Sehr geehrter Herr Doctor!schon einmal exakt so verwendete Anrede: „Sehr geehrter Herr Doctor!“ [Wedekind an Carl Hermann Schmidt, 11.9.1907] Dr. phil. Pater Expeditus Schmidt (d.i. Carl Hermann Schmidt), theateraffiner Bibliothekar im Franziskanerkloster St. Anna in München und „in engem Kontakt mit dem Münchner Hoftheater“ [Vinçon 2018, Band 2, S. 66], ist dem Briefinhalt zufolge der Adressat des vorliegenden Briefes.
Heute ist Sonntag und die Post geschlossen. Morgen werde ich
Ihnen das Stück zuschickenWedekind hatte den Kontakt mit dem Pater gesucht [vgl. Wedekind an Carl Hermann Schmidt, 11.9.1907], um sich im Zusammenhang mit seinem entstehenden Einakter „Die Zensur“ Rat zu holen (die gewünschte Unterredung mit ihm über das Stück fand am 23.9.1907, 24.9.1907 und 26.9.1907 in München statt). Nachdem Wedekind am 19.10.1907 in Frankfurt am Main „Zensur fertig geschrieben“ [Tb] hat, dürfte er Carl Hermann Schmidt am 18.11.1907 aus Berlin eine nicht überlieferte Abschrift seines vorläufig fertigen Manuskripts geschickt haben, an dem er noch weiter arbeitete und erst am 3.12.1907 „Zensur endgültig abgeschlossen“ [Tb] hat. Er sandte die Druckvorlage dann am 4.1.1908 an Dr. Artur Landsberger, den Chefredakteur der Wochenschrift „Morgen“, wo das Stück im Erstdruck erschien [vgl. Frank Wedekind: Die Zensur. Theodicee in drei Szenen. In: Morgen, Jg. 2, Nr. 3, 17.1.1908, S. 82-87, Nr. 4, 24.1.1908, S. 108-114].. Mit Reinhardt zu sprechen hatte ich bis jetzt keine
Gelegenheit, da wir seit meinem hierseinWedekind war nach einem längeren Aufenthalt in München am 3.10.1907 zurück nach Berlin gereist, seinem Wohnort. Seitdem hatte er lediglich vom 17. bis 21.10.1907 eine kleine Reise nach Frankfurt am Main unternommen und war am 22.10.1907 wieder in Berlin. in fortgesetzten ConflictenIm Herbst 1907 begannen Streitigkeiten um Vertragsangelegenheiten zwischen Wedekind und Max Reinhardt, dem Direktor des Deutschen Theaters in Berlin. Wedekind hat ihn am 27.10.1907 zuletzt gesehen: „Besuch bei Reinhart.“ [Tb] leben. Ich
freue mich sehr auf Ihren VortragCarl Hermann Schmidts Vortrag fand am 12.12.1907 um 20 Uhr im Choralionsaal in Berlin (Bellevuestraße 4) statt. Die Presse meldete: „Im Choralion-Saal hält heute Abend 8 Uhr der Franziskanermönch Pater Expeditus Schmidt einen Vortrag über ‚Theater‘.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 581, 12.12.1907, Morgen-Ausgabe, 2. Beilage, S. 9] Wedekind notierte für diesen Abend: „Vortrag des Pater Expeditus im Choralionsaal. Dr. Landsberger giebt ein Banket bei Kannenberg.“ [Tb] Artur Landsberger war als Chefredakteur des „Morgen“ der Veranstalter. Der Vortrag war zusammen mit einer Lesung Wedekinds angekündigt gewesen als „Vorträge der Wochenschrift ‚Morgen‘“: „I. Montag“, den 9.12.1907 im Blüthnersaal „Frank Wedekind über Kunst und Moral. II. Donnerstag“, den 12.12.1907 im Choralionsaal „Franziskanermönch Dr. Pater Expeditus Schmidt über Theater.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 597, 24.11.1907, Sonntags-Ausgabe, 6. Beiblatt, S. (1)]. Ich sprach hauptsächlich deshalb mit Dr.
LandsbergerDr. Artur Landsberger, den Wedekind dem Tagebuch zufolge zuletzt am 23.10.1910 getroffen hat („Landsberger [...] zum Café“), war Chefredakteur der Wochenschrift „Morgen“, die auch Lesungen veranstaltete. So waren Wedekinds Lesung am 9.12.1907 und Carl Hermann Schmidts Vortrag am 12.12.1907 zusammen angekündigt als „Vorträge der Wochenschrift ‚Morgen‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 597, 24.11.1907, Sonntags-Ausgabe, 6. Beiblatt, S. (1)]., weil ich voraussetzte, daß materiell | mehr dabei resultieren
würde als bei der Theaterschule.
In vorzüglicher Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
17.11.7.