Leipzig, 4.II.1898.
Lieber Freund,
warum haben Sie mir denn nicht gleich geschrieben, daß die Person
vollständig verrückt ist. Ich hätte mich dann weiß Gott nicht in Ihre
Angelegenheitenvgl. Wedekinds Briefe an Weinhöppel vom 7.1.1898 und vom 21.1.1898. gemischt. Ihren letzten Briefunklar; sofern es sich nicht um die in Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 21.1.1898 erwähnte Karte handelt, die wohl einen Tag früher geschrieben wurde, wäre ein weiterer nicht überlieferter Brief von Weinhöppel zwischen dem 7.1. und dem 21.1.1898 anzusetzen. an mich habe ich Gott sei Dank
sofort nach Empfang zerrissen. Ihren vorigen Brief Gemeint ist vermutlich der in Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 23.12.1897 erwähnte Brief Weinhöppels, in dem offenbar zuerst von seiner Freundin ‚Fräulein S.‘ die Rede gewesen war; erschlossenes Korrespondenzstück: Weinhöppel an Wedekind, 20.12.1897.hat sie selber aus meinen
Papieren herausgeklaubt. Ich konnte sie mit aller Gewalt nicht daran hindern.
Es fehlt nur sehr wenig daran, daß sie mich hier nicht vollkommen lächerlich
gemacht hätte. Wenn sie mir erzählt, daß sie noch Jungfrau sei, so denke ich
natürlich, sie thut es aus persönlicher Sympathie. Sie hat es aber jedem erzählt,
der ihr in den Weg kam.
Ich habe mich sehr gefreut, Ihre Lieder im ConcertDas Konzert mit Liedern nach Kompositionen Weinhöppels fand zwischen dem 1. und dem 4.2.1898 in Leipzig statt. Weinhöppels Freundin ‚Fräulein S.‘ gehörte vermutlich zu den Interpretinnen des Abends [vgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 21.1.1898]. Näheres ist nicht ermittelt. Ein Zusammenhang könnte bestehen mit Detlev von Liliencrons Vorlesung in der Litterarischen Gesellschaft zu Leipzig am Abends des 4.2.1898, in deren Anschluss möglicherweise in privatem Rahmen verschiedene Liliencron-Vertonungen vorgetragen wurden. Hinweise hierzu fehlen jedoch sowohl in der damaligen Berichterstattung als auch der späteren Erinnerungsliteratur [vgl. E(dgar) St(eiger): Litterarische Gesellschaft. In: Leipziger Volkszeitung, Nr. 29, 5.2.1898, 1. Beilage, S. (4); Beyerlein 1923, S. 104; vgl. auch Liliencrons ausführlichen Bericht über den Abend in seinem Brief an Gustav Falke vom 5.2.1898, abgedruckt in: Spiero 1927, S. 315f.]. zu hören. Sie
wirkten noch entschieden am besten von allem was gesungen wurde. Ueber meinen
ErdgeistGemeint sind die Proben zur Uraufführung des Stücks in Leipzig 25.2.1898. werden Sie alles von ihr erfahren, vorausgesetzt daß sich bis München
die Dinge in ihrem Kopf nicht völlig umgestaltet haben.
Mit großem Bedauern höre ich, wie sehr Sie leidend sind. Sie
sollten von München fort. Vielleicht kommen Sie wenigstens auf ein paar Tage
hierher, um wieder etwas frischen Lebensmut zu schöpfen.
Meine Correspondenz mit der Damenicht überliefert. werde ich einstellen, da sie mir
zu gefährlich erscheint und ich keine Ursache habe, neues Gewölk über meinem
Haupte zusammen zu ziehen. Zeigen Sie diese Zeiten bitte niemandem. Zerreißen
Sie sie, denn sonst bekommt sie sie doch in die Hände.
In alter Freundschaft Ihr
Frank.