Verehrter Herr Kraus,
beiliegendim Erstdruck: Beiliegend. Dem Brief liegen die Korrekturfahne des Gedichts „Die sechzig Zeilen oder Die sieben Worte“ – sie ist nicht erhalten [vgl. KSA 1/II, S. 1358] – und das Manuskript „Der Dampfhammer“ (siehe unten) nicht mehr bei. die Correktur zurückHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur übersandten Korrekturfahne (siehe oben); erschlossenes Korrespondenzstück: Karl Kraus an Wedekind, 28.5.1907., mit der ich einverstanden
bin undim Erstdruck: bin, und. das GedichtDas Manuskript des mit dem Gedicht „Im Dampfhammer“ [KSA 1/I, S. 279f.], geschrieben im Winter 1886/87 [vgl. KSA 1/II, S. 1701f.], dann fast gleichlautenden Lieds „Der Dampfhammer“ [KSA 1/III, S. 165; vgl. KSA 1/III, S. 609-614], das als Lied ausgewiesen („Nach der Melodie ‚Ist denn Lieben ein Verbrechen..‘“) in der „Fackel“ erstveröffentlicht wurde [vgl. Frank Wedekind: Der Dampfhammer. In: Die Fackel, Jg. 9, Nr. 229, 2.7.1907, S. 19f.], liegt dem Brief nicht mehr bei.. Ich würde Sie aber bitten auf jeden Fall so zu verfahren
daß sieSchreibversehen, statt: sich. – So auch im Erstdruck korrigiert. die beiden SachenKarl Kraus veröffentlichte zuerst das Gedicht „Die sechzig Zeilen oder Die sieben Worte“ [vgl. Die Fackel, Jg. 9, Nr. 227-228, 10.6.1907, S. 1-3], dann das Lied „Der Dampfhammer“ [vgl. Die Fackel, Jg. 9, Nr. 229, 2.7.1907, S. 19f.]. nicht schaden. And den/r/
Veröffentlichung des Dampfhammers liegt mir gar nichts, besonders dann wäre ich nicht dafür wenn die Veröffentlichung
ästätischeSchreibversehen, statt: ästhetische. – So auch im Erstdruck korrigiert. Bedenkenwohl „Befürchtungen“ angesichts „der erotischen Metaphorik des Textes“ [Nottscheid 2008, S. 202]. Wedekind hat sich im Vorjahr eine entsprechende Reaktion seines Schwagers notiert: „Walther Oschwald nachdem ich ihm den ‚Dampfhammer‘ vorgelesen: Wahrscheinlich steckt wieder irgend eine verborgene Schweinerei dahinter.“ [KSA 1/II, S. 1704] | hätte. Auf keinen Fall möchte ich daßim Erstdruck: ich, daß. der Eindruck
der 7 Worte durch den Dampfhammer beeinträchtigt würde. Ich würde Sie also
bitten, den Dampfhammer vorderhand noch beiseite zu legen.
Für die Angabe der EntstehungszeitWedekind gab Karl Kraus gegenüber an, „Der Dampfhammer“ sei „im November 1886 geschrieben“ [Wedekind an Karl Kraus, 12.6.1907]. Das Gedicht entstand im Winter 1886/87 in Zürich; die erste erhaltene Niederschrift stammt aus dem Jahr 1889 [vgl. KSA 1/II, S. 1702]. wäre ich sehr im Fall
einer Veröffentlichung.
Meine Frau läßt Ihnen bestens danken und freut sich ungemein
auf das Bildauf ein Foto von Irma Karczewska [vgl. Frank und Tilly Wedekind an Karl Kraus, 26.5.1907]..
Mit besten Empfehlungen
Ihr
FrWedekindim Erstdruck: Fr. Wedekind..
Berlin
29.V.07 |
Dem Nulla
Diesprocessim Erstdruck: Nulla Dies-Prozeß. Wedekind bezieht sich auf den Aufsatz „Nulla dies...“ – ‚nulla dies‘ (lat.) = ‚kein Tag‘ – in der „Fackel“ [vgl. Die Fackel, Jg. 9, Nr. 225, 3.5.1907, S. 1-10], eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der österreichischen Justiz, die Karl Kraus eine Anklage eintrug, wie er zu dem vorliegenden Brief anmerkte: „Auf Grund des Aufsatzes ‚Nulla dies‘ hatte die Staatsanwaltschaft vorschnell Anklage wegen ‚Aufwiegelung‘ erhoben, sie aber, sei es aus eigener Furcht vor dem zu erwartenden Freispruch durch die Geschwornen, sei es über einen Wink der Regierung, wieder fallen gelassen.“ [Kraus 1920, S. 131] Später erwähnte er angesichts einer Lesung aus diesem Aufsatz, dass er für diesen „wegen Aufwiegelung gegen die Staatsgewalt in Untersuchung gezogen wurde. Die Staatsgewalt überlegte sich’s jedoch.“ [Die Fackel, Jg. 31, Nr. 811-819, Anfang August 1929, S. 37] würde ich mit
Seelenruhe entgegensehen. Ich möchte Ihnen beinahe gratulieren. Sie haben darin
einen berühmten Collegenim Erstdruck: Kollegen. in Jesus Christus, der auch auf die Richter schimpfteAnspielung auf den Schluss der Bergpredigt, in der Jesus gegen das Richten spricht [vgl. Matthäus 7, 1-5; vgl. Lukas 6, 36-41].
und einen beinahe ebenso berühmten in Göthe in der Schülerscenein der zweiten „Studierzimmer“-Szene in Goethes „Faust. Der Tragödie erster Teil“ (1808), in welcher nach der Aufforderung des Mephistopheles („Doch wählt mir eine Facultät!“) und dem Bekenntnis des Schülers („Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen“) Mephistopheles über das Justizwesen ausführt: „Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen, / Ich weiß wie es um diese Lehre steht. / Es erben sich Gesetz’ und Rechte / Wie eine ew’ge Krankheit fort, / Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte, / Und rücken sacht von Ort zu Ort. / Vernunft wird Unsinn, Wohlthat Plage; / Weh dir, daß du ein Enkel bist! / Vom Rechte, das mit uns geboren ist, / Von dem ist leider! nie die Frage.“ [V. 1968-1979].