Sehr geehrter Herr Cassirer!
Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihre
bereitwillige Hülfe. Die Quittung über das Honorar erlaube ich mir beizulegen.
Am 1. Februar soll also in Nürnberg die Uraufführung, allerdings als
SubscriptionsvorstellungDie Uraufführung der „Büchse der Pandora“ am 1.2.1904 am Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) in Nürnberg unter der Regie von Egbert Soltau mit Else Schiff als Lulu fand offiziell als geschlossene Vorstellung statt. Eine zweite Vorstellung wurde verboten, wie die Presse meldete: „Aus Nürnberg wird uns unter dem heutigen Datum gedrahtet: Der Polizeiausschuß verbietet die zweite Aufführung von Wedekinds ‚Büchse der Pandora‘ im ‚Intimen Theater‘ Meßthalers, weil die erste Vorstellung, obgleich als Subskriptionsaufführung angekündigt, sich durch Kassenverkauf von Billets zur öffentlichen gestaltet habe.“ [Königlich privilegirte Berlinische Zeitung (Vossische Zeitung), Nr. 68, 10.2.1904, Abend-Ausgabe, 2. Beilage, S. (2)] stattfinden. Wenn es aber ohne | Skandal abgeht, dann
ist die öffentliche Aufführung so gut wie gesichert, da in Nürnberg keine
Censur besteht. Das Interesse für das Stück ist sehr groß, da Erdgeist und
Marquis v. Keith in diesem Winter in Nürnberg schon sehr beifällig aufgenommenErfolgreich am Intimen Theater in Nürnberg waren im Rahmen eines Wedekind-Zyklus unter der Regie von Emil Meßthaler sowohl die Inszenierung des „Erdgeist“ (10.10.1903) als auch die des „Marquis von Keith“ (31.10.1903) mit Wedekind in der Titelrolle.
worden. Die Rolle der Gräfin Geschwitz wird Frl. Marya DelvartMarya Delvard war der Star im Ensemble der Elf Scharfrichter gewesen und auch durch ihre Soloauftritte als Chanteuse berühmt. Sie spielte in der Uraufführung der „Büchse der Pandora“ die Gräfin Geschwitz. spielen, die
sich in ihrer düstren Grandezzawürdevolle Eleganz im Auftreten. vorzüglich dafür eignet. |
Übrigens liegt keine notgedrungene Aushülfe
darin; die Rolle ist zugleich von mit einem stehenden Mitglied des Intimen Theaters besetzt.
An das „Kleine Theater“ in Berlin habe ich
gleichfalls eine Bühnenbearbeitung geschickt aber bis jetzt noch keinerlei
Nachricht darüber erhalten.
Also nochmals meinen besten Dank. Ich quittiere
Ihnen vor der Hand die erhaltenen M. 300,−
Mit besten Grüßen
Ihr
Frank Wedekind
19.I.04 |
Quittung.
Als Anzahlung auf mein Honorar für „Die Büchse
der Pandora“ Erste AuflageDas Drama „Die Büchse der Pandora“ im Verlag Bruno Cassirer war zwar für Anfang November 1903 angekündigt [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 70, Nr. 249, 26.10.1903, S. 8522, 8512], erschien aber erst Mitte bis Ende Januar 1904 [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 71, Nr. 19, 25.1.1904, S. 797], vom Verlag als „Epilog zum ‚Erdgeist‘“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 71, Nr. 18, 23.1.1904, S. 776] beworben., bescheinige ich von
Herrn Bruno Cassirer, Berlin
M. 300,− dl
(dreihundert Mark) in baar erhalten zu haben.
München, den 19. Januar 1904
Frank Wedekind.