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[1. Briefentwurf:]
An die tit.
in seiner Drama Das Das wäre aber wiederum unrichtig.
Denn in der Besprechung
Hochachtungsvoll ergebenst
[2. Druck im „Berliner
Tageblatt“:]
Sehr geehrter Herr!
In seiner Besprechung vom 1. November 1908 wirft mir das „Berliner Tageblatt“ mein Sittengemälde „Musik“ vor die Füße und behauptet, dabei umgekehrt zu verfahren, als wie es mit meiner Kindertragödie „Frühlingserwachen“ verfahren ist. Das ist unrichtig. Mein Drama „Frühlingserwachen“ wurde vom „Berliner Tageblatt“ fünfzehn Jahre lang totgeschwiegen. Eine literarische Arbeit fünfzehn Jahre lang totzuschweigen, ist aber jedenfalls mindestens ebensowenig liebenswürdig, als wie sie dem Verfasser zwei Jahre nach ihrem Erscheinen vor die Füße zu werfen. Nun könnte das „Berliner Tageblatt“ einwenden, daß es sich mit dramatischen Arbeiten nicht eher befaßt, als bis sie auf der Bühne erschienen sind. Das wäre aber wiederum unrichtig. Denn in der Besprechung über „Musik“ urteilt das „Berliner Tageblatt“ schon in den schärfsten Ausdrücken über mein Stück „Oaha“, das noch gar nicht gespielt wurde und in den nächsten Jahren voraussichtlich auch nicht gespielt werden wird.
In seiner blinden Wut unterschlägt das „Berliner Tageblatt“ seinen Lesern überdies vollständig die Aufnahme, die mein Stück „Musik“ beim Publikum gefunden hat. Diese Tatsachen zusammen genommen drängen mir die Frage auf, ob sich ein Schriftsteller in Deutschland nicht vielleicht auch trotz des „Berliner Tageblattes“ in vollkommenem Gegensatz zum „Berliner Tageblatt“, entwickeln kann, eine Frage, die mir wichtig genug scheint, um mit Ernst und Gründlichkeit erwogen zu werden. Gegen entstellte oder gekürzte Wiedergabe dieser wenigen Zeilen bin ich bereit, mich ausdrücklich zu verwahren.
Hochachtungsvoll
ergebenst
Frank Wedekind.
Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben
Der 2.11.1908 ist als Ankerdatum gesetzt. Wedekind dürfte den Brief, der auf eine Besprechung reagiert, die das „Berliner Tageblatt“ am 1.11.1908 veröffentlicht hat, entweder gleich oder den Tag darauf verfasst und nach Berlin abgeschickt haben, so dass er am 3.11.1908 als offener Brief in der Abend-Ausgabe erscheinen konnte. Einen Tag nach Erscheinen vermerkte Wedekind: „Eingeschriebener Brief an das Berliner Tageblatt.“ [Tb 4.11.1908] Dieser Vermerk bezog sich wohl kaum auf diesen, sondern auf einen anderen, nicht überlieferten Brief [vgl. dagegen KSA 5/III, S. 368], der lediglich als Briefentwurf erhalten ist [vgl. Wedekind an Berliner Tageblatt, 4.11.1908].
München
2. November 1908 (Montag)
Ermittelt (sicher)
München
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Frank Wedekind an (Zeitung) Berliner Tageblatt, Theodor Wolff, 2.11.1908. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (10.12.2025).
Ariane Martin