Kennung: 3784

München, 7. Oktober 1914 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

T. W.


Mittwoch, 7.X.14.


Geliebtester Frank,

von Herzen hoffe ich, dass es Dir so geh/u/t geht wie uns. Hoffentlich hast Du meine Karteneine Bildpostkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.10.1914] und eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 5.10.1914] an das Hotel Bellevue au Lac in Zürich adressiert, eine Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.10.1914] nach Lenzburg. erhalten, 2 schrieb ich an’s Hotel Bellevue 1 nach Lenzburg. Deine Karte von Montagvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 5.10.1914. erhielt ich schon gestern, die Post scheint also sehr gut zu funktionieren. Nun bist Du ja vielleicht schon bei Mama und hast sie sowohl wie Mati hoffentlich recht wohl angetroffen.

Heute Vormittag gieng ich mit den/r/ Kleinen | Anna Pamela abholen von der Schule. (Die Mädchen putzen die Wohnung gründlich.) Es war ein sehr schöner Tag u. die Kinder waren sehr lieb. Die Kleine plauderte unaufhörlich (was sie ja offenbar von mir hat.) Anna Pamela hatte Nachmittags nochmals Schule, Religionsstunde einmal die Woche.

Die Zeitungen lese ich eifrigAnspielung auf „die Kriegsnachrichten [...]. Die in der Presse verbreiteten Annahmen, dass der Krieg bald beendet werden könnte, entpuppten sich rasch als Illusion.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 267], aber man muss sich wohl noch in Geduld fassen. Das „Forum“ kam auchDie im Forum-Verlag in München erscheinende Zeitschrift „Das Forum“ – herausgegeben von Wilhelm Herzog – erschien seit April 1914 (das erste Heft enthält Wedekinds Essay „Weltlage“ und einen Aufruf „Für Frank Wedekind“). Das August-Heft 1914 wurde aufgrund von Herzogs kriegskritischem Leitartikel „Patrioten gegen Patrioten“ sofort konfisziert, „die gesamte Auflage [...] vernichtet“ und gegen Herzog „‚Anklage wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrat‘ erhoben“ [Müller-Feyen 1996, S. 91]; die nächsten Hefte (Heft 5/6 von August/September 1914, Heft 7 von Oktober 1914, das Tilly Wedekind vermutlich vorlag) konnten zwar wieder erscheinen, aber auch diese „Folgehefte seiner Zeitschrift belegten Herzogs demonstratives und unerschrockenes Engagement gegen den Krieg.“ [Müller-Feyen 1996, S. 96] u. waren recht interressanteSchreibversehen, statt: interessante. Artikel darin.

Für Abends bat Frl. RitscherHelene Ritscher (Widenmayerstraße 50) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 565], Schauspielerin und Mitglied des Münchner Hofschauspiels [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503], die Tilly Wedekind und Blanka Marion für den Abend des 7.10.1914 zu sich eingeladen hat. mich u. Frl. Marion zu kommen, da sie allein ist. Ich wollte eigentlich in „Wallensteins Lager„Wallensteins Lager“ (der erste Teil von Friedrich Schillers „Wallenstein“-Trilogie) wurde am 7.10.1914 am Münchner Hoftheater gespielt [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 514, 7.10.1914, General-Anzeiger, S. 2]. | werde nun aber ein andermal gehen. Sonst ist herzlich wenig Interessantes im Theater. Hast Du in Zürich etwas gesehen?

Sei mir nicht böse, wenn ich nicht ausführlicher schreibe, aber es giebt gar nichts Neues. Morgen werde ich mit Frau Dr. Pariser wegen der TanzstundeTilly Wedekind nahm Tanzunterricht bei der Primaballerina des Hofballetts Anna Ornelli [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 6.10.1914]. sprechen.

Unterhalte Dich recht gut geliebter Frank, u. grüße Mama u. Mati herzlichst!

Von Lenzburg fährst Du wohl nach Aarau? Die Kinder schicken Dir innige Küsse, auch für GroßmutterEmilie Wedekind. u. Tante Mati,.

Innigst umarmt u. küsst Dich,
Deine Tilly

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 18 x 18 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    7. Oktober 1914 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
346-347
Briefnummer:
499
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 7.10.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (12.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

21.12.2022 10:18