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5.V.1914.
Lieber
Frank!
Ich bin auf den Brief vgl. Frank Wedekind an Friedrich Strindberg, 4.5.1914. Der Brief ist nur als Entwurf überliefert. Der abgeschickte Brief war offenbar ausführlicher und muss auch Vorbehalte Wedekinds gegen Stoff und Handlung von Friedrich Strindbergs Drama „Menschenrecht“ enthalten haben, mit dem er seinen Namen nicht in Verbindung gebracht wissen wollte. vernichtet. –
Ich will und kann unmöglich mir gegenüber entschuldigen, was
ich nicht etwa als beleidigende Tendenz, sondern als Drama, als künstliches
Phantasiegebilde nahm. In Wahrheit ist es ja eine schlimme Phantasieverirrung
für den, der das ganze vom subjektiven Standpunkt beurteilt. Und das sah ich
früher ein: – ich schrieb nicht umsonst darin die Idee nieder, daß dieser
individualistische Gegensatz zu ewigen Schreibversehen, statt: ewigem. Unfrieden, zu vernichtenden
Tatsachen in der
Weltgeschichte führt. Es muß zu Unheil führen: nach einem (
Auch verstehe ich nur jetzt zu gut: warum meine Großmama
Unheil witterte Seine Großmutter Marie Uhl gehörte zu den von Friedrich Strindberg später genannten Personen, denen er sein Stück vorgelesen hatte [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 9.5.1914]..
Als ich den letzten so lieben Brief erhielt, dachte ich
„Menschenrecht“ werde ein Unterpfand unserer Liebe. Wenn im Drama ein bischen
Kunst schlummert, – ich kann es nicht beurteilen, – so bitte ich Dich, nicht d
Daß ich den Stoff wählte, danke ich einem – bei uns sagt man
– Rausch, d. h. nicht von Bier, sondern diversem anderen. Weil ich nach dem hohen
Muster Paul Verlaine war bekannt für seine Trunksucht und galt als der Dichter des Absinths. von Verlaine glaubte, daß das eben alles gut sein muß, was einem in
benebeltem Zustand einfällt, kam ich zu dem Drama, | das mir nur dazu dienen
sollte, zu sagen, wie unangenehm eventuell eine verbitterte Jugend sei (Lida.eine Figur aus dem nicht überlieferten Drama „Menschenrecht“; vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 6.4.1914.);
auszusprechen wie der Konfli
Daß aber die Widmung Du übel auffaßt, daran dachte ich nicht.
Es war doch auf keinen Fall nominell gemeint ist hier: namentlich.
gemeint. Sie steht noch nirgends und wenn,
so würde sie wie ich mir erst | gestern zurechtlegte, lauten:
Ich schreibe
Ich gab mich Dir immer ganz offen, nur offen Zwischen den beiden Worten befindet sich ein durchgestrichener Tintenfleck., so herzlich
ich eben konnte. Bitte verzeihe, aber Du wirst doch auch der Meinung sein, daß
von irgendeiner BöswilligkeitFriedrich Strindberg reagierte hier anscheinend auf eine Unterstellung Wedekinds; der Vorwurf der „Bosheit und Gehässigkeit“ gegenüber seinem Sohn kehrt in späteren Briefen Wedekinds wieder [vgl. Wedekind an Friedrich Strindberg, 24.8.1914 und 17.9.1914]. nur die Rede sein kann, wenn ich es etwa so
aufgefaßt hätte. Aber mir lag alles ferner als das.
Mir kommt vor, daß ich bisher recht viel Verdrießlichkeiten
Dir angetan |
2.
habe, das Unangenehmste, dessen ich mich erinnere. Aber ich
sage es, um mich über mich selbst nicht hinwegzuteuschen Schreibversehen, statt: hinwegzutäuschen.. Auch ich will gern um
unsrer dauernden Freundschaft willen etwas entsagen.
I
Nun bin ich bereit die Exemplare nach München zu senden –
nur als Symbol etwa
Ich bin zwar sicher, daß mir in meinem zukünftigen
Lebenskampf (– der hoffentlich bald losgeht –)
ich kein besseres Schicksal erwarten kann, als viele andre. Das ist mir
eventuell gleich, denn es wird nicht zu ändern sein. Auch weiß ich nur zu gut,
daß mein künftiges Lebenben
Doch abgesehen davon.
Nimm bitte das Stück – wenn es halbwegs noch möglich ist –
nicht zu ernst. Als künstlerisches Erzeugnis ist es glaube ich nicht das
schlechteste. Das Persönliche bitte ich Dich, nicht zu beachten. Überhaupt gar nicht dessen zu
gedenken. Fasse also auch bitte die gedachte Widmung nicht so auf; nicht wahr,
Du verzeihst, wenn ich Dich darum bitte, gedenke nicht des Vergangenen.
Auch sagte ich, daß es kennzeichnend für alles sei, daß man
jedes Stück (
Nicht wahr, Du verzeihst dies alles; Ich weiß nicht, ob Dir
alles genügt. Daß ich Dich gern habe, soll uns nicht entzweien, sondern mich
Dir näher bringen. Ich sehe mich Dir nahe; nahe, daß ich nur emporschauen kann,
aber nicht in kalter Bewunderung, sondern in Liebe. Denn nur die bringt
angenehmes ins Leben;
sei es so oder so. Über „ Men.“ warte ich völlig Deine Verfügungen ab. Bitte!
In herzlicher Liebe
Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben
Als Schreibort darf Salzburg angenommen werden, wo sich Friedrich Strindbergs Internat befand.
Salzburg
5. Mai 1914 (Dienstag)
Sicher
Salzburg
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 5.5.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (10.12.2025).
Tilman Fischer