Kennung: 4183

Zürich, 30. November 1917 (Freitag), Postkarte

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly

Inhalt

Geliebteste Tilly! Das Schreibmaterial ist so schlecht daß ich dir von nun an lieber täglich eine Karte schreibe als Briefe mit Unterbrechung. Die 600 M.600 Mark; der Bitte seiner Frau nach Geld [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917] nachkommend hat Wedekind die Dresdner Bank Filiale München sogleich mit der Überweisung beauftragt und den Betrag von 600 Mark „An Tilly“ am 3.12.1917 im Kontobuch unter Dresdner Bank notiert. von der Dresdner Bank hast du hoffentlich schon erhalten. Vielleicht bezahlst Du davon auch die M. 19.19 Mark. Die Rechnung des Münchner Tuch- und Herrengarderobegeschäfts Wanner und Hecht (Dienerstraße 9) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Handels- und Gewerbe-Adreßbuch, S. 237] belief sich auf 19.50 Mark [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.11.1917]. an Wanner und Hecht. In Davos war es sehr schönWedekinds „Herakles“-Lesung am 28.11.1917 im großen Kurhaussaal in Davos, veranstaltet von der dortigen Literarischen Gesellschaft, war den „Davoser Blättern“ vom 29.11.1917 zufolge „ein voller Erfolg. Der dicht gefüllte große Kurhaussaal folgte dem prägnanten Vortrag der Herakles-Tragödie in atemloser Spannung.“ [KSA 8, S. 928] Und im Heft vom 8.12.1917: „Wedekind, in kühner, aufrechter Haltung, sprach zunächst in freiem Vortrag den Prolog seiner neuen Tragödie; dann setzte er sich auf dem turmartigen Podium auf einen leichten und mobilen Sessel und wetterte nun durch die Seiten seines schmalen Buches. Federnde Spannkraft hielt seinen Körper in straffer Haltung, packende Energie umriß das Mienenspiel. Draufgängerisch wurden die ersten Szenen durchjagt, kaum ein Atemschöpfen trennte Bild von Bild, dann und wann überschlugen die Finger eine Szene, während rasche Worte die Verbindung herstellten, dann prasselte wieder ungestüm die Wechselrede des meisterhaft geprägten Dialogs. Das dicht gedrängte Auditorium hing lautlos an diesem gebietenden Munde“ [KSA 8, S. 928f.]; die „Davoser Zeitung“ vom 30.11.1917 berichtete: „Frank Wedekind las – bis auf zwei Szenen – den ganzen Herakles, sein neuestes Werk. [...] Er las schnell, fast ohne Pausen, in vorzüglicher Sprachtechnik jedes Wort scharf herausarbeitend [...]. Ein fanatischer Wahrheitssucher sprach zu uns, ein Dichter, der sich seiner hohen sittlichen Aufgabe bewußt ist, der in seinem künstlerischen Ernste keine Konzessionen kennt.“ [KSA 8, S. 928] obschon ich in der Nacht vor dem Vortrag infolge Erkältung einen jämmerlichen Brechdurchfall hatte aber sonst verlief alles in schönster Harmonie. Gestern AbendWedekind notierte am 29.11.1917: „Erdgeistvorstellung im Pfauentheater“ [Tb] – nach seiner „Erdgeist“-Gastspielpremiere am 6.11.1917 im Stadttheater Zürich eine weitere Vorstellung um 19.30 Uhr nun im Pfauentheater: „Im Pfauentheater ist für den Donnerstag eine Wiederholung in gewohnter Weise von Wedekinds ‚Erdgeist‘ angesetzt. Wedekind wird wieder den Dr. Schön spielen. Es ist dies für längere Zeit das letzte Gastspiel Wedekinds an unserer Bühne. Beginn 7½ Uhr.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 138, Nr. 2247, 29.11.1917, 1. Morgenblatt, S. (3)] letzte Erdgeistvorstellung. So habe ich nur noch den Vortrag in Aarau am 6.am 6.12.1917, an dem Wedekind seine „Herakles“-Lesung in Aarau notierte: „Vortrag in Aarau.“ [Tb] wenn der Agentder Impresario Michael Kantorowitz in Zürich (Dufourstraße 44), „Konzertdirektion, Theaterverlagsvertretungen, Schweizer Redaktion des ‚Theater Courier‘“ [Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 286]. nicht noch einen Vortrag in der Zwischenzeit arrangiert. Ich freue mich sehr nach der Rückkehr Überfürchtenichts mit dir zu spielenFrank und Tilly Wedekind traten nicht mehr zusammen auf; „Überfürchtenichts“ wurde erst posthum uraufgeführt.. Wegen der Turnée in BellgienSchreibversehen, statt: Tournee in Belgien. Die Tournee hat Fritz Horwitz vorgeschlagen [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917]. bitte ich Dich, Herrn Horwitz zu sagen, daß ich im Prinzip damit einverstanden wäre. Unter | Uns gesagt möchte ich nur zuerst erfahren was in Berlin am Schillertheater mit Herrn Saltenburg los istWedekind bezieht sich auf ein Gerücht, der Schauspieler und Regisseur Heinz Saltenburg werde durch die Bühnen Max Reinhardts das von der Schillertheater-Aktien-Gesellschaft betriebene Schillertheater (Direktion: Max Pategg) in Berlin [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 306] als Direktor übernehmen; in einer Pressenotiz war das bereits dementiert: „Die von anderer Seite gebrachte Nachricht, daß der ‚Reinhardt-Konzern‘ durch die Uebernahme des Schiller-Theaters O. unter dem neuen Direktor Heinz Saltenburg um ein neues Theater bereichert werden solle, ist nach einer Mitteilung der Direktion des Deutschen Theaters unzutreffend.“ [Theaterchronik. In: Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 570, 7.11.1917, Abend-Ausgabe, S. (2)]. Das werde ich wissen sobald ich in München bin. Ich komme also voraussichtlich zwischen 6. und 12.zwischen dem 6. und 12.12.1917. Der PaßWedekind hatte von der Münchner Polizeidirektion das gewünschte Passvisum erhalten, welches er die Behörde nun noch dem Deutschen General-Konsulat in Zürich zu übermitteln bat [vgl. Wedekind an Polizeidirektion München, 30.11.1917]. scheint in Ordnung zu sein. Herzlich küßt und umarmt Dich und die Kinder
Dein Frank


Adresse des Absenders. – Text.
Adresse de l’expéditeur. – Texte.
Indirizzo del mittente. – Testo.


Postkarte. Carte postale
Cartolina postale

SCHWEIZ SUISSE SVIZZERA


Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50 III

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. 9 x 14 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hoch- und Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Textaufdruck zur Absenderadresse steht um 90 Grad gedreht über dieser. Die Postkarte ist mit einer aufgedruckten Briefmarke von 10 Rappen frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Poststempels – 30.11.1917 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Poststempel Zürich: „4 – 5“ (= 16 bis 17 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
480
Briefnummer:
729
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (11.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.03.2023 13:52