Kennung: 4099

München, 21. März 1917 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Mittwoch, 21.III.17


Geliebter Frank,

Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1917. erhielt ich gestern abends, vielen Dank!

Von Graz aus schrieb ichTilly Wedekinds Schreiben an Anna Wölfel ist nicht überliefert. AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334], dass sie Dir Butter etz. schicken soll. Sie schickte auch vor 8 Tagen, ungefähr ein Päckchen mit Butter u. ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback.. Hast Du das nicht bekommen? Zurück kam auch nichts, dann hat es wohl irgend wer behalten. Vorgestern schickten wir einen Carton mit 6 Eiern, einen Carton mit ⅘ Butter, einem Päckchen ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback. u. einem Gläschen Honig. | Es wäre schon unglaubll/i/ch, wenn Du das alles nicht bekämst. Gestern schickten wir noch 3 Tafeln Schocolade als Muster ohne Wertpostalische Kategorie; mit dem Betrag von Briefporto frankierte Warensendungen, etwa bei Warenproben [vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon. Bd. 16. Leipzig 1908, Beilage zu Artikel „Porto“ S. 170: „Portotarif und Postgebühren im Deutschen Reich“]., eingeschrieben. Heute schicke ich Dir noch 2, ungefähr 15 cm lange Endchen Wurst u. ein Stück gebratene Lende. Wenn nur alles hinkommt! Kannst Du nicht durch die Leute im Clubin der Deutschen Gesellschaft 1914 (Wilhelmstraße 67), die Wedekind täglich aufsuchte, auch zum Essen. zu Lebensmitteln kommen? Sardinen könntest Du Dir vielleicht auch besorgen, für VormittagsSchreibversehen, statt: vormittags. oder abends.

In Oesterreich giebtsSchreibversehen, statt: gibt’s (gibt es). noch herrliche Dinge. Es lohnte sich schon, im Sommer hinzufahren u. sich satt zu essen. |

Vielleicht schreibst Du mir Deine Zimmer Nummer, dann kann ich sie auf der Adresse angeben. Wenn Du übrigens die MarkenLebensmittelmarken, kriegsbedingt. wegen des Datums theilweise nicht verwerten kannst, würde ich Dich bitten sie mir zurückzusenden.

Die Woche spielt/s/t Du also 2malWedekind spielte den Dr. Schön in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin in der laufenden Woche am 21.3.1917 (Mittwoch) und am 24.7.1917 (Samstag) [vgl. Tb], dann wohl noch nächste Woche 3malWedekind spielte den Dr. Schön in der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung in der nächsten Woche am 27.3.1917 (Dienstag), am 28.3.1917 (Donnerstag) und am 31.3.1917 (Samstag); weitere Auftritte folgten in der Woche darauf am 2. und 5.4.1917 sowie der letzte Gastspielauftritt am 7.4.1917 [vgl. Tb]..

Wie war’s mit Reinhard/tWedekind hatte sich von der Begegnung mit Max Reinhardt am 19.3.1917 etwas versprochen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 18.3.1917 (Postkarte)], sie war aber nur flüchtig [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 25.3.1917]./? Was sagt man eigentlich in Berlin zu Russland„Infolge der Februarrevolution war der russische Zar am 15.3.1917 zur Abdankung gezwungen und eine Provisorische Regierung gebildet worden. Das Thema beherrschte die Titelseiten der deutschen Presse in den nächsten Tagen. In Zeitungen wie dem ‚Berliner Tageblatt‘ wurde die sog. Parlamentarische Revolution begrüßt und vor einer Gegenrevolution wegen bestehender Konflikte zwischen der provisorischen Regierung einerseits und den Arbeiter- und Soldatenräten andererseits gewarnt.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 342] Wilhelm Herzog notierte am 26.3.1917 in Berlin: „Später mit Wedekind zusammen. Über Rußland.“?

Eben kam das Geld400 Mark [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.3.1917]. Wedekind hat im Kontobuch ohne Tagedatum im März 1917 unter den Ausgaben notiert: „An Tilly per Postanw. 400“ Mark., ich danke Dir herzlichst. Hat die Orska nichts gesagt, dass ich ihr zu ihrem Geburtstag telegraphiertTilly Wedekinds Telegramm an Maria Orska vom 16.3.1917 ist nicht überliefert. habe? Für den ParfümMaria Orska schenkte Tilly Wedekind französisches Parfum [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917]. | muss ich ihr noch danken. War wieder von „Tod u. Teufel“ die Rede? Es wäre so schön, wenn wir das zusammen in Berlin spieltenEine „Tod und Teufel“-Inszenierung am Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin, für die Maria Orska sich als Darstellerin der Lisiska vorgeschlagen hatte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 14.3.1917], kam nicht zustande.!

Eulenberg ist ja glaub ich als Burgtheater Director in Aussicht genommenDie Presse hatte über Spekulationen zur Besetzung des vakanten Direktorpostens am Wiener Hofburgtheater berichtet und dabei auch den Namen von Herbert Eulenberg als möglichen Kandidaten genannt: „Im Laufe des heutigen Tages traf in der Direktion des Burgtheaters die offizielle Mitteilung ein, daß das Rücktrittsgesuch Hugo Thimigs in zustimmendem Sinne erledigt worden sei. [...] Die Frage der Nachfolge wird selbstverständlich in Theaterkreisen überaus lebhaft besprochen, und die Zahl der Kandidaten wächst von Stunde zu Stunde [...]. Unter den Kandidaten, die gestern und heute genannt worden sind“, befinde sich der „Schriftsteller Herbert Eulenberg“ [Der Rücktritt Hugo Thimigs. In: Neue Freie Presse, Nr. 18884, 19.3.1917, Nachmittagsblatt, S. 6].? Morgen Nachmittag kommt Frau Morena-Herzog mit ihrem KindDie seit dem 22.12.1914 mit Wilhelm Herzog verheiratete Schauspielerin Erna Morena mit ihrer knapp 2 Jahre alten Tochter Eva-Maria Herzog (genannt: Lolo, geboren am 2.4.1915). Wedekind hat Erna Morena dem Tagebuch zufolge zuletzt am 7.11.1916 gesehen („Zum Thee bei uns Herzog und Frau“). Sie spielte im Stummfilmdrama „Lulu“ (Regie: Alexander von Antalffy, Produzent: Paul Davidson), frei nach Wedekinds „Erdgeist“ gedreht und uraufgeführt am 7.11.1917, die Titelrolle. zu uns, Frau Dr. Rosenbusch Ida Rosenbusch (geb. Ansbacher) war seit 1892 mit Justizrat Dr. Julius Rosenbusch verheiratet, den Wedekind am 27.12.1916 und 31.12.1916 in geselliger Runde getroffen hat [vgl. Tb].u. Frau Baronin WedellLida von Wedell, die Tilly Wedekind im Vorjahr porträtiert und auch Frank Wedekind gezeichnet hat. Die zuletzt stattgefundenen Treffen mit ihr notierte Wedekind im Tagebuch am 12.11.1916 („Baronin Wedel zum Thee“) und 13.12.1916 („Mit Tilly und der Baronin Wedel in der T.St.“) im Weinlokal Zur Torggelstube., vielleicht auch die VaneSybil Vane, mit Tilly Wedekind befreundet.. Gestern lag ich zu Bett, weil ich einen starken Bronchialkatarrh hatte, werde auch heute noch nicht ausgehen.

Viele BusserlnKüsse. von den Kindern.

Sei innig umarmt Lieber
von
Deiner Tilly

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat oben auf Seite 1 mit rotem Buntstift das Datum „21.III.17“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    21. März 1917 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
446-447
Briefnummer:
684
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 21.3.1917. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (11.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

23.02.2023 22:25