Kennung: 3899

München, 13. April 1916 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Koautoren*in

  • Wedekind, Pamela

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

T. W.


München, 13.4.16.


Mein liebster, geliebter Frank,

heute bekam ich keine Nachricht. Ich hoffe nur, dass Du guter Stimmung bist! Ich habe gestern noch alles abgeschickt was Du wolltest, das Geld und die Briefe300 Mark und zwei Briefe von Kurt Hezel [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.4.1916 (Briefkarte)].. Abends schickte ich noch einen Brief vom Frankfurter Stadttheaternicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schauspielhaus Frankfurt am Main an Wedekind, 11.4.1916. – Das Frankfurter Schauspielhaus (Intendant: Max Behrend, Spielleitung: Karlheinz Martin) gehörte zu dem Vereinigten Stadttheater in Frankfurt am Main [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 399, 403]. nach. Gestern Nachmittags war ich bei Frau Glümer zum Thee eingeladenbei der Schauspielerin Marie Glümer – das ist Marie Blaustein (Mannhardtstraße 3) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 63] – vom Münchner Schauspielhaus [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 505], wo Tilly Wedekind die Schauspielerinnen Mirjam Horwitz und Lucy von Jacobi von den Münchner Kammerspielen [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 506] traf., ich traf Frau Horwitz u. Fr. v. Jacobi dort. Abends war ich mit Frau Dr. Pariser im Bossetti ConzertDer Liederabend der Münchner Hofopernsängerin Hermine Bosetti [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 502] fand am 12.4.1916 um 20 Uhr im Hotel Vier Jahreszeiten statt, wie angezeigt war: „Heute Mittwoch abend finden statt: 8 Uhr in den Vier Jahreszeiten der einzige Liederabend der Kammersängerin Hermine Bosetti. Am Klavier Wolfgang Ruoff.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 188, 12.4.1916, Morgenblatt, S. 2] Er war ein Erfolg: „Aus der Gabenfülle ihres bedeutenden, neuerlichen Rühmens kaum bedürftigen gesanglichen und vortraglichen Könnens schöpfte Kammersängerin Hermine Bosetti an ihrem Liederabend, den die Zuhörer in der gewohnten Begeisterung und lauten Gunstbezeigung aufnahmen. Wo Anmut, Grazie, unbeschwerte Leichtigkeit und Schelmerei mit Liebreiz der Stimme zu einem bestrickenden, durch keinerlei falsche Züge gestörten Gefühls- und Darstellungsbild sich einen, ist Frau Bosettis Kunst am stärksten und wirkungssichersten. Da ergibt man sich ihr ohne Zaudern und mit hellem Vergnügen.“ [Aus den Münchner Konzertsälen. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 191, 14.4.1916, Vorabendblatt, S. 3]. Es war wunderschön. Sie sang Schumann, Schubert, Wolf u. Strauß. |

Herr Dr. Pariser erwartete uns nachher u. wir aßen zusammen zu Abend. Sie waren sehr lieb, wir sprachen von der Bosetti, von der Politik u. natürlich von Dir. Wir hätten Dir gerne eine Karte geschrieben, doch war keine ordentliche zu bekommen. Heute u. morgen bin ich mit den Kindern zusammen, weil die Mädchen„die Hausangestellten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 290] Anna Wölfel, „das Münchner Kindermädchen“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 125], und Franziska, die „Haushaltshilfe“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 285]. Wäsche haben. Samstag Nachmittag tanzt HillyGemutmaßt wurde hier eine nicht nachweisbare „Münchner Tanzlehrerin“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 290]. Es handelte sich aber um die bald vierzehnjährige Hilde Pariser, genannt Hilly, die am 15.4.1916 in einer privaten Veranstaltung (öffentlich nicht angezeigt) in München tanzte, eine Tochter von Erna und Ludwig Pariser, die später eine berühmte Primaballerina und Ballettmeisterin war. So auch bei Fritz Strich: „Tanzabend von Hilly Pariser.“ [GB 2, S. 373], ich gehe mit Pamela zusehen.

Bassermann u. Wegener gastieren hierAlbert Bassermann, Schauspieler vom Berliner Lessingtheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 307], gastierte am Münchner Hoftheater, wo er in Goethes „Faust“ die Rolle des Mephistopheles spielte [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 192, 14.4.1916, General-Anzeiger, S. 2] und am Münchner Residenztheater in Shakespeares „Othello“ die Titelrolle: „Herr Albert Bassermann als Gast.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 190, 13.4.1916, General-Anzeiger, S. 2] Paul Wegener, Schauspieler vom Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 302], gastierte am Münchner Volkstheater (siehe unten).. Aber im Hoftheater ist es zu teuer. Ich wäre gern mit Pamela zu „Räuber“ gegangen im VolkstheaterIm Münchner Volkstheater (Direktion: Otto Beck) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 506] stand am 15.4.1916 um 19.30 Uhr auf dem Programm: „Letztes Gastspiel: Paul Wegener vom Deutschen Theater in Berlin. Die Räuber. Schauspiel in 5 Auszügen von Schiller.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 194, 15.4.1916, General-Anzeiger, S. 2] Paul Wegener spielte in Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ die Rolle des Franz. aber das ist gerade Samstag wo wir zu Hilly sollen. |

II. Nach Tisch üben Pamela u. ich auf der GuitarreWedekind hatte am 27.1.1914 „Tilly lernt Guitarre“ [Tb] notiert, am 21. bis 23.3.1916 dann „Anna Pamela Guitarrenstunde“ [Tb]. damit wir nicht während Deiner Abwesenheit alles verlernen. Ich hab’s jetzt auch heraus, wie man stimmen muss. Dann lehre ich sie noch einige Kinderlieder am Klavier mit Begleitung. Sie begreift sehr rasch.

Nächste Woche werde ich sehen ob Fr. Baronin WedellBegegnungen mit Lida von Wedell gab es zuvor dem Tagebuch zufolge am 12.3.1916 im Hoftheater-Restaurant („HT.R. mit Tilly [...] und Baronin Wedel“) und am 21.3.1916 („Zum Thee bei Baronin Wedel mit Tilly“); sie zeichnete Tilly Wedekind am 2.5.1916 („Lydia von Wedel macht Zeichnung von Tilly“) und 3.5.1916 („Die B. Wedel zeichnet Tilly“). Lida von Wedell zeichnete aber auch Frank und Tilly Wedekind, darunter Karikaturen zu ihren Auftritten in „Marquis von Keith“ und „Hidalla“, zeitgenössisch veröffentlicht zum Auftakt des Wedekind-Zyklus vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu Berlin [vgl. Wedekind in der Karikatur. Zum Gastspiel Frank und Tilly Wedekinds im Deutschen Theater in Berlin. Zeichnungen von Lida Baronin v. Wedell, München. In: Der Welt-Spiegel. Illustrierte Halbwochenschrift des Berliner Tageblatts, Nr. 48, 15.6.1916, S. 3]. ein Bild von mir beginnen kann. Ist es Dir recht?

Von Herzen wünsche ich Dir alles Gute mein Liebster und umarme Dich innigst!

Deine Tilly |


Lieber Papa!

Wie geht es Dir? Uns geht es gut. Die Schule ist schon am 15. aus. Wir haben 14 Tage Ferien. Viele Grüße u. Küsse von
Kadidja u. Pamela!


den 13. April.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift. Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 18 x 18 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Das Papier (Einzelblätter, die von einem Doppelblatt abgetrennt wurden) ist auf Seite 4 mit drei mit Lineal gezogenen Bleistiftlinien versehen, in die hinein die neunjährige Pamela Wedekind in Kurrentschrift ihren Gruß – mitunterzeichnet für ihre Schwester Kadidja – geschrieben hat.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    13. April 1916 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
375-376
Briefnummer:
565
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 13.4.1916. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (11.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

18.01.2023 18:21