Kennung: 3051

München, 15. September 1907 (Sonntag), Postkarte

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly

Inhalt

Königreich Bayern
Postkarte


An
Frau Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
in Lenzburg
Wohnung (Straße und Hausnummer) Ct. Aargau Schweiz |


Geliebte Tilly, ich habe drei Tage gearbeitetWedekind hat an seinem Einakter „Die Zensur“ gearbeitet, der zunächst noch den Titel „Das Kostüm“ trug [vgl. KSA 6, S. 827], wie er im Tagebuch am 12.9.1907 („Beginne an Kostüm zu arbeiten“), 13.9.1907 („Arbeite im Hofbräuhaus an Kostüm“), 14.9.1907 („Arbeite im Hofbräuhaus an Kostüm“) und 15.9.1907 („An Kostüm gearbeitet“) notierte.. Dein BalletkostümTilly Wedekind hat bei dem Schneidermeister Johann Nepomuk Mück (Hackenstraße 3), der „Theaterkostümeur“ [Adreßbuch für München 1907, Teil I, S. 359] war, dem Tagebuch zufolge am 9.9.1907 Kostümprobe gehabt („Tilly probiert bei Mück zwei Kostüme an“); ein Ballettkostüm war fertig und kam am 14.9.1907 bei Frank Wedekind an („Mück schickt das Balletkostüm“). Sie hatte nicht nur als Lulu in „Erdgeist“-Aufführungen (3. Akt) ein Ballettkostüm getragen, sondern trug dann später in Inszenierungen des Einakters „Die Zensur“ (2. und 3. Szene) ein Ballettkostüm [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 66]. ist von Mück gekommen in großem Karton, den ich möglichst bald nach Berlin gesch schicke. MaliotLudwig Malyoth war Intendanz-Oberinspektor am Münchner Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 482] und bekannt mit dem theaterinteressierten Franziskanermönch Pater Expeditus (= Dr. phil. Carl Hermann Schmidt), der wiederum „in engem Kontakt mit dem Münchner Hoftheater“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 66] stand. Wedekind suchte den Kontakt mit dem Bibliothekar und Franziskanermönch, um sich für sein neues Stück mit ihm zu beraten [vgl. Wedekind an Carl Hermann Schmidt, 11.9.1907]. hat schon an den Pater Expeditus geschrieben. Wenn ich hier nur 1. Scene fertig schreibe, dann wird das übrige sehr leicht in Berlin fertig zu machen sein. Thalia Theater in Hamburg wird Büchse d. P. aufführen. Wir fahren zur PremiereEine Aufführung von Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ am Hamburger Thalia-Theater kam erst am 23.4.1911 zustande [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 66]. hin. HolländerWedekind wartete auf Nachricht von Felix Hollaender, Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin, über die geplante Neuinszenierung des „Marquis von Keith“ (Premiere: 9.11.1907). hat noch nichts von sich hören lassen. Leider werdet Ihr jetzt sehr schlechtes WetterWedekind dürfte den Wetterbericht gelesen haben: „Aussichten für die Witterung in der Nordostschweiz: Wechselnde Bewölkung und Aussicht auf zunächst noch einzelne Niederschläge; Temperatur eher mäßig kühl“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 128, Nr. 256, 15.9.1907, 1. Blatt, S. (2)]. haben. Von Vindonissa stand einiges im Berliner TagblattIm „Berliner Tageblatt“ waren die Freilichtaufführungen von Schillers „Braut von Messina“ vom 18.8.1907 bis 8.9.1907 im Amphitheater von Vindonissa im Aargau mehrfach annonciert; es gab auch einen ausführlicheren Bericht, in dem es heißt: „Wie unser Korrespondent in Zürich schreibt, besitzt die Schweiz im Kanton Aargau ein großartiges Baudenkmal in Form eines römischen Amphitheaters, das im Jahre 1881 bloßgelegt worden ist: in Vindonissa (Windisch), einer der bedeutendsten Handelsstädte [...] der alten Römer. Die wichtigen Mauern des Amphitheaters [...] sind heute noch vorhanden und dank der Gesellschaft ‚Pro Vindonissa‘ gut restauriert. Mit Hilfe des Bundes hat diese Gesellschaft das antike Theater im Laufe der Jahre ganz bloßlegen lassen, so daß es heute in seiner ganzen erstaunlichen Größe und Anlage bewundert werden kann. An dieser klassischen Stätte, die nunmehr Eigentum der Eidgenossenschaft ist, finden vom 18. August bis zum 8. September dieses Jahres [...] Aufführungen der ‚Braut von Messina‘ statt. Ein gewaltiger neuer Bühnenbau [...] ermöglicht eine Aufführung dieses Dramas im Freien. Das Theater ist in zehn Minuten vom Bahnhof Brugg aus zu erreichen. Die Aufführungen finden nachmittags von 4 bis 6 Uhr statt. Der Zuschauerraum faßt mehr als viertausend Sitzplätze und etwa zweitausend Stehplätze. Die Sonne haben die Zuschauer im Rücken. Die Chöre werden von einigen hundert Mitwirkenden gesprochen; die bisherigen Proben haben die Wirkung dieser Massensprechchöre bereits dargetan. Die Hauptrollen liegen in den Händen von Darstellern, die fast alle der Meininger Hofbühne angehören.“ [Schiller-Aufführungen in einem altrömischen Amphitheater. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 383, 31.7.1907, Morgen-Ausgabe, S. (3)] . Ich glaubte, es Dir gesagt zu haben. Grüße Mama und Mati und sei du selber herzlichst gegrüßt und geküßt sammt Deiner lieben Anna Pamela von Deinem Frank

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 14 x 9 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hoch- und Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Postkarte ist mit zwei Briefmarken (eine aufgedruckt, eine aufgeklebt) von jeweils 5 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Postausgangsstempels – 15.9.1907 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Postausgangsstempel München: „7 – 8 N.“ (= 19 bis 20 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Lenzburg: „XI“ (= 11 Uhr).

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
188-189
Briefnummer:
296
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2018, Bd. 1, S. 66 (Nr. 78).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.9.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (12.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

03.09.2023 14:01