Postkarte.
Carte postale. Cartolina postale.
Nur für
die Adresse.
Côté réservé à l’adresse.
Lato riservato all’ indirizzo.
Herrn
Franklin Wedekind, Schriftsteller
München
Academiestrasse 21III.
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Mein lieber Freund! Obwohl es schnöde ist, zwei
freundliche Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Wedekind an Heinrich Welti, 28.7.1889 (und ein weiterer Brief). mit einer communengemeinen, allgemeinen. Postkarte zu erwidern,
musst Du Dich heute mit diesem wenigen Zeilen begnügen, da ich, in
gewohnter Weise, noch allerlei fertig zu machen haben vor meiner Abreise. Dieselbe erfolgt
nächsten Sonntag, den 25. August & am Montag Morgen hoff' ich den mir
heiligen Boden Münchens wieder zu betreten. Meine Ankunft findet so in aller
Gottesfrühe statt, daß ich Dich nicht veranlassen will, an den Bahnhof; ich
hoffe Dich so zwischen 7 & 7 ¼ Uhr wohlbehalten in Deinen Federn zu
finden & gedenke den ersten und kurzen Halt bei DirWedekind hat am 26.8.1899 den Besuch von Heinrich Welti notiert: „Während ich im Bett liegen bleibe macht er Toilette“ und habe dann „Abschied genommen um seine Braut in die Arme zu schließen“ [Tb]. Das war Emilie Herzog, Hofopernsängerin in München. zu machen & von
dort nach Schwabing zu fahren. Meine Braut trifft heute dort ein; vielleicht
hast Du Gelegenheit, sie einmal rasch zu sehen, obwohl sie ein ganzes SchockMengenzählmaß: 1 Schock sind 5 Dutzend (= 60 Stück).
ComißionenAufträge, hier: gesellschaftliche Verpflichtungen. & Besuche zu erledigen hat. Sie wird sich jedenfalls sehr
freuen, Dich begrüßenEinen Besuch bei Emilie Herzog (Kaulbachstraße 38a) hielt Wedekind am 22.8.1889 im Tagebuch fest: „Ich kaufe mir eine Cravatte und einen Regenschirm und gehe am Nachmittag zur Herzog mit der ich zwei gemüthliche Stunden verplaudere.“ zu können. An Frau PansegrauDas war „Wedekinds Berliner Wirtin in der Genthinerstraße 28, wo er im Juni 1889 seine Arbeit an ‚Kinder und Narren‘ begann“, eine „gutmütige, praktisch veranlagte und der weiblichen Emanzipation skeptisch begegnende Frau“, die „Bedenken hatte gegenüber weiblichen Bildungsansprüchen“ [KSA 2, S. 710]. Sie war die Gattin des Portiers W. Pansegrau, Genthinerstraße 28 [vgl. Berliner Adreßbuch für das Jahr 1889, Teil I, S. 853; Teil II, S. 894]. Eine ironische Reminiszenz an sie ist der Name der Leiterin des Mädchenpensionats in „Kinder und Narren“ (die Direktorin Pansegrau). Heinrich Welti wollte wohl an die frühere Vermieterin Wedekinds schreiben, da er plante, nach Berlin zu gehen. werd’ ich schreiben; die
Sache wäre mir in mancher Beziehung sehr angenehm, aber ich fürchte
Unzuträglichkeiten, die mir aus der
Hausgemeinschaft mit einem Theatercollegen Emiliens erwachsen könnten. Siehst
Du gelegentlich Einen von der alten Runde, so künde meine bevorstehende Ankunft
an. Dir wünsch’ ich alles Gute & hoffe Du werdest von allen KatarrhenSchleimhautentzündungen. etc.
befreit sein, wenn ich anrücke. Mit freundschaftlichstem Grusse Dein
Welti