Kennung: 3553

Rom, 24. Juni 1913 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly

Inhalt

Eden Hotel – Rome
Franz Nistelweck


Geliebteste Tilly!

Gestern Nachmittag bin ich umgezogenWedekind notierte am 23.6.1913 in Rom: „Ich ziehe ins Eden Hotel Via Ludovici 49.“ [Tb] da daßSchreibversehen, statt: das. Hotel Russie ganz außerhalb der Welt lag und sehr theuer war. Jetzt wohn ich Eden Hotel Via Ludovisi 49.

Am ersten TagWedekind notierte am 21.6.1913: „Besuch bei Dr. Hans Barth“ [Tb]. Dr. phil. Hans Barth lebte seit 1886 als Korrespondent des „Berliner Tagblatt“ in Rom (er war außerdem bekannt durch seine Reiseführer über Schankwirtschaften Roms). H/b/esuchte ich den Correspondenten des Berliner Tageblattes Dr. Hans Barth den ÜbersetzerAuf dem Titelblatt der deutschsprachigen Ausgabe des im Original italienischen Stücks „La cena delle beffe“ von Sem Benelli – „Das Mahl der Spötter. Dramatisches Gedicht in vier Aufzügen“, erschienen 1912 im Verlag von Julius Hoffmann in Stuttgart – ist vermerkt: „Deutsch von Hans Barth.“ von Sem Benelli Mahl der Spötter und verbrachte die ersten beiden AbendeWedekind notierte am 21.6.1913: „Abends mit Barth in Trastevere und Löwenbräu“ [Tb], am 22.6.1913: „Mit Barth und seiner Frau zu Abend gegessen. Nachher mit Barth im Löwenbräu.“ [Tb] mit ihm. Er war kurz vor uns in WienFrank und Tilly Wedekind waren vom 4. bis 13.6.1913 zu einem „Franziska“-Gastspiel (Premiere am 6.6.1913, weitere Vorstellungen am 9. und 12.6.1913) in Wien. gewesen und hatte mir am Tag | vorheram 3.6.1913, einen Tag vor der Ankunft Wedekinds in Wien (siehe oben). eine Italienische Zeitung mit einem Artikel zugeschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Barth an Wedekind, 3.6.1913.. Seine Frau ist aus Reutlingen und eine Bekannte von Frau Gustav HenckellEmilie Henckell (verwitwete Zeiler), Gattin von Gustav Henckell.. Morgen AbendWedekind notierte am 25.6.1913: „Bei Barths zum Abendessen. Nachher mit Barth im Löwenbräu.“ [Tb] bin ich bei ihnen eingeladen. Gestern AbendWedekind, der am 3. Akt seines Versdramas „Simson“ arbeitete [vgl. KSA 7/II, S. 1266], notierte am 23.6.1913: „Trastevere und Löwenbräu an Simson III gearbeitet.“ [Tb] war ich allein. Meine Arbeit geht gut. Man kann hier überall arbeiten, wo man sitzt und steht. Herzlichsten Dank für Deinen lieben Kartenbriefein auf zwei Briefkarten geschriebener Brief [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.6.1913].. Es freut mich daß es Euch Allen gut geht. Im Hotel Russie wird ja vielleicht jetzt Post eingetroffen sein. Ich werde gleich nach Tisch nachsehen. Rom ist die schönste Stadt, die ich bis jetzt gesehen, aber lange nicht so interessant wie Paris. An Theater Zirkus Varieté ist gar nichts vorhanden. Die Hitze war mir | bis jetzt nicht lästig. Sobald man auf eine Höhe steigt hat man erfrischenden Wind um sich. Gestern und vorgestern war ich in den MuseenWedekind notierte am 23.6.1913 das „Museo Campidolio“ [Tb], das sind die an der Piazza del Campidoglio gelegenen Kapitolinischen Museen mit einer großen Sammlung an Kunstschätzen aus der Geschichte Roms. auf dem Kapitolder Kapitolinische Hügel, einer der sieben Hügel des antiken Rom.. Jetzt werde ich mir das Pantheonantiker Rundbau mit riesiger Kuppel, auf dem Marsfeld den antiken Göttern Roms erbaut, seit dem frühen Mittelalter als christliche Kirche genutzt. ansehen. Dr. Barth erzählteHans Barth erzählte von dem Schauspieler Gustav Waldau sowie von den langjährigen „Simplicissimus“-Redakteuren Ludwig Thoma (die Figur des Dr. Kilian in Wedekinds „Oaha“ ist nach ihm gestaltet) und Reinhold Geheeb, inzwischen Geschäftsführer des Albert Langen Verlags. viel von Waldau Dr. Thoma und Geheeb, die vor kurzem hier waren. Da er gleichzeitig mit mir in Zürich studiertWedekind studierte vom Sommersemester 1888 bis kurz nach dem Tod seines Vaters in Zürich Jura (Abgang von der Universität: 29.11.1888); Hans Barth war im Wintersemester 1880/81 und im Wintersemester 1883/84 an der Universität Zürich immatrikuliert, studierte romanische Philologie und wurde am 22.11.1884 in Zürich zum Dr. phil. promoviert (Abgang von der Universität: 24.11.1884) [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich: https://www.matrikel.uzh.ch], hatte sein Studium also beendet, bevor Wedekind sein Studium aufnahm. hat haben wir eine Unmenge gemeinsamer Bekannten aus früherer Zeit. Natürlich sprachen wir auch viel über RobertEugen Robert war Mitte April 1913 als Direktor der Münchner Kammerspiele gekündigt worden. Er war aktuell in Wien: „Dr. Eugen Robert, einstweilen Direktor a.D. der Münchner Kammerspiele, gastiert jetzt mit einem Ensemble, das zum guten Teil der ihm so ungestüm entrissenen Bühne angehört, am Wiener Deutschen Volkstheater.“ [B-r: Wiener Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 297, 13.6.1913, Morgenblatt, S. 2] Bei diesem Gastspiel war auch „Franziska“ zur Aufführung gekommen (siehe oben), außerdem das von Hans Barth übersetzte Stück „Das Mahl der Spötter“ (siehe unten).. Sternheims Hose„Die Hose. Ein bürgerliches Lustspiel in 4 Akten“ von Carl Sternheim hatte bei dem „Münchener Ensemble-Gastspiel unter Leitung des Direktors Dr. Eugen Robert“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 47, Nr. 161, 14.6.1913, S. 25] am Deutschen Volkstheater in Wien am 14.6.1913 Premiere (fast täglich folgten bis zum 30.6.1914 weitere Vorstellungen). Die öffentliche Aufführung des Stücks war in München von der Zensurbehörde verboten; es gab lediglich am 20.10.1911 im Münchner Lustspielhaus (Direktion: Eugen Robert) eine geschlossene Vorstellung vor geladenen Gästen [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 480, 13.10.1911, Morgenblatt, S. 2], die Wedekind seinerzeit gesehen hat: „Abends ‚Die Hose‘ von Sternheim.“ [Tb] hat in Wien einen durchschlagenden | Erfolg gehabt sodaß Mahl der Spötter„Das Mahl der Spötter. Dramatisches Gedicht in vier Akten von Sem Benelli. Deutsch von Hans Barth“ hatte bei dem „Münchener Ensemble-Gastspiel unter Leitung des Direktors Dr. Eugen Robert“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 47, Nr. 148, 1.6.1913, S. 63] am Deutschen Volkstheater in Wien am 1.6.1913 Premiere (die deutsche Uraufführung; fast täglich folgten bis zum 11.6.1914 weitere Vorstellungen). Frank Wedekind hat das Stück am 4.6.1913 gesehen: „Abends allein in Mahl der Spötter.“ [Tb] Tilly Wedekind sah es am 7.6.1913: „Tilly mit ihrer Mutter und Bertl [...] in Mahl der Spötter.“ [Tb] nicht mehr gegeben wurde. Wir tranken mehrfach auf s/D/ein Wohl. Er hegt große Verehrung für Dich, kommt übrigens im August mit seiner Frau nach München.

Nun leb wohl, geliebteste Tilly. Laß es Dir gut gehn. Mit herzlichsten Grüßen an Mama und die Kinder
in innigster Liebe
Dein
Frank.


24.6.13

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 18 cm. Mit gedrucktem Briefkopf. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Illustration im gedruckten Briefkopf – eine Abbildung des Eden Hotels in Rom – ist koloriert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Rom
    24. Juni 1913 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Rom
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
283-284
Briefnummer:
402
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2018, Bd. 1, S. 250-251 (Nr. 382).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1913. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (11.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

25.09.2023 16:47