Paris, 10.I.1899.
Lieber Freund,
wenn Du wüßtest, wie wir Dich hierhersehnenWedekind war am 22.12.1898 von Zürich nach Paris gereist., Bazalqette,
Panizza und ich. Panizza schleppe ich mit übermenschlicher Anstrengung an die
Orte unserer einstigen Thätigkeit Die gemeinsame Pariser Zeit von Weinhöppel und Wedekind ist durch Wedekinds Tagebuch dokumentiert, das zwischen Ende April und Anfang August 1892 zahlreiche Treffen mit Weinhöppel verzeichnet.und erzähle ihm dort von Deinen Triumphen.
Ueber die Neujahrskartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Weinhöppel, Anton Dreßler, Lotte Dreßler(?), Max Halbe, Georg Schaumberg und Julius Schaumberger an Wedekind, 1.1.1899. Die Namen der weiteren Unterzeichner nennt Wedekind weiter unten. habe ich mich herzlich gefreut, auch weil der Name ...Die Mitunterzeichnerin der Neujahrskarte, deren Name im Erstdruck des Briefs ausgelassen wurde, war vermutlich Lotte Dreßler, die Ehefrau des Gesangspädagogen Anton Dreßler, mit der Wedekind 1896/97 eine Liebesbeziehung unterhielt. Wedekind hatte schon früher durch Vermittlung Weinhöppels mit ihr korrespondiert [vgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 1.4.1897].
daraufstand. Wenn Du sie siehst, sag ihr bitte meine herzlichsten Grüße und ob
es nicht möglich wäre, ihr ein offenes Wort zu schreiben, das sich keiner
Zollrevision zu unterziehen braucht. Vielleicht hat sie irgend eine
zuverlässige Freundin.
Wie geht es Dir? Dein letzter Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Weinhöppel an Wedekind, 29.11.-22.12.1898., den ich in Zürich
erhielt, strahlte von Lebensfreude. Sollte sich aber der Himmel in München
trüben, dann komme hierher, mit oder ohne SchülerinnenWeinhöppel bestritt zu dieser Zeit den größten Teil seines Lebensunterhalts durch privaten Musikunterricht.. Im schlimmsten Fall
würdest Du ja auch hier welche finden, die besser bezahlen als die
Münchnerinnen. Immerhin habe ich den Eindruck, daß sich Paris jetzt leichter
erobern ließe als vor 6 Jahren, für Dich vielleicht noch leichter als für mich.
Wie ich geistig aufgeathmet habe vom ersten Schritt an, den ich auf Pariser
Pflaster that, kann ich Dir nicht beschreiben. Meine erste Bekanntschaft war | der
Sohn des Impresarios der PattiDer in Paris tätige Impresario Robert Strakosch war der Sohn des am 10.10.1887 in Paris verstorbenen Maurice Strakosch (und dessen Frau, der Sängerin Amelia Patti), der als Impresario der berühmten Operndiva Adelina Patti bekannt gewesen ist (sie war seine Schwägerin). Wedekind kam am 23. oder 24.12.1898 mit Robert Strakosch zusammen., Strakosch, gleichfalls Impresario, auf den ich
vorderhand noch große Hoffnungen setze. Das einzige, was mich hindert, meine
Eroberungszüge sofort mit Entschlossenheit zu unternehmen, ist das verdammte
Dramazu Wedekinds Arbeit an den verschiedenen Vorstufen seines Dramas „Marquis von Keith“, die er in Zürich begonnen hatte, vgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 29.11.1898., das ich in Zürich begonnen und das mir viel Zeit raubt. Sowie man mit
Schuldenzahlen sein Geld verplempert, hindert Einen die Arbeit nur daran Geld
zu verdienen. Vorderhand soll es auch das letzte Mal sein, daß ich eine
derartige Schinderei unternehme. Nächster Tage muß mein Gastspielfrüherer Titel von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“. Wedekind sandte ein Exemplar des Buchs zusammen mit seinem folgenden Brief an Weinhöppel vom 24.2.1899. in München
erscheinen unter dem Titel ,,Der Kammersänger“. Auf jeden Fall bist Du sicher,
sofort ein Exemplar zu erhalten.
Ich könnte Dir viel von einer kleinen Spanierin schreiben
mit dem schönen Vornamen Pascale, aber das Schreiben über solche Dinge hat
keinen Werth, wodurch ich Dich bei Leibe nicht davon abhalten möchte, mir Deine
Erlebnisse mitzutheilen.
Wenn Du mir etwas über meinen Bruder zu schreiben hast, dann
tu es bitte und zwar ohne Rückhalt, Du bist schließlich der
Einzige, von dem ich auf aufrichtige Nachrichten rechnen kann. Er hat mir
soeben in sehr kurzer Zeit eine größere Arbeitnicht ermittelt. fertig gestellt, um die ich ihn
gebeten, und ich hoffe daraus entnehmen zu können, daß es ihm besser geht, d.
h. psychisch. Was das Pekuniäre betrifft, thue ich für ihn, was ich kann, aber
auch in dieser Beziehung bin ich Dir dankbar, wenn Du mir ein offenes Wort
schreibst. Bierbaums LobetanzOtto Julius Bierbaums Singspiel „Lobetanz“ (1895) war in der dreiaktigen Opernvertonung durch den Komponisten Ludwig Thuille am 6.2.1898 am Hoftheater in Karlsruhe uraufgeführt worden. Thuilles Oper war 1899 für Aufführungen sowohl an der Opéra Comique in Paris wie am Royal Opera House in Convent Garden (London) im Gespräch, die jedoch nicht realisiert wurden. hat Aussicht an der hiesigen Opéra Comique. Ich
gönne es Bierbaum von ganzem Herzen, da ich immer nur das Gefühl der
gegenseitigen Förderung und nie dasjenige des Brodneides und der Concurrenz
habe. |
Grüße bitte alle die lieben Seelen, die mir geschrieben,
Halbe, Schaumberger, Schaumberg, Dreßler. Wenn mir hier nicht etwas
Außerordentliches blüht, dann komme ich nach Deutschland und sitze meine Buße
abbezieht sich auf die Anklage wegen Majestätsbeleidigung in der Simplicissimus-Affäre. Wedekind setzte den Plan, sich den Behörden zu stellen, im Sommer in die Tat um.. Und wenn es mir gut gehen sollte, dann thue ich es wahrscheinlich erst recht.
Ich muß nur wissen, wie sich das Blatt wendet.
In einsamen Stunden oder Stunden der Trübseligkeit, wenn Du
solche hast, mach Dich bitte mit dem Gedanken vertraut, nach Paris zu kommen.
Ich glaube Dir versichern zu können, daß sich Paris über Dich freuen würde.
Sei 1000 Mal gegrüßt von Deinem alten Freund und
Waffengefährten
Frank.