[1. Entwurf:]
Herrn Albert Langen, Verlagsbuchhändler
München.
Sie lassen mich durch Herrn Mischek auffordern
noch einmal zu einer Besprechung auf Ihre Redaction zu kommen. Da Sie mich durch Herrn
Mischek noch einmal auffordern lassen, zu einer Besprechung auf Ihre Redaction
zu kommen, theile ich Ihnen mit, warum ich auf jede weitere Besprechung mit Ihnen verzichte. Nachdem Sie drei Jahre lang von
Paris aus keineSchreibversehen, statt: keinen. meiner (korrect und höflich) an Sie gerichteten Briefe
beantwortet hatten, besuchte ich Sie nach Ihrem Eintreffen in München
(auf Ihrer Redaction, um geschäftlich mit Ihnen
zu sprechen. Sie hatten
damals keine Zeit für mich und forderten | mich auf, am nächstfolgenden Tage
Abends fünf Uhr wiederzukommen. AmSchreibversehen, statt: An. diesem Tage ließen Sie mich, der ich in
Folge meines Unfalls den Weg zu Ihnen unter den
größten großen Anstrengungen
gemacht hatte, zuerst eine Stunde lang warten und erschienen danndurch Unterpunktung wiederhergestellte Streichung. schließlich
um mir zu sagen, daß Sie hätten
keine Zeit für mich hätten weil Sie ins Theater müßten in die „Meistersinger“ gehen. Solche Lausbubenstreiche
lasse ich mir von Ihnen nicht mehr gefallen bieten. Daß Sie mir dabei in Ihrer protzigen Art und
Weise 1000 Mark auszahlen ließen, ändert nichts an der Unverschämtheit Ihres Benehmens Sache ,/./ denn v/V/on
jedem anständigen Verleger hätte ich unter den
gegebenen Verhältnissen Umständen eine höhere Summe
erhalten, ohne dabei die Ihre frechen | Lümmeleien eines
Ladenschwengels(pejorativ) Auszubildender oder junger Verkäufer in einem Einzelhandelsgeschäft. mit in Kauf nehmen zu müssen.
Aus den Abrechnungen, die ich von Ihnen
erhielt Sie mir schicken ersehe ich (nur das Eine),
daß Sie durch unter
Vergewaltigung des zwischen uns bestehenden Vertrages darauf ausgehen, mich um
den rechtlichen Ertrag meiner Arbeiten zu betrügen.
Deswegen kann für mich Ihnen gegenüber nur noch der Modus in Betracht kommen:
20 % vom Ladenpreis jedes zu druckenden Exemplares, pränummerando für jede
Auflage – ein Modus wie er zwischen den namhaftesten Verlegern und
ihren Autoren besteht. Wenn Sie sich auf diesen Modus darauf nicht (umgehend)
einlassen, wollen verklag ich Sie auf Betrug werde ich Sie
verklagen.
Im Übrigen überraschen/t/ mich Ihre Benehmen Gemeinheiten lausbubenhaftes schmutziges Benehmen nicht
im mindesten. Ich habe Sie | als den Menschen kennen gelernSchreibversehen, statt: gelernt. der geduldig auf die Benennung „Scheißkerl“ wartet, bevor
er eine Schuld von circa 3000 Mark
eingesteht. In der ganzen Welt nennt man denjenigen,
der seine Geschäfte auf solche Conjuncturen gründet, einen Schurken; – und so nenne ich Sie!
Nach alledem, was ich mit Ihnen erlebt habe, sind Sie für mich der ekelhafteste
widerlichste Mensch, den ich auf dieser Welt kenne; Da ich
übrigens Und da ich
bei Ihnen die Erfahrung bei
Ihnen die Erfahrung gemacht habe Ihre
Fähigkeit kenne daß Sie, derartige
Briefe wie diesen hier als selbstverständliches
Ergebnis Ihrer Geschäftspraxis kaltlächelnd zu ge+ registrieren,
werde ich eine genaue wörtliche AnschriftSchreibversehen, statt: Abschrift. dieser Zeilen Jedem aus/zu/
lesen geben, der sich für Ihre Persönlichkeit interessiert.
Frank Wedekind.
[2. Briefabschrift:]
FRANK WEDEKIND.
MÜNCHEN, den 25. Sept 1903
Franz Josefstr. 42/II.
Herr Albert Langen,
München.
Da Sie mich durch Herrn Mischek noch einmal auffordernHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Mischeck und Albert Langen Verlag an Wedekind, 24.9.1903.
lassen, zu einer Besprechung auf Ihre Redaction zu kommen, theile ich Ihnen
mit, warum ich auf jede weitere Besprechung verzichte. Nachdem Sie drei Jahre
lang von ParisAlbert Langen war nach der Beschlagnahmung des „Simplicissimus“-Heftes vom 25.10.1898 und des daraufhin gegen ihn ergangenen Haftbefehls wegen Majestätsbeleidigung zunächst nach Zürich und Rom, Mitte Februar 1899 dann nach Paris geflohen. Dort lebte er vier Jahre lang bis Ende April 1903. aus keine meiner an Sie gerichteten Briefe beantwortetDie Kommunikation mit Albert Langen erfolgte über die Verlagsmitarbeiter Korfiz Holm, Georg Mischeck und Georg Zurhellen. hatten,
besuchte ich Sie nach Ihrem Eintreffen in MünchenNach Zahlung eines Bezeigungsquantums wurde Albert Langen am 11.4.1903 von König Georg von Sachsen begnadigt und kehrte Anfang Mai nach München zurück [vgl. Abret/Keel 1987, S. 242].. Sie hatten damals keine Zeit
für mich und forderten mich auf, am nächstfolgenden TageBei den beiden Tagen dürfte es sich um Donnerstag, den 21. und Freitag, den 22.5.1903 handeln. Die einzige Aufführung der „Meistersinger“ (vgl. den Entwurf) zwischen Albert Langens Rückkehr aus Paris und Wedekinds Schreiben vom 25.5.1903, in dem er sich auf seinen zweiten Besuch bei Albert Langen bezieht, fand am 22.5.1903 statt: „Am heutigen 90. Geburtstage Richard Wagners gehen im kgl. Hoftheater die ‚Meistersinger von Nürnberg‘ in Szene.“ [Allgemeine Zeitung, München, Jg. 106, Nr. 141, 22.5.1903, Drittes Abendblatt: Münchener Stadt-Anzeiger, S. 3] Abends fünf Uhr
wiederzukommen. An diesem Tage ließen Sie mich, der ich in Folge meines
UnfallesWedekind hatte sich Anfang April das Bein gebrochen [vgl. Wedekind an Korfiz Holm, 12.4.1903; Wedekind an Georg Stollberg, 20.4.1903 und Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 6.5.1903]. den Weg unter größten Anstrengungen gemacht hatte, | erst eine Stunde
lang warten und erschienen dann, um mir zu sagen, daß Sie keine Zeit für mich
hätten – warum? – weil Sie ins Theater gehen müßten. Solche Lausbubenstreiche
lasse ich mir von Ihnen nicht bieten. Daß Sie mir dabei in Ihrer protzigen Art
1000 Markvgl. Wedekind an Albert Langen, 25.5.1903. auszahlen ließen, ändert nichts an der Unverschämtheit Ihres
Benehmens. Von jedem anständigen Verleger hätte ich unter den gegebenen
Umständen eine höhere Summe erhalten, ohne dabei Ihre frechen Lümmeleien mit in
Kauf nehmen zu müssen.
Aus den AbrechnungenDie Abrechnungen sind nicht überliefert, sie dürften dem letzten Schreiben des Buchhalters vom Albert Langen Verlag beigelegen haben [vgl. Georg Mischeck und Albert Langen Verlag an Wedekind, 24.9.1903]. Der Verlag hatte ein Guthaben von 2110 Mark gegenüber Wedekind errechnet [vgl. Kutscher 2, S. 113]., die Sie mir schicken, sehe ich, daß Sie
unter Vergewaltigung des zwischen uns bestehenden Vertrages darauf ausgehen,
mich um den rechtlichen Ertrag meiner Arbeiten zu betrügen. Deswegen kann für
mich Ihnen gegenüber nur noch der Modus in Betracht kommen: 20 % vom Ladenpreis
jedes zu druckenden Exemplares, pränummerandoSchreibversehen, statt: pränumerando, (lat.) im Voraus. | für jeden
Auflage. Wenn Sie sich darauf nicht einlassen, werde ich Sie verklagenDies geschah nicht..
Im Übrigen überrascht mich Ihr Benehmen nicht im mindesten.
Ich habe Sie als den Menschen kennen gelernt, der geduldig auf die Benennung
„Scheißkerl“ wartet, bevor er eine moralische Schuld
von circa 3000 Markvgl. Wedekind an Albert Langen, 25.5.1903. eingesteht. In der ganzen Welt nennt man den, der
seine Geschäfte auf solche Conjuncturen gründet, einen Schurken – und so nenne
ich Sie! (Nach alledem, was ich mit Ihnen erlebt
habe, sind Sie für mich der ekelhafteste widerlichste Mensch, den ich kenne.) Und da ich die Erfahrung gemacht habe, daß Sie
Briefe wie diesen hier als selbstverständliches Ergebnis Ihn/r/er Geschäftspraxis
kaltlächelnd registrieren, werde ich eine wörtliche Abschrift dieser ZeilenBei dem überlieferten Korrespondenzstück dürfte es sich um diese Abschrift und nicht um den abgesandten Brief handeln. Fritz Strich verzeichnet den Brief als „Entwurf“ und lässt den am Ende des Briefes eingeklammerten Satz aus [vgl. GB 2, S. 109f.].
Jedem zu lesen geben, der sich für Ihre Persönlichkeit interessiert.
Frank Wedekind.