[1. Abgesandter Brief:]
Lenzburg
7.10.95.
Lieber Herr Eisenschitz,
empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren freundlichen
Rathschlagauf der unten erwähnten Postkarte; nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Eisenschitz an Wedekind, 5.10.1895. Der seit kurzem in Wien tätige Dramaturg hatte Wedekind offenbar geraten, sich für die Vermittlung einer Aufführung des „Erdgeist“ an den Berliner Bühnenverlag Felix Bloch Erben zu wenden und sich überhaupt über die Tragödie geäußert.. Sie schreiben, die Directoren möchten wie Piraten über das Stück
herfallen. Jetzt, nachdem Sie es gelesen, halten Sie die Gefahr vielleicht
selbst nicht mehr für so dringend. Ich rechne darauf, daß das Stück in der literarischen Welt, in der Presse
einiges Aufsehen er|regt und auf diesem Wege trotz seiner Extravaganz auf die
Bühne gelangt.
Was aber die Agentur
betrifft, so hat sich mein Verleger nämlich das Recht des Bühnenvertriebes
vorbehalten. Albert Langen ist ein rühriger Mensch und ich habe einiges
Vertrauen in seine Unternehmungen. Auf jedenfall muß ich erst abwarten, wie er
sich dazu stellt. Auf Ihre freundliche Carte hin habe ich ihn um Zustellung des
Contractes gebeten. Wenn die Überein|kunft mit ihm nicht zustande kommt, werde
ich von Ihrer Empfehlung an BlochFelix Bloch Erben, Bühnenverlag in Berlin. Gebrauch machen.
Für meine Person habe
ich die Überzeugung, daß das Stück auf der Bühne Erfolg haben würde, auch wenn
es von schlechten Kräften gegeben wird. Aber ich bezweifle, daß ohne Anregung
irgend ein Director den Muth finden wird, es aufzuführen.
Von Donald höre ich, daß
Sie eine große Tournée vorhaben über London Paris, ect. Ich beneide Sie und
wünsche Ihnen von Herzen alles Glück und besten Erfolg. Ich habe meinen Bruder
vor einige Wochen gesehen, als er auf der | Durchreise nach Italien über Zürich
kam. Ich selber werde nächster Tage in Zürich mit einem WandervortragWedekind trat in Zürich als Rezitator unter dem Namen Cornelius Mine-Haha auf, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. beginnen
von dem ich hoffe daß er mich ein Stück weit durch die Welt trägt.
Empfangen Sie meine
herzlichsten Grüße. Wer weiß, wo man sich wieder begegnet.
In größter Hochschätzung
Ihr
Frank Wedekind.
[2. Druck:]
Lenzburg, 7./10. 95.
Lieber Herr Eisenschitz,
empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren freundlichen Ratschlag. Ich rechne
darauf, daß das Stück in der literarischen
Welt, in der Presse einiges Aufsehen erregt und auf diesem Wege trotz seiner
Extravaganz auf die Bühne gelangt.
Was aber die Agentur
betrifft, so hat sich mein Verleger nämlich das Recht des Bühnenvertriebes
vorbehalten. Albert Langen ist ein rühriger Mensch, und ich habe einiges
Vertrauen in seine Unternehmungen. Auf jeden Fall muß ich erst abwarten, wie er
sich dazu stellt. Wenn die Uebereinkunft mit ihm nicht zustande kommt, werde
ich von Ihrer Empfehlung an Bloch Gebrauch machen.
Für meine Person habe
ich die Ueberzeugung, daß das Stück auf der Bühne Erfolg haben würde, auch wenn
es von schlechten Kräften gegeben wird. Aber ich bezweifle, daß ohne Anregung
irgend ein Direktor den Muth finden wird, es aufzuführen.
Ich werde nächster Tage
in Zürich mit einem Wandervortrag beginnen, von dem ich hoffe, daß er mich weit
durch die Welt trägt.
Empfangen Sie meine
herzlichsten Grüße. Wer weiß, wo man sich wieder begegnet.
In größter Hochschätzung
Ihr Frank Wedekind.