledigung möglich wäre. | So ging ich heute zu Siegfried AdlerWedekind ging am 16.1.1918 zu dem Münchner Rechtsanwalt Siegfried Adler (Habsburgerstraße 10), Kanzlei: Briennerstraße 55 (2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 3], der ihn drei Jahre zuvor bei Streitigkeiten mit seinem Verleger Georg Müller vertreten hatte – so notierte er am 9.12.1915 „Besuch bei Dr. Adler wegen Müller“ [Tb] und der Verleger bestätigte das Mandat [vgl. Georg Müller an Wedekind, 11.12.1915]., Briennerstraße 55 (Pössenbacherhaus) der meine Angelegenheiten mit Georg Müller geordnet und setzte ihm unsere Lage, so gut ich es vermochte auseinander. Adler hielt es für das richtige, daß wir sobald als möglich zusammen zu ihm kämen, oder, was besser wäre, daß Du zuerst allein zu ihm kämst. Er hoffe die Sache innerhalb von zehn Tagen vollständig zu Ende führen zu können. Da ich nun meiner Gesundheit wegen allerdings möglichst bald in die Schweiz zurückkehren„Nach der zunächst erwarteten Scheidung plante Wedekind wegen der nicht abgeheilten Wunde seines Anfang 1917 operierten Bruchs, sich in der friedlichen Schweiz wie schon im Sommer 1917 ärztlich behandeln zu lassen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 369] würde, | wäre mir eine solche Beschleunigung allerdings wertvoll.

Ich gebe Dir das Versprechen, liebe Tilly, nun bis Du selber Dich der Sache annehmen kannst, weder mit Adler noch mit sonst jemanden weiter über unsere Angelegenheiten zu sprechen.

Mit den herzlichsten Wünschen für Deine baldige Erholung und herzlichen Grüßen
Dein
Frank.

Tilly Wedekind schrieb am 17. Januar 1918 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

17.I.18


Mein lieber Frank,

von Herzen danke ich Dir für Deinen lieben Brief vom 16.vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1918. Ich sagte Dir, dass ich keine unnötigen Schwierig Nur ist mir der Vorschlag des Herrn Adler’sWedekind suchte am 16.1.1918 den Rechtsanwalt Siegfried Adler auf, der in der Scheidungsangelegenheit ihn und seine Frau vertreten sollte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1918]. unbegreiflich. Soweit ich informiert bin, darf bei einer solchen AngelegenheitEhescheidungsvorhaben. niemals ein Anwalt beide Parteien hören. Ich muss einen Anwalt für mich haben u. die beiden Anwälte haben sich dann gegenseitig auseinander zu setzen.

Wenn es Dir mit Deiner Schweizer Reise sehr eilt, könnte ich ja einen Anwalt hierher kommen lassen, da ich doch täglich einige Stunden ausser Bett bin.

Bis ich zu einem Anwalt hingehen kann das kann noch 3 oder mehr Wochen dauern. | Du kannst mich auch telephonisch sprechen, ich kann schon an’s Telephon gehen. Nur ist es besser Du sagst der Schwester, ich möchte Dich anrufen, denn wenn ich gerade zu Bett bin, muss ich mich erst anziehen. Aber es ist wohl besser, wenn wir uns mündlich oder schriftlich beraten.

Meine Erholung geht gut vorwärts. Ich danke Dir sehr für Deine lieben Wünsche. Ende der Woche entlasse ich auch die Nachtschwester.

Ich wünsche Dir alles Gute, lieber Frank.

Mit vielen, lieben Grüßen,
Deine Tilly

Frank Wedekind schrieb am 18. Januar 1918 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

18.I.18.


Geliebte Tilly!

Inliegend der Brief von Adele Sandrocknicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Adele Sandrock an Wedekind, 17.1.1918. – Tilly Wedekind schrieb Adele Sandrock daraufhin am 19.1.1918 einen Brief, in dem es heißt: „Frank zeigte mir Deinen Brief. [...] Nachdem ich nun im Sommer in Zürich sehr schöne Erfolge hatte, nahm er mich jetzt im Herbst nicht mit [...]. Er sagte er könne meine Depression nicht ertragen. Aber woher kam die? Er will mich also mitnehmen oder zu Hause lassen, wie’s ihm gerade passt. [...] Soll ich aber deswegen auf die Bühne überhaupt verzichten, jetzt wo ich anfange hervorzutreten? Nein, das will ich nicht. Frank [...] hat [...] allen Leuten erzählt, wie er unter meinen ewigen Selbstmordgedanken gelitten u. er wurde auch von Vielen sehr bedauert. Du denkst es sei erblich? Ja meine Schwester hat sich in der Verzweiflung das Leben genommen, u. meine Mutter, die Schweres durchgemacht hat, hat auch einmal einen Versuch gemacht. [...] Du fragst, ob ich nicht an meine Kinder dachte? Die Kinder, besonders Pamela, fiengen auch schon an unter diesen Zuständen zu leiden. Und ich war oft in einer Verfassung, dass ich mir sagte, lieber keine Mutter als so eine. [...] Als Frank sich verheiratete, glaubte ja kein Mensch, dass das lange dauern würde. [...] Ich mache ihn für nichts verantwortlich, aber meine Schuld ist es weiß Gott auch nicht.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 370].

Mit herzlichen Grüßen
Dein
Frank.


[Kuvert:]


I.H.
Frau Tilly Wedekind
Heilanstalt Neu-Wittelsbachdie Kuranstalt Neuwittelsbach (Romanstraße 11) im Münchner Stadtteil Neuhausen, geleitet von dem Geheimen Sanitätsrat Dr. med. Rudolf von Hößlin [vgl. Adreßbuch für München 1918, S. 295]. Tilly Wedekind war von der Kuranstalt Neufriedenheim in die Kuranstalt Neuwittelsbach verlegt worden [vgl. Wedekind 1969, S. 189], die spezialisiert war für die „Aufnahme von an chronischen und akuten, nicht ansteckenden Krankheiten Leidenden“ [Adreßbuch für München 1917, Teil III, S. 52].
München-Neuhausen<lat>

Tilly Wedekind schrieb am 15. Februar 1918 in München folgenden Brief
an Frank Wedekind

KURANSTALT NEU-WITTELSBACH NEUHAUSEN-MÜNCHEN


den 15.II.18


Geliebter Frank, Lieber,

es ist so lieb von Dir, dass Du mir eine Freude machen willst und es anerkennst wenn ich mich zusammen nehme.

Ich hoffe, dass es mir gelingt recht oft mit Dir fröhlich und vergnügt zu sein und so auch Dir Freude zu machen.

Dann wirds hoffentlich anders und besser mit uns werdenDie Scheidungspläne hatten sich zerschlagen., gelt Lieber?

Morgen telephoniere ich DirAm 16.2.1918 ist kein Anruf dokumentiert, erst am 18.2.1918: „Tilly telephoniert, verabrede mich mit ihr auf morgen Abend.“ [Tb] noch, wann ich von hier fortkannTilly Wedekind dürfte am 18.2.1918 aus der Kuranstalt Neuwittelsbach (Romanstraße 11) entlassen worden sein. Sie zog in die Wohnung ihrer Schwester Martha Müller (geb. Newes) und ihres Schwagers Hans Carl Müller (Hiltensbergerstraße 32) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 496], wo ihr Mann sie am 19.2.1918 besuchte (gegen später gehen sie zusammen in die langjährige gemeinsame Wohnung): „Gehe zu Tilly zum Thee. Sie wohnt bei Müllers, die noch in Augsburg gastieren. Ich lasse sie ihre Briefe lesen Wir fahren zum Abendessen ins Odeon Casino Vergnügter Abend. Gehen nach Hause. Sie schläft in meinem Zimmer [umgedreht: ♀] auf dem Diwan.“ [Tb].

Inzwischen umarmt u. küsst Dich innig
Deine Tilly


Du glaubst gar nicht wie mich Deine Anerkennung heuteZusammenhang nicht ermittelt. fröhlich gestimmt hat!

Frank Wedekind schrieb am 23. Februar 1918 in München folgenden Brief
an Tilly Wedekind

[1. Briefentwurf:]


An Tilly.


Mit Gewalt reißt des Schicksals Wut
Grausam uns von einander
Ob auch jeder sein liebstes tut
Wir ersticken selbander„zu zweien“ [DWB, Bd. 16, Sp. 428].
Tilly gieb mir noch einen Kuß!
Es kommt ja doch wie es kommen muß.


Du bist jung und dein Herzblut wallt
Mächtig dem Glück entgegen.
KeinenSchreibversehen (irrtümlich nicht korrigiert), statt: Keinem. grämlichen Aufenthalt
Ertrag’ Widme du/ich/ meinetwegen
Tilly gieb mir noch einen Kuß!
Es kommt ja doch wie es kommen muß.


Ich bin alt und der Jahre Gebrechen Last
Zwingt mich in’s Eigenbrödeln
Nimmer wollt mit dem siechen Gast
Ich meine Zeit vertrödeln.
Tilly gieb mir noch einen Kuß!
Es kommt ja doch wie es kommen muß.


[2. Abschrift der verschollenen Reinschrift durch Heinrich Mann:]


An Tilly


Mit Gewalt reisst des Schicksals Wut
Grausam uns von einander.
Ob auch Jeder sein Liebstes thut,
Wir ersticken selbander.
Tilly, gieb mir noch einen Kuss!
Es kommt ja doch, wie es kommen muss.

Du bist jung und Dein Herzblut wallt
Mächtig dem Glück entgegen.
Keinem grämlichen Aufenthalt
Widme Dich meinetwegen.
Tilly, gieb mir noch einen Kuss!
Es kommt ja doch, wie es kommen muss.

Ich bin alt. Des Gebrechens LastWedekind litt unter seiner nicht heilenden Bauchwunde; so notierte er am 17.2.1918: „Weinkrampf wegen meines Bruches“ [Tb], oder am 23.2.1918 (im letzten Tagebucheintrag vor seinem Tod): „Mein Bruch macht mir Beschwerden.“ [Tb]
Zwingt mich ins Eigenbrödeln.
Nimmer wollt’ mit dem siechen Gast
Ich meine Zeit vertrödeln.
Tilly, gieb mir noch einen Kuss!
Es kommt ja doch, wie es kommen muss.

Frank.


27/25/. Febr. 1917Schreibversehen, statt: 1918. Wedekind übergab das Briefgedicht am 25.2.1918 seiner Frau [vgl. Wedekind 1969, S. 194] und dürfte es auf diesen Tag datiert haben..